Cadmus
2004-09-11, 15:46:10
Sehr interessant geschrieben. Nur vielleicht etwas demotivierend für die Menschen, die sich mit der Erforschung des Bewusstseins beschäftigen.
Ein Zombie ist ein menschenähnliches Wesen. Er reagiert wie ein Mensch, bewegt sich wie ein Mensch, redet wie ein Mensch. Öffnet man seinen Schädel, findet sich ein voll funktionsfähiges Gehirn. Doch der Zombie hat kein Bewusstsein. Alles, was er tut und unternimmt, geht maschinenhaft vor sich. Er erlebt nichts.
"Zombie" ist ein Fachbegriff: Ein Gedankenkonstrukt, welches für all jene Probleme steht, mit denen sich die Bewusstseinsforscher herumschlagen. Können wir sicher sein, dass es keine Zombies gibt?
Diese Frage ist nur eine andere Umschreibung für das Problem, das die Düsseldorfer Neuropsychologin Petra Stoerig so beschreibt: "Das einzige, was ich sicher weiß, ist, dass ich selbst bei Bewusstsein bin. Und dann kann ich natürlich vermuten, mein Gegenüber hat das wahrscheinlich auch. Aber nachweisen kann ich das letztlich nicht." Ihr Interesse konzentriere sich im Grunde auf drei Fragen, sagt Stoerig: Welche Vorgänge im Gehirn erzeugen Bewusstsein? Wozu ist es gut? Und wer hat es überhaupt?
Die Frage nach dem Bewusstsein ist ein Überbleibsel des alten Leib-Seele-Problems. Ein Überbleibsel deshalb, weil viele Zusammenhänge zwischen Körper und Seele inzwischen geklärt sind. Wie der Mensch Reize verarbeitet, wie er lernt, auf welche Weise psychische Störungen entstehen - zumindest im Prinzip sind die verantwortlichen Mechanismen hierfür bekannt. Warum jedoch der Mensch bei all diesen Vorgängen überhaupt etwas erlebt, darauf gibt es bislang keine Antwort.
Warum empfinden wir Lichtwellen als Farben, und Schallwellen als Töne? Warum sehen wir langwelliges Licht als "rot", und kurzwelliges als "violett"? Der Berliner Philosoph Peter Bieri macht das anhand eines Gedankenspiels deutlich: Selbst wenn wir einen genauen Einblick in das Gehirn gewönnen, selbst wenn wir genau beobachten könnten, wie die Neuronen auf welche Reize reagieren, würde uns dies keinen Schritt voranbringen.
Alle Vorgänge im Gehirn könnten doch im Prinzip auch ablaufen, ohne dass wir dabei auch nur die Spur eines Erlebnisses hätten. "Qualia-Problem" nennen das die Philosophen. Im angelsächsischen Raum spricht man auch ganz pragmatisch vom "hard problem", frei übersetzt: der harten Nuss.
Auf den ersten Blick scheint das Qualia-Problem - wie viele philosophische Fragen - ziemlich abstrakt und konstruiert zu sein. Tatsächlich aber, begegnet es den Wissenschaftlern in einigen konkreten und sehr merkwürdigen Phänomenen, die lange unbeachtet geblieben waren. Erst in den letzten Jahren haben die Wissenschaftler erkannt, dass diese Phänomene zum Verständnis des Bewusstseins beitragen könnten.
Die Bewusstseinsforscher begegneten zum Beispiel sogenannten "Synästhetikern", Menschen, bei denen verschiedene Sinneskanäle miteinander verknüpft sind. Synästhetiker sehen Klänge, hören Gerüche oder fühlen Farben. Hinderk Emrich, Leiter der psychiatrischen Abteilung der Medizinischen Hochschule Hannover, hat im Laufe der letzten Jahre viele Synästhetiker interviewt.
In der Synästhesie sieht Emrich nicht zuletzt ein Phänomen, das, wie kaum ein anderes, den eigentlichen Kern der Bewusstseinsproblematik verdeutlicht: die Frage nach dem konkreten Erleben. "Bewusstsein haben, heisst ja, bestimmte Phänomene im mentalen Raum miteinander zu verbinden", erläutert Emrich. "Wenn ich zum Beispiel eine Tasse nehme, bemerke ich: die hat einen bestimmten Schimmer, es kommt vielleicht etwas Dampf heraus, es fühlt sich warm an. All diese verschiedenen Sinneseindrücke werden so miteinander verknüpft, dass die Tasse als Einheit wahrgenommen wird. Es wird also vom Bewusstsein immer eine Einheit erzeugt."
Bewusstseinsforscher bezeichnen diesen Vorgang als "Binding", als sinnvolles Zusammenbinden einzelner Reize. Die Synästhetiker, sagt Hinderk Emrich, seien nun deshalb so spannend für die Forschung, weil sie an einer Stelle, wo dies normalerweise nicht vorgesehen ist, eine Bindung herstellen, etwa zwischen einem visuellen Reiz und einer akustischen Wahrnehmung. Emrich spricht von "Hyperbinding". Synästhetiker, so könnte man sagen, verfügen demnach über eine zusätzliche Bewusstseinsebene. In ihrem bewussten Erleben spielen sich Dinge ab, die anderen Menschen fremd sind.
Bei andere Menschen dagegen, ist das Bewusstsein reduziert. Petra Stoerig hat beispielsweise sogenannte "Blindseher" untersucht. Dabei handelt es sich um Menschen, die glaubhaft versichern, sie könnten nichts sehen, die sich aber dennoch genau so verhalten, als ob sie es doch könnten. Sie fangen einen Ball, weichen Hindernissen aus und können mit hoher Trefferrate Gegenstände benennen, die sich in ihrem Gesichtsfeld befinden. Die Interpretation dieses Phänomens liegt auf der Hand: Blindseher sehen unbewusst.
Eine weitere Stufe des Bewusstseinsausfalls zeigt sich bei den sogenannten "Neglect"-Patienten. Ihr Krankheitsbild ist noch seltsamer: nicht nur, dass sie bestimmte Dinge in ihrem Gesichtsfeld nicht mehr bewusst wahrnehmen - im Weltbild eines Neglect-Patienten kommt ein Teil der Welt gar nicht mehr vor.
Alles, was auf ihrer linken Seite liegt, entziehe sich ihrer Vorstellung, erklärt Stoerig. "Ein Neglect-Patient muss zum Beispiel ganz mühsam lernen, dass er auf der linken Seite seines Tellers auch Essen hat, und nicht nur auf der rechten. Er bekommt ein normales Klinikessen hingestellt, der ganze Teller ist voll. Dann isst er die rechte Hälfte davon auf. Er ist nicht satt geworden und sagt, er hätte gerne noch etwas - aber die ganze andere Hälfte liegt vor ihm."
Die Wahrscheinlichkeit, dass man im Gehirn ein einzelnes Areal findet, das für Bewusstsein zuständig ist, ist für Petra Stoerig "praktisch null". Tatsächlich haben die meisten Forscher die Hoffnung inzwischen aufgegeben, irgendwo im Gehirn den Bewusstseinsschalter lokalisieren zu können. Die Bemühungen, überhaupt neuronale Korrelate für das Bewusstsein zu finden, werden jedoch fortgesetzt. Dabei lassen sich im Wesentlichen zwei Schulen ausmachen. Zur ersten Schule gehört der Frankfurter Hirnforscher Wolf Singer.
Er konzentriert sich auf das Binding-Phänomen. Singer geht davon aus, dass auf der neuronalen Ebene die bewusste Wahrnehmung eines Reizes einem gemeinsamen "Feuern" von Neuronen entspricht. Diejenigen Neuronen, die etwa die Farbe eines Gegenstandes verarbeiten, können ganz woanders liegen als jene, die für seine Konturen zuständig sind. Aber wenn wir etwas als eine Einheit wahrnehmen, dann stimmen sich die Nerven der betroffenenen Gruppen ab und feuern im Gleichtakt, und zwar zwischen 30 und 80 mal in der Sekunde. Singer spricht von "Synchronisation". Dem Binding, dem in sich stimmigen bewussten Erleben, entspricht also eine abgestimmte Aktivität der Neuronen.
Dem Bremer Neurobiologen Hans Flohr, Anhänger der zweiten Schule, reicht diese Erklärung jedoch nicht aus. Zwar könne die Synchronisation erklären, wie das Gehirn Dinge als "Einheiten" repräsentiert. Doch damit sei noch nichts darüber gesagt, warum das bewusst geschieht. Flohr hat eine andere Theorie: Seiner Ansicht nach, sind sogenannte NMDA-Synapsen für bewusstes Erleben verantwortlich. Synapsen sind Kontaktstellen zwischen den Nervenzellen.
An ihnen wird das Signal einer Zelle mit Hilfe von chemischen Botenstoffen an die nächste Zelle weitergeleitet. Die NMDA-Synapsen, die vor allem in der Hirnrinde verbreitet sind, haben einige besondere Eigenschaften, die mit dem Bewusstsein zusammenhängen könnten. Da ist zum Beispiel der Faktor Zeit: Auch wenn es manchmal nicht so scheint, so handeln wir doch in der Regel viel schneller als wir uns dessen bewusst sind. Wir ziehen die Hand sofort von der heißen Herdplatte - den Schmerz spüren wir aber erst im Nachhinein. Wir drücken einen Knopf - aber erst eine knappe halbe Sekunde später, werden wir uns dieser "Entscheidung" bewusst. Das alles weiß man seit den 70er Jahren.
Flohr konnte nun zeigen, dass die Vorgänge an den NMDA-Synapsen ebenfalls relativ langsam vonstatten gehen. Und er konnte zeigen, dass immer dann, wenn wir kein Bewusstsein haben - nämlich unter Narkose - die NMDA-Synapsen nicht aktiv sind. Flohr scheut sich davor, zu behaupten, er habe damit das Jahrtausende alte Rätsel des Bewusstseins gelöst. Er spricht bescheidener von einer "Theorie der Anästhesie".
Doch wenn er Recht hat, wären zwei der drei Fragen von Petra Stoerig beantwortet: Wie entsteht bewusstes Erleben? - Durch die Aktivität von NMDA-Synapsen. Wer hat es? - Jeder Organismus, der NMDA-Synapsen hat. Und das sind bei weitem nicht nur Menschen.
Und auch auf die dritte Frage - Wozu ist das Bewusstsein gut? - hat Flohr eine Antwort parat. Bewusstsein, sagt Flohr, sei letztlich Metarepräsentation: Wenn wir bewusst etwas wahrnehmen, verfüge unser Gehirn nicht nur über eine Repräsention des eigentlichen Objekts, sondern auch über eine Repräsentation unseres eigenen Gehirnzustandes. Damit verbunden wären zusätzliche Fähigkeiten, die auch evolutionär von Vorteil wären.
Wenn schnelle Entscheidungen gefragt sind, bringe das Bewusstsein nichts, betont Flohr. Dazu sei es zu langsam: Wir greifen in diesen Fällen lieber auf Routine-Reaktionen zurück. Doch die Fähigkeit zur Metakognition erlaube es den Organismen, die über Bewusstsein verfügen, im Nachhinein ihr Routine-Verhalten zu reflektieren und gegebenenfalls zu korrigieren.
Wenn diese Theorie stimmt, dann bedeutet das auch: Zombies hätten kein Bewusstsein und könnten ihr Verhalten somit auch nicht reflektieren. Und das bedeutet: Entweder kann es keine Zombies geben - oder sie sind so dumm, dass wir es merken würden.
Morgenwelt (http://www.morgenwelt.de/195.html)
Ein Zombie ist ein menschenähnliches Wesen. Er reagiert wie ein Mensch, bewegt sich wie ein Mensch, redet wie ein Mensch. Öffnet man seinen Schädel, findet sich ein voll funktionsfähiges Gehirn. Doch der Zombie hat kein Bewusstsein. Alles, was er tut und unternimmt, geht maschinenhaft vor sich. Er erlebt nichts.
"Zombie" ist ein Fachbegriff: Ein Gedankenkonstrukt, welches für all jene Probleme steht, mit denen sich die Bewusstseinsforscher herumschlagen. Können wir sicher sein, dass es keine Zombies gibt?
Diese Frage ist nur eine andere Umschreibung für das Problem, das die Düsseldorfer Neuropsychologin Petra Stoerig so beschreibt: "Das einzige, was ich sicher weiß, ist, dass ich selbst bei Bewusstsein bin. Und dann kann ich natürlich vermuten, mein Gegenüber hat das wahrscheinlich auch. Aber nachweisen kann ich das letztlich nicht." Ihr Interesse konzentriere sich im Grunde auf drei Fragen, sagt Stoerig: Welche Vorgänge im Gehirn erzeugen Bewusstsein? Wozu ist es gut? Und wer hat es überhaupt?
Die Frage nach dem Bewusstsein ist ein Überbleibsel des alten Leib-Seele-Problems. Ein Überbleibsel deshalb, weil viele Zusammenhänge zwischen Körper und Seele inzwischen geklärt sind. Wie der Mensch Reize verarbeitet, wie er lernt, auf welche Weise psychische Störungen entstehen - zumindest im Prinzip sind die verantwortlichen Mechanismen hierfür bekannt. Warum jedoch der Mensch bei all diesen Vorgängen überhaupt etwas erlebt, darauf gibt es bislang keine Antwort.
Warum empfinden wir Lichtwellen als Farben, und Schallwellen als Töne? Warum sehen wir langwelliges Licht als "rot", und kurzwelliges als "violett"? Der Berliner Philosoph Peter Bieri macht das anhand eines Gedankenspiels deutlich: Selbst wenn wir einen genauen Einblick in das Gehirn gewönnen, selbst wenn wir genau beobachten könnten, wie die Neuronen auf welche Reize reagieren, würde uns dies keinen Schritt voranbringen.
Alle Vorgänge im Gehirn könnten doch im Prinzip auch ablaufen, ohne dass wir dabei auch nur die Spur eines Erlebnisses hätten. "Qualia-Problem" nennen das die Philosophen. Im angelsächsischen Raum spricht man auch ganz pragmatisch vom "hard problem", frei übersetzt: der harten Nuss.
Auf den ersten Blick scheint das Qualia-Problem - wie viele philosophische Fragen - ziemlich abstrakt und konstruiert zu sein. Tatsächlich aber, begegnet es den Wissenschaftlern in einigen konkreten und sehr merkwürdigen Phänomenen, die lange unbeachtet geblieben waren. Erst in den letzten Jahren haben die Wissenschaftler erkannt, dass diese Phänomene zum Verständnis des Bewusstseins beitragen könnten.
Die Bewusstseinsforscher begegneten zum Beispiel sogenannten "Synästhetikern", Menschen, bei denen verschiedene Sinneskanäle miteinander verknüpft sind. Synästhetiker sehen Klänge, hören Gerüche oder fühlen Farben. Hinderk Emrich, Leiter der psychiatrischen Abteilung der Medizinischen Hochschule Hannover, hat im Laufe der letzten Jahre viele Synästhetiker interviewt.
In der Synästhesie sieht Emrich nicht zuletzt ein Phänomen, das, wie kaum ein anderes, den eigentlichen Kern der Bewusstseinsproblematik verdeutlicht: die Frage nach dem konkreten Erleben. "Bewusstsein haben, heisst ja, bestimmte Phänomene im mentalen Raum miteinander zu verbinden", erläutert Emrich. "Wenn ich zum Beispiel eine Tasse nehme, bemerke ich: die hat einen bestimmten Schimmer, es kommt vielleicht etwas Dampf heraus, es fühlt sich warm an. All diese verschiedenen Sinneseindrücke werden so miteinander verknüpft, dass die Tasse als Einheit wahrgenommen wird. Es wird also vom Bewusstsein immer eine Einheit erzeugt."
Bewusstseinsforscher bezeichnen diesen Vorgang als "Binding", als sinnvolles Zusammenbinden einzelner Reize. Die Synästhetiker, sagt Hinderk Emrich, seien nun deshalb so spannend für die Forschung, weil sie an einer Stelle, wo dies normalerweise nicht vorgesehen ist, eine Bindung herstellen, etwa zwischen einem visuellen Reiz und einer akustischen Wahrnehmung. Emrich spricht von "Hyperbinding". Synästhetiker, so könnte man sagen, verfügen demnach über eine zusätzliche Bewusstseinsebene. In ihrem bewussten Erleben spielen sich Dinge ab, die anderen Menschen fremd sind.
Bei andere Menschen dagegen, ist das Bewusstsein reduziert. Petra Stoerig hat beispielsweise sogenannte "Blindseher" untersucht. Dabei handelt es sich um Menschen, die glaubhaft versichern, sie könnten nichts sehen, die sich aber dennoch genau so verhalten, als ob sie es doch könnten. Sie fangen einen Ball, weichen Hindernissen aus und können mit hoher Trefferrate Gegenstände benennen, die sich in ihrem Gesichtsfeld befinden. Die Interpretation dieses Phänomens liegt auf der Hand: Blindseher sehen unbewusst.
Eine weitere Stufe des Bewusstseinsausfalls zeigt sich bei den sogenannten "Neglect"-Patienten. Ihr Krankheitsbild ist noch seltsamer: nicht nur, dass sie bestimmte Dinge in ihrem Gesichtsfeld nicht mehr bewusst wahrnehmen - im Weltbild eines Neglect-Patienten kommt ein Teil der Welt gar nicht mehr vor.
Alles, was auf ihrer linken Seite liegt, entziehe sich ihrer Vorstellung, erklärt Stoerig. "Ein Neglect-Patient muss zum Beispiel ganz mühsam lernen, dass er auf der linken Seite seines Tellers auch Essen hat, und nicht nur auf der rechten. Er bekommt ein normales Klinikessen hingestellt, der ganze Teller ist voll. Dann isst er die rechte Hälfte davon auf. Er ist nicht satt geworden und sagt, er hätte gerne noch etwas - aber die ganze andere Hälfte liegt vor ihm."
Die Wahrscheinlichkeit, dass man im Gehirn ein einzelnes Areal findet, das für Bewusstsein zuständig ist, ist für Petra Stoerig "praktisch null". Tatsächlich haben die meisten Forscher die Hoffnung inzwischen aufgegeben, irgendwo im Gehirn den Bewusstseinsschalter lokalisieren zu können. Die Bemühungen, überhaupt neuronale Korrelate für das Bewusstsein zu finden, werden jedoch fortgesetzt. Dabei lassen sich im Wesentlichen zwei Schulen ausmachen. Zur ersten Schule gehört der Frankfurter Hirnforscher Wolf Singer.
Er konzentriert sich auf das Binding-Phänomen. Singer geht davon aus, dass auf der neuronalen Ebene die bewusste Wahrnehmung eines Reizes einem gemeinsamen "Feuern" von Neuronen entspricht. Diejenigen Neuronen, die etwa die Farbe eines Gegenstandes verarbeiten, können ganz woanders liegen als jene, die für seine Konturen zuständig sind. Aber wenn wir etwas als eine Einheit wahrnehmen, dann stimmen sich die Nerven der betroffenenen Gruppen ab und feuern im Gleichtakt, und zwar zwischen 30 und 80 mal in der Sekunde. Singer spricht von "Synchronisation". Dem Binding, dem in sich stimmigen bewussten Erleben, entspricht also eine abgestimmte Aktivität der Neuronen.
Dem Bremer Neurobiologen Hans Flohr, Anhänger der zweiten Schule, reicht diese Erklärung jedoch nicht aus. Zwar könne die Synchronisation erklären, wie das Gehirn Dinge als "Einheiten" repräsentiert. Doch damit sei noch nichts darüber gesagt, warum das bewusst geschieht. Flohr hat eine andere Theorie: Seiner Ansicht nach, sind sogenannte NMDA-Synapsen für bewusstes Erleben verantwortlich. Synapsen sind Kontaktstellen zwischen den Nervenzellen.
An ihnen wird das Signal einer Zelle mit Hilfe von chemischen Botenstoffen an die nächste Zelle weitergeleitet. Die NMDA-Synapsen, die vor allem in der Hirnrinde verbreitet sind, haben einige besondere Eigenschaften, die mit dem Bewusstsein zusammenhängen könnten. Da ist zum Beispiel der Faktor Zeit: Auch wenn es manchmal nicht so scheint, so handeln wir doch in der Regel viel schneller als wir uns dessen bewusst sind. Wir ziehen die Hand sofort von der heißen Herdplatte - den Schmerz spüren wir aber erst im Nachhinein. Wir drücken einen Knopf - aber erst eine knappe halbe Sekunde später, werden wir uns dieser "Entscheidung" bewusst. Das alles weiß man seit den 70er Jahren.
Flohr konnte nun zeigen, dass die Vorgänge an den NMDA-Synapsen ebenfalls relativ langsam vonstatten gehen. Und er konnte zeigen, dass immer dann, wenn wir kein Bewusstsein haben - nämlich unter Narkose - die NMDA-Synapsen nicht aktiv sind. Flohr scheut sich davor, zu behaupten, er habe damit das Jahrtausende alte Rätsel des Bewusstseins gelöst. Er spricht bescheidener von einer "Theorie der Anästhesie".
Doch wenn er Recht hat, wären zwei der drei Fragen von Petra Stoerig beantwortet: Wie entsteht bewusstes Erleben? - Durch die Aktivität von NMDA-Synapsen. Wer hat es? - Jeder Organismus, der NMDA-Synapsen hat. Und das sind bei weitem nicht nur Menschen.
Und auch auf die dritte Frage - Wozu ist das Bewusstsein gut? - hat Flohr eine Antwort parat. Bewusstsein, sagt Flohr, sei letztlich Metarepräsentation: Wenn wir bewusst etwas wahrnehmen, verfüge unser Gehirn nicht nur über eine Repräsention des eigentlichen Objekts, sondern auch über eine Repräsentation unseres eigenen Gehirnzustandes. Damit verbunden wären zusätzliche Fähigkeiten, die auch evolutionär von Vorteil wären.
Wenn schnelle Entscheidungen gefragt sind, bringe das Bewusstsein nichts, betont Flohr. Dazu sei es zu langsam: Wir greifen in diesen Fällen lieber auf Routine-Reaktionen zurück. Doch die Fähigkeit zur Metakognition erlaube es den Organismen, die über Bewusstsein verfügen, im Nachhinein ihr Routine-Verhalten zu reflektieren und gegebenenfalls zu korrigieren.
Wenn diese Theorie stimmt, dann bedeutet das auch: Zombies hätten kein Bewusstsein und könnten ihr Verhalten somit auch nicht reflektieren. Und das bedeutet: Entweder kann es keine Zombies geben - oder sie sind so dumm, dass wir es merken würden.
Morgenwelt (http://www.morgenwelt.de/195.html)