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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ben X


Klaas_Klever
2008-04-29, 21:12:38
Gestern sah ich den belgisch-holländischen Film "Ben X", der am 8.5. in die deutschen Kinos kommt, und wahrscheinlich aufgrund mangelnder Aufmerksamkeit seitens der Medien dringend auf diesem Wege empfohlen werden will.



Es geht um Ben, einen zurückgezogenen und unumgänglichen Jungen, der sich in seiner Haut nicht wohlfühlt und den Austausch mit anderen Menschen scheut. Um dem Alltag der Realität aus dem Weg zu gehen, zieht er sich in die Welt von Archlord zurück, eines Onlinerollenspiels, wo er eine Figur auf dem höchsten Level spielt und so akzeptiert wird, wie es im wahren Leben nie der Fall ist:
Ben wird von seinen Mitschülern aufs Übelste schikaniert, was darin gipfelt, dass ein Video der Bloßstellungen im Internet landet und somit in seine heile Welt einbricht.
Daraufhin fasst er den Entschluss, das "Endgame" einzuleiten und sein Leid zu beenden, wobei er Unterstützung von Arclite erhält, einer Heilerin aus Archlord, die ihr Werk an ihm tut und ihn auf seinem Weg leitet.



An dieser Stelle mag man glauben, man wisse in etwa, was auf einen zukommt. Eine große Stärke des Films ist es aber, den Zuschauer selbst fühlen zu lassen, wie sich die Peinigungen durch Mitschüler anfühlen, damit er selbst darüber nachdenke, wie er darauf reagieren würde. "Ben X" deutet an, blufft, lässt das Publikum die eigenen Schlüsse ziehen und lässt dabei dennoch nie einen Zweifel am Ernst der Lage.
Die elegante Erzählweise, die die Handlung vereinzelt durch Interviews mit den Beteiligten unterbricht, baut einen sehr mächtigen Spannungsbogen um seinen (Anti-)Helden, dessen innerer Monolog unmittelbar an seinem Gefühlsleben teilhaben lässt.
Wenn sich gegen Ende die Spannung entlädt, als Ben das "Endgame" einleitet, überflutet der Film einen schließlich mit Emotionen und Botschaften, wovon einige überhaupt nicht mit dem übereinstimmen werden, was am Anfang dieses Absatzes vermutet wurde.

Aus filmästhetischer Sicht ist zu erkennen, dass "Ben X" vor allem eine junge Zielgruppe anspricht, die mit Sehgewohnheiten aus Computerspielen - das Verweben von realen und virtuellen Bildern funktioniert hervorragend - und Videoclips gut vertraut sind. Ein gelegentlich auftauchender Farbfilter, diverse Reißschwenks und schnelle Schnitte lassen den Film am Rande zum visuellen Overkill schwanken; da sich inhaltlich gelegentlich ähnlich Krasses abspielt, lässt dies als gewollt durchgehen - offensichtlich wollte Regisseur Nic Balthazar hier die grobe Kelle rausholen.
Die intensive Kameraführung, die sich vor allem in den Szenen der Peinigung Bens sehr nahe am Körper bewegt, rettet einen guten und intensiven Gesamteindruck.



Damit ist längst nicht alles gesagt, was über diesen Film gesagt werden sollte, aber zumindest die Neugier will ich geweckt wissen, ohne freilich zu viel im Vorfeld zu verraten - denn, so viel sei gesagt: Um Überraschungen ist der Film durchaus nicht verlegen!

Insgesamt hat "Ben X" mich durchweg überzeugt, bewegt und gerührt. Die angesprochenen Emotionen verbleiben nachhaltig in Erinnerung, die Botschaft und ihre Warnung sind in ihrem Wert kaum hoch genug einzuschätzen.
Ganz großes Kino, eine riesige Überraschung und eine dringende Empfehlung ab dem 8. Mai in Form von
10 von 10 Punkten,
wie es hier so schön heißt!

Klaas_Klever
2008-05-08, 09:31:25
Nicht vergessen: Heute ist Kinostart! :)

RattuS
2008-05-23, 01:59:02
Ich muss meinem Vorredner zustimmen. Der Film ist wirklich sehr gut geworden, obwohl ich anfangs befürchtete, dass er zu dokumentarisch wäre. Aber in der Tat hat er einen unvorhersehbaren Verlauf und ein sehr ergreifendes Ende. Die Schauspieler wirken größtenteils authentisch. Insgesamt ist die Thematik in richtigem Maße behandelt, auch wenn die eigentliche Moral irgendwie nur nebenläufig durchkommt. Übrigens ist der Film keinesfalls einer dieser "Computerspiele machen euch dumm"-Bashs. Im Vordergrund steht Autismus, soziale Ängste und Mobbing.
Ich würde dem Film 9/10 Punkten geben, aber auch nur weil die Einleitungsphase etwas mühsam wirkt. Ansonsten ist der Film absolut sehenswert.

Ich hab nicht ganz verstanden, warum seine (Online-)Freundin in der Abschlußszene (mit dem Pferd) plötzlich verschwindet. War sie die ganze Zeit imaginär? Ich dachte mir das jedenfalls in der (vorgetäuschten) Selbstmordszene, in der sie Ben nicht daran hindert, hinunterzuspringen, wobei am Ende dann ja erst klar wird, dass es gespielt war. Hm? :confused:

Klaas_Klever
2008-05-23, 14:49:49
Ab dem Moment, in dem Scarlite in den Zug steigt, begleitet sie Ben nur noch imaginär. Als dieser vor den Zug springen will, rettet ihn die Stärke, die er dadurch bezieht, dass er ihr nicht egal war und sie sich auf dem Weg zu ihm gemacht hat.
Zudem kann er sich in der Szene als Held fühlen, weil er Scarlite beschützt, indem er sie nicht den beiden Rowdys zu erkennen gibt.

derpinguin
2008-05-23, 19:10:19
Ist das irgendwie mit Kidulthood vergleichbar?

RattuS
2008-05-23, 19:15:54
Ab dem Moment, in dem Scarlite in den Zug steigt, begleitet sie Ben nur noch imaginär. Als dieser vor den Zug springen will, rettet ihn die Stärke, die er dadurch bezieht, dass er ihr nicht egal war und sie sich auf dem Weg zu ihm gemacht hat.
Zudem kann er sich in der Szene als Held fühlen, weil er Scarlite beschützt, indem er sie nicht den beiden Rowdys zu erkennen gibt.
Stimmt, jetzt leuchtet mir das auch wieder ein. Danke. ;)

Klaas_Klever
2008-05-23, 19:35:20
Kein Ding :)

Kidulthood kenne ich nicht - nach allem, was ich darüber gelesen habe, würde ich aber sagen, dass die Thematik schon eine andere ist. Das Gleiche dürfte für den optischen und atmosphärischen Stil der Filme gelten.

Lass dich aber nicht davon abhalten, dir "Ben X" dennoch anzuschauen ;)

Lokdogg
2008-05-24, 20:15:49
Klasse Film, hab ihn heute auch gesehen.
Lohnt sich aufjedenfall ihn sich mal anzuschauen.

derpinguin
2008-05-24, 20:31:12
Lass dich aber nicht davon abhalten, dir "Ben X" dennoch anzuschauen ;)
Sicherlich nicht ;)

Ich wollte nur den Film irgendwie einordnen können.

Butter
2008-05-24, 21:57:56
http://www.benx.kinowelt.de/

Trailer sagen ja mehr als Worte...

RainingBlood
2008-05-24, 22:12:22
2/10 Das schlechteste, was ich seit langem gesehen habe. Das Thema klingt interessant, die Umsetzung ist leider völlig überspitzt, der Hauptdarsteller eine schauspielerische Null Komma Zwei. Eine Identifikation mit dem Hauptcharakter schlägt daher völlig fehl bei mir.

RattuS
2008-05-25, 02:16:50
Eine Identifikation mit dem Hauptcharakter schlägt daher völlig fehl bei mir.
Der Junge ist Autist. o.O Du sollst dich nicht mit ihm identifizieren, sondern Mitleid haben und gesellschaftlichen Druck (Mobbing) kritisieren.

RainingBlood
2008-05-25, 12:13:02
Der Junge ist Autist. o.O Du sollst dich nicht mit ihm identifizieren, sondern Mitleid haben und gesellschaftlichen Druck (Mobbing) kritisieren.

es ist schonmal schlecht für einen Film, wenn man dem Zuseher vorher sagen muss, was er über ihn zu denken hat. Der Sinn ist ja, dass der Film es selber vermittelt.

Wie gesagt, er geht durch die imo ungenügende Charakterdarstellung und Leistung völlig an mir vorbei.

Und ja! Man kann sich tatsächlich mit Autisten identifizieren. Noch nie Rainman gesehen?

Azze
2008-05-30, 02:24:36
Wo ist der Charakter denn ungenügend dargestellt?

Wer im Leben auf der Seite der "Winner" steht, an der Spitze der Beliebtheit, und dessen Lebenszweck es ist andere zu schikanieren, der wird wohl nie bemerken wie man sich so in der Rolle des Ben fühlen würde.
Das soll jetzt hier weder gegen meinen Vorposter noch gegen wen anderes gerichtet sein, aber die Rolle von Ben ist durchaus sehr gut gespielt und herübergebracht.

BEN passt nicht in diese Welt, fühlt sich weder in seiner Haut wohl noch ist er der Typ, der von allen geliebt wird. Fast meint man, das Ben hyperaktiv ist, und dieses stehts zu unterdrücken versucht. Aber nein, sicher in Manchen Dingen des normalen Lebens etwas begriffsstutzig, so zeigt sich sein wahres können und seine eigendl. Intelligenz doch irgendwo.
Kontakt zu anderen ist ihm Fremd; seit Kindheit an, (und nicht erst durch das PC-Spiel) unfähig auf andere "zu zu gehen" und Freundschaften zu knüpfen. - Es sei denn, er lebt seine Rolle im Computerspiel aus, wo er sich "anonym" hier einer Person verstecken kann, die er selbst gerne wäre.

Was wir in "Ben X" sehen, und durch ihn möglichst selbst erleben, ist ihmo die Aufschlüsselung von Leuten wie Robert S. und anderen. Schlagworte wie: unbeliebt, Abseits/abgesondert (der anderen)! mit denen in Medien die Täter der Amokläufe bezeichnet wurden, erleben hier die Hinterfragung des: WARUM!

IMHO: Erwartet einen in "Ben X" kein einfaches Popcornkino, mit leicht verträglicher Handlung, sondern (versteckt) anspruchsvolles Kino über die Empfindungen eines ewig schikanierten Menschen.



Wer mehr oder ähnliches lesen/hören will, dem kann ich nur das Buch, bzw. Hörbuch (gekürzt):
19 Minuten von Jodi Picoult empfehlen:
In neunzehn Minuten kann man das Gras in seinem Vorgarten mähen, die Haare färben oder einen Kuchen backen. Man kann die Wäsche für eine fünfköpfige Familie falten. Neunzehn Minuten kostet es, von der Grenze zu Vermont nach Sterling, New Hampshire, zu fahren. In neunzehn Minuten kann man die Welt zum Stillstand bringen oder einfach aus ihr herausfallen. Neunzehn Minuten kostet es, Rache zu nehmen. Das hat der 17-Jährige Peter Houghton getan. Noch weiß niemand in Sterling wofür, doch mit diesem unaussprechlichen Akt der Gewalt ist die Welt des kleinen Orts für immer aus den Angeln gehoben. Josie Cormier, die Tochter der Richterin, hat das Massaker an der Schule überlebt. Sie wäre die beste Zeugin. Aber sie kann sich nicht erinnern, was geschehen ist.


Klappentext:
19 Minuten,
10 Opfer
1 Täter

"Es ist vorbei, sagte er. Doch das war es nicht, es fing gerade erst an. - Nach seiner unaussprechlichen Bluttat in der Sterling Highschool zweifelt niemand ernsthaft an der Schuld des siebzehnjährigen Peter Houghton. Doch während der kleine Ort mit den Folgen dieser neunzehn Minuten zu ringen hat, wird das Rätsel um die Hintergründe und den Ablauf der Tragödie immer größer.

"Könnte man Mitgefühl unterichten, Jodi Picoult wäre die perfekte Lehrerin" The Washington Post

NameLessLameNess
2010-05-22, 23:21:53
Thread ist schon älter aber er lief letztens auf WDR und hab ihn zufällig gesehn. Fand ihn sehr gut, überraschendes Ende und insgesamt auch spannend. Dachte erst das der Film ne ganz andere Richtung einschlägt. 9/10 von mir.

Der Sandmann
2010-05-22, 23:55:31
Habe nun den Trailer gesehen. Welches Spiel spielt er da eigentlich?

Guild Wars?

NameLessLameNess
2010-05-22, 23:58:46
Habe nun den Trailer gesehen. Welches Spiel spielt er da eigentlich?

Guild Wars?
Archlord.

Quantar
2010-05-23, 04:59:17
Was mich nachwievor interessiert ist die Frage nach den defacto medizinischen Zusammenhängen. Ich weiß bei dem Film einfach nicht, inwiefern ich ihm Dokumentation oder Fiktion unterstellen soll. :confused: