nggalai
2009-08-02, 21:21:37
Jo, im Titel steht es eigentlich schon. Hier der Artikel:
http://www.dailymail.co.uk/news/article-1203622/Ill-die-endgame-says-Terry-Pratchett-law-allow-assisted-suicides-UK.html
(ab „Point me to heaven“ kommt Pratchetts eigener Text.)
Als Schweizer habe ich diese Diskussionen tagtäglich miterlebt. Einmal war Dignitas ein Hort der Menschlichkeit, dann wieder eine Ansammlung von Massenmördern.
Das Thema ist nicht einfach. Es geht ja nicht „einfach“ um Selbstmord per se. Nach dem Motto „Wer sterben will, kann sich ja von der Brücke stürzen“. Es geht um einen angemessenen Tod, falls es so etwas gibt, in jedem Fall aber um einen würdevollen Tod. Und den hat man nicht unbedingt, wenn der ICE 74 über einen rollt oder man die Plättchen im Badezimmer mit interessanten Mustern verziert.
Hospize sind meiner Meinung nach ein wichtiger Schritt in die angemessene Richtung. Insbesondere bei tödlichen körperlichen Erkrankungen wie terminaler Krebs.
Aber was macht man, wenn man weiß, daß sich das Hirn auflöst? Die Persönlichkeit verschütt gehen wird? Was macht man, wenn man weiß: In sechs Monaten werde ich meinen eigenen Partner nicht mehr erkennen? In 12 Monaten werde ich teilweise gelähmt im Bett liegen, keine Reaktion zeigen, und niemand weiß, ob ich überhaupt noch etwas von der Umwelt mitbekomme oder ein kleines Männlein in meinem Kopf sitzt und schreiend leidet …
Persönlich bin ich ziemlich entzwei bei dieser Frage. Einerseits schlägt der Epikuräer durch – bis zum Ende auskosten, es ist immerhin ein Erlebnis, sogar ein einmaliges Erlebnis, so weit wir wissen. Andererseits meldet sich auch der kleine Praktiker in meinem Hirn. Der dann sagt: „Err, nun ja, x Monate als Gemüse rumsitzen? Wozu? Du stirbst eh. Weshalb dann nicht für einen schönen Abgang sorgen?“ Nicht zu erwähnen die Möglichkeit, daß man vorher dermaßen hinüber ist, geistig, daß man nicht mehr viel von diesem „einmaligen Erlebnis“ mitbekommen könnte …
Ich denke, allgemeingültig läßt sich diese Frage nicht beantworten. Aber ich bin durchaus dafür, daß für Betroffene wenigstens die Möglichkeit eines würdevollen, begleiteten Todes besteht. Ohne, daß die beteiligten Parteien damit rechnen müssen, daß die Staatsanwaltschaft vor der Türe steht. Und ohne ICE 74.
Würde es dadurch zu einer Gesellschaft wie in „Soylent Green“ kommen? Mit Entsorgungsanstalten für alte und kranke Menschen? Nein, das glaube ich nicht. Denn falls Systeme wie Dignitas in Deutschland eingeführt werden sollten, wird’s deutsch-typisch auch massig Regulationen geben.
Leidet unsere Gesellschaft vielleicht unter dem „Wir müssen was tun!“-Reflex?
Was denkt ihr?
Cheers,
-Sascha
P. S. Falls Ihr Euch wundert – ich trage mich mit solchen Gedanken schon seit längerer Zeit, spätestens seit meine Frau ins Hospiz ging. Es geht mir hier also nicht all zu sehr um Pratchett als Person; ich finde seinen Text lediglich lesenswert. Und einen guten Aufhänger für ein Nerd-Forum wie dieses hier. -.rb
http://www.dailymail.co.uk/news/article-1203622/Ill-die-endgame-says-Terry-Pratchett-law-allow-assisted-suicides-UK.html
(ab „Point me to heaven“ kommt Pratchetts eigener Text.)
Als Schweizer habe ich diese Diskussionen tagtäglich miterlebt. Einmal war Dignitas ein Hort der Menschlichkeit, dann wieder eine Ansammlung von Massenmördern.
Das Thema ist nicht einfach. Es geht ja nicht „einfach“ um Selbstmord per se. Nach dem Motto „Wer sterben will, kann sich ja von der Brücke stürzen“. Es geht um einen angemessenen Tod, falls es so etwas gibt, in jedem Fall aber um einen würdevollen Tod. Und den hat man nicht unbedingt, wenn der ICE 74 über einen rollt oder man die Plättchen im Badezimmer mit interessanten Mustern verziert.
Hospize sind meiner Meinung nach ein wichtiger Schritt in die angemessene Richtung. Insbesondere bei tödlichen körperlichen Erkrankungen wie terminaler Krebs.
Aber was macht man, wenn man weiß, daß sich das Hirn auflöst? Die Persönlichkeit verschütt gehen wird? Was macht man, wenn man weiß: In sechs Monaten werde ich meinen eigenen Partner nicht mehr erkennen? In 12 Monaten werde ich teilweise gelähmt im Bett liegen, keine Reaktion zeigen, und niemand weiß, ob ich überhaupt noch etwas von der Umwelt mitbekomme oder ein kleines Männlein in meinem Kopf sitzt und schreiend leidet …
Persönlich bin ich ziemlich entzwei bei dieser Frage. Einerseits schlägt der Epikuräer durch – bis zum Ende auskosten, es ist immerhin ein Erlebnis, sogar ein einmaliges Erlebnis, so weit wir wissen. Andererseits meldet sich auch der kleine Praktiker in meinem Hirn. Der dann sagt: „Err, nun ja, x Monate als Gemüse rumsitzen? Wozu? Du stirbst eh. Weshalb dann nicht für einen schönen Abgang sorgen?“ Nicht zu erwähnen die Möglichkeit, daß man vorher dermaßen hinüber ist, geistig, daß man nicht mehr viel von diesem „einmaligen Erlebnis“ mitbekommen könnte …
Ich denke, allgemeingültig läßt sich diese Frage nicht beantworten. Aber ich bin durchaus dafür, daß für Betroffene wenigstens die Möglichkeit eines würdevollen, begleiteten Todes besteht. Ohne, daß die beteiligten Parteien damit rechnen müssen, daß die Staatsanwaltschaft vor der Türe steht. Und ohne ICE 74.
Würde es dadurch zu einer Gesellschaft wie in „Soylent Green“ kommen? Mit Entsorgungsanstalten für alte und kranke Menschen? Nein, das glaube ich nicht. Denn falls Systeme wie Dignitas in Deutschland eingeführt werden sollten, wird’s deutsch-typisch auch massig Regulationen geben.
Leidet unsere Gesellschaft vielleicht unter dem „Wir müssen was tun!“-Reflex?
Was denkt ihr?
Cheers,
-Sascha
P. S. Falls Ihr Euch wundert – ich trage mich mit solchen Gedanken schon seit längerer Zeit, spätestens seit meine Frau ins Hospiz ging. Es geht mir hier also nicht all zu sehr um Pratchett als Person; ich finde seinen Text lediglich lesenswert. Und einen guten Aufhänger für ein Nerd-Forum wie dieses hier. -.rb