Tannjew
2003-10-13, 18:39:05
Kennt jemand eine gute Erklärung bzw. Zusammenfassung über die Gnosis / Gnostizismus? Ich habe ein wenig im Internet gesucht, aber was ich bisher finden konnte war teilweise widersprüchlich und außerdem noch spärlich gesät. Im WDR habe ich mal einen Teil eines Berichtes gesehen, der sich mit diesem Thema befasste, aber die Infos darin waren ebenfalls widersprüchlich zu dem, was ich im Internet lesen konnte. Würde mich über eure Hilfe freuen :-)
nggalai
2003-10-14, 13:45:28
Hi Tannjew,
zusehr ins Detail kann ich ned gehen, da ich meine Unterlagen nicht hier (i.e. im Büro) habe. Also nur ein knapper Abriss:
"Gnosis" kam in der Spätantike, vorwiegend so um Griechenland rum auf. Dabei handelt es sich beim Begriff "Gnosis" um einen Sammelbegriff von Dutzenden von Splittergruppen, die indische, mythologische, judäische und viele weitere Einflüsse in eigenen Weltanschauungen kombinierten. Gemein hatten die alle miteinander eine gewisse "Neutralität": Nicht Gott > Teufel, sondern Gott <=> Anti-Gott, also auf gleicher Stufe. Man könnt's als strengen Dualismus anschaun. "Gut" und "Böse" macht in der Hinsicht auch nicht viel Sinn; die "alten" Gnostischen Lehren haben einfach immer so Päärchen gesehen und gebildet, die erst dadurch, dass eben immer ZWEI davon da sind, "Energie" und "Sinn" haben bzw. machen. Das Universum und die Welt wäre dann sozusagen durch einen Fehler entstanden, weil, im perfekten Gleichgewicht gäb's das nicht resp. es wäre einheitlicher, ohne Unrecht etc. Manche gingen dann so weit zu sagen, dass der Schöpfergott wahnsinnig gewesen sein muss, wenn man unsere kaputte Welt so anschaut, und dass Satan/Luzifer/der Teufel der eigentliche Erlöser ist resp. sein wird.
Verschiedene gnostische Gruppen sahen das dann ein wenig gemässigter an, und haben die Personifizierung an und für sich abgeschafft. Anstelle von Demiurgen und Lucifern gab's dann nur noch die göttliche Kraft, die Schöpfungskraft, die Lebensenergie etc. Und weil's halt keine Person "Gott" oder "Satan" gibt, kann man das Göttliche nur durch sich selbst, direkt erfahren. Daher auch das Wort "Gnosis": Erfahrung/Wissen, also NICHT Glauben. Die Figur von Lucifer z.B. ist für die Leute nur noch als Metapher zu verstehen: Der "Lichtträger", der die Illumination jedes einzelnen ermöglicht.
Mitm stärkeren Einfluss des Christentums wandelte sich die Gnosis dann in Richtung Neugnosis um. Stichworte wären da dann "Gott ist überall" oder "Gott ist in uns allen" oder auch der bekannte Satz ausm Thomas-Evangelium "Ich bin das Licht, das über allen ist. Ich bin das All; das All ist aus mir hervorgegangen, und das All ist zu mir gelangt. Spaltet das Holz, ich bin da. Hebt einen Stein auf, und ihr werdet mich dort finden."
Entsprechend hatte die katholische Kirche an solchem Gedankengut nicht viel Spass, und hat die Gnostiker ziemlich heftig verfolgt. Naja, ohne personifizierten Gott und ohne Hierarchie (weil ja jeder das Göttliche erfahren kann braucht's keine Priester mehr) hätten's nicht mehr viel zu tun. Noch heute gilt für strenge katholische Mütze alles, was in Richtung "Gnosis" geht, als satanisch / Satanismus. Manche Verschwörungstheoretiker gehen sogar soweit, dass die Jesuiten nur gegründet wurden, um die Gnostiker zu finden und auszuschalten . . .
Moderne Gnostische Strömungen gibt's einige. Viele Teile des Spiritismus können dazu gehörig angesehen werden, moderner Satanismus ist gnostisch, Thelema ist gnostisch, Freimaurertum z.T. auch, ebenso viele Freikirchen.
Hope this helps,
-Sascha.rb
P.S. Sehr gut möglich, dass es da oben noch ein paar Fehler drin hat. Wie schon gesagt, hab' mein Zeuch nicht hier. :( Wenn's wer verbessern kann, bitte machen. :) -.rb
Haarmann
2003-10-15, 10:27:34
Tannjew
Ich werde nggalai mal ergänzen versuchen und ev ein paar neue Aspekte bringen.
Den Gnostizismus kannste im Prinzip abhaken, denn das ist nur ein Sammelbegriff, damit die Katholiken wohl ne "Schublade" für diese Leute hatten. Wenn Du z.B. http://www.gnosis.org/naghamm/nhl.html da nachsiehst, wirste den strengen Dualismus vermissen und all die anderen alten "christlichen" Strömungen, die vorm Konzil waren, werden da auch fehlen. In einem historisch angehauchten Kontext fand ich auch mal ne ganz andere Definition von Gnostikern - er bezeichnete diese Leute als Freidenker und sagte gleichzeitig aus, dass alle Nationen, in denen das je praktiziert wurde, jeweils ihrer Zeit jeweils weit voraus waren.
Würdest Du nun den Oben genannten Link komplett durchlesen, so hättest ein vielschichtiges Bild, aber auch kein Komplettes, denn ich hab mal nur den "historischen" Teil der Seite genommen. Was Du allerdings siehst sind alte Texte, die sich zum Teil erheblich von den späteren Texten, die angeblich identisch sein sollen, unterscheiden. Da diese Texte zudem die ältesten in der Welt sind, die noch existieren, kann man davon ausgehen, dass sie dem Original am Nächsten standen. Ich finde diese Texte mit alle ihren Übersetzungen, sehr interessant.
P.S. Freimaurer als Gnostiker zu bezeichnen stösst bei mir seltsam auf. Dazu müssten die Freimaurer gleichberechtigt organisiert sein *hust*. Selbiges gilt für Freikirchen.
naggalai
Also mit den Jesuiten hör ichs das erste mal - bei mir waren immer die Dominikaner die Herren Inquisitoren und Chefbrennmeister.
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