Quantar
2004-06-17, 15:31:41
Tja, gute frage. es verdienen ja einige zum gut daran. die tatsache habe ich aus einem sehr interessanten buch. hier mal ein kleiner ausschnitt(ist ein fiktionaler brief, übernehme keine haftung für gewisse "fiktionale fehler"). ist jedoch ne menge wares dran:
Im ersten Teil haben wir herausgefunden, dass nicht die Technik
oder die Wissenschaft schuld sind an der Misere der Welt, sondern
die Industrialisierung, sprich, die Wirtschaft. Und obwohl unser Lebensstandard
den jedes mittelalterlichen Potentaten locker in den
Schatten stellt, haben wir alle nur eines im Kopf: Wachstum! Immer
mehr und mehr Wirtschaftswachstum, die Vorräte der Erde noch
schneller aufbrauchen, die Müllhalden immer höher auftürmen.
Aber warum eigentlich? Das ist die Hauptfrage: Warum rackern sich
denn eigentlich alle ab wie blöde?
Normalerweise sagt man darauf, dass wir Menschen eben gierig sind
und nie genug bekommen können. Eine Antwort, die den Vorzug hat,
einfach, und den Nachteil, falsch zu sein. Denn schaut euch doch um,
mit wie wenig die meisten zufrieden sind. Fette Pommes, Bier und
Fußball – damit sind viele schon glücklich. Es mag ein paar
Gierhälse geben, aber die Mehrzahl der Leute ist mit so wenig zufrieden,
dass es einem grausen kann.
Nein, guckt genauer hin. Falls ihr noch mit euren Eltern redet, redet
mit ihnen. Sie werden euch erzählen, dass sie sich deshalb so ins
Zeug legen, weil sie es müssen. Weil, egal wie man sich abrackert,
man das Gefühl hat, nie hinterherzukommen mit allem, was man zu
zahlen hat. Selbst wenn das Einkommen steigt, die Ausgaben steigen
noch stärker, die Preise, die Steuern, die Gebühren, alles. Wie Alice
im Wunderland muss man so schnell rennen, wie man kann, nur um
da zu bleiben, wo man ist.
Und das, Freunde, Römer, Landsleute, liegt an einem dummen,
kleinen Konstruktionsfehler unseres Wirtschaftssystems. Eine Lappalie
eigentlich, aber vergesst nicht – diese Lappalie ist dabei, unseren
Planeten zu zerstören. Kleine Ursache, große Wirkung.
Dass irgendetwas nicht stimmt, dass der Fehler im System liegt, das
Gefühl plagt die Menschen schon lange. Man hat den Fehler zuerst
im Geld selbst gesucht. Junge, was ist auf Geld schon geschimpft
worden. Keine Religion und kein Moralapostel, der es nicht verflucht
hat – aber im Klingelbeutel haben sie es doch immer gern genommen.
Trotzdem, Freunde, am Geld liegt es nicht. Wir könnten das
jetzt lang und breit diskutieren, wenn der Platz und eure Leselust
dazu reichen würde; da beides nicht der Fall ist, hier nur das Endresultat:
Geld an sich ist eine tolle Erfindung, und es ist unschuldig.
Der nächste Verdächtige waren immer die Zinsen. Wie ihr euch aus
dem Mathematikunterricht erinnert, ist die Zinsrechnung nicht einfach
und führt mitunter zu überraschenden Ergebnissen, weil sich
das Ganze über den Zinseszins, also den Zins auf die Zinsen, rasch in
unanschauliche Dimensionen potenziert. Den meisten Menschen sind
Zinsen von daher eher unheimlich, aber im Grunde sind die Zusammenhänge
einfach. Wenn einer einem anderen Geld leiht, will er was
davon haben, und eine gute Lösung ist, dass ihm der andere
sozusagen Miete zahlt für das geliehene Geld, wie man Miete zahlt
für einen Leihwagen. Und die Miete für Geld heißt Zins. Klar, wenn
sich einer viel borgt, kann ihn das ordentlich ins Schwitzen bringen,
wenn er sich das vorher nicht gut überlegt. Und einer, der viel Geld
hat, mehr als er braucht, der kann gut verleihen und eine Menge Miete
beziehungsweise Zins dafür kassieren, womöglich so viel, dass er
außer Geldverleihen überhaupt nichts anderes mehr tun muss.
Das war unseren meist eher nicht so schlauen Vorfahren ein Dorn im
Auge – vielleicht waren sie auch einfach nur neidisch –, jedenfalls
war das Verbot, Zinsen zu nehmen, immer wieder ein Thema in der
Geschichte. Weil die Juden es durften und die christliche Kirche es
verbot, gab es allerlei hässliche Massaker, und, o seltsame Eintracht,
auch in den Statuten der Faschisten nahm das Verbot des
Zinsnehmens einen prominenten Platz ein, begründet damit, dass ein
arbeitsloses Einkommen unmoralisch und verwerflich sei.
Trotzdem sind selbst in Zeiten kirchlicher Zinsverbote immer Zinsen
gezahlt worden, weil es immer die Notwendigkeit gab, sich Geld zu
leihen. Für manche Dinge braucht man einfach einen ganzen Batzen
Geld auf einmal, damit man sie überhaupt tun kann.
Es wäre zum Beispiel Unsinn, sein ganzes Leben lang zu sparen, um
sich erst mit achtzig ein Haus zu bauen. Besser, man baut es früher
und spart sozusagen nachträglich, selbst wenn es dadurch mehr
kostet. Oder jemand, der sich selbstständig machen will, als
Handwerker etwa: Er braucht seine Maschinen und Werkzeuge von
Beginn an, damit er überhaupt arbeiten und Geld verdienen kann,
also ist es sinnvoll, er leiht sich das nötige Geld und zahlt es in Raten
zurück. Wollte man das verbieten, müsste er arm bleiben.
Trotzdem wird es schon warm. Im Geflecht von Geld und Zinsen liegt
der Konstruktionsfehler verborgen. Wir kommen gleich dazu.
Zunächst möchte ich euch in Erinnerung rufen, dass im normalen
Leben das Geld ein Kreislauf ist. Ihr kauft euch beim Laden um die
Ecke eine Cola. Euer Geld wandert in die Kasse, und der Inhaber
des Ladens zahlt damit die Rechnung der Getränkefirma. Die
Getränkefirma kauft einen neuen Computer und zahlt ihn, unter anderem,
mit dem Geld, das einst in eurer Tasche war. Euer Vater arbeitet
bei dieser Computerfirma, die ihm von dem eingenommenen
Geld sein Gehalt zahlt, von dem er wiederum euer Taschengeld
herausrückt. Und so weiter.
Ihr habt sicher schon einmal das berühmte Spiel MONOPOLY gespielt.
Am Anfang ist man knapp bei Kasse, wandert unbeschwert
über den Spielplan und überlegt sorgfältig, welche Straßen man sich
leisten kann zu kaufen. Gegen Ende baut man Häuser und Hotels in
Masse, kassiert atemberaubende Mieten und schwimmt im Geld. Nun
die Preisfrage: Wo ist all dieses Geld eigentlich hergekommen?
Schaut genau hin. Abgesehen von ein paar kleineren Beträgen, die
von Ereigniskarten stammen, ist alles Geld dadurch ins Spiel gelangt,
dass immer wieder jemand über »Via!«, das Startfeld also, gezogen
ist und jedes Mal die berühmten 20000 Lire eingezogen hat.
Und nun überlegt mal, wie das im wirklichen Leben zugeht. Auch da
gibt es ja eine bestimmte Menge Geld, die in Umlauf ist, und diese
Menge kann nicht immer gleich bleiben. Die Wirtschaft wächst, wie
besessen sogar, also braucht sie auch mehr Geld. Woher kommt es?
Natürlich ist es kein Problem, Geldscheine zu drucken – darum geht
es nicht. Die Frage ist: Wie kommen sie ins Spiel? Ich habe noch nie
einen Brief von der Zentralbank bekommen, in dem etwas in der Art
stand: »Auch dieses Jahr ist es wieder notwendig geworden, die im
Umlauf befindliche Geldmenge zu vergrößern. Jeder Bürger erhält
deswegen fünfhunderttausend Lire ausbezahlt, siehe beiliegende
Geldscheine.« Ich wette, ihr auch nicht, und auch sonst niemand.
Aber wie funktioniert es dann? Wie kommt neues Geld ins Spiel?
Und sagt jetzt nicht, das interessiert euch nicht. Es sollte euch inter587
essieren. Denn hier versteckt sich der Konstruktionsfehler.
Das, was ich jetzt erkläre, lernt man nicht in der Schule. Wir wissen
alle, dass man in der Schule ohnehin nichts lernt, was man im Leben
brauchen könnte, deshalb nehmt es als Gütesiegel. Wer skeptisch ist,
kann die Zusammenhänge in Büchern über Wirtschaft und Finanzwesen
nachlesen; das Stichwort heißt ›Geldschöpfung‹.
Angenommen, die oben erwähnte Getränkefirma will eine neue Abfüllanlage
bauen. Sie nimmt dazu einen Kredit bei ihrer Bank auf.
Normalerweise verleiht die Bank das Geld aus den Einlagen, die
Sparer bei ihr deponiert haben, aber angenommen, sie ist gerade ein
bisschen knapp, weil viele Kredite laufen. In dem Fall wendet sie
sich an die Zentralbank. Die Zentralbank darf Kredite vergeben,
ohne dass sie dazu Einlagen brauchte. Sie kann sie sozusagen aus
dem Nichts erschaffen und auf diese Weise neues Geld ins Spiel
bringen. Hier kann jede Bank zusätzliches Geld bekommen, natürlich
ebenfalls in Form eines Darlehens, also gegen Sicherheiten und zu
einem feststehenden Zinssatz, dem so genannten Diskontsatz. Der
steht jeden Tag im Wirtschaftsteil der Zeitung, schaut einmal nach.
Festgelegt wird er von der Zentralbank selbst, und zwar nach folgendem
Prinzip: Wenn die Zentralbank glaubt, dass mehr Kredite
aufgenommen werden, als der Wirtschaft gut tut, erhöht sie den Diskontsatz,
wodurch Kredite teurer und entsprechend weniger interessant
werden. Umgekehrt kann sie durch Senken des Diskontsatzes
Kredite billiger machen und damit attraktiver für Investitionen. Der
Diskontsatz ist also eine Art Steuerungsinstrument für die Wirtschaft.
Klingt gut, oder? Dabei ist es der größte Blödsinn. Millionen von
Bankkaufleuten lernen das und finden es großartig, aber wenn man
einmal genauer darüber nachdenkt, entdeckt man, dass genau hier
der Konstruktionsfehler sitzt.
Überlegen wir, was passiert. Die Zentralbank gewährt einen Kredit
aus dem Nichts in Höhe von, sagen wir, hundert Millionen Lire. Der
Diskontsatz betrage zum Beispiel drei Prozent. Das heißt,
zurückzuzahlen sind (bei einer angenommenen Laufzeit von einem
Jahr, die wir für alle Beispiele einmal unterstellen wollen, der Einfachheit
halber) hundertunddrei Millionen Lire.
Aber woher sollen diese zusätzlichen drei Millionen Lire kommen?
Es gibt sie ja gar nicht! Und es gibt auch keine Möglichkeit, zusätzliche
drei Millionen Lire herbeizuschaffen, denn nur die Zentralbank
darf Geld erzeugen, und dafür will sie wiederum Zinsen haben, und
sofort! Was für ein Blödsinn!
Ja, natürlich ist noch mehr Geld im Umlauf, und aus diesem Geld
werden die Zinsen in der Praxis auch bezahlt – aber mit dem Ergebnis,
dass das Geld eben anderswo fehlt. Und wo Geld fehlt, muss
man wieder Kredite aufnehmen, in der Hoffnung, diese später
abzuzahlen. Das Finanzwesen ist ein großes System, in dem sich
vieles verteilt, ausgleicht, erst mit Verzögerung wirksam wird, aber
eines passiert nicht: Es geht nichts verloren, nicht eine einzige müde
Lira. Es läuft im Endeffekt darauf hinaus, dass – irgendwann und um
hundert Ecken herum – ein weiterer Kredit bei der Zentralbank aufgenommen
wird, um die Zinsen für den ersten zu bezahlen.
Wäre die Wirtschaft ein Mensch, wir würden sagen: Er ist süchtig.
Die Zentralbank hat ihn angefixt.
Es geht auch anders. Ihr erinnert euch an das Jubiläumsfest an unserer
Schule letztes Jahr. Jeder von uns bekam einen roten Plastikchip
als Gutschein für ein Stück Pizza, einen blauen Chip als
Gutschein für eine Cola und einen grünen Chip als Gutschein für ein
Eis. Für die Dauer des Festes waren diese Chips Geld. Ich habe
meinen grünen Chip gegen einen roten eingetauscht, weil ich kein
Eis mag. Einen habe ich gesehen, der alle Chips gegen blaue getauscht
hat, weil er durstig war. Alles hat prima funktioniert, jeder
hat mehr oder weniger bekommen, was er wollte. Und als das Fest
vorbei war, hat unser Rektor die Chips weggeworfen, weil die Pizzen
gegessen, die Colas getrunken und vom Eis auch nichts mehr übrig
war.
Stellt euch vor, die Firma, die diese Chips herstellt, hätte sie ihm
nicht einfach verkauft, sondern gesagt: Hier haben Sie tausend rote
Chips – aber wir wollen dafür tausendunddreißig rote Chips wiederhaben.
So dumm, dass er nicht gemerkt hätte, dass das Blödsinn ist,
ist nicht einmal unser Rektor.
Nein, was wir auf diesem Fest erlebt haben, ohne uns dessen bewusst
zu sein, war ein Geldsystem, wie es sein sollte. Das Geld kam im
Gleichgewicht zu den vorhandenen Gütern ins Spiel, und als die verbraucht
waren, verschwand es wieder. Es war nur zu dem einen
Zweck da, zu dem Geld ursprünglich erfunden wurde: den Tausch
verschiedener Güter zu vereinfachen. Auf diese Weise konnte jeder
nach der Party ruhig nach Hause gehen. Es war nicht nötig, Chips
nachzujagen, die überhaupt nicht existierten.
Bringen wir es auf den Punkt: Dadurch, dass die Zentralbank Zinsen
auf neu geschaffenes Geld verlangt, entstehen mehr Schulden, als es
Geld gibt. Das ist der Fehler im System.
Von da an geht es nämlich weiter wie im Schwarze-Peter-Spiel, nur
dass mit jeder Runde mehr Schwarze Peter ins Spiel kommen. Jeder
muss versuchen, seine Schwarzen Peter loszuwerden, und das wird
umso schwerer, je mehr es davon gibt. Man muss schneller werden,
noch härter arbeiten, muss die anderen überflügeln, kann keine
Rücksicht mehr nehmen, muss das Letzte aus sich herausholen. Alles
beschleunigt sich, ohne Hoffnung auf Entkommen. Die Spirale dreht
sich immer weiter und weiter.
Ist es nicht das, was wir beobachten? Die Wirtschaft wächst und
wächst, aber – o Mirakel, o Wunder – überall muss immer stärker
gespart werden, die Arbeitsplätze werden knapp, jeder muss härter
arbeiten, hat weniger Zeit für sich und seine Familie, die Steuern
steigen, jeder hat das Gefühl, dass alles schlechter und schlimmer
wird, und das, obwohl doch alle daran arbeiten, dass es immer
besser werden soll. Es wird nicht besser. Je mehr wir uns anstrengen,
desto mehr Schulden entstehen, nicht zurückzahlbar, unzerstörbar.
Je mehr wir versuchen, der Misere zu entkommen, desto
schlimmer machen wir sie. Der einzige Ausweg ist, jemand anderen
zu finden, der die Zeche zahlt – jemanden weit weg, oder gleich die
Natur. Holzen wir halt diesen Regenwald auch noch ab, das bringt
Geld, damit kann ich meine Schulden loswerden. Bringen wir noch
ein Produkt auf den Markt, das im Grunde niemand braucht, reden
wir den Leuten ein, dass sie es doch brauchen, und sei es nur, um
›in‹ zu sein, und lasst es uns so bauen, dass es bald kaputt geht, sodass
wir mehr davon verkaufen. Lasst uns den Leuten das Geld aus
der Tasche ziehen, mit allen Mitteln, damit wenigstens wir unsere
Schulden bezahlen können. Vergraben wir den Giftmüll einfach, wir
können es uns nicht leisten, für seine Entsorgung zu zahlen. Jeder ist
sich selbst der Nächste, jeder kämpft für sich allein.
Das Heimtückische daran ist, dass Schulden etwas so Privates sind,
etwas Geheimes. Die meisten Leute behalten ihre Schulden für sich
wie ein Zeichen persönlichen Versagens. Sie würden eher zugeben,
sexuell abartig veranlagt zu sein, ehe sie zugeben, verschuldet zu
sein. Offiziell hat niemand Schulden, nach außen hin sind alle happy.
Man hat keine finanziellen Probleme, so wenig, wie man sich im
viktorianischen Zeitalter hätte anmerken lassen, dass man Geschlechtsorgane
besaß.
Was tun? Wirtschaft dient dazu, uns das zu verschaffen, was wir zum
Leben brauchen. Das funktioniert nicht ohne Geld, es ist sozusagen
das Blut der Wirtschaft. Doch dieses Blut ist krank. Es bewirkt, dass
die Wirtschaft ins Absurde wächst und dabei unsere Lebensgrundlagen
zerstört. Wäre die Wirtschaft ein Lebewesen, man würde sagen,
sie hat eine Art Leukämie. Deshalb bleibt ohne eine Gesundung des
Geldwesens alles, was wir zur Rettung der Erde tun könnten, letztlich
wirkungslos. Der Konstruktionsfehler muss behoben werden.
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