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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Das Gefühl von Trauer fehlt


Gast
2007-06-27, 00:26:21
Eigentlich bin ich recht normal, männlich nebenbei. 18.
Meine Eltern haben mir klar gemacht, dass ich von ihnen nichts halten kann, ich im Grunde genommen in einem Haus aufwuchs soweit, in der jeder mit dem anderen auskommt, aber in einer Welt abseits davon lebt, man ist sich eher fremd.

Bekannte und Verwandte sind in 18 Jahren einige verstorben, aber so wirklich schlimm war das nie. Keine Trauer. Als ein Großonkel starb, hat mich das zwei Minuten beschäftigt. Zuhause keine Emotionen außer "Geh, du nervst!" ohne trifftigen Grund.

Jetzt ist die einzige Person weg, die ich wirklich über alles geliebt habe, die mir mal andere Seiten vom Leben gezeigt hat. Sie kommt einfach nicht mehr wieder.

Das quält tierisch, heißt, man ist immer geistig abwesend, lust- und hungerlos und denkt an sie.

Im Zuge dessen, um zu schauen, wie man gedanklich woanders hinkommt, ist mir aufgefallen, wie emotional andere damit umgehen: "ausweinen", es wirke befreiend, hab ich gehört. Traurig aber wahr, praktisch, denn was ich irgendwie keineswegs "kann", ist trauern.
Ich habe vielleicht das letzte Mal mit 8 Jahren geweint, als ich mich verletzt habe. Aber sonst sagt man, ich wirke einfach wie ständig müde, wenn andere weinen würden. Klar, wenn man mit den Gedanken woanders ist.

Nun geht das aber schon ein halbes Jahr so und alles persönlich aufgebaute leidet darunter.

Kann es sein, dass ich nicht darüber hinwegkomme, weil ich nicht trauern kann, also im Sinne von einmal heftig ausheulen und danach alles besser werden lassen?

Ich fühle mich wie ein Vulkanier, der unterbewusst alle Trauer unterdrückt, und wie ein Mensch, der sich nicht lösen kann. Und das tue, was soweit möglich ist, die Tage allein mit Trance oder Dance verbringen, ein Bier nach dem anderen trinken und mich nicht hochkommen und zu sagen "Weiter geht's!" o.Ä.

Ich weiß, es klingt doof, aber wenn ihr sagen könnt, wie man zur Trauer kommt, dann wäre ich froh, da ich mich dann immerhin eine Spur normaler fühlen könnte.

Melbourne, FL
2007-06-27, 02:18:34
Kann es sein, dass ich nicht darüber hinwegkomme, weil ich nicht trauern kann, also im Sinne von einmal heftig ausheulen und danach alles besser werden lassen?

So einfach ist das nicht. Das hilft vielleicht fuer den Moment aber nicht auf Dauer.

Das quält tierisch, heißt, man ist immer geistig abwesend, lust- und hungerlos und denkt an sie.

Genau das ist Trauer. Du heulst vielleicht nicht aber trauerst trotzdem genauso. Jeder hat eben seine eigene Art zu trauern. Du wirst die ganze Geschichte verarbeiten muessen, egal ob Du heulst oder nicht. Erst dann wird es Dir besser gehen.

Alexander

kmf
2007-06-27, 02:30:56
Ich schreib dir morgen - versprochen - muß aber erst noch richtig drüber nachdenken. Heut abend war ich ein bissel je, aber dein Posting hat mich irgendwie sehr berührt.
Frage zum besseren Verständnis meinerseits - ist die Person um die du hier trauerst nun verstorben oder ist diese Person, die du so innigst liebst nur nicht mehr für dich erreichbar, weil entweder verzogen oder sich anders orientiert hat?

kmf
2007-06-27, 02:41:36
So einfach ist das nicht. Das hilft vielleicht fuer den Moment aber nicht auf Dauer.



Genau das ist Trauer. Du heulst vielleicht nicht aber trauerst trotzdem genauso. Jeder hat eben seine eigene Art zu trauern. Du wirst die ganze Geschichte verarbeiten muessen, egal ob Du heulst oder nicht. Erst dann wird es Dir besser gehen.

AlexanderAlso ehrlich, wenn ich das jetzt hätt selbst erleben müssen, ich würde bestimmt zig mal heulen - 30x min -, um diesen ganzen Scheiß zu verarbeiten.

Ich halt mich normalerweise generell aus diesen Sachen raus, aber diese Geschichte tut auch mir recht weh. Morgen, wenn ich wieder ganz nüchtern bin, probiere ich ein paar passende Worte dazu zu finden.

Melbourne, FL
2007-06-27, 03:58:49
Also ehrlich, wenn ich das jetzt hätt selbst erleben müssen, ich würde bestimmt zig mal heulen - 30x min

Aber meinst Du auch, dass jeder heult? Es gibt sicher Menschen, die nicht heulen und trotzdem trauern.

ich würde bestimmt zig mal heulen - 30x min -, um diesen ganzen Scheiß zu verarbeiten.

Ich glaube nicht, dass heulen so viel dabei hilft eine solche Erfahrung zu verarbeiten. Das drueckt sicher die Gefuehlslage aus und sorgt kurzfristig fuer Erleichterung aber auf Dauer gehoert zum verarbeiten viel mehr (z.B. gute Gespraeche ueber die Person und ueber die Trauer...am besten mit richtig guten Freunden...zur Not tut es aber auch jemand anderes).

Findest Du das wirklich so ungewoehnlich was der Thread-Ersteller da ueber sich schreibt? Ich bin beim trauern auch eher der Typ, bei dem keine Traene fliesst. Nicht weil ich es unterdruecke...ich hab es mir auch schon mehrmals bei bestimmten Situationen gewuenscht, weinen zu koennen. Aber nur weil ich da nicht weinen konnte, heisst das doch nicht, dass ich da nicht getrauert habe. Und ich denke auch, dass ich die entsprechenden Situationen gut verarbeitet habe...auch wenn sie vielleicht nicht so krass wie die des Thread-Erstellers waren.

Alexander

BananaJoe
2007-06-27, 07:37:50
So seh ich das auch...man muss nicht heulen um zu trauern..da ist halt jeder anders.

Und so wie es aussieht- "Das quält tierisch, heißt, man ist immer geistig abwesend, lust- und hungerlos und denkt an sie."- beschäftigt es dich und trauerst auf deine Weise, bist also keine Gefühlsloser Klotz.. ;)

Melbourne, FL
2007-06-27, 20:29:00
@Thread-Ersteller: Hast Du denn jemandem, mit dem Du ueber Deine Gefuehle und die Situation reden kannst? Sowas wie einen besten Freund. Falls ja, dann rede mit ihm drueber. Es ist immer schwierig so ein Gespraech anzufangen aber es lohnt sich.

Alexander

atlantic
2007-06-27, 20:43:01
was ich aus eigener Erfahrung kenne....

solange man noch heulen KANN, hat man einen Verlust, eine Niederlage, was auch immer, realisiert.
Es gibt aber Dinge, die versetzen einen in eine Art Schockzustand, in dem nur die Grundfunktionen noch ablaufen und alles andere zurückgefahren ist. Da sitzt der Verlust so tief, das man gelähmt vor einem Trümmerhaufen sitzt und sich maximal durch den Tag schleifen kann. Kein Weinen, kein Schreien. Nichts. Scheinbar äusserlich keine Gefühlsregung.

Irgendwann bricht das aus dir heraus, da bin ich mir sicher. Du wirst weinen. Und schreien. Und ich wünsch dir, das dann jemand in deiner Nähe ist, der deinen Schmerz mitzutragen bereit ist.

Halt die Ohren steif. So, wie es ist, ist es ok.

lg
atlantic

kmf
2007-06-27, 23:01:52
Ich hab ja gestern versprochen, daß ich mir noch mal Gedanken mache und sie hier aufschreibe.

Eigentlich trauerst du doch, sonst hättest du dies alles nicht geschrieben. "Trance + Dance + Bier + mit den Gedanken immer bei dieser einen Sache" ist doch trauern, halt auf eine eigene Art. Vielleicht findest du auch noch eine andere Art es auszuleben, z.Bsp. eure gemeinsame Musik hören, an all die Dinge denken, die ihr gemeinsam unternommen und genossen habt oder ähnliches. Vielleicht kommen dann auch dir die Tränen, die sind aber im Grunde nicht relevant für deine Trauer. Oder du gehst in den Wald und schreist dir die Seele aus dem Leib. Aber egal was du auch tust, erwarte nicht, daß der Schmerz, die Trauer dann vorbei sein wird. Das wird noch lange andauern.
Ich denke, weil das ja bei dir schon lange Zeit so geht, wäre es besser wenn du dir professionelle Hilfe bei einem Psychologen holen würdest. Am besten persönlich und nicht per Telefon. Möglicherweise gibt es auch Foren, die dir eher weiterhelfen könnten, ich weiß es nicht. Nur unser Forum erscheint mir dazu vollkommen ungeeignet.

Threadstarter
2007-06-27, 23:59:33
Entschuldigt die Verspätung, Schule und Beruf rauben viel Zeit.

kmf, ich bewundere dein Mitgefühl, das ist nett!

Die Person ist weg, hat sich abgewendet und quasi Lebe Wohl gesagt. Ich weiß nicht warum, aber ändern kann ich das auch nicht. Erreichen tu ich sie ebenfalls nicht mehr, Post bleibt ohne Antwort.

Ich lese, dass ich auf andere Weise trauere. Aber ist es Trauer, wenn ich die mir wohl bekannten Gefühle tiefen Frustes und Wut fühle? Irgendwie stelle ich mir das anders vor, Trauer. Leerer, selbstfixierter, befreiend etwa.

Männliche Freunde gibt es keine, jeder Bekannte ist mehr eine Geschäftsbeziehung. Zu meinen Eltern hab ich ja etwas gesagt, die interessieren mich nicht und mir hören sie nicht zu. Ich habe noch ein paar Freundinnen, für mich die einzigen Menschen, die die Bereitschaft zeigen, sich um andere zu kümmern.
Aber es fehlt mir der Mut, der Wille oder der Funken, Menschen, mit denen man nicht allzu persönlich ist, mich so zu offenbaren. Ich habe Ideen, wer daran Schuld ist.
Was etwas hilft, ist schreiben. Schreiben, schreiben und so tun, als ob man eine Geschichte erzählen würde, die letzten 18 Jahre.

Atlantic, dieses Ausbrechen sehne ich ja. Das ist wie tagelang mit Fieber im Bett liegen ständig mit dem Gedanken "Jetzt hör doch endlich auf!" und irgendwann tut es das auch. Aber hier nicht.

kmf, die Idee mit dem an die Orte fahren, wo man gemeinsam war, der werde ich nachgehen. In einer kühlen Nacht.

"so much that you'd give an arm for" aus einem von Eminems Lieder beschreibt das Verhältnis, das ich vermisse.

Ich danke euch für die Ratschläge.

Melbourne, FL
2007-06-28, 21:11:58
Ich habe noch ein paar Freundinnen, für mich die einzigen Menschen, die die Bereitschaft zeigen, sich um andere zu kümmern.
Aber es fehlt mir der Mut, der Wille oder der Funken, Menschen, mit denen man nicht allzu persönlich ist, mich so zu offenbaren.

Wenn Du wirklich willst, dass es Dir besser geht, dann spring ueber Deinen Schatten und sprich mit jemandem. Du sagst selbst, dass das niederschreiben der Sachen Dir hilft. Das zeigt doch, dass Du Dein Problem irgendwie mit anderen teilen willst...oder vielleicht auch einfach mal nur aussprechen willst. Du solltest wirklich mit jemandem drueber sprechen.

Stell Dir mal selbst die Frage: Was soll passieren, wenn Du Dich jemandem anvertraust? Selbst hier im Forum wo alles Fremde fuer Dich sind, hat nicht einer irgendwas abfaelliges gesagt oder sich ueber Dich lustig gemacht oder sonst irgend was.

Such Dir doch von den Freundinnen die aus, von der Du behaupten wuerdest, dass sie Deine beste Freundin ist. Kontaktiere sie und sag ihr, dass es Dir gerade sehr schlecht geht und Du jemanden zum reden suchst. Dann wirst Du sehen, wie sie reagiert. Reagiert sie positiv, kann Dir im Prinzip nichts passieren, wenn Du mit ihr darueber sprichst. Reagiert sie zoegerlich oder ablehnend, dann respektiere das und frag die naechste. So findest Du auch heraus, welche von denen wirklich zu Dir steht.

Solltest Du zu keiner von denen wirklich genug Vertrauen haben, dann wuerde ich kmfs Ratschlag folgen und einen Psychologen zu Rate ziehen. Die sind genau fuer solche Faelle da. Aber wie gesagt...zuerst wuerde ich es im Freundeskreis probieren.

Alexander

Mr.Fency Pants
2007-06-28, 22:57:19
Irgendwann bricht das aus dir heraus, da bin ich mir sicher. Du wirst weinen. Und schreien. Und ich wünsch dir, das dann jemand in deiner Nähe ist, der deinen Schmerz mitzutragen bereit ist.

Halt die Ohren steif. So, wie es ist, ist es ok.

lg
atlantic

Hmm, das würde ich nicht so sehen. Klingt so, als ob man erst über einen gewissen Punkt sein müsste, damit man heulen kann. Die Erfahrung habe ich nicht gemacht. Habe schon viele Erlebnisse verarbeiten müssen, ohne dass ich später weinen musste, obwohl sie dann bei mir wirklich "angekommen" sind.

Es kann gut sein, dass du nie deswegen heulen musst und dass ist genauso ok wie als wenn es irgendwann einfach herausbricht, also nicht unter Druck setzen, dass zu einem Zeitpunkt das Heulen einsetzen muss.

aoe_forever
2007-06-29, 00:38:49
Ich lese, dass ich auf andere Weise trauere. Aber ist es Trauer, wenn ich die mir wohl bekannten Gefühle tiefen Frustes und Wut fühle? Irgendwie stelle ich mir das anders vor, Trauer. Leerer, selbstfixierter, befreiend etwa.

Männliche Freunde gibt es keine, jeder Bekannte ist mehr eine Geschäftsbeziehung. Zu meinen Eltern hab ich ja etwas gesagt, die interessieren mich nicht und mir hören sie nicht zu. Ich habe noch ein paar Freundinnen, für mich die einzigen Menschen, die die Bereitschaft zeigen, sich um andere zu kümmern.
Aber es fehlt mir der Mut, der Wille oder der Funken, Menschen, mit denen man nicht allzu persönlich ist, mich so zu offenbaren. Ich habe Ideen, wer daran Schuld ist.
Was etwas hilft, ist schreiben. Schreiben, schreiben und so tun, als ob man eine Geschichte erzählen würde, die letzten 18 Jahre.


Naja, also Du bist 18, und kommst nicht darüber hinweg, daß ich jemand "verlassen" hat. Ist gut, meine erste Antwort wäre: Das geht vorbei. Und das wird es auch, sehr bald.

Meine zweite Antwort betrifft Wut als Reaktion, weil ich das von mir kenne. Ich habe oft Wut empfunden, wenn man - in der Situation - eigentlich Trauer empfinden "sollte" oder "müsste". Ich schreib es in Anführungszeichen, weil ich die "gesellschaftliche Erwartung" nicht als meinen Maßstab sehe. Ich weiss nur, daß ich wütend werde, wenn andere traurig werden. "Weinen" ist "schlecht, klein, armselig, kindisch", "Wütend" werden ist total "Männlich"... nur so als Gedanke.

Melbourne, FL
2007-06-29, 02:13:46
Naja, also Du bist 18, und kommst nicht darüber hinweg, daß ich jemand "verlassen" hat. Ist gut, meine erste Antwort wäre: Das geht vorbei. Und das wird es auch, sehr bald.

Seine Situation (z.B. Elternhaus) ist nicht so alltaeglich. Ich waere sehr vorsichtig mit so einem Urteil.

"Weinen" ist "schlecht, klein, armselig, kindisch", "Wütend" werden ist total "Männlich"... nur so als Gedanke.

Und diese Einstellung ist ja wohl mal ziemlich daneben. Gefuehle zeigen ist also "schlecht, klein, armselig, kindisch"? Naja...jedem seine eigene Meinung... :rolleyes:

Alexander

Gast
2007-06-29, 20:19:34
Man kommt über Trauer nicht hinweg, man lernt mit ihr zu Leben! Menschen die einem sehr nahe standen vergisst man nie die Sehnsucht nach ihnen ist immer da! Besonders, wenn man an die Zeit denkt die man zusammen verbracht hat! So ging es mir mit meinem Großvater er starb am Tag seines 83 Geburtstags! Ich war 8 Jahre und kam gerade aus der Schule als sie ihn in den Leichenwagen gelegt haben! Ich werde das nie vergessen und ihn immer vermissen! Er war ein ganz besonderer Mensch und bis da mein bester Freund!

atlantic
2007-06-29, 20:28:22
...."Weinen" ist "schlecht, klein, armselig, kindisch", "Wütend" werden ist total "Männlich"... nur so als Gedanke.

solange jemand noch in einer solchen Situation daran denkt, WIE er auf andere wirken möchte, trauert er nicht wirklich.

Du hast noch nie einern so heftigen Verlust erlitten, daß dir egal ist, wie du oder dein Gefühlsausbruch auf andere wirkt. Ich denke, auch dich wird irgendwann ein Verlust so treffen, das dir das egal sein wird. Alles andere hat dich bisher nicht wirklich erreicht.