PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ich aß vom Leibe Jesu


aths
2002-08-19, 13:35:59
Gestern, es war Sonntag, kurz nach 9, machte ich was ich schon immer mal wieder machen wollte: Einen Gottesdienst besuchen. Ich wusste von ein paar evangelischen Kirchen in Wismar, und ging bei diesem schönen Wetter also einfach in die Stadt. (Das "in die Kirche gehen" war letztlich der "Grund" für einen Spaziergang, den ich nach Tagen vor dem Computer dringend nötig hatte.) Viele Menschen gehen jeden Sonntag in die Kirche. Was treiben die da eigentlich? Das wollte ich "nebenbei" herausfinden*.

Als ich dem Stadtzentrum näher kam, hörte ich Glockengeläut. Eigentlich wollte ich in meine Hauskirche**, folgte dann aber den Glocken***. Bei einem Kloster merkte ich, ups, das ist ja noch gar nicht die Kirche, sondern eine Schule. Das ist nun schon die zweite "Klosterschule" die ich in Wismar kenne. Schließlich sah ich endlich die Kirche. (Sie liegt ein wenig abseits. An ihr bin ich schon mal bei einem früheren Spaziergang vorbei gelaufen.) Allerdings konnte ich lesen: "Katholische Kirche." Es war nun aber schon fast 10, so dass ich mich halt zu Heiligen Messe gesellte.

Ich nahm links, in der hintersten Reihe Platz (das Haus war übrigens ausgelastet) und wartete darauf, dass sich vorne etwas tut. Zunächst erschien eine Frau. Frauen und katholische Kirche sind offenbar keine unüberbrückbaren Gegensätze, auch wenn ihnen dort höhere Ämter verwehrt bleiben. Zu Beginn wurde gesungen, sogar mit instrumenteller Begleitung. (Die Musik wurde von zwei Erwachsenen und mehreren Kindern gespielt.)

Nun, ich möchte jetzt nicht den Gottesdienst nacherzählen, schließlich kann den jeder selbst mal besuchen, sondern auf die Punkte eingehen, die mir aufgefallen sind.

Zunächst: Eine Predigt im eigentlichen Sinne gabs eigentlich nicht, bzw. die währte extrem kurz. Was mir allgemein gefiel, war der unverkrampfte Umgang mit dem Judentum. In einer christlichen Kirche wurde "Shalom" gesungen! Jesus wurde bei einer Lesung aus der Bibel "Rabbi" genannt****, wenn auch mit der Bemerkung "Das heißt übersetzt Meister". Als, diesmal für die Flutopfer, als die Kollekte herumgereicht wurde, (die Menschen spendeten absichtlich so, dass man den Betrag nicht sehen konnte, was mich an eine gewisse Bibelstelle erinnert in der genau das gefordert wird, mit seiner Spende nicht "anzugeben") steuerte ich als Zeichen guten Willens einen € bei.

Als die Aktionen der vorhergegangenen "religiösen Kinderwoche" besprochen wurde, wurde von dem jugendlichen Veranstalter eine von den Kindern gebaute Laubhütte erwähnt, die kein Dach hatte. Er nannte seinen Schützlingen jetzt auch den Grund für das fehlende Dach: Damit sie Gottes Segen empfangen könnten. Das empfand ich als etwas lächerlich. Ich glaube nicht, dass Jahwe (der Name fiel übrigens tatsächlich während der Messe) ein "Loch" braucht, um in ein Haus gucken zu können. Was mich wieder versöhnte, war die Erwähnung von einem jüdischen Gebetsschaal, der Tora-Rolle (!) usw, für die Kinder alles mit Erklärungen versehen, warum und wieso und wie diese Sachen von gläubigen Juden benutzt werden. Ich hielt das Christentum für wesentlich verkrampfter, was seine Wurzeln angeht, doch zumindest die Katholiken scheinen die Herkunft ihrer Tradition nicht zu leugnen.

(Während meiner Recherchen zum Ursprung der drei großen abrahamitischen Weltreligionen beschäftigte ich mich natürlich auch mit dem Judentum, und las erstaunt, dass die Christen viele jüdische Riten und Feiertage einfach umgedeutet haben. Ich lernte während des christlichen Gottesdienstes auch etwas über das Judentum, doch weiß auch, dass die christliche Darstellung nicht neutral ist, und man sich auch um die Betrachtungen eines gläubigen Juden bemühen sollte. Allerdings ging ich nicht zuletzt in die Kirche, um mehr über meine eigenen kulturellen Wurzeln zu erfahren, die ja nun nicht jüdisch, sondern christlich sind.)

Der Pastor wirkte in der Tat ehrwürdig. Es gab in der Kirche keine Kanzel, was mich sehr verwunderte, und er verrichtete alle Geschäfte vorne an einer Art Altar. Dort bereitet er auch kultisch die Verwandlung von Messwein bzw. Oblaten in Blut bzw. Wein Christi vor. Das hatte was. Die Bewegungen des Priesters wirkten keineswegs lächerlich, und inspirierten mich übrigens zu meiner nächsten Priester-Rolle, falls ich mal wieder für D&D Zeit haben sollte. Auch ich reihte mich später ein, und bekam wie jeder mit den Worten "Der Leib Christi" eine kleine, runde Oblate gereicht.

Hier geht meine Kritik los. Ja, wenn eine Autorität behauptet, man hätte hier den Leib Christi, glaubt man das am Ende noch. Beim Gottesdienst war das Hauptthema das Ende der "religiösen Kinderwoche", und auch der Schulbeginn. Die Kinder bekommen von klein auf einen widersinnigen, abstrusen Kathechismus gelehrt.

Mehrfach wurde die Gemeinde aufgefordet "So lasset uns beten." Etliche Gebete wurden gesungen, sogar das Vaterunser, was übrigens das einzige Gebet war, an dessen Teilnahme ich nicht durch Textunkenntnis ausgeschlossen war. Ich hätte es als anstößig empfunden, nicht mitzumachen, doch bei Gebeten die ich nicht kannte hielt ich dann lieber den Mund, anstatt durch sinnfreie Mundbewegungen ein Mitmachen zu simulieren. Die einzige Stelle wo ich generell Schwierigkeiten hätte, war das Glaubensbekenntnis. Ja, ich glaube eben nicht an Gott, die Auferstehung von den Toten usw. Hier falsch Zeugnis abzugeben wäre gotteslästerlich, und dafür muss man sich ja nun nicht unbedingt eine Kirche aussuchen.

Um das noch mal deutlich zu formulieren :) Mir geht es nicht darum, Respekt vor einem Gott zu bezeugen, an den ich nicht glaube. Sondern darum, gläubige Menschen nicht zu verletzen, solange ich ihren religiösen Handlungen beiwohne. Das wäre vermutlich soweit gegangen, dass ich auf eine Nachfrage hin mich nicht als Atheist, sondern lediglich als nicht katholisch geoutet hätte. Bevor der Leib Christi gereicht wurde, fragte ich die alte Frau, die links von mir saß, was da vorne geschehe. (Ich konnte es mir eigentlich schon denken, wollte aber sicher gehen.) Sie schien kein Problem damit zu haben, dass mir dieser Ritus fremd war.

Obwohl ich die Eucharistie als Hokuspokus ansehe, entschloss ich mich, wie fast alle Besucher der Kirche die Kommunion zu empfangen. Immerhin lebe ich in einem sehr abendländisch geprägtem Kulturkreis, es kann kaum falsch sein, sich mit der zugehörigen Religion zu beschäftigen.

(Meine Kritik bleibt im Kern bestehen: Die "Gemeinde" besteht in der Tat aus "Schafen", die sich führen lassen, und in gewissen Dingen ihren Kopf nicht anstrengen, weil sie ein vorgekautes Weltbild bekommen. Vermutlich habe ich Atheist mich mehr mit dem Christentum und der Bibel beschäftigt, als so mancher aus dieser katholischen Gemeinde, der einfach nur aus Gewöhnung oder weil er so erzogen wurde regelmäßig in die Kirche geht. Ich bemerkte dass es Usus ist, sich vor dem Verlassen der Kirche in Richtung Altar eine unterwürfige Geste zu machen, bevor man sich mit Weihwasser bekreuzigt und die Kirche verlässt. Die Geste unterließ ich, das Bekreuzigen war mir dann allerdings wieder "gewöhnlich" genug, dass ich mich hier wie die anderen verhielt. Dieses "Knicken" (vor wem eigentlich?) ist für mich ein Glaubensbekenntnis, das abzulegen von einem Ungläubigen wie mir eine Verhöhnung von Jahwe wäre. Sich Bekreuzigen heisst für mich, dem Vater, dem Sohne und dem Heiligen Geist zu gedenken, womit ich kein Problem habe.)

Ehrwürdige Pastoren, kultische Handlungen, Gemeinsamkeit (durch gemeinschaftliches singen und beten) - das hat ein katholischer Gottesdienst zu bieten. Hier im Norden scheint es (zum Glück) mit der Verehrung der Heiligen Jungfrau Maria nicht so übertrieben zu werden, wie z.B. in Bayern.

Was bleibt, ist ein seltsames Gefühl. Ungefähr so, als hätte man einen bemerkenswerten alten Film, eine Art Historien-Schinken, gesehen. Gesehen ist aber auch nicht ganz das richtige Wort, immerhin war ich ja mit eingebunden. Der Gottesdienst hat meinem Atheismus nicht geschadet, aber ich glaube sagen zu können, dafür meinen Horizont ein kleines Stückchen erweitert.


* Ich war schon mal zu DDR-Zeiten, auf meinen Wunsch, während des Urlaubes in einem (evangelischen) Gottesdienst. Das "Zu Weihnachten in die Kirche rennen" widerstrebt mir seit jenher. Ich war noch nie zu Weihnachten in der Kirche, und habe das auch nicht vor.

** "Hauskirche" wird von mir ironisch verwendet. Auf dem Weg von der Fachholschule in die Stadt liegt eine Kirche, die ich im Sommer gelegentlich Zwecks ausruhen oder abkühlen besuche.

*** Ich meine heute gespürt zu haben, dass Glocken eine Art Herdentrieb wecken.

**** Jesus wird von seinen Jüngern lt. Bibel, auch evangelischer, manchmal "Rabbi" genannt. Aus irgendwelchen Gründen scheinen (= rein persönlicher Eindruck) evangelische Christen mehr Probleme mit den jüdischen (theologisch gesehen) Wurzeln zu haben, so dass einige evangelische Kirchen noch heute eine spezielle Judenmission betreiben.

Delmond
2002-08-19, 14:52:48
Nette Geschichte, aths. Würde sich sicher auch auf deiner Seite gut machen. :)

Zum Thema: Ich hab bislang erst einmal an einem Gottesdienst in einer katholischen Kirche teilgenommen. Das war letztes Jahr an Heilig Abend. Mitgekommen bin ich auch nur auf Drängen meiner Mutter sowie meiner Schwester, die aufrgrund ihrer Heiratspläne sich die Kirche mal von innen anschauen wollte.
Ich, konfirmiert, aber eigentlich schon vor der Kofirmation Atheist :stareup:, bin seit der Konfirmation nur zu Weihnachten mit der Familie in die evangelischen Gotteshäuser gegangen, hab mich ansonsten von der Kirche aber distanziert.
Umso mehr war es für mich ein Schock, zu sehen, dass im katholischen Gottesdienst der Pfarrer viele Gebete sang; und das noch auf Latein!
Neben dem wohl verhältnismäßig langen Gottesdienst ( wie lang er genau ging weiss ich nicht, da ich nicht ganz bis zum Schluss geblieben bin :stareup: ) fand ich vor allem die Botschaften zu konservativ und die vortragensweise war mehr als ernüchternd trocken.

Trotzdem werd ich wohl auch in zukunft Heilig Abend zum evangelischen Gottesdienst gehen. Alleine schon weil Weihnachten seit jeher bei uns ein Familienfest ist und die Kirche nunmal fester Bestandteil dieser Tradition. Man geht halt ein fach mal eben für ne 3/4 Stunde hin, hört sich Weihnachtslieder an, sepndet ein paar Märkler und begibt sich wieder nach Hause.
Von der religiösen Seite reizte mich die Kirche eigentlich schon lange vor meiner Konfirmation nicht mehr. Ich hab mich aus zweierlei Gründen aber dennoch entschlossen mich konformieren zu lassen.
Da wäre auf der einen Seite wieder das Familienfest (nur diesmal natürlich in anderen Dimensionen im Vergleich zu Weihnachen), und zum zweiten schlicht und ergreifend das Geld, welches ich auch in ausreichendem Maße bekam.

Das waren so meine Erfahrungen in Richtung Kirche.

aths
2002-08-20, 16:56:19
Vielleicht finde ich hier ein paar mehr Leser... und Antworter :)

Dunkeltier
2002-08-20, 17:41:16
Habe zuletzt (unfreiwillig) vor 4-5 Jahren eine Kirche besucht, war zur Weihnachtszeit. Meine Großmutter wollte hin, ich folgte ihr... Den Gotteshäusern kann ich bis heute nichts abgewinnen, egal welcher Religion. Aber dennoch tolerie ich den Glauben anderer, solange man mich nicht zwingt auch an etwas zu glauben.

Captain America
2002-08-20, 17:47:52
Du ermunterst mich dazu, mich mit meiner lieblings CNS-Stimulant auch mal unter die Schafe zu mischen. ;D

Gläubige sind für mich irgend wie total verblendet, allesamt, egal welche Glaubensrichtung. Fast wie in der Politik wird geschwafelt, aber was nimmt man mit aus einem Gottesdienst, ausser dass man anerzogene Rituale festigt? Wissen? Nö (ausser dass Hamham seine Tocher Gwuru gezeugt hat, und diese Elera, und dessen Urururururururururur...Enkel hat irgend wann mal den Gasthof zum güldenen M eröffnet). Gemeinschaft? Quatsch. Aus der Tür raus und das wars. Etwa tiefere Einblicke in die Gesellschaftsproblematik? Wie solln das gehn, wenn nur einer Umgeben von Unmengen an Ja-Sagern spricht?

Religion ist für mich eine Veraltete Form von Völkerkonrolle. Oder um Kindern Angst einzujagen. Leider beisst Wissen (und verstärkt IT / TK) diesem alten Monster den Kopf ab. Pech, JP2 & Co.

Mal ganz logisch gedacht: wer würde sich, wenn es ihm nicht anerzogen wäre, noch zu Gott wenden? Nicht ohne Grund die absolute Minderheit.

Aber führ doch noch ein wenig weiter aus, aths, klingt schon Interessant, ist eine fremde Welt für mich, errinert mich an RPGs! =)

aths
2002-08-20, 20:34:48
Delmond,

ich finde es nicht gerade, hm, bewunderswert, wie du dich hast kaufen lassen - für den schnöden Mammon deine Überzeugung verraten.

TitusXP
2002-08-20, 20:48:14
ICH HASSE SEKTEN

Gruss Titus

Delmond
2002-08-20, 21:01:46
@aths: Mag sein. Allerdings war ich damals 14 als ich konformiert wurde. Zudem war, soweit ich das beurteilen kann, keiner in der Gruppe (mich eingeschlossen), der wirklich an die Lehren der Bibel geglaubt hat. Ganz im Gegenteil! Es wurde in der Kirche gelacht und viele standen fast jede Stunde davor wegen ihres Verhaltens aus der Gruppe zu fliegen.

Ich will hier nichts daran beschönigen, dass ich mich in einer gewissen Weise verkauft habe, allerdings war es halt so üblich (und ist es wohl immer noch), dass alle Kinder von konfirmierten Eltern in den Unterricht gesteckt wurden und die 2 Jahre Unterricht brav übertanden haben, weil am Ende eben eine fette Belohnung wartete. Und gerade für jemanden der 14 ist, sind große Summen Geld jenseits der 2000 Mark natürlich schon extrem verlockend.

Außerdem denkt man mit 14 nicht groß über seine Ideale nach, wenns um 2000 Mark oder mehr geht. Da kann ja selbst so mancher gefestigter Mensch bei schwach werden. ;)

wulfman
2002-08-20, 21:20:39
aths, bist du eigentlich aus "der kirche" ausgetreten oder hast du dich nur "distanziert"?

mfg
wulfman

aths
2002-08-20, 21:41:22
Originally posted by wulfman
aths, bist du eigentlich aus "der kirche" ausgetreten oder hast du dich nur "distanziert"?Ich bin weder getauft, noch konfirmiert, noch war ich je religiös.

wulfman
2002-08-20, 21:50:17
wäre es lt. kirchlichem recht dann nicht eigentlich eine (tod)sünde, wenn du die kommunion empfängst?

mfg
wulfman

Thowe
2002-08-20, 22:07:19
Wobei das heute auch wohl nicht mehr so eng gesehen wird.

Aber die Kt. Kirche ist für mich einfach Kirche, sie verfolgt in erster Linie eigene Intressen - etwas das ich nicht in "Einklang" mit Gott bringen kann. Im Gegenteil, die zahlreichen Verstosse gegen ihre eigenen Grundsätze disqualifiziert sie in meinen Augen. Ich meine hier im besonderen die 10 Gebote, würde sich jeder daran halten, dann gäbe es viel weniger Probleme.

Aber die meisten Kirchgänger tun es eh nur aus Gewohnheit. Wissen nach der Messe nie was gepredigt wurde, nehmen die ganze Messe eher passiv war usw. Die Krönung sind die, die nur hin gehen um ihr Gewissen zu beruhigen, da sie im Alltag leider versäumen sowas wie christliche Nächstenliebe zu zeigen.

Ich persönlich würde es so sehen, man kann an Gott glauben, aber man sollte es meiden an irgendeine Kirche zu glauben. Ich würde Gott eher als Idee sehen, eine Ideologie für eine gangbare Lebensweise für eine Gesellschaft. Sowas findet im Kopf und Herz statt und nicht auf den Altar einer Kirche.

AtTheDriveIn
2002-08-20, 22:15:13
Originally posted by wulfman
wäre es lt. kirchlichem recht dann nicht eigentlich eine (tod)sünde, wenn du die kommunion empfängst?

mfg
wulfman



und? die wollen doch keinen Ausweis sehen ;D

zum Thema:
Ja ich glaube an ein höheres Wesen und ein Leben nach dem Tod, aber lass mich dabei nicht in eine Zwangsjacke stecken, d.h Lehren wie ich zu glauben habe (Religionen) sind mir schnurz!

p.s bin katholisch. Zur Kirche geh ich eigentlich nie, weil ich darin schlicht und ergreifend keinen Sinn sehe.

Delmond
2002-08-20, 22:20:06
Originally posted by wulfman
wäre es lt. kirchlichem recht dann nicht eigentlich eine (tod)sünde, wenn du die kommunion empfängst?

mfg
wulfman


Das ist ne gute Frage. Aber eigentlich heisst es ja, dass jeder in der Kirche willkommen ist.

Und mal ganz ehrlich: Hier im Norden (zumindest bei uns in der Stadt) sind die Priester heilfroh über jeden der sich mal am Sonntag in die Kirche verirrt. Das Publikum dort bestand nämlich während meiner Konfirmantenzeit zu 50% aus weiblichen über 70jährigen Besucherinnen, und die anderen 50% bestanden aus Konfirmanten.
Überhaupt waren außer an Weihnachten nur selten mehr als 20 leute insgesamt anwesend.

Mag sein, dass das in anderen gemeiden anders war (ist), da die Umgebung des Gemeindezentrums, wo der Unterricht und Gottesdienst abgehalten wurde, auch als sozialer Brennpunkt gesehen werden darf.

wulfman
2002-08-20, 22:31:09
ich schließe mich eigentlich thowe an, wobei ich es schade finde, in einer abendländischen religionskultur aufgewachsen zu sein. buddhismus hätte auch etwas - vor allem bzgl. nicht-menschlicher umwelt. kommt es eigentlich nur mir so vor, oder hat die kirche den grundstein für den modernen (ausbeutenden) kapitalismus gelegt?

was die todsünde angeht - mich hatte das nur interessiert, weil mich aths ausflug frappierend an einige passagen aus "bekenntnisse eines taoisten an der wallstreet/Confession of a Taoist on Wall Street (david payne)" erinnert.

mfg
wulfman

nggalai
2002-08-20, 22:46:00
Hi aths,

dann will ich doch auch mal was "öffentlich" zum Thema sagen, auch wenn Du das meiste schon kennst. ;)

Du hattest mit "deinem" Priester noch recht Glück--recht viele katholische Geistliche sind noch immer sehr verkorkst und uninspiriert, so dass Gottesdienste sehr schnell zur Qual werden können, nicht nur wegen des dauernden Aufstehen, sich setzen, Hinknien oder der lustigen Orgelbegleitung. Ich hatte da immer recht viel Pech (war selbst katholisch), meine Meinung zum Katholizismus wurde aber dank einiger interessanter Gespräche mit Jesuiten ein wenig ins rechte Licht gerückt.

Ich trat dennoch vor ein paar Jahren nach meinem Umzug in eine neue Wohnung demonstrativ aus der Kirche aus. Der Priester in "meiner" neuen Gemeinde machte zwar einen deutlich frischeren Eindruck als der "Alte", und hat sich auch redlich bemüht--obwohl er mich noch nie traf--sich nach den Gründen für meinen Austritt zu erkundigen. Aber wie im Glaubens-Forum schon ein paarmal angedeutet halte ich sehr, sehr wenig von "organisierten" Religionen. Der Austritt selbst war auch eher sowas wie ein Statement, praktizierender Christ war ich schon seit 10 Jahren oder so nichtmehr gewesen.

Ich finde es gut, dass Du dich da mal reingewagt hast. ;) Ich selbst habe über die Jahre schon so allem Möglichen beigewohnt; von Hare-Krishna Mittagsessen über Gottesdienste der Pfingstgemeinde, Scientology, tiefen Gesprächen mit Mormonen (nein, nicht das auf meiner Website ;) ) bis zu Versammlungen von Mini-Rosenkreuzern war eigentlich fast alles dabei. Sich informieren und ein "Geschmack" für die Sache zu bekommen erachte ich besonders für Kritiker als wichtig.

Grundsätzlich bin ich zum Schluss gekommen, dass ich zu keinem Schluss kommen kann. :) Die organisierten, sanktionierten und geregelten Gruppen-Sachen "schmecken" mir einfach nicht, treffen nicht meinen Geschmack. Aber wenn das für wen sonst stimmt, more power to that person.

ta,
-Sascha.rb

nggalai
2002-08-20, 23:06:20
P.S. geiler Thread-Titel. :D

ta,
.rb

Matrix316
2002-08-20, 23:28:25
Also Katholische Gottesdienste sind mir immer etwas suspekt. Zum Glück gehts in der evangelischen Kirche "normaler" zu. =) Obwohl ich auch eigentlich nur an Weihnachten reingehe. Das aber eigentlich schon immer. Es ist also praktisch ein Ritual. Wenn ich schon nicht hingehe, dann wenigstens an Weihnachten, wenn der kleine Bub Geburtstag hat. :) Naja, durch Konfirmation, Bundeswehr und Hochzeiten und anderen traurigen anlässen war ich natürlich auch mal an anderen Tagen im Gottesdienst. Aber es muss nicht sein. Allerdings wenn mal kein Gottesdienst ist, sind Kirchen garnicht so schlecht (z.B. im Kölner Dom, wenn man mal Köln besucht und sich dort ausruhen will).

Allerdings bezweifle ich schwer ob es ein höheres Wesen gibt. Gut wenn wir hier unten auf der Erde sind, kann man sich das schon vorstellen, dass im Himmel der "liebe Gott" ist und da unten "South of Heaven" die "Hell Awaits" ;). Aber wenn man mal die Gedanken weiter von der Erde wegbewegt, erst durch das Sonnensystem, dann durch die Milchstraße und dann kommt erstmal nix und mittlerweile ist die Erde so winzig klein...und wenn man sich jetzt das gesamte Universum vorstellt, wo soll da ein höheres Wesen sein? Sagts mir! Wo soll da ein irgendwie geartetes Überwesen sein, was sich ausgerechnet auf die winzig wirklich im Vergleich absolut winzige Erde konzentriert und nur da die Menschen "schuf"... Das muss man sich mal vorstellen...

Was AUSSERHALB des Universums ist, ist was ganz anderes. Allerdings ist eines sicher - es muss dunkel sein. Ich meine, Lichtgeschwindigkeit hin oder her, wenn sich irgendwas außerhalb des Universums befindet, sollte es seit dem Urknall zu uns vorgedrungen sein...es sei denn das Universum ist in einen absolut matt-schwarzem Behälter eingesperrt, der irgendwo auf einem Nachttisch eines "höheren Wesens" liegt, welcher er als Spielzeug/Experiment benutzt. :D

Kai
2002-08-21, 02:42:09
Wegen der Richtung die der Thread eingeschlagen hat verschoben.

gerry7
2002-08-21, 08:08:15
Hier mal ein Heidi der sich noch in der Kirche
befindet.
Liegt bei bir am patenten Pfarrer der meine Einstellung akzeptiert (Hatten schon mal eine heiße Diskussion), das unsere Gemeinde für die Gemeinde und nicht nur für die Kirche arbeitet und das der kirchliche Kindergarten der beste im Ort ist ;-))).

Ich stimme zu das die Schafe eigendlich nur blind den Traditionen nachlaufen.
Bemerkte ich bei einigen Diskussionen.
Gehöre auch zu den Leuten die Bibel, Schriften Buddas, Gilgamesch Epos gelesen haben.
Ansonsten ist Religion "Opium fürs Volk" (Tote Hosen), das wir im Jahr 2002 immer noch mehr Glaubenskriege haben als sonstige zeigt das der Mensch und die Religion auch heute noch nicht zusammenpassen.

Ich denke jeder sollte selber mit sich und der Umwelt im reinen bleiben. Da bringt mehr als alle Absolutionen zusammen.

gerry

aths
2002-08-21, 10:18:22
Originally posted by wulfman
kommt es eigentlich nur mir so vor, oder hat die kirche den grundstein für den modernen (ausbeutenden) kapitalismus gelegt?... einerseits das, aber andererseits auch die Industrialisierung ermöglicht. (Meiner Meinung nach jedenfalls.)
Originally posted by wulfman
was die todsünde angeht - mich hatte das nur interessiert, weil mich aths ausflug frappierend an einige passagen aus "bekenntnisse eines taoisten an der wallstreet/Confession of a Taoist on Wall Street (david payne)" erinnert. ... was mir jetzt gar nichts sagt.

aths
2002-08-21, 10:28:31
Originally posted by nggalai
oder der lustigen Orgelbegleitung.Ich überlege gerade. Keine Kanzel, kein Jesuskreuz, keine Orgel - war ich wirklich in einer Kirche?
Originally posted by nggalai
Ich hatte da immer recht viel Pech (war selbst katholisch), meine Meinung zum Katholizismus wurde aber dank einiger interessanter Gespräche mit Jesuiten ein wenig ins rechte Licht gerückt.Könntest du das mit den Jesuiten näher ausführen?
Originally posted by nggalai
Ich finde es gut, dass Du dich da mal reingewagt hast.Es ist im Nachhinein deutlich mehr Selbst-Erfahrung geworden, als zunächst gedacht. Ich wollte eigentlich nur einem gängigen christlichen Ritus beiwohnen.
Originally posted by nggalai
Sich informieren und ein "Geschmack" für die Sache zu bekommen erachte ich besonders für Kritiker als wichtig.Wobei ich natürlich schlecht rufen kann: "So, Freunde, ich möchte eure Kirche kritisieren, und mach deshalb mal für heute bei euch mit!" Um nicht als gehässig zu gelten, hielt ich mich hier mit Kritik zurück.

Letztlich war es für mich ein Erfahrungsbündel, dass ich durchweg als positiv empfinde - wie kann ich die Veranstaltung dann herb kritisieren (auch wenn mir einige kritikwürdige Mechanismen jetzt erst deutlich wurden.)
Originally posted by nggalai
Grundsätzlich bin ich zum Schluss gekommen, dass ich zu keinem Schluss kommen kann. :) Die organisierten, sanktionierten und geregelten Gruppen-Sachen "schmecken" mir einfach nicht, treffen nicht meinen Geschmack. Aber wenn das für wen sonst stimmt, more power to that person.Hehe. Der Gesang in der Kirche war für sich genommen schon schön. Dass er als Kitt dient, die Gemeinde zusammenzuhalten, welche einen fragwürdigen Kathechismus lehrt, ist allerdings auch wieder wahr.

Jedenfalls, mein Verhältnis zu Christen (seit den letzten 4 Jahren meiner Schulzeit ernsthaft gestört) hat sich entkrampft, und mein Respekt vor christlichen Symbolen ist gestiegen.

Amarok
2002-08-21, 17:21:15
Bin getauft, war Ministrant, bin kirchlich getraut, und bezeichne mich dennoch nicht wirklich als "katholisch" (christlich würde eher passen, aber ist auch nicht richtig, im Herzen denke ich anders)


Unser Pfarrer isr ein sehr netter Mensch und er ist der einzige Grund warum ich überhaupt noch dabei bin:

Unserer "Obersten" sind ein Greuel. Da fallen Sätze wie "Die Frauen sind selbst schuld wenn sie bei einer Vergewaltigung Kinder bekommen", "dritte Türkenbelagerung", "Ich vertete die Wahrheit" usw.

Ich bin derzeit knapp dabei aus der Kirche auszutreten. Das Geld für die Kirchensteuer wäre viel besser bei karitativen Organisationen angelegt ( die natürlich auch christlich sein können, siehe Caritas)

Caliban
2002-08-21, 18:20:34
Originally posted by gerry7
Ansonsten ist Religion "Opium fürs Volk" (Tote Hosen), das wir im Jahr 2002 immer noch mehr Glaubenskriege ...


Sorry, stimmt nicht ganz. Die Toten Hosen habens auch nur "geklaut". ;)

"Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volkes."

"Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie", Karl Marx, »Deutsch-Französische Jahrbücher«, Paris 1844


Ich denke jeder sollte selber mit sich und der Umwelt im reinen bleiben. Da bringt mehr als alle Absolutionen zusammen.



*Zustimm*




Grüße

Caliban

aths
2002-08-22, 13:12:52
Originally posted by Amarok
Bin getauft, war Ministrant, bin kirchlich getraut,Amarok,

kannst du mir die Frage beantworten, wie "schlimm" bzw. unhöflich es aus katholischer Sicht ist, wenn ein Atheist sich "einschleicht", und die Kommunion empfängt?

Amarok
2002-08-24, 18:49:41
Originally posted by aths
Amarok,

kannst du mir die Frage beantworten, wie "schlimm" bzw. unhöflich es aus katholischer Sicht ist, wenn ein Atheist sich "einschleicht", und die Kommunion empfängt?

Soviel ich weiß darf ein Nicht-getaufter lt. Kirchenrecht die Kommunion nicht empfangen. Ob das schlimm ist? Inwiefern?

aths
2002-08-25, 14:50:37
Originally posted by Amarok
Soviel ich weiß darf ein Nicht-getaufter lt. Kirchenrecht die Kommunion nicht empfangen. Ob das schlimm ist? Inwiefern? Man kann es ja von 2 Seiten sehen. Einerseits, dass der Pastor aufpassen müsste, dass er nur Gemeindemitgliedern die Kommunion erteilt, und andererseits dass sich ein atheistischer Besucher nicht beim ihm unbekannten Ritualen mitmachen sollte.

aths
2002-08-25, 14:57:32
Ich habe gestern einiges in der Bibel nachgelesen. Und zwar wie Moses die 10 Gebote überbrachte (er durfte die Tafeln später neu anfertigen, weil der Schussel die von Gott gemachten zerbrach) inkl. weiterer göttlicher Rechtsordnungen.

Nun, einerseits steht in der Bibel vieles doppelt. So manchen Text findet man 10, 20 oder 50 Seiten fast wörtlich noch mal. Die Gesetze von Gott passen jedenfalls nicht so recht zum Bild des "lieben" Gottes. Da war ich schon mal ernüchtert. Der Gott von dem Jesus predigte, kann jedenfalls nicht Jahwe sein. Zumal Jesus Moses in einigen Dingen heftig widersprach.

Jesus brach meiner Auffassung nach mit Jahwe.

Dann verglich ich einiges in den Evangelien. Die Bergpredigt kommt nur bei Matthäus vor. Aber wichtige Sprüche finden sich, in einem anderen Zusammenhang, auch in anderen Evangelien. Nanu, ist die Bergpredigt, die immerhin das Vaterunser enthält, nur eine Ausschmückung des Verfassers, und gar nicht historisch?

Jesu Leiden, Kreuzigung und Tod zeigen in allen 4 Evangelien eine ziemliche Übereinstimmung. So weit gehe ich auch mit. Aber die Auferstehung klingt für mich einfach zu fantastisch, unglaubwürdig.

Jedenfalls verstehe ich nicht, wie man aus Jesus Gottes Sohn machen kann. Diese Deutung, dass er für unsere Sünden starb, finde ich total abstrus. So wie ich das verstand, verlor er sogar seinen Glauben am Kreuz. Dass er nun doch erretet wurde ("Christi Auferstehung") halte ich für pure Fälschung.

Jesus selbst hat btw nie eine Kirche gewollt. Er wollte auch kein gemeinschaftliches Beten in der Kirche.

Nach etwas Bibelstudium kommt mir der erlebte Gottesdienst ziemlich unchristlich vor.

Amarok
2002-08-25, 20:13:37
Originally posted by aths
(Container für Antwort an Amarok.)


??? ???

aths
2002-08-25, 21:14:48
Originally posted by Amarok
??? ??? D.h., ich antworte später, aber aus Gründen der Übersicht hab ich schon mal ein Posting eingefügt.

Dead Man
2002-08-26, 16:17:41
Ich habe auch schon mal einen ökumenischen Gottesdienst besucht, allerdings aus weit weniger löblichen Gründen als aths.

Bei der Bundeswehr stand eines Tages gleichzeitig eine freiwillige Teilnahme am Gottesdienst und Sturmbahntraining auf dem Dienstplan. :D

Allerdings kam ich mir dann doch etwas schäbig und fehl am Platze vor. Der Gottesdienst war von allgemeiner Natur und von Nächstenliebe und Gottvertrauen im Gefahrenfall geprägt. Es war mir peinlich, die Riuale nicht zu kennen, und nicht zu wissen, wann man sich erheben und wieder setzen sollte. Kurz es war wohl ein einmaliges Vorkommnis.

MfG Dead Man

aths
2002-08-28, 18:09:29
Originally posted by Dead Man
Es war mir peinlich, die Riuale nicht zu kennen, und nicht zu wissen, wann man sich erheben und wieder setzen sollte. Kurz es war wohl ein einmaliges Vorkommnis.Die Rituale kannte ich auch kaum. Man erhebt sich, wenn die anderen es tun, und setzt sich wieder, wenn die anderen es tun :) Ein oder zwei mal gab es bei uns auch Konfusionen in der Kirche, wo einige standen und andere sich schon wieder gesetzt hatten. Das ist sicherlich nicht so schlimm.

Ich könnte mir durchaus vorstellen, irgendwann mal wieder eine Heilige Messe zu besuchen. Allerdings verspüre ich momentan kein Bedürfnis danach.

Dead Man
2002-08-29, 07:44:17
Originally posted by aths
Ich könnte mir durchaus vorstellen, irgendwann mal wieder eine Heilige Messe zu besuchen.

Dann wäre es vielleicht interessant, die Unterschiede zwischen einem katholischen, einem evangelischen und einem ökumenischen Gottesdienst herauszufinden.

MfG Dead Man

Tannjew
2002-08-29, 18:10:58
Ich finde die Erzählung von aths sehr gut. Respekt.
Ich persönlich bin zwar nicht gläubig aber auch in meiner Kirchengemeinde (katholisch) aktiv. Ich akzeptiere das viele eine schlechte Meinung von der katholischen Kirche haben (ich stimme ja mit ihr auch in vielen Punkten nicht überein) kann sie aber teilweise nicht nachvollziehen. Scheinbar ist es "modisch".

aths
2002-08-29, 21:54:19
Originally posted by Dead Man
Dann wäre es vielleicht interessant, die Unterschiede zwischen einem katholischen, einem evangelischen und einem ökumenischen Gottesdienst herauszufinden.Ehe ich einen evangelischen Gottesdienst besuche, möchte ich erst den katholischen "verarbeitet" haben.

aths
2002-08-29, 21:55:52
Originally posted by Tannjew
Ich akzeptiere das viele eine schlechte Meinung von der katholischen Kirche haben (ich stimme ja mit ihr auch in vielen Punkten nicht überein) kann sie aber teilweise nicht nachvollziehen. Scheinbar ist es "modisch". Meine Meinung ist gespalten. Die katholische Kirche baut auf einem Jesus auf, der nicht das tat was ihm angedichtet wird und auch keine Kirche wollte für einen Gott, der ihn nie beschützt hat. Statt Dreieinigkeit sehe ich ein dreifaches Irrtums (bzw. Lügen-) Gebäude.

Ich bezeichne aber nicht den Pastor oder die Gläubigen selbst als Lügner. Auch fällt es mir schwer, sie Irrende zu nennen, weil ich mich damit über sie stellen würde, wozu ich keinen Grund sehe.

Tannjew
2002-08-30, 00:38:20
Nun ja, ich sehe die Kirche immer eher pragmatisch... die Kirche bot den Menschen in schwierigen Zeiten oft einen gemeinsamen Punkt des Zusammenhalts. Ich sehe über die schlechten Dinge hinweg die von der Kirche begangen worden sind und zeige da auf ihr positives Wirken. Zum Beispiel ihr Engagment in der Entwicklungshilfe.

aths
2002-08-30, 00:45:28
Originally posted by Tannjew
Zum Beispiel ihr Engagment in der Entwicklungshilfe. Ich finde es hingegen höchst bedauerlich, dass die Mission im 10-40-Fenster das Wort Jesu predigt (bzw was man dem Erlöser, der nie in Nazareth gelebt hat, in den Mund legte.) Die Menschen dort brauchen kein Christentum. Kirchliche Entwicklungshilfe halte ich für Kulturimperialismus. Wegen der Mission brachen etliche Stammesgesellschaften auseinander, was darin mündete, dass sie schlicht ausstarben.

Tannjew
2002-08-30, 01:35:31
Viel schlimmere Auswirkungen hatte der wirkliche Imperialismus in Afrika. Die künstlichen Grenzen führten die den uns bekannten Stammes- und Bürgerkriegen.

Ich finde die Missionierung im Prinzip gar nicht mal so schlecht. Das Gebot der Nächstenliebe ist deutlich besser als die Scharia des Islam. Ich persönlich fände es sogar toll wenn der nächste Papst ein Afrikaner wäre. Das afrikanische Christentum hat eine andere, meiner Meinung nach freundlichere und lebendigere Mentalität als unser festgefahrenes europäisches Christentum.

aths
2002-09-03, 20:37:11
Originally posted by Tannjew
Ich finde die Missionierung im Prinzip gar nicht mal so schlecht.Ich schon :)
Originally posted by Tannjew
Das Gebot der Nächstenliebe ist deutlich besser als die Scharia des Islam.Ich wage doch sehr daran zu zweifeln, dass Christen die besseren Menschen sind.

nggalai
2002-09-03, 21:41:18
Hi aths,Originally posted by aths
Ich wage doch sehr daran zu zweifeln, dass Christen die besseren Menschen sind. Darum geht's ja auch nicht. Bessere "Gebote" machen noch lange keine besseren Menschen. Schlussendlich sind Menschen genau eines:

Menschen.

Und davon gibt's eine ganze Menge, in den unterschiedlichsten Konfigurationen. Aber das "Gebot der Nächstenliebe" gemäss Jesus Christus kann sehr wohl als "besser" angesehen werden als Scharia, rein von einem objektiven Standpunkt her.

ta,
-Sascha.rb

Tannjew
2002-09-04, 23:55:54
Genau das meinte ich, nggalai. Ich mag das Christentum weil es eine freundliche Religion ist. Leider wird sie, wie die meisten anderen Religionen auch, von einigen Idioten immer so ausgelegt wie es gerade passt... :-/

aths
2002-09-09, 06:42:37
Originally posted by nggalai
Aber das "Gebot der Nächstenliebe" gemäss Jesus Christus kann sehr wohl als "besser" angesehen werden als Scharia, rein von einem objektiven Standpunkt her.Jesus wurden von den Evagelisten auch einige andere Dinge in den Mund gelegt, die aus guten Gründen weniger Beachtung finden; zum Beispiel was man tun solle wenn einen ein Auge zum Abfall verführt.

Tannjew
2002-09-12, 00:49:31
Originally posted by aths
Jesus wurden von den Evagelisten auch einige andere Dinge in den Mund gelegt, die aus guten Gründen weniger Beachtung finden; zum Beispiel was man tun solle wenn einen ein Auge zum Abfall verführt.

? Das verstehe ich nicht ?

Salvee
2002-09-12, 01:40:03
Man sollte sich dann, das Auge rausschneiden oder so, glaube ich :(

aths
2002-09-12, 08:49:42
Originally posted by Salvee
Man sollte sich dann, das Auge rausschneiden oder so, glaube ich :( Ausreißen. Sinnbildlich: Lieber das Auge verloren, als mit dem ganzen Körper in die Hölle. Und, wer eine Frau ansieht und sie dabei begehrt (also denkt: "Die würde ich gerne mal..."), der hätte Ehe schon gebrochen im Herzen.

Da das Herausreißen des Herzens unweigerlich den Tod (inkl. Fahrschein zur Hölle) nachsich zieht, ist das doch eine insgesamt beunruhigende Botschaft.

Modulor
2002-09-15, 21:54:22
Aus aktuellem Anlaß will ich auch mal dazu äußern:

Ich bin katholisch,habe vor etwa 25 Jahren die 1. Kommunion erhalten und zahle immer noch Kirchensteuer - und das,obwohl ich ein "nicht aktiver" Christ bin, d.h. keine Kirchenbesuche und keine Gebete.Dennoch glaube ich mich im christlichen Sinne zu verhalten,was Akzeptanz,Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft angeht...

In wenigen Wochen werde ich seit Jahren wieder eine katholische Kirche betreten, da ich von guten Freunden als Taufpate für ihren 2 jährigen adoptierten Sohn auserwählt wurde. Zum einen war es meine Initiative und Recherche, die sie vom steinigen Weg einer Adoption durch die staatlichen deutschen Behörden hin zu einer Adoption durch den ICCO, einer privaten deutschen Organisation gebracht hat,zum anderen sind ausnahmslos *alle* männlichen Freunde und Bekannten aus der Kirche ausgetreten - katholische Taufpaten müssen jedoch Kirchenmitglied sein. Das hat den Kreis der in Frage kommenden männlichen Taufpaten auf genau eine Person reduziert: mich!

Daraufhin habe ich mir das Prozedere einer Taufe durchgelesen und bei 3 Punkten einen gewissen Konflikt mit "meinem" Glauben festgestellt:

a.)Priester: "Glauben Sie an Gott,..., den Schöpfer des Himmels und der Erde?"
b.)Priester: "Glauben Sie an Jesus Christus,...,der auferstanden und zur Rechten des Vaters sitzt?"
c.)Priester: "Glauben Sie an den heiligen Geist,die heilige katholische Kirche...?"

Alle drei Fragen muß ich als Pate mit "Ja" beantworten - so sehr mir das auf den ersten Blick auch widerstrebte..
Da mir diese 3 Punkte als aufgeklärter und "moderner" Christ jedoch mehr als Überbleibsel aus alten Tagen und traditionelle Worthülsen erscheinen, habe ich damit nach einigem Hin und Her mittlerweile keine größeren Probleme mehr...
Vor einigen Jahrhunderten wäre ich somit als Ketzer verbrannt worden - von den "Verwesern" meiner eigenen Kirche wohlgemerkt.

Naja, und das beste an der Sache: Danach gibt es Brunch satt,gefolgt von "richtigen" Torten und karibischem Kaffee =) - davor steht jedoch noch etwas Arbeit an: dem Auffrischen des "Vater unser". Das ist mir im Gegensatz zu aths in den letzten 25 Jahren doch echt abhanden gekommen :D...

nggalai
2002-10-11, 10:32:23
Hier noch was zum Abschluss. Ich wusste, dass das rumlag, brauchte aber eine Weile, um den Link zu finden. Have fun.

Link: http://staubsauger.gesindel.org/6/gott.htm

GOTTESDIENST - REZENSION! von Max Goldt

Katholische Kirche Ludwigkirchplatz 22.2.87 l0.30

Rote Backsteingotik, Anfangszeiten wie im Kino: 8.00, 9.15, 10.30, 11.45, 13.OO. Wir wählten die mittlere Messe, weil wir fürchteten, daß der Priester bei den späteren nur noch leiern würde. Ich traf mich mit Nickola 15 min vor Beginn, um mich vorher noch instruieren zu lassen, wie rum man sich bekreuzigt und so. Nickola ist zwar seit kurzem Zen-Buddhistin, aber als ehemalige Klosterschülerin noch top kirchenfit. Uns ging es beiden gar nicht extra: Sie hatte Frauenbauchweh(so nannte meine Oma Menstruationsbeschwerden) und ich einen Kater. Nach Betreten des Gotteshauses tunkten wir je eine Hand in Weihwasser, bekreuzigten uns, knieten im Mittelgang nieder, bekreuzigten uns abermals, setzten uns hin und blätterten in einer Zeitschrift von 1967, die da komischerweise rumlag. Die Kirche wurde knallvoll, es gab Omas, einen jungen Mann in Lederkluft, Familien mit Kindern und viel Jugend vom Typ "junger engagierter Christ", aber auch echte Mönche von der Herz-Jesu-Bruderschaft. Bald fing auch das Gesinge an, die Lieder waren mir unbekannt und auch recht banal, also schwieg ich. Bisweilen ertönte auch ein richtiger Kirchenchor mit einer Bruckner-Messe, das klang schon besser. Übrigens hat man in einem katholischen Gottesdienst viel Bewegung. Man muß andauernd aufstehen und sich wieder setzen oder sich hinknien, feste Regeln indes scheint es nicht zu geben; die G1äubigen machen es ganz nach Gusto und Fitness. Es ging ziemlich durcheinander zu. Der ca. 40-jährige, bärtige Priester erinnerte wegen seiner in ein grünes Kleid gehüllten Leibesfülle stark an Demis Roussos. Die Farbe des Gewandes hat mit dem Liturgischen Jahr zu tun, zu Ostern trägt er lila. Enttäuschend war, daß sich der Priester keine eigene Predigt ausgedacht hatte, sondern nur ein ödes Rundschreiben von Bischof Meissner verlas. Ich war aber ohnehin abgelenkt durch einen der Meßdiener, ca. 16 und ziemlich gestylt, mit Strähnchen im Haar, hätte ich weiter vorn gesessen, hätte ich ihm gerne zugezwinkert. Kurz nach der Predigt gab es den "Friedensgruß", das ist eine umstrittene Neuerung, auf die ich nicht vorbereitet war: Die G1äubigen erheben sich und schütteln allen, die neben, vor und hinter ihnen stehen, freudestrahlend beide Hände. Manche verweigern sich aber auch, die gramgebeugte Greisin neben uns hatte ihre Hände in einem Muff verborgen, und man kann der Frau die Hände ja nicht aus dem Muff reißen. Dann der Höhepunkt: Die Eucharistiefeier. Gemessen schreitet man zum Altar, der Priester gibt einem eine Hostie, sagt, daß das der Leib Christi sei und man antwortet "Amen". Früher wurde einem das Brot noch direkt in den Mund gesteckt, heute kriegt man es in die Hand. Die Muff-Oma hat sich kein Brot geholt, wahrscheinlich hatte sie etwas auf dem Kerbholz und hat es noch nicht gebeichtet. Nickola sagte, wenn man mit Gott nicht im reinen ist, darf man nicht zur Kommunion, streng genommen müsse man jedesmal vorher beichten. In meiner ultrakatholischen Kindheit mußte ich auch jede Woche zur Beichte und erzählte Pastor Elskamp dann so aufregende Dinge, wie z.B. daß ich erst um viertel nach neun das Licht ausgemacht habe. Meistens habe ich noch ein paar Sünden dazuerfunden. Das haben alle gemacht, dieses Sich-Sünden-Ausdenken ist katholisches Gemeinschaftsschicksal.

Nach der Messe sind wir noch Kaffee trinken gegangen.

;)

ta,
-Sascha.rb

Dead Man
2002-10-11, 13:34:39
Originally posted by nggalai
Das haben alle gemacht, dieses Sich-Sünden-Ausdenken ist katholisches Gemeinschaftsschicksal.

:rofl:

MfG Dead Man

aths
2002-10-20, 13:48:40
Originally posted by nggalai
Hier noch was zum Abschluss. Ich wusste, dass das rumlag, brauchte aber eine Weile, um den Link zu finden. Have fun.

Link: http://staubsauger.gesindel.org/6/gott.htm
;)

ta,
-Sascha.rb Das hat frappierende Ähnlichkeit mit meinem Gottesdienst. Danke für den Text!