fizzo
2004-11-17, 17:09:39
Von Andreas Lober
Die Spielebranche brummt wie nie, verzeichnet Umsatzrekorde in Serie. Doch eine kleine, bisher wenig beachtete Nische schickt sich an, den Markt aufzubrechen: Online-Abospiele. Sie haben das Zeug, denen die Bilanz zu verhageln, die nicht dabei sind, denn sie binden den Etat der Spieler.
"WOW"-Helden: Der Herr der Ringe lässt grüßen
In Deutschland fristen Online-Rollenspiele bisher ein Schattendasein: Internet-Welten, in denen sich Tausende Spieler gleichzeitig mit ihrem virtuellen Alter Ego tummeln, halten viele Menschen hier zu Lande noch für Zukunftsmusik - für Stoff, aus dem Science-Fiction-Geschichten wie Tad Williams' Otherland-Saga sind. Ultima Online, EverQuest, Dark Age of Camelot und wie sie alle heißen haben allenfalls als Kuriositäten Schlagzeilen gemacht, fristen aber ein Nischendasein.
Wenn "World of Warcraft" in die Läden kommt, könnte sich das ändern. Schon die Tatsache, dass die überaus erfolgreiche Spieleschmiede Blizzard Entertainment - bekannt durch Millionenseller wie Diablo 2 und WarCraft 3 - für den Titel verantwortlich zeichnet, sicherte dem Spiel im Vorfeld eine für das Genre ungeahnte Publicity: das deutsche Spielemagazin "GameStar" lieferte in den letzten drei Jahren sechs Vorabberichte auf insgesamt über 20 Seiten zu diesem Spiel ab.
EverQuest 2, der seit wenigen Wochen erhältliche Nachfolger des bisher erfolgreichsten Online-Rollenspiels EverQuest, bekam im selben Magazin nur einen Bruchteil davon und wird auch bei Google-Treffern auf die Plätze verwiesen: Zwei Millionen Hits für das noch gar nicht erschienene World of Warcraft, etwa die Hälfte für EverQuest 2. Dutzende Fansites im Internet ziehen schon vor der Veröffentlichung des Spiels regelmäßig Zehntausende von Lesern an. Publisher Vivendi mag keine konkreten Planzahlen nennen, von Marketing Manager Frank Matzke ist nur zu erfahren, dass man "ehrgeizige Ziele" habe.
Monstrum: Keine Fantasy-Welt ohne exotische Menagerie
Der Gamemarkt: kurz vor dem großen Umbruch?Nun sind Blockbuster als solche der Spielebranche nicht unbekannt - und keiner davon hat die Konkurrenz bisher erschüttert. World of Warcraft könnte aber deshalb ein ernsthaftes Problem für die Konkurrenz werden, weil es das Potenzial hat, einen großen Teil der Freizeit und der Kaufkraft seiner Spieler zu binden.
Die meisten Computerspiele werden mehr oder weniger schnell langweilig: Sind sie zu schwer, landen sie aus Frust in der Ecke - sind sie zu leicht, verfliegt der Reiz ebenfalls. Online-Rollenspiele ziehen dagegen ihre Faszination daraus, dass mit Tausenden von Mitspielern eine virtuelle Welt erforscht wird. Sie entwickeln eine Eigendynamik, die man bei anderen Computerspielen nicht kennt.
Weil die Spieler gegenüber ehrgeizigen Mitspielern nicht ins Hintertreffen geraten wollen, sind viele davon jeden Tag stundenlang online - um in der künstlichen Welt Karriere zu machen. Ein einziges Spiel bleibt so über viele Jahre hinweg interessant: die Spielefans, Community genannt, entwickeln oft ihre eigene Politik, wählen Bürgermeister oder führen digitale Kriege - organisiert von großen Gilden. Die Spielehersteller selbst liefern oft Nachschub in Form von unentdeckten Welten.
Wer sich also auf ein Spiel wie World of Warcraft oder Everquest einlässt, "braucht" voraussichtlich mindestens ein Jahr lang keine anderen Computerspiele. Mehr noch: Er hat dafür auch schwerlich Geld übrig. Um dabei sein zu können, muss ein Abo abgeschlossen werden, für das monatlich Gebühren anfallen.
Modellrechnung: Aus 50 mach 170
Die Rechnung ist einfach: Der durchschnittliche Abo-Preis von World of Warcraft wird über zehn Euro im Monat liegen, dazu kommen einmalige Anschaffungskosten von rund 50 Euro (Everquest verlangt 13,50 Euro im Monat).
Derzeit - laut einer Studie der Computec Media AG - kaufen 40 Prozent der Befragten Computerspieler mehr als fünf Titel jährlich, weitere 40 Prozent mehr als zehn Spiele jährlich. Nicht alles davon liegt im Hochpreis-Bereich, doch darf man getrost davon ausgehen, dass der durchschnittliche Spielefan gut und gern 200 Euro und mehr für sein Hobby ausgibt. Ein Jahr World of Warcraft hingegen kostet den Spieler schon über 170 Euro - und frisst damit den größten Teil des Budgets für Spiele-Software.
Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass nur zwei Drittel der - vorsichtig geschätzten - 150.000 Käufer World of Warcraft ein Jahr lang die Treue halten, wird Publisher Vivendi damit im ersten Jahr allein in Deutschland rund 7,5 Millionen an Verkaufseinnahmen und 12 Millionen an Abogebühren umsetzen. Das entspricht immerhin 4,7 Prozent des gesamten Marktvolumens. Dieser Umsatz fehlt naturgemäß bei den anderen Spieleherstellern.
World of Warcraft
...kommt voraussichtlich Anfang 2005 in voll lokalisierter Version in die Läden. Das Spiel kann nur online gespielt werden. "WoW" gilt als besonders Einsteigerfreundlich, soll seine Fans aber teuer zu stehen kommen: In den USA geht das Onlinespiel bereits am 23. November für einen Anfänger eher abschreckenden Monatsabopreis von 14,99 Dollar an den Start. Obwohl der deutsche Preis noch gar nicht feststeht, hat es WoW bereits mehrere Wochen vor dem Verkaufsstart durch Vorbestellungen auf Platz 2 der Amazon-Verkaufscharts geschafft.
Eine Rechnung jenseits der Realität? Bisher war sie das: Existierende Online-Rollenspiele hatten solche Effekte nicht. Doch die Spielewelt verändert sich, und auch ihre Rahmenbedingungen.
Schnelle, kostengünstige Onlineanbindungen machen diese Form des Spieles attraktiver und auch in aufwendigeren Spielszenarien möglich. Zwar sind Rollenspieler anders "gestrickt" als Actionspieler, doch auch hier tun sich für die Entwickler mittelfristig Möglichkeiten auf. Kaum mehr ein Spiel, das auf vernetztes Onlinespielen verzichtet: Kein Zweifel, dass mittelfristig der Abo-basierte Spieleserver eine immer größere Rolle spielen wird.
Auch Frank Matzke von Vivendi gibt zu: "Das Phänomen der Online-Rollenspiele wird den Spielemarkt auf Dauer verändern." In Korea - wo Online-Rollenspiele schon vor Jahren den Durchbruch erlebten, sei der "Verkauf von Offline-Produkten drastisch zurückgegangen".
http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,328036,00.html
Die Spielebranche brummt wie nie, verzeichnet Umsatzrekorde in Serie. Doch eine kleine, bisher wenig beachtete Nische schickt sich an, den Markt aufzubrechen: Online-Abospiele. Sie haben das Zeug, denen die Bilanz zu verhageln, die nicht dabei sind, denn sie binden den Etat der Spieler.
"WOW"-Helden: Der Herr der Ringe lässt grüßen
In Deutschland fristen Online-Rollenspiele bisher ein Schattendasein: Internet-Welten, in denen sich Tausende Spieler gleichzeitig mit ihrem virtuellen Alter Ego tummeln, halten viele Menschen hier zu Lande noch für Zukunftsmusik - für Stoff, aus dem Science-Fiction-Geschichten wie Tad Williams' Otherland-Saga sind. Ultima Online, EverQuest, Dark Age of Camelot und wie sie alle heißen haben allenfalls als Kuriositäten Schlagzeilen gemacht, fristen aber ein Nischendasein.
Wenn "World of Warcraft" in die Läden kommt, könnte sich das ändern. Schon die Tatsache, dass die überaus erfolgreiche Spieleschmiede Blizzard Entertainment - bekannt durch Millionenseller wie Diablo 2 und WarCraft 3 - für den Titel verantwortlich zeichnet, sicherte dem Spiel im Vorfeld eine für das Genre ungeahnte Publicity: das deutsche Spielemagazin "GameStar" lieferte in den letzten drei Jahren sechs Vorabberichte auf insgesamt über 20 Seiten zu diesem Spiel ab.
EverQuest 2, der seit wenigen Wochen erhältliche Nachfolger des bisher erfolgreichsten Online-Rollenspiels EverQuest, bekam im selben Magazin nur einen Bruchteil davon und wird auch bei Google-Treffern auf die Plätze verwiesen: Zwei Millionen Hits für das noch gar nicht erschienene World of Warcraft, etwa die Hälfte für EverQuest 2. Dutzende Fansites im Internet ziehen schon vor der Veröffentlichung des Spiels regelmäßig Zehntausende von Lesern an. Publisher Vivendi mag keine konkreten Planzahlen nennen, von Marketing Manager Frank Matzke ist nur zu erfahren, dass man "ehrgeizige Ziele" habe.
Monstrum: Keine Fantasy-Welt ohne exotische Menagerie
Der Gamemarkt: kurz vor dem großen Umbruch?Nun sind Blockbuster als solche der Spielebranche nicht unbekannt - und keiner davon hat die Konkurrenz bisher erschüttert. World of Warcraft könnte aber deshalb ein ernsthaftes Problem für die Konkurrenz werden, weil es das Potenzial hat, einen großen Teil der Freizeit und der Kaufkraft seiner Spieler zu binden.
Die meisten Computerspiele werden mehr oder weniger schnell langweilig: Sind sie zu schwer, landen sie aus Frust in der Ecke - sind sie zu leicht, verfliegt der Reiz ebenfalls. Online-Rollenspiele ziehen dagegen ihre Faszination daraus, dass mit Tausenden von Mitspielern eine virtuelle Welt erforscht wird. Sie entwickeln eine Eigendynamik, die man bei anderen Computerspielen nicht kennt.
Weil die Spieler gegenüber ehrgeizigen Mitspielern nicht ins Hintertreffen geraten wollen, sind viele davon jeden Tag stundenlang online - um in der künstlichen Welt Karriere zu machen. Ein einziges Spiel bleibt so über viele Jahre hinweg interessant: die Spielefans, Community genannt, entwickeln oft ihre eigene Politik, wählen Bürgermeister oder führen digitale Kriege - organisiert von großen Gilden. Die Spielehersteller selbst liefern oft Nachschub in Form von unentdeckten Welten.
Wer sich also auf ein Spiel wie World of Warcraft oder Everquest einlässt, "braucht" voraussichtlich mindestens ein Jahr lang keine anderen Computerspiele. Mehr noch: Er hat dafür auch schwerlich Geld übrig. Um dabei sein zu können, muss ein Abo abgeschlossen werden, für das monatlich Gebühren anfallen.
Modellrechnung: Aus 50 mach 170
Die Rechnung ist einfach: Der durchschnittliche Abo-Preis von World of Warcraft wird über zehn Euro im Monat liegen, dazu kommen einmalige Anschaffungskosten von rund 50 Euro (Everquest verlangt 13,50 Euro im Monat).
Derzeit - laut einer Studie der Computec Media AG - kaufen 40 Prozent der Befragten Computerspieler mehr als fünf Titel jährlich, weitere 40 Prozent mehr als zehn Spiele jährlich. Nicht alles davon liegt im Hochpreis-Bereich, doch darf man getrost davon ausgehen, dass der durchschnittliche Spielefan gut und gern 200 Euro und mehr für sein Hobby ausgibt. Ein Jahr World of Warcraft hingegen kostet den Spieler schon über 170 Euro - und frisst damit den größten Teil des Budgets für Spiele-Software.
Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass nur zwei Drittel der - vorsichtig geschätzten - 150.000 Käufer World of Warcraft ein Jahr lang die Treue halten, wird Publisher Vivendi damit im ersten Jahr allein in Deutschland rund 7,5 Millionen an Verkaufseinnahmen und 12 Millionen an Abogebühren umsetzen. Das entspricht immerhin 4,7 Prozent des gesamten Marktvolumens. Dieser Umsatz fehlt naturgemäß bei den anderen Spieleherstellern.
World of Warcraft
...kommt voraussichtlich Anfang 2005 in voll lokalisierter Version in die Läden. Das Spiel kann nur online gespielt werden. "WoW" gilt als besonders Einsteigerfreundlich, soll seine Fans aber teuer zu stehen kommen: In den USA geht das Onlinespiel bereits am 23. November für einen Anfänger eher abschreckenden Monatsabopreis von 14,99 Dollar an den Start. Obwohl der deutsche Preis noch gar nicht feststeht, hat es WoW bereits mehrere Wochen vor dem Verkaufsstart durch Vorbestellungen auf Platz 2 der Amazon-Verkaufscharts geschafft.
Eine Rechnung jenseits der Realität? Bisher war sie das: Existierende Online-Rollenspiele hatten solche Effekte nicht. Doch die Spielewelt verändert sich, und auch ihre Rahmenbedingungen.
Schnelle, kostengünstige Onlineanbindungen machen diese Form des Spieles attraktiver und auch in aufwendigeren Spielszenarien möglich. Zwar sind Rollenspieler anders "gestrickt" als Actionspieler, doch auch hier tun sich für die Entwickler mittelfristig Möglichkeiten auf. Kaum mehr ein Spiel, das auf vernetztes Onlinespielen verzichtet: Kein Zweifel, dass mittelfristig der Abo-basierte Spieleserver eine immer größere Rolle spielen wird.
Auch Frank Matzke von Vivendi gibt zu: "Das Phänomen der Online-Rollenspiele wird den Spielemarkt auf Dauer verändern." In Korea - wo Online-Rollenspiele schon vor Jahren den Durchbruch erlebten, sei der "Verkauf von Offline-Produkten drastisch zurückgegangen".
http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,328036,00.html