Revolvermann
2005-03-31, 19:52:12
Ich hab letztens mal das Buch Timeline gelesen und dann bei der guten Spiegelseite wegen Paralleluniversen geforscht.Ich hab das Interview gefunden :
"Die Welt ist bizarr"
Der britische Quantencomputer-Pionier David Deutsch über Paralleluniversen, Zeitreisen und den größten Physikskandal des 20. Jahrhunderts
DER SPIEGEL
SPIEGEL: Herr Deutsch, Sie behaupten, unser Universum sei nur eines von vielen.
Deutsch: Von sehr, sehr vielen sogar. Alles, was physikalisch möglich ist, geschieht in mindestens einem dieser Universen.
SPIEGEL: Das heißt, es gibt auch ein Universum, in dem Saddam Hussein glücklich mit Laura Bush verheiratet ist?
Deutsch: Wenn wir die Quantentheorie ernst nehmen, ja - wenngleich diese Ehe vermutlich nur in einer winzigen Zahl von Universen geschlossen wurde.
SPIEGEL: Und andernorts haben die Dinosaurier überlebt und grübeln nun an Stelle von uns über die Gesetze der Physik?
Deutsch: Ja, absolut.
SPIEGEL: Könnte auch in unserer Welt plötzlich ein Dino durchs Fenster gucken?
Deutsch: Theoretisch sogar das - allerdings nur mit einer astronomisch geringen Wahrscheinlichkeit.
SPIEGEL: Dann müssten die Dinos ja 65 Millionen Jahre lang überlebt haben ...
Deutsch: ... ohne bemerkt zu werden? Nun, ein Dino könnte ja auch spontan ins Leben gerufen worden sein, plötzlich dem Boden entstiegen. Es gibt schließlich einen physikalischen Prozess, der Dinosaurier in Erde verwandelt - also muss auch die Umkehrung möglich sein. Aber das ist natürlich astronomisch unwahrscheinlich - wobei der Begriff "astronomisch" noch viel zu schwach ist, um auszudrücken, wie unwahrscheinlich es ist.
SPIEGEL: Aber Universen mit eckigen Atomen und durchsichtigen Planeten, die wenigstens gibt es nicht, oder?
Deutsch: Nein. Die Naturgesetze gelten in allen Universen. Die Masse des Elektrons ist in allen Universen gleich. Auch einen Urknall gab es überall.
SPIEGEL: Und Zauberei gibt es auch nicht?
Deutsch: Nein - außer in dem, was ich Harry-Potter-Universum nenne.
SPIEGEL: Wie bitte?
Deutsch: Wie gesagt, in allen Universen gelten die Naturgesetze, und die schließen Zauberei aus. Es gibt allerdings einige wenige Universen, in denen Zauberei zu funktionieren scheint, weil zufälligerweise ein Hase genau in dem Moment auftaucht, in dem jemand den Zauberstab schwingt.
SPIEGEL: Und woran erkennt man dann, dass es keine echte Zauberei ist?
Deutsch: Stellen Sie sich das Multiversum einfach als eine Ansammlung von Universen vor.
SPIEGEL: Nichts einfacher als das.
Deutsch: Wenn Sie nun zu einem bestimmten Moment alle Universen betrachten, in denen es Anhaltspunkte dafür gibt, dass dort Harry-Pottersche Physik regiert, dann werden die allermeisten davon im nächsten Moment schon aufhören, so zu erscheinen.
SPIEGEL: Weil beim nächsten Zauberstabschwingen kein Hase mehr aus dem Zylinder springt.
Deutsch: Ganz genau.
SPIEGEL: Die Vorstellung all dieser unendlich vielen Universen ist ja zweifellos faszinierend. Aber sie klingt eher nach Science-Fiction. Sind Sie wirklich überzeugt, dass all diese vielen Universen - diese Dinowächst-aus-dem-Erdboden-Universen, diese Hussein-heiratet-Laura-Bush-Universen und diese Harry-Potter-Universen -, dass die genauso real sind wie dasjenige, in dem wir hier sitzen und uns unterhalten?
Deutsch: Absolut. Die Physik sagt es uns.
SPIEGEL: Aber sehen können wir all diese Universen nicht?
Deutsch: Zumindest nicht direkt.
SPIEGEL: Wie können Sie dann so sicher sein, dass es sie gibt?
Deutsch: Dass wir etwas, das wir nicht sehen können, für real halten, ist ja gar nichts Ungewöhnliches. Wir können auch keine schwarzen Löcher und keine Atome und Quarks sehen, und doch sind wir überzeugt, dass es sie gibt. Das Entscheidende ist: Die Multiversumstheorie ist die beste Erklärung der Welt, die wir haben.
SPIEGEL: Welche experimentellen Beweise gibt es denn dafür?
Deutsch: Jetzt kommen wir zu dem, was ich als größten Skandal der Physik des 20. Jahrhunderts bezeichne. Bei der Quantentheorie verzichten die Physiker nämlich, anders als bei allen anderen physikalischen Theorien, völlig darauf, sie als eine wahre Beschreibung der Welt zu betrachten. Sie stellen nur die Frage nach der experimentellen Testbarkeit und reden dann von der "Interpretation" der Quantentheorie. Das ist ein fundamentaler Fehler! Er hat die Physik sehr lange aufgehalten und viel Sand ins Getriebe der Wissenschaftsphilosophie gestreut.
SPIEGEL: Ist "Skandal" nicht trotzdem ein wenig hochgegriffen?
Deutsch: Überhaupt nicht. Die unlogische Trennung von experimenteller Testbarkeit und Erklärung ist genau das, was die Inquisition von Galileo zu erzwingen suchte: Sie wäre bereit gewesen, die praktischen Auswirkungen seines heliozentrischen Weltbildes zu akzeptieren, wenn er nur darauf verzichtet hätte zu behaupten, dass die Erde wirklich um die Sonne kreist. Wenn man derart die Verbindung zur Wirklichkeit leugnet, erfährt man auch nichts über die Wirklichkeit.
SPIEGEL: Wenn die Menschen die Wirklichkeit des Multiversums akzeptieren würden, würde das irgendetwas praktisch ändern?
Deutsch: Aber ja! Das Leugnen der physikalischen Wirklichkeit hat den Fortschritt schwerstens behindert. Die von mir gefundene Theorie des Quantencomputers hätte 30 bis 50 Jahre früher entdeckt werden können. Außerdem halte ich es für fatal, dass die Leute inzwischen glauben, die Naturwissenschaft könne die Wirklichkeit nicht mehr beschreiben. Es ist ehrbar geworden anzunehmen, es gebe gar keine objektive Wirklichkeit. Und die größten Physiker verleihen dieser üblen Philosophie dann auch noch die Weihen der Wissenschaft.
SPIEGEL: Einer davon ist der Nobelpreisträger Steven Weinberg. Der spottet, er sei "zu beschäftigt, um sich mit Kram wie der Viele-Welten-Interpretation zu befassen".
Deutsch: Das ist schon richtig, die Viele-Welten-Theorie wird von nicht mehr als etwa 10 Prozent der Physiker vertreten. Die anderen 90 Prozent sind immer noch gefangen in dieser - ja, wie soll ich es nennen? - Verleugnung der Wahrheit ihrer eigenen Theorie.
SPIEGEL: Aber warum sind sie das? Vielleicht weil sie die Vorstellung, dass da so verdammt viele Kopien von ihnen in all diesen vielen Universen herumlungern, allzu abenteuerlich finden?
Deutsch: So schwer ist diese Idee doch gar nicht zu begreifen, jedenfalls viel leichter als etwa die allgemeine Relativität. Ich glaube, dass jeder intuitiv eine Vorstellung davon hat, was die Parallele-Universen-Theorie bedeutet, zumindest sehr grob. Aber was meint einer, wenn er sagt, dass die Gleichzeitigkeit relativ ist und der Raum gekrümmt - ich glaube, sehr wenige Leute können das begreifen.
SPIEGEL: Nun haben Sie uns aber immer noch nicht gesagt, welche Experimente die Existenz eines Multiversums beweisen.
Deutsch: Oh, im Grunde alle Interferenzexperimente.
SPIEGEL: Das müssen Sie uns genauer erklären.
Deutsch: Also, wenn Sie Licht durch ein winziges rundes Loch werfen, dann wird auf einem Schirm dahinter ein heller Fleck erscheinen, das Abbild des Lochs. Und wenn das Licht durch zwei Löcher fällt, entstehen zwei Flecken. Wenn Sie nun aber die beiden Löcher immer näher aneinander heranrücken, dann werden die Abbilder der Löcher irgendwann aufhören auszusehen wie Flecken. Stattdessen erscheint ein kompliziertes geometrisches Muster, das viel komplizierter als die Form der Löcher ist.
SPIEGEL: Sie reden von Interferenzmustern.
Deutsch: Richtig. Sie werden verursacht, weil das Licht, das durch das eine Loch fällt, das Licht, das durchs Nachbarloch fällt, beeinflusst.
SPIEGEL: Und das soll jetzt das Multiversum beweisen?
Deutsch: Warten Sie. Stellen Sie sich nun vor, Sie schicken das Licht aus Ihrer Lichtquelle durch so viele dunkle Filter, dass am Ende nur noch ein einziges Photon pro Minute durch die Lochblende geht. Was passiert? Eigentlich würden Sie doch erwarten, dass dieses Photon, das ja jetzt nicht mehr gestört werden kann durch etwaige Nachbar-Photonen, entweder auf dem Abbild des einen oder auf dem Abbild des anderen Lochs landet.
SPIEGEL: Sie meinen, die Interferenz müsste verschwinden.
Deutsch: Genau. Aber das Erstaunliche ist: Sie tut es nicht. Auch wenn nur ein einziges Photon durch unsere Lochblende fliegt, landet es auf einem Platz, der dem komplexen Interferenzmuster entspricht! Was folgt daraus? Offensichtlich muss doch, während unser Photon durch das eine Loch geschossen ist, irgendetwas anderes durch das andere Loch gelangt sein, um mit unserem sichtbaren Photon zu interferieren.
SPIEGEL: Und was ist dieses Etwas?
Deutsch: Nun, experimentell lässt sich nachweisen, dass sich dieses Etwas exakt so verhält wie ein Photon. Zum Beispiel können wir ihm Spiegel in den Weg stellen und Linsen, irgendwelches optisches Gerät - das Ding, das die Bahn unseres sichtbaren, messbaren Photons beeinflusst, wird sich benehmen, als wäre es selbst ein Photon.
SPIEGEL: Und Sie meinen jetzt, jenes unsichtbare Photon, das das sichtbare aus der Bahn wirft, stammt aus einem anderen Universum?
"Wer aus der Zeitmaschine heraustritt, betritt ein anderes Universum."
Deutsch: Sie sagen es. Und damit haben Sie Ihren experimentellen Beweis für die Existenz des Multiversums.
SPIEGEL: Und warum interferieren die beiden Universen ausgerechnet in dem Moment, in dem Sie Ihr Interferenzexperiment machen?
Deutsch: Sie tun's die ganze Zeit, nicht nur, wenn wir Experimente machen. Deshalb sind wir auch überall umgeben von indirekten Hinweisen auf parallele Universen. Nehmen Sie die Tatsache, dass Materie fest ist. Wenn die klassische Physik wahr wäre und Atome wirklich nur in einem einzigen Universum existieren und einander anziehen würden, dann könnte man beweisen, dass es so etwas wie feste Materie gar nicht gibt. Es gäbe dann weder Ihren Stift noch Ihr Tonband, und Sie selbst gäbe es auch nicht. Jede Menge Eigenschaften der Welt sind verursacht durch Quanteninterferenz, durch das Zusammenwirken vieler paralleler Universen.
SPIEGEL: Sie haben vorhin gesagt, Ihre Theorie des Quantencomputers verdankten Sie letztlich der Multiversumsidee. Gibt es sonst noch praktische Folgerungen aus der Viele-Welten-Theorie?
Deutsch: Zeitreisen zum Beispiel - wobei die eher den theoretischen als den praktischen Anwendungen zuzurechnen sind. Allerdings wendet sich die Quantentheorie nur der Frage zu, was passieren würde, wenn wir eine Zeitmaschine hätten. Vielleicht lautet die für einen Laien interessantere Frage: Wie machen wir eine?
SPIEGEL: Also, verraten Sie es uns: Wie machen wir eine?
Deutsch: Das berührt ein komplett anderes Gebiet der Physik - das gehört ins Reich der allgemeinen Relativität. Einen Pfad in die Vergangenheit können wir nur bauen, wenn wir irgendeine brutale Unterbrechung der Raumzeit nutzen. Dazu müsste es gelingen, ein schwarzes Loch in sehr schnelle Rotation zu versetzen.
SPIEGEL: Und das soll möglich sein?
Deutsch: Irgendwann vermutlich schon.
SPIEGEL: Aber was passiert, wenn Sie dann in die Vergangenheit reisen und etwas schaffen wie das Großvater-Paradox: Sie töten Ihren Großvater, noch bevor er Ihren Vater zeugen konnte?
Deutsch: Vergessen Sie nicht: Wer aus der Zeitmaschine heraustritt, betritt ein anderes Universum. Dort können Sie verursachen, was Sie wollen - es wird nicht das Universum sein, aus dem Sie stammen.
SPIEGEL: Das heißt also, der Mord an meinem Großvater hätte nur zur Folge, dass ich in diesem anderen Universum nie geboren würde.
Deutsch: Ja, richtig. Aber ich finde, diese Mordgeschichten verwirren das Ganze nur. Nehmen wir an, Sie töten ihn nicht; dann wird er einen Sohn zeugen, der wiederum ein Kind zeugt. Und Sie werden dieses Kind - Ihr jüngeres Selbst - treffen. Es wird zwei Kopien von Ihnen geben.
SPIEGEL: Und Sie könnten dann Ihrer jüngeren Kopie sagen: "Ach, hör doch auf mit deiner Theorie des Quantencomputers, das habe ich alles schon erledigt"?
Deutsch: Ja. Ich glaube, wenn wir je Zeitmaschinentechnik beherrschen sollten, werden wir sie genau zu diesem Zweck nutzen: zur Informationsweitergabe - und nicht, um selbst auf Reisen zu gehen.
SPIEGEL: Warum sollte man aufs Reisen verzichten?
Deutsch: Schon allein, weil niemand von einer Reise durch die Zeit zurückkehren kann. Sie würden für immer aus diesem Universum verschwinden. Alle Ihre Freunde würden Sie unwiderruflich verlieren - und Sie wiederum Ihre Freunde. Wobei Sie jüngere Ausgaben von ihnen treffen würden, allerdings in Begleitung einer jüngeren Kopie Ihrer selbst.
SPIEGEL: Nun gut, wir würden also eher Informationen, Daten in die Vergangenheit schicken. Und wozu soll das gut sein?
Deutsch: Zeitmaschinen werden die Informationsverarbeitung revolutionieren - mindestens so grundlegend, wie es die Erfindung des Computers getan hat.
SPIEGEL: Was, glauben Sie, würde man konkret damit anfangen?
Deutsch: Wir hätten viel mehr Zugang zu Informationen. Wir könnten zum Beispiel etwas über Universen erfahren, in denen eine bestimmte Wirtschaftspolitik ausprobiert wurde, und so herausfinden, was dort ein Jahrzehnt später los war. Solche Daten können von heute aus gesehen extrem wertvoll sein. Wir wären also bald angelangt in einer Ära, in der wir Dinge, die wir heute durch Versuch und Irrtum lösen müssen, dann durch Informationsverarbeitung klären könnten.
SPIEGEL: Wann rechnen Sie mit dem ersten Prototyp?
Deutsch: Na ja, wir reden hier über Science-Fiction, die vielleicht Jahrmillionen in der Zukunft liegt. Ich habe so leichthin gesagt, man müsse ein schwarzes Loch in Rotation versetzen - in Wahrheit müsste es mindestens die dreifache Masse unseres Sonnensystems besitzen. Und es müsste mit der Präzision eines Quantencomputers manipuliert werden.
SPIEGEL: Würden Quantencomputer oder Zeitmaschinen es dem Menschen ermöglichen, die Welt noch tiefer zu verstehen? Und hätten angesichts der damit verbundenen Einsichten die Quanten- und die Multiversumstheorie überhaupt noch Bestand?
Deutsch: Ich glaube nicht, dass irgendetwas in der Welt unerklärbar ist. Und ich glaube auch nicht, dass das Wachstum des Wissens je zu einem Ende kommen wird. Deswegen wird die Quantentheorie auch nicht die letzte Theorie sein - es gibt keine letztgültige Erklärung.
SPIEGEL: Aber es wird jedenfalls immer neue, immer unbegreiflichere Erklärungen geben?
Deutsch: Davon bin ich überzeugt. Die Physik hat stets neue, immer bessere Erklärungen hervorgebracht. Und es wäre sehr überraschend, wenn sich das, was am Ende an die Stelle der heutigen Multiversumstheorie tritt, als weniger merkwürdig erweisen würde.
SPIEGEL: Je merkwürdiger, desto besser?
Deutsch: Nein. Merkwürdigkeit ist ja kein Selbstzweck. Aber zum einen werden grundlegende physikalische Erklärungen immer merkwürdiger, weil sie sich immer weiter entfernen von unserer Alltagserfahrung. Und zum anderen wären Erklärungen, die weniger sonderbar sind, längst entdeckt worden.
SPIEGEL: Also müssen wir uns damit abfinden, dass uns die Physiker immer noch bizarrere Ideen präsentieren werden?
Deutsch: Ja. Das Bizarre muss man einfach akzeptieren - weil die Welt bizarr ist.
SPIEGEL: Herr Deutsch, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Was meint ihr dazu ? Verschwörungstheorie oder Wahrheit ?
MfG Revolvermann
"Die Welt ist bizarr"
Der britische Quantencomputer-Pionier David Deutsch über Paralleluniversen, Zeitreisen und den größten Physikskandal des 20. Jahrhunderts
DER SPIEGEL
SPIEGEL: Herr Deutsch, Sie behaupten, unser Universum sei nur eines von vielen.
Deutsch: Von sehr, sehr vielen sogar. Alles, was physikalisch möglich ist, geschieht in mindestens einem dieser Universen.
SPIEGEL: Das heißt, es gibt auch ein Universum, in dem Saddam Hussein glücklich mit Laura Bush verheiratet ist?
Deutsch: Wenn wir die Quantentheorie ernst nehmen, ja - wenngleich diese Ehe vermutlich nur in einer winzigen Zahl von Universen geschlossen wurde.
SPIEGEL: Und andernorts haben die Dinosaurier überlebt und grübeln nun an Stelle von uns über die Gesetze der Physik?
Deutsch: Ja, absolut.
SPIEGEL: Könnte auch in unserer Welt plötzlich ein Dino durchs Fenster gucken?
Deutsch: Theoretisch sogar das - allerdings nur mit einer astronomisch geringen Wahrscheinlichkeit.
SPIEGEL: Dann müssten die Dinos ja 65 Millionen Jahre lang überlebt haben ...
Deutsch: ... ohne bemerkt zu werden? Nun, ein Dino könnte ja auch spontan ins Leben gerufen worden sein, plötzlich dem Boden entstiegen. Es gibt schließlich einen physikalischen Prozess, der Dinosaurier in Erde verwandelt - also muss auch die Umkehrung möglich sein. Aber das ist natürlich astronomisch unwahrscheinlich - wobei der Begriff "astronomisch" noch viel zu schwach ist, um auszudrücken, wie unwahrscheinlich es ist.
SPIEGEL: Aber Universen mit eckigen Atomen und durchsichtigen Planeten, die wenigstens gibt es nicht, oder?
Deutsch: Nein. Die Naturgesetze gelten in allen Universen. Die Masse des Elektrons ist in allen Universen gleich. Auch einen Urknall gab es überall.
SPIEGEL: Und Zauberei gibt es auch nicht?
Deutsch: Nein - außer in dem, was ich Harry-Potter-Universum nenne.
SPIEGEL: Wie bitte?
Deutsch: Wie gesagt, in allen Universen gelten die Naturgesetze, und die schließen Zauberei aus. Es gibt allerdings einige wenige Universen, in denen Zauberei zu funktionieren scheint, weil zufälligerweise ein Hase genau in dem Moment auftaucht, in dem jemand den Zauberstab schwingt.
SPIEGEL: Und woran erkennt man dann, dass es keine echte Zauberei ist?
Deutsch: Stellen Sie sich das Multiversum einfach als eine Ansammlung von Universen vor.
SPIEGEL: Nichts einfacher als das.
Deutsch: Wenn Sie nun zu einem bestimmten Moment alle Universen betrachten, in denen es Anhaltspunkte dafür gibt, dass dort Harry-Pottersche Physik regiert, dann werden die allermeisten davon im nächsten Moment schon aufhören, so zu erscheinen.
SPIEGEL: Weil beim nächsten Zauberstabschwingen kein Hase mehr aus dem Zylinder springt.
Deutsch: Ganz genau.
SPIEGEL: Die Vorstellung all dieser unendlich vielen Universen ist ja zweifellos faszinierend. Aber sie klingt eher nach Science-Fiction. Sind Sie wirklich überzeugt, dass all diese vielen Universen - diese Dinowächst-aus-dem-Erdboden-Universen, diese Hussein-heiratet-Laura-Bush-Universen und diese Harry-Potter-Universen -, dass die genauso real sind wie dasjenige, in dem wir hier sitzen und uns unterhalten?
Deutsch: Absolut. Die Physik sagt es uns.
SPIEGEL: Aber sehen können wir all diese Universen nicht?
Deutsch: Zumindest nicht direkt.
SPIEGEL: Wie können Sie dann so sicher sein, dass es sie gibt?
Deutsch: Dass wir etwas, das wir nicht sehen können, für real halten, ist ja gar nichts Ungewöhnliches. Wir können auch keine schwarzen Löcher und keine Atome und Quarks sehen, und doch sind wir überzeugt, dass es sie gibt. Das Entscheidende ist: Die Multiversumstheorie ist die beste Erklärung der Welt, die wir haben.
SPIEGEL: Welche experimentellen Beweise gibt es denn dafür?
Deutsch: Jetzt kommen wir zu dem, was ich als größten Skandal der Physik des 20. Jahrhunderts bezeichne. Bei der Quantentheorie verzichten die Physiker nämlich, anders als bei allen anderen physikalischen Theorien, völlig darauf, sie als eine wahre Beschreibung der Welt zu betrachten. Sie stellen nur die Frage nach der experimentellen Testbarkeit und reden dann von der "Interpretation" der Quantentheorie. Das ist ein fundamentaler Fehler! Er hat die Physik sehr lange aufgehalten und viel Sand ins Getriebe der Wissenschaftsphilosophie gestreut.
SPIEGEL: Ist "Skandal" nicht trotzdem ein wenig hochgegriffen?
Deutsch: Überhaupt nicht. Die unlogische Trennung von experimenteller Testbarkeit und Erklärung ist genau das, was die Inquisition von Galileo zu erzwingen suchte: Sie wäre bereit gewesen, die praktischen Auswirkungen seines heliozentrischen Weltbildes zu akzeptieren, wenn er nur darauf verzichtet hätte zu behaupten, dass die Erde wirklich um die Sonne kreist. Wenn man derart die Verbindung zur Wirklichkeit leugnet, erfährt man auch nichts über die Wirklichkeit.
SPIEGEL: Wenn die Menschen die Wirklichkeit des Multiversums akzeptieren würden, würde das irgendetwas praktisch ändern?
Deutsch: Aber ja! Das Leugnen der physikalischen Wirklichkeit hat den Fortschritt schwerstens behindert. Die von mir gefundene Theorie des Quantencomputers hätte 30 bis 50 Jahre früher entdeckt werden können. Außerdem halte ich es für fatal, dass die Leute inzwischen glauben, die Naturwissenschaft könne die Wirklichkeit nicht mehr beschreiben. Es ist ehrbar geworden anzunehmen, es gebe gar keine objektive Wirklichkeit. Und die größten Physiker verleihen dieser üblen Philosophie dann auch noch die Weihen der Wissenschaft.
SPIEGEL: Einer davon ist der Nobelpreisträger Steven Weinberg. Der spottet, er sei "zu beschäftigt, um sich mit Kram wie der Viele-Welten-Interpretation zu befassen".
Deutsch: Das ist schon richtig, die Viele-Welten-Theorie wird von nicht mehr als etwa 10 Prozent der Physiker vertreten. Die anderen 90 Prozent sind immer noch gefangen in dieser - ja, wie soll ich es nennen? - Verleugnung der Wahrheit ihrer eigenen Theorie.
SPIEGEL: Aber warum sind sie das? Vielleicht weil sie die Vorstellung, dass da so verdammt viele Kopien von ihnen in all diesen vielen Universen herumlungern, allzu abenteuerlich finden?
Deutsch: So schwer ist diese Idee doch gar nicht zu begreifen, jedenfalls viel leichter als etwa die allgemeine Relativität. Ich glaube, dass jeder intuitiv eine Vorstellung davon hat, was die Parallele-Universen-Theorie bedeutet, zumindest sehr grob. Aber was meint einer, wenn er sagt, dass die Gleichzeitigkeit relativ ist und der Raum gekrümmt - ich glaube, sehr wenige Leute können das begreifen.
SPIEGEL: Nun haben Sie uns aber immer noch nicht gesagt, welche Experimente die Existenz eines Multiversums beweisen.
Deutsch: Oh, im Grunde alle Interferenzexperimente.
SPIEGEL: Das müssen Sie uns genauer erklären.
Deutsch: Also, wenn Sie Licht durch ein winziges rundes Loch werfen, dann wird auf einem Schirm dahinter ein heller Fleck erscheinen, das Abbild des Lochs. Und wenn das Licht durch zwei Löcher fällt, entstehen zwei Flecken. Wenn Sie nun aber die beiden Löcher immer näher aneinander heranrücken, dann werden die Abbilder der Löcher irgendwann aufhören auszusehen wie Flecken. Stattdessen erscheint ein kompliziertes geometrisches Muster, das viel komplizierter als die Form der Löcher ist.
SPIEGEL: Sie reden von Interferenzmustern.
Deutsch: Richtig. Sie werden verursacht, weil das Licht, das durch das eine Loch fällt, das Licht, das durchs Nachbarloch fällt, beeinflusst.
SPIEGEL: Und das soll jetzt das Multiversum beweisen?
Deutsch: Warten Sie. Stellen Sie sich nun vor, Sie schicken das Licht aus Ihrer Lichtquelle durch so viele dunkle Filter, dass am Ende nur noch ein einziges Photon pro Minute durch die Lochblende geht. Was passiert? Eigentlich würden Sie doch erwarten, dass dieses Photon, das ja jetzt nicht mehr gestört werden kann durch etwaige Nachbar-Photonen, entweder auf dem Abbild des einen oder auf dem Abbild des anderen Lochs landet.
SPIEGEL: Sie meinen, die Interferenz müsste verschwinden.
Deutsch: Genau. Aber das Erstaunliche ist: Sie tut es nicht. Auch wenn nur ein einziges Photon durch unsere Lochblende fliegt, landet es auf einem Platz, der dem komplexen Interferenzmuster entspricht! Was folgt daraus? Offensichtlich muss doch, während unser Photon durch das eine Loch geschossen ist, irgendetwas anderes durch das andere Loch gelangt sein, um mit unserem sichtbaren Photon zu interferieren.
SPIEGEL: Und was ist dieses Etwas?
Deutsch: Nun, experimentell lässt sich nachweisen, dass sich dieses Etwas exakt so verhält wie ein Photon. Zum Beispiel können wir ihm Spiegel in den Weg stellen und Linsen, irgendwelches optisches Gerät - das Ding, das die Bahn unseres sichtbaren, messbaren Photons beeinflusst, wird sich benehmen, als wäre es selbst ein Photon.
SPIEGEL: Und Sie meinen jetzt, jenes unsichtbare Photon, das das sichtbare aus der Bahn wirft, stammt aus einem anderen Universum?
"Wer aus der Zeitmaschine heraustritt, betritt ein anderes Universum."
Deutsch: Sie sagen es. Und damit haben Sie Ihren experimentellen Beweis für die Existenz des Multiversums.
SPIEGEL: Und warum interferieren die beiden Universen ausgerechnet in dem Moment, in dem Sie Ihr Interferenzexperiment machen?
Deutsch: Sie tun's die ganze Zeit, nicht nur, wenn wir Experimente machen. Deshalb sind wir auch überall umgeben von indirekten Hinweisen auf parallele Universen. Nehmen Sie die Tatsache, dass Materie fest ist. Wenn die klassische Physik wahr wäre und Atome wirklich nur in einem einzigen Universum existieren und einander anziehen würden, dann könnte man beweisen, dass es so etwas wie feste Materie gar nicht gibt. Es gäbe dann weder Ihren Stift noch Ihr Tonband, und Sie selbst gäbe es auch nicht. Jede Menge Eigenschaften der Welt sind verursacht durch Quanteninterferenz, durch das Zusammenwirken vieler paralleler Universen.
SPIEGEL: Sie haben vorhin gesagt, Ihre Theorie des Quantencomputers verdankten Sie letztlich der Multiversumsidee. Gibt es sonst noch praktische Folgerungen aus der Viele-Welten-Theorie?
Deutsch: Zeitreisen zum Beispiel - wobei die eher den theoretischen als den praktischen Anwendungen zuzurechnen sind. Allerdings wendet sich die Quantentheorie nur der Frage zu, was passieren würde, wenn wir eine Zeitmaschine hätten. Vielleicht lautet die für einen Laien interessantere Frage: Wie machen wir eine?
SPIEGEL: Also, verraten Sie es uns: Wie machen wir eine?
Deutsch: Das berührt ein komplett anderes Gebiet der Physik - das gehört ins Reich der allgemeinen Relativität. Einen Pfad in die Vergangenheit können wir nur bauen, wenn wir irgendeine brutale Unterbrechung der Raumzeit nutzen. Dazu müsste es gelingen, ein schwarzes Loch in sehr schnelle Rotation zu versetzen.
SPIEGEL: Und das soll möglich sein?
Deutsch: Irgendwann vermutlich schon.
SPIEGEL: Aber was passiert, wenn Sie dann in die Vergangenheit reisen und etwas schaffen wie das Großvater-Paradox: Sie töten Ihren Großvater, noch bevor er Ihren Vater zeugen konnte?
Deutsch: Vergessen Sie nicht: Wer aus der Zeitmaschine heraustritt, betritt ein anderes Universum. Dort können Sie verursachen, was Sie wollen - es wird nicht das Universum sein, aus dem Sie stammen.
SPIEGEL: Das heißt also, der Mord an meinem Großvater hätte nur zur Folge, dass ich in diesem anderen Universum nie geboren würde.
Deutsch: Ja, richtig. Aber ich finde, diese Mordgeschichten verwirren das Ganze nur. Nehmen wir an, Sie töten ihn nicht; dann wird er einen Sohn zeugen, der wiederum ein Kind zeugt. Und Sie werden dieses Kind - Ihr jüngeres Selbst - treffen. Es wird zwei Kopien von Ihnen geben.
SPIEGEL: Und Sie könnten dann Ihrer jüngeren Kopie sagen: "Ach, hör doch auf mit deiner Theorie des Quantencomputers, das habe ich alles schon erledigt"?
Deutsch: Ja. Ich glaube, wenn wir je Zeitmaschinentechnik beherrschen sollten, werden wir sie genau zu diesem Zweck nutzen: zur Informationsweitergabe - und nicht, um selbst auf Reisen zu gehen.
SPIEGEL: Warum sollte man aufs Reisen verzichten?
Deutsch: Schon allein, weil niemand von einer Reise durch die Zeit zurückkehren kann. Sie würden für immer aus diesem Universum verschwinden. Alle Ihre Freunde würden Sie unwiderruflich verlieren - und Sie wiederum Ihre Freunde. Wobei Sie jüngere Ausgaben von ihnen treffen würden, allerdings in Begleitung einer jüngeren Kopie Ihrer selbst.
SPIEGEL: Nun gut, wir würden also eher Informationen, Daten in die Vergangenheit schicken. Und wozu soll das gut sein?
Deutsch: Zeitmaschinen werden die Informationsverarbeitung revolutionieren - mindestens so grundlegend, wie es die Erfindung des Computers getan hat.
SPIEGEL: Was, glauben Sie, würde man konkret damit anfangen?
Deutsch: Wir hätten viel mehr Zugang zu Informationen. Wir könnten zum Beispiel etwas über Universen erfahren, in denen eine bestimmte Wirtschaftspolitik ausprobiert wurde, und so herausfinden, was dort ein Jahrzehnt später los war. Solche Daten können von heute aus gesehen extrem wertvoll sein. Wir wären also bald angelangt in einer Ära, in der wir Dinge, die wir heute durch Versuch und Irrtum lösen müssen, dann durch Informationsverarbeitung klären könnten.
SPIEGEL: Wann rechnen Sie mit dem ersten Prototyp?
Deutsch: Na ja, wir reden hier über Science-Fiction, die vielleicht Jahrmillionen in der Zukunft liegt. Ich habe so leichthin gesagt, man müsse ein schwarzes Loch in Rotation versetzen - in Wahrheit müsste es mindestens die dreifache Masse unseres Sonnensystems besitzen. Und es müsste mit der Präzision eines Quantencomputers manipuliert werden.
SPIEGEL: Würden Quantencomputer oder Zeitmaschinen es dem Menschen ermöglichen, die Welt noch tiefer zu verstehen? Und hätten angesichts der damit verbundenen Einsichten die Quanten- und die Multiversumstheorie überhaupt noch Bestand?
Deutsch: Ich glaube nicht, dass irgendetwas in der Welt unerklärbar ist. Und ich glaube auch nicht, dass das Wachstum des Wissens je zu einem Ende kommen wird. Deswegen wird die Quantentheorie auch nicht die letzte Theorie sein - es gibt keine letztgültige Erklärung.
SPIEGEL: Aber es wird jedenfalls immer neue, immer unbegreiflichere Erklärungen geben?
Deutsch: Davon bin ich überzeugt. Die Physik hat stets neue, immer bessere Erklärungen hervorgebracht. Und es wäre sehr überraschend, wenn sich das, was am Ende an die Stelle der heutigen Multiversumstheorie tritt, als weniger merkwürdig erweisen würde.
SPIEGEL: Je merkwürdiger, desto besser?
Deutsch: Nein. Merkwürdigkeit ist ja kein Selbstzweck. Aber zum einen werden grundlegende physikalische Erklärungen immer merkwürdiger, weil sie sich immer weiter entfernen von unserer Alltagserfahrung. Und zum anderen wären Erklärungen, die weniger sonderbar sind, längst entdeckt worden.
SPIEGEL: Also müssen wir uns damit abfinden, dass uns die Physiker immer noch bizarrere Ideen präsentieren werden?
Deutsch: Ja. Das Bizarre muss man einfach akzeptieren - weil die Welt bizarr ist.
SPIEGEL: Herr Deutsch, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Was meint ihr dazu ? Verschwörungstheorie oder Wahrheit ?
MfG Revolvermann