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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Fahren wir Zug. Eine imaginäre Reise die grade stattfindet.


resistansen
2011-01-27, 05:13:37
Nicht nur im Ersten fährt man Nachts mit dem Zug :wink: Eine Reise von Konstanz nach Wladiwostok in Worten. Es ist lang. Es ist viel. Es ist verdammt spontan entstanden. Das hörte ich dabei. (http://listen.grooveshark.com/#/s/The+Dead+Flag+Blues/196aI) Zum Lesen empfehle ich "Providence" ab Minute 13.



http://www.abload.de/img/zug1c7kj.jpg (http://www.abload.de/image.php?img=zug1c7kj.jpg)

Konstanz, kurz vor 16.38. Während der Zug bereits stand, es war eine dieser doppelstöckigen Schwarzwaldbahnen, die nur für Außenstehende eine unglaublich schöne Strecke fahren müssen, die für mich jedoch nur Tunnel nach Tunnel durchquerte, (wahrscheinlich auch diejenigen in meinem Kopf, sicher war ich mir da noch nicht)- während dieser Zug bereits stand, zog ich die letzten panischen Male an der Zigarette, mein Magen grummelte und ich dachte mir, ich wäre ein verdammter Idiot mit meinem Rucksack auf dem Rücken, dem Pappbecher in der Hand und den vielen Erwartungen im Kopf.

Der Zug setzte sich in Bewegung und die vielen bekannten Ortsnamen die vorbeizogen schienen fremd geworden zu sein. Ich fuhr nicht durch sie durch, ich war schon längst nicht mehr dort, deswegen konnte ich sie nicht erkennen.

http://farm5.static.flickr.com/4083/5117974849_b813dea31d_b.jpg (http://www.flickr.com/photos/cutremure/5117974849/)



Ankunft Karlsruhe, Aufenthalt 34 min, Gleis 9 auf Gleis 3. 6 Gleise dazwischen die meine bestehenden Zweifel belachen konnten. Das grüne Café hatte einen neuen Pappbecher für mich und ich grade noch Zeit die letzten Minuten im bekannten Karlsruhe zwischen den Linien zu stehen. Eigentlich balancierte ich auf der Linie, weil ich sehen wollte ob ich runterfallen würde. Ich tat es nicht oder merkte es nicht. Ich stieg ein und fand mein Bett und wusste, dass dieses gemächliche Rattern des Zuges bald zu einem Teil von mir werden würde. Ein kontinuierliches Rattern, dass meine Moleküle lösen würde und sie neu zusammensetzen würde, nie wieder vergleichbar mit vorher, kein Weg mehr zurück, one-way-ticket to... ja, wohin eigentlich? Spann die Pferde an Baby, wir reiten nach Russland? Wow. Mutig.

http://www.abload.de/img/zug2v70s.jpg (http://www.abload.de/image.php?img=zug2v70s.jpg)


Rattern immer nur rattern. An Berlin vorbeigerattert, nach Polen reingerattert, „Dead Flag Blues“ in meinen Ohren, Rauch in meinen Lungen, ein böser Blick des Schaffners in meinem Rücken. Es war mir egal.

Die Anspannung war gewichen, eine Bewegung hatte sich eingestellt, noch vage, so dass ich froh war, dass der Zug sie für mich übernahm. Warschau-Wasteland im Zeitplan, nicht mein Ziel, ein paar Blicke auf den Beton des Bahnhofes mussten reichen, da setzte der Zug sich wieder in Bewegung.
23 Uhr, 4 Uhr, 9 Uhr. Minsk. Smolensk, Moskva Belorusskaja. Ein weiter Weg vom weissrussischen Bahnhof um den Osten zu beherrschen, Wladiwostok war mein Ziel. Verdammte 9288 km noch vor mir, 9288 km während denen ich drüber nachdenken konnte, warum ich in diesem Zug saß.

http://www.abload.de/img/zug3v713.jpg (http://www.abload.de/image.php?img=zug3v713.jpg)
http://www.abload.de/img/zug4275s.jpg (http://www.abload.de/image.php?img=zug4275s.jpg)

Mir wurde bewusst, dass ich nicht in diesem Zug saß um eine Distanz herzustellen, sondern um eine Distanz zu verringern. Irgendwann hatte ich begonnen Grenzen einzuziehen, Zonen zu benennen, Mauern zu errichten. Ich konnte zwar weiterhin innerhalb dieser Mauern sein, doch stieß ich mir den Kopf wenn ich begann zu rennen. Deswegen saß ich, schon seit Jahren, meine Muskeln beschwerten sich, wenn ich einen Schritt machen wollte und ich rollte mich wieder zurück auf die Wiese meines geistigen Schlosses. Ein schöner Ort, keine Frage. Ein großes altes Schloss in einem entrückten Winkel meines Bewusstseins. Ruhig, Vollkommen, sogar eine Bibliothek hatte ich, nur die Bücher gingen mir langsam aus. So war ich aufgebrochen den Osten zu beherrschen, wenn ich nicht in diesem Schloss zu Grunde gehen wollte.

Russische Steppe zog an mir vorbei. Birkenwald um Birkenwald. Was ich tat, war banal. Es war nichts, aber ich sträubte mich nicht dagegen. Das Rattern war zu einem Schaukeln geworden, die Fremden zu Begleitern. Wir tranken Tee und lächelten, es gab eigentlich nicht viel zu sagen.

http://farm5.static.flickr.com/4112/5072407682_1bb5127261_b.jpg (http://www.flickr.com/photos/cutremure/5072407682/)

http://farm5.static.flickr.com/4091/5072444394_ed0251f63c_b.jpg (http://www.flickr.com/photos/cutremure/5072444394/)

Perm, Novosibirsk. Orte, die einst so fern und unerreicht schienen waren da. Ich fuhr durch sie durch, ich konnte sie sehen und den Frauen an den Bahnsteigen ein Stück Perm abkaufen um es mit mir zu führen und reinzubeißen, wenn ich Lust auf einen Apfel hatte.

Wir trafen uns immer wieder auf dem Gang, beim offenen Zugfenster, immer die gleichen Leute, die sehnsüchtig in die Ferne blickten.

Ich begann eine Ahnung zu bekommen, von diesem Gefühl das Endlosigkeit hieß. Noch endete meine Endlichkeit an der Zugtür, aber ich wusste, der Zug bewegte sich, ich würde aussteigen. Bald.

Irkutsk, Ulan Ude. Die Gesichter wurden fremder, die Steppen länger, ich gewöhnte mich an dieses Gefühl. Vor einigen Wochen verstand ich es nicht, ich glaube, ich verstehe es auch Heute nicht ganz, aber es hat etwas von seiner Befremdlichkeit verloren. Wäre ich sonst hier?

Die Nächte waren lang und zogen Schlieren, bis ich verstand, dass ich einfach nur das Licht im Abteil löschen musste um nach draußen sehen zu können.

Belogorsk. Ein Tag trennte mich noch, vielmehr eine ganze Nacht die ich in kompletter Dunkelheit verbrachte im leise schaukelnden Wagen und verstand, dass ich noch da war, mitten in den borealen Wäldern und ich lief.


Wladiwostok, 23.33 Ich kam in kompletter Dunkelheit an, ich roch das Meer. Es roch weit.
„In my head there is a Greyhound Station“ (http://listen.grooveshark.com/#/s/Sould+Meets+Body/2iQGzD) sangen Death Cab for Cutie einst, ich erwidere „ Nicht nur, in mir ist alles." Nach Tagen, die ich nicht mehr in Tagen zählte, stieg ich aus dem Zug. Endstation. Ich stehe an Kilometer 9288.

Was ist also Wladiwostok für mich? Ich glaube, es war unglaublich entfernt und eigentlich schon immer ganz nah gewesen. Es war äußerlich trostlos und besaß diese Plattenbautristesse mit Pfützen, in denen alte Tüten schwammen. Es rostete und am Bahnhof blätterte die Farbe von den Bänken. Hellblau. An der Ecke gab es jedoch diese alte Frau mit der besten Brezel, die ich je gegessen hatte und sie wollte nur 2 Pfennige von mir und lächelte mich dabei an. Volkov bojatjsja - v les ne hoditj flüsterte sie. „Die Wölfe fürchten, heißt nicht in den Wald zu gehen“. Ich nickte, lächelte und machte mich auf den Weg über die Brücke, während die Möwen krächzten. Denn sein wir ehrlich, die Welt hört nicht hinter Wladiwostok auf.

http://farm6.static.flickr.com/5133/5391169829_d347487129_b.jpg (http://www.flickr.com/photos/cutremure/5391169829/)

resistansen
2011-01-27, 23:54:18
139 views und keiner der sinnlos "drogen" ruft? ich bin tatsächlich ein bisschen stolz ;)

No.3
2011-01-28, 00:01:28
man kann auf den Bildern zwar net immer viel erkennen, aber das letzte sieht irgendwie nach der Konstanzer Fahrradbrücke aus. Hast Du Dich etwa verfahren?!? :eek: :D

resistansen
2011-01-28, 00:05:26
konstanz, wladivstok. was macht das für einen unterschied. sein wir ehrlich ;)

die antwort mit der du mehr anfangen kannst ist aber: ja. richtig erkannt ^^
das erste ist baden-baden, die steppe ist zwischen constanta und bucarest und der bahnsteig irgendein kleines städtchen in den karpaten...trotzdem genau das, was ich dafür brauchte ;)

Simon Moon
2011-01-28, 00:10:45
Rattern immer nur rattern. An Berlin vorbeigerattert, nach Polen reingerattert, „Dead Flag Blues“ in meinen Ohren, Rauch in meinen Lungen

ah... also nichts neues im Westen... :freak:

No.3
2011-01-28, 00:12:46
konstanz, wladivstok. was macht das für einen unterschied. sein wir ehrlich ;)

mehrere 1000 Kilometer? :D Konstanz: Süsswasser (Alternativ: Formaldehyd ;D), Vladivostok: Salzwasser :D


die steppe ist zwischen constanta und bucarest und der bahnsteig irgendein kleines städtchen in den karpaten...trotzdem genau das, was ich dafür brauchte ;)

jou, die beiden Bilder hätte ich Dir durchaus abgekauft als Bilder einer Reise nach Vladivostok

resistansen
2011-01-28, 00:43:40
ich erinnere mich an die formaldehyd plakate.. die waren putzig ^^
du warst wolverine...und wir trafen uns sogar schon einmal? oder war wuzel wolverine? oder hab ich nen ganz anderen typen bei einem der ollen foruni-treffen getroffenund du wießt gar nicht wovon ich grade rede?^^


und... ich war ja dort. du traust der imagination nicht so viel zu wie der realität? ist doch alles eins. warum den geist beschränken? genau da hast du nämlich den knackpunkt der geschichte ;)

oh hi simon. dich hab ich hier tatsächlich ein bisschen erwartet ^^

resistansen
2011-01-28, 01:18:27
falscher thread...selfdel...

resistansen
2011-01-28, 01:19:09
wobei.... je mehr antworten...

resistansen
2011-01-28, 01:19:22
desto größer ist das interesse und die frage was in diesem thread mit dem wunderlichen namen vor sich geht und wer um himmelswillen da eigentlich partizipiert und was er zu sagen hat...

resistansen
2011-01-28, 01:19:46
ist einfach so. hallo die damen und herren die aufgrund der beitragsexplosion nun hier reinschauten^^

EdRu$h
2011-01-28, 05:48:47
Häh , sonst is alles klar ?

resistansen
2011-01-28, 10:12:51
q.e.d.

kann nicht klagen, und du? ;)

pest
2011-01-28, 10:15:29
Drogen? aber schöne Bilder :)

beitragsexplosion

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resistansen
2011-01-28, 10:21:33
keine drogen, also keine substanzen. nein.

fdk
2011-01-28, 10:52:06
Ah bekannte Bilder. Vor der Brücke hab ich ein Jahr lang gewohnt, direkt gegenüber der FH. Und die Schwarzwaldbahn hab ich auch noch in lebhafter - traumatischer? - Erinnerung.
Dort im Zug hab ich damals sogar einen Weihnachtsbaum geschenkt bekommen. Von wegen Schwarzwald ... Bäume und so. Auf der gleichen Fahrt gab es dann 45 Minuten Verspätung weil jemand mit der ganzen Weihnachtsstimmung scheinbar nicht allzu gut klar kam. Allerdings wurde das das Ding auch nie über 5 cm groß :(.

Ziemlicher geiler Trip für eine Fahrt von Konstanz hbf nach Petershausen :ucatch:

No.3
2011-01-28, 14:19:28
ich erinnere mich an die formaldehyd plakate.. die waren putzig ^^
du warst wolverine...und wir trafen uns sogar schon einmal? oder war wuzel wolverine? oder hab ich nen ganz anderen typen bei einem der ollen foruni-treffen getroffenund du wießt gar nicht wovon ich grade rede?^^

lol, ich bin weder Wuzel noch Wolverine, ich bin No.3 und seit Herbst 2006 nicht mehr in Konstanz.
Keine Ahnung mit wem Du Dich da im Vollsuff rumgetrieben hast! :D

hasufell
2011-01-28, 14:40:48
das hier ist ein Denkmal an Offenheit und Ehrlichkeit und der Versuch persönlichen Wahnsinn anderen Menschen darzustellen.

Ich finds sehr schön...


Der Unterschied von Selbstwahrnehmung und Sinneswahrnehmung verwischt sich in diesen Zeilen und Bildern...

resistansen
2011-01-28, 15:12:34
endlich einer der es sieht. das hier schreibe ich aus dem zug. passt so schön ^^

resistansen
2011-01-28, 15:15:25
fast schon im grünen cafe in karlsruhe :)

raffa
2011-01-28, 15:26:56
gute musik :up:

resistansen
2011-01-29, 12:00:35
sowieso ;)
danken wir also hasi für den einzigen beitrag, der sich wirklich damit auseinandersetzte ^^

hasufell
2011-01-29, 12:08:59
ich freue mich schon auf eine imaginäre Reise... zu Fuß

ngl
2011-01-29, 14:29:26
Was ich nicht verstehe:
Wie bist du darauf gekommen, daß der Code die Musik vom Glockenspiel ist? Ich finde das ziemlich unlogisch, vor allem weil das Glockenspiel sonst keine Erwähnung findet.

resistansen
2011-01-30, 02:30:28
nochmal... in anderen worten ^^

Wuzel
2011-01-30, 12:26:35
ich erinnere mich an die formaldehyd plakate.. die waren putzig ^^
du warst wolverine...und wir trafen uns sogar schon einmal? oder war wuzel wolverine? oder hab ich nen ganz anderen typen bei einem der ollen foruni-treffen getroffenund du wießt gar nicht wovon ich grade rede?^^


und... ich war ja dort. du traust der imagination nicht so viel zu wie der realität? ist doch alles eins. warum den geist beschränken? genau da hast du nämlich den knackpunkt der geschichte ;)

oh hi simon. dich hab ich hier tatsächlich ein bisschen erwartet ^^

Mich hast du sicherlich nicht getroffen, denn das würdest du nie wieder vergessen :biggrin:

Und nein, ich bin immer unter dem gleichen Nick anwesend - also nix Wolverine.....

Wenn ich die Nebelsuppe wieder sehe, bin ich doch ganz froh weg von Konstanz zu sein :freak:

resistansen
2011-01-31, 02:36:22
ich freue mich schon auf eine imaginäre Reise... zu Fuß


:wink:


http://farm6.static.flickr.com/5171/5402088057_97b06525e9_z.jpg (http://www.flickr.com/photos/cutremure/5402088057/)
noch einen café auf dem weg nach wladivostok (http://www.flickr.com/photos/cutremure/5402088057/) von green magnet school (http://www.flickr.com/people/cutremure/) auf Flickr

zur weiteren untermalung.das grüne café. in karlsruhe.das es wirklich gibt. wie alles andere auch. ;)

The_Lutzifer
2011-02-02, 17:32:05
Werte Resistansen,

Bekennende Hörerin und Anhängerin der wundervollen Eels,
Fan von 65daysofstatic und Godspeed you! black emperor.
(Das allein klingt ist schon großartig :) )

Danke für einen unterhaltsamen und atmosphärisch interessanten Beitrag.
Da bekomme ich Lust, mit einer Playlist von Dir im Ohr eine längere Strecke per Bahn zurück zu legen. ;)

...because...iLiKETRAiNS

resistansen
2011-02-02, 20:50:38
ich auch :)

und vielen dank für diesen beitrag. ich lächle jetzt :)

essex
2011-02-18, 05:13:39
Viel Glück auf deiner weiteren Reise, wünsche ich Dir. Wobei du kein Glück, sondern nur ausreichend Willen brauchst.

IVN
2011-02-18, 05:22:52
Ich finde diese obszönen Darstellungen von Bahnhofpornografie eine Frechheit. Mein Sohn war zufällig da, und hat Paar Zeilen aufgeschnappt. Er ist fürs Leben gezeichnet, so viel steht fest. Ich verlange Genugtuung!

essex
2011-02-18, 05:25:12
Ich glaube fast, IVN meint das nicht so. Ein bisschen trollen am Morgen ist das ;)

Chantal
2011-02-18, 06:13:05
Ich glaube fast, IVN meint das nicht so. Ein bisschen trollen am Morgen ist das ;)
Das ist wohl offensichtlich. Manche Menschen können es einfach nicht anders, als durch Unsinn Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ich glaube, das nennt man auf English attention whore.

resistansen
2011-02-18, 14:10:08
aus geheimen zuverlässigen quellen weiß ich, dass ivan -en contraire- sogar angetan ist von dem text ;)

resistansen
2011-02-25, 00:48:43
Was ist Wladiwostok eigentlich für mich? Diesen Satz habe ich unlängst schon einmal geschrieben. Ich habe eine weitere Antwort gefunden, die komplett ähnlich klingt und doch ganz anders ist. Es war eine Reise mit einem Reisebegleiter, der mir Wege zu reisen gezeigt hat, die ich davor nicht kannte oder zumindest vergessen hatte. Ich sprang von einer Brücke, ich lief durch den Wald. Die Wege wurden immer wilder, bis sie kaum mehr erkenntlich waren, doch er hatte den Kompass, zumindest glaubte ich das und vertraute ihm deswegen.

Wir reisten, manchmal trieb er mich, manchmal musste er mich schieben, weil meine Beine weh taten.

Wir reisten zu Schlössern meines Bewusstseins und an den Wasserfall der Wörter mit all seinen Buchstaben. Nie zuvor fuhr ich so lange Strecken mit dem Zug und ich hatte den Eindruck, dass eine Tür sich geöffnet hatte. Ich konnte spüren, wie mein Bewusstsein in mein Bewusstsein floss, ich hatte den Eindruck viel mehr als zuvor zu fühlen in feineren Nuancen und manchmal ohne Erklärung, es begann chaotischer zu werden. Ein Chaos wie ein Bokeh, undefiniert, schwammig, vage, schön, glitzernd.

Ich lernte auf meiner Reise das Gefühl von Angst und seine Wichtigkeit kennen und dass Angst besiegt werden kann und man nur den Willen dazu braucht.

Es gab so viel neues, ich war erstaunt als er mir erzählte, dass es ein falscher Glaube sei, dass Parallelwelten, die ich kannte, nicht zu mir gehören sollten. Sie waren ich, ich war sie. Ich lernte, dass Phantasie ein Produkt von Idee und Wille sei, ich mochte den Gedanken.

Manchmal verfluchte ich ihn, wenn er auf die weniger schönen Orte unserer Reise zusteuerte, an denen sie Sprachen sprachen, die fremd und aggressiv in meinen Ohren klangen. Mit der Zeit lernte ich die Sprachen voneinander zu unterscheiden und ich bekam so was wie ein Grundverständnis, glaubte ich zumindest.

Das gefährlichste und schönste Ziel zugleich war ein Trip an einen Ort, der gar nicht weit weg von hier lag aber mir bis dato völlig unbekannt gewesen war. Es war radikal dort und zärtlich. Zeit anhaltend. Ich spürte die Zeit meistens einfach nicht. Alles ein großer verbundener Moment und eine Aussichtsplattform zu allen Reisen, die wir bisher unternommen hatten.

So lagen wir und wir lagen lange in dem Gefühl von Nichts und Allem. Für manche wären es Sekunden gewesen, ich war mir nachher nicht mehr sicher ob es nicht doch Jahre gewesen waren und woran ich mich am besten erinnern konnte, war ein gelbes Katzenauge.


Irgendwann, es war nicht mal ein ungewöhnlicher Tag, verstanden mein Reisegefährte und ich uns einfach nicht mehr. Vielleicht hatten wir zu viel erlebt, vielleicht hatten wir zu wenig erlebt, vielleicht hatte ich andere Momente erlebt als er und zwischen drin war alles von Watte gepolstert.

Ich erwachte, es war kein sonniger Tag und auch kein grauer Tag, es war Tag und er hatte mich verlassen. Es war still und die Bäume wehten im Wind, wahrscheinlich lachten sie. Da stand Ich, alleine, auf einem unwirklichen Mosaik eines Innenhofes. Ich wusste nicht unbedingt, wo ich gerade war, aber ich wusste, ich würde weitergehen müssen und mich dabei fragen und bezweifeln, ob ich es auch alleine schaffen könnte und mich gleichzeitig ein bisschen schelten, weil ich mich in Frage gestellt hatte. Das übliche.

Ich glaube, er wird mir fehlen. Ich glaube, er hat Türen in mir geöffnet, die eine Sehnsucht in mir auslösten, die nur er stillen konnte. Beizeiten suche ich mir einen geeigneten Schlüsseldienst, der mir dafür Schlüssel besorgen kann um diese Türen abzuschließen, es zieht, es ist Winter.

Ich glaube, ich schicke ihm eine Postkarte in ein paar Jahren. Unsere Reisen waren schön, ich habe Bilder davon.



...eine fortsetzung. ich glaube, sie klingt trauriger als sie ist...

resistansen
2011-03-22, 02:41:29
machen wir einen sammelthread draus und setzen einen, mittlerweile schon ein paar wochen alten, aber unmittelbaren text, dahinter...
wahrscheinlich damit ich hier selber in ein paar monaten blättern und mich freuen kann ;)



Steilküste. Steilküste. Steilküste. Heraufbeschworen. Hallo, ich Heiße Alexandra. Hallo Ich bin die Steilküste. Schön dich kennen zu lernen. Ganz meinerseits. Du willst mich also besuchen? Ja, ich hielt das für eine gute Idee? Interessant. Du weißt auch warum? Es ist windig da oben. Du fällst. Ich falle. Du könntest fallen. Ja könnte, heißt das dass ich es tun muss? Das ist deine Entscheidung. Hab ich doch gar nicht vor, Herrgott. Ich sehe, der Besuch wird anstrengend. Vielleicht haben wir uns nur auf dem falschen Fuß erwischt. Kann gut sein. Hallo. Ich heiße Alexandra. Hallo, ich bin die Steilküste. Ich wollte dich besuchen, denn ich suche etwas. Das habe ich schon lange nicht mehr gehört. Was suchst du? Den Wind!. Den Wind? Den kannst du doch überall haben? Ja, aber nicht an einer Steilküste, hoch über nichts..... Nichts? Und allem... gut, du hast dich gerade noch gerettet. Du brauchst also eine Aussichtsplattform? Ja, ich glaube, das könnte man so sagen. Was willst du sehen? Dinge, die passiert sind. Dinge? Ja, Dinge und Gefühle und Emotionen, aber ich will ein objektiver Beobachter sein dürfen. Verstehe! Du verstehst? Ja, deswegen der Wind, deswegen eine Steilküste, weil hier nichts an dich heran kommt, weil meine Küste zu steil und der Wind zu stark ist. Du hast wiedermal Angst? Weiß ich gar nicht. Ich merke, ich bin ein bisschen erschöpft, wenn ich versuche einen klaren Kopf auf dem Boden zu bekommen. Brauchst du einen klaren Kopf? Wenn du so fragst, muss ich wahrscheinlich lernen mit dem Chaos in meinem Kopf zu leben, bevor ich das aber lernen kann, brauche ich einen klaren Kopf und das Gefühl von Einsamkeit, eine Verdichtung, ich will nicht abgelenkt werden. Gut. Komm hoch. Freut mich dich kennen zu lernen, ich bin die Steilküste. Ich heiße Alice. Ich weiß.