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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Physik-Nobelpreis für Feststellung der beschleunigten Expansion des Universums


Gipsel
2011-10-04, 20:19:38
Tja, jetzt muß es wohl stimmen, da es einen Nobelpreis für gab.

Als ich das (ich glaube im ersten Studienjahr) zum ersten Mal gehört habe, dachte ich spontan: 'Hmm, wer hat sich denn den Blödsinn einfallen lassen' und nahm mir vor, bei Gelegenheit das mal anhand der Rohdaten selber nachzurechnen. Bin dann leider nie dazu gekommen. Im folgenden Jahrzehnt kamen viele neue Daten dazu und jetzt steht das Vorhandensein der Beschleunigung angeblich zu 99,999% oder so sicher fest.

Allerdings habe ich mir heute dann doch mal Zeit genommen, um mir die Daten (http://supernova.lbl.gov/Union/) runterzuladen und die einfach mal zu plotten. Also keine fancy Fits, um da die kosmologische Konstante/Dichte der "Dark Energy" rauszubekommen, sondern einfach mal Abstand über Rotverschiebung, an dem man ja eigentlich schon optisch eine Beschleunigung erkennen können sollte (interessanterweise macht das wohl sonst kaum einer, habe ich zumindest noch nicht so richtig gesehen).

Also jetzt erstmal ohne großen Kommentar die folgenden zwei Plots (mit Fehlerbalken ;)):

http://www.abload.de/img/luminosity_distancenr78.png

http://www.abload.de/img/proper_distanceqp6b.png

Die verschiedenen Längenskalen kann man bei Interesse bei Wikipedia nachschlagen.

Mein Punkt ist einfach nur, daß wenn man sich mal ganz grob anschaut, welche Annahmen da alles reinspielen und welche systematischen Fehler möglich sind (vielleicht gibt es ja doch eine Extinktion auch zwischen den Galaxien durch zwar sehr dünne, aber doch vorhandene Materie dort und nicht nur innerhalb von Galaxien?), würde ich persönlich in Anbetracht der Fehlerbalken den Teufel tun, als eine zu 99,999% sichere beschleunigte Expansion zu behaupten. :rolleyes:

Spasstiger
2011-10-04, 20:37:05
Sieht aber schon signifikant nichtlinear aus, oder findest du nicht?

Kladderadatsch
2011-10-04, 20:39:53
ökologen wären froh, sie hätten derartige rohdaten.

Gipsel
2011-10-04, 21:08:22
Sieht aber schon signifikant nichtlinear aus, oder findest du nicht?
Das wäre auch für ein Universum ohne dunkle Energie/beschleunigte Expansion schon nichtlinear (die Linie liegt da eher als Vergleich drin). Erst z.B. für ein geschlossenes Universum mit etwa der doppelten kritischen Dichte und ohne dunkle Energie (und einer sich daraus ergebenen Lebensdauer von nur 8 Milliarden Jahren) erhält man eine grob lineare Abhängigkeit der Luminositätsentfernung von der Rotverschiebung. Auch ein flaches Universum nur mit normaler/dunkler Materie zeigt einen schneller als linearen Anstieg der Luminositätsentfernung über z. Das sind nur graduelle Unterschiede, die eben meiner Meinung anhand der Unsicherheiten nicht wirklich entschieden werden können.

Denn wie angesprochen stellt sich die Frage, ob da nicht noch ein paar signifikante systematische Fehler drin schlummern. Intergalaktische Materie, die eine (wahrscheinlich sehr leichte, aber nichtlinear mit dem Abstand zunehmende!) Extinktion des Supernova-Lichtes verursacht, hätte ebenfalls einen scheinbaren Anstieg der Kurven zur Folge (da die scheinbare Helligkeit weit entfernter Supernovae sinkt und damit die Luminositätsentfernung steigt). Da nimmt man aber momentan afaik schlicht Null an. Wenn man das mal vergleicht, wie die Daten massiert werden, um die Extinktion in der Heimatgalaxis der SN und dann auch der Milchstraße zu berücksichtigen, würde ich das als systematische Fehlerquelle nicht ausschließen wollen.

Edit:
Um mal die Sache mit der Darstellung aus dem Eingangspost etwas zu verdeutlichen, üblicherweise wird das in den Veröffentlichungen so geplottet:

http://www.abload.de/img/distance_modulusw8j3.png

Durch die logarithmische Kontraktion der Längenskale (das µ ist 5*(log10(d_lum)-1) ), sieht das besser aus, als es eigentlich ist.

Hayab
2011-10-05, 00:22:43
Koennte sein, dass die Lichtgeschwindikeit nicht immer gleich ist.
Vielleicht expandiert das Universum konstant, aber veraendert sich die Dichte des "Gewebes" des Universum, was die Photonen und Neutrinos beschleunigt.

Irgendwelche Wirkung muss die Expansion auf das Universum haben, vielleicht schwindet die Gravitation oder die Lichtgeschwindigkeit nimmt zu.

kiX
2011-10-05, 02:03:42
Koennte sein, dass die Lichtgeschwindikeit nicht immer gleich ist.
Vielleicht expandiert das Universum konstant, aber veraendert sich die Dichte des "Gewebes" des Universum, was die Photonen und Neutrinos beschleunigt.

Irgendwelche Wirkung muss die Expansion auf das Universum haben, vielleicht schwindet die Gravitation oder die Lichtgeschwindigkeit nimmt zu.
O_o



edit:
Intergalaktische Materie, die eine (wahrscheinlich sehr leichte, aber nichtlinear mit dem Abstand zunehmende!) Extinktion des Supernova-Lichtes verursacht
Hast du auch einen Vorschlag, warum das so sein könnte? Warum sollte Intergalaktische Materie eine zum Abstand nichtlineare Schwächung der Lichtintensität hervorrufen?
Da dein Link nicht auf die direkte Quelle verweist und ich keine Lust habe, mich durch etliche Unterseiten zu klicken, um an deine Quelle heranzukommen, gehe ich vom Naheliegensten aus:
Supernovae Typ 1a, bekannte absolute Helligkeit, bekanntes Farbspektrum. Dadurch sehr genau bestimmbare DL und Rotverschiebung.
Zudem haben wir einige Messdaten, vermutlich aus "allen Richtungen des Himmels". Keine Vorzugsrichtung(?). Im Mittel Gleichverteilung der Daten.

Wenden wir uns nun deiner Spekulation zu:
Was für eine Art Intergalaktische Materie müsste es geben, welche nichtlinear zum Abstand und bei allen Daten ähnlich die Lichtintensität abschwächt?
Es kann keine exotische Materie sein, da diese nicht mit Licht wechselwirkt. Normale Gaswolken findet man anhand des Spektrums (Absorption nur bestimmter Wellenlängen), fallen also auch raus.

Bleibt also Wellenlängen-unabhängig absorbierende Materie unberücksichtigter Art mit so starkem Einfluss, dass die Intensität von nahen SN stärker schwächt als von fernen SN.

Entfernte SN werden von bekannter aber nicht berücksichtigter Materie relativ und absolut gesehen weniger abgeschwächt als nahe SN. Klingt physikalisch imho nicht plausibel.

Gipsel
2011-10-05, 03:55:00
Hast du auch einen Vorschlag, warum das so sein könnte? Warum sollte Intergalaktische Materie eine zum Abstand nichtlineare Schwächung der Lichtintensität hervorrufen?
Der zu Grund liegende Gedankengang ist geradezu banal: Früher war das Universum dichter. Beim Blick auf entfernte SN, hat das Licht also (anfangs) dichtere Regionen passiert, deswegen die tendentiell höhere Extinktion für höhere Rotverschiebungen. Ein linearerer Anstieg der Extinktion mit der Entfernung (und damit eine reine Skalierung) würde bedeuten, daß das Universum zu jedem Zeitpunkt gleich dicht war.

gehe ich vom Naheliegensten aus:
Supernovae Typ 1a, bekannte absolute Helligkeit, bekanntes Farbspektrum. Dadurch sehr genau bestimmbare DL und Rotverschiebung.Rotverschiebung kannst Du genau bestimmen, aber dL nicht. Schau Dir mal die erste Grafik in diesem Thread an ;).
Alles was ich sage, ist daß man bei den bereits doch recht großen bestehenden Fehlerbalken einen weiteren systematischen Fehler nicht ausschließen sollte.
Zudem haben wir einige Messdaten, vermutlich aus "allen Richtungen des Himmels". Keine Vorzugsrichtung(?). Im Mittel Gleichverteilung der Daten.Gegen die Isotropie spricht ja auch nichts.
Wenden wir uns nun deiner Spekulation zu:
Was für eine Art Intergalaktische Materie müsste es geben, welche nichtlinear zum Abstand und bei allen Daten ähnlich die Lichtintensität abschwächt?
Es kann keine exotische Materie sein, da diese nicht mit Licht wechselwirkt. Normale Gaswolken findet man anhand des Spektrums (Absorption nur bestimmter Wellenlängen), fallen also auch raus.Schau Dir an, wie es mit der interstellaren Materie funktioniert (womit ich nicht sage, daß es das Gleiche sein muß). Die macht prächtig Extinktion (kann aber aufgrund der relativen hohen Temperatur und Dichte innerhalb der Galaxien auch direkt im Ferninfrarot beobachtet werden, aber dafür kannst Du in der Ebene der Milchstraße auch größenordnungsmäßig nur ein paar tausend 1000 Lichtjahre weit sehen, wenn man nicht auf die roten/infraroten Anteile setzt, wenn man Pech hat [ist sehr ungleichmäßig verteilt] auch noch sehr viel weniger weit). Partikel aus mehr als einer Handvoll Atome haben ein quasikontinuierliches Absorptionsspektrum, da gibt es praktisch keine Linien mehr.
Bleibt also Wellenlängen-unabhängig absorbierende Materie unberücksichtigter Art mit so starkem Einfluss, dass die Intensität von nahen SN stärker schwächt als von fernen SN.
Um mal die Sache mit dem Staub weiter zu spinnen, die Absorption hängt ja empfindlich von der Wellenlänge ab, was zu einer Rotfärbung mit stärkerer Extinktion führt. Und wenn ich das jetzt nicht durcheinanderbringe, sehen SN mit z>1 auch roter aus, als man eigentlich erwarten würde (wobei man allerdings auch argumentieren könnte, daß das Hubble-Teleskop eventuell keine gute Farbkalibrierung besitzt, in dem Bereich sind Bobachtungen damit nämlich überproportional vertreten).
Diese Wellenlängenabhängigkeit existiert übrigens auch schon bei der Rayleighstreuung (elastisch, also praktisch keine Absorption) an einzelnen Atomen/Molekülen, da benötigt man noch nicht mal Staubpartikel für.
Entfernte SN werden von bekannter aber nicht berücksichtigter Materie relativ und absolut gesehen weniger abgeschwächt als nahe SN. Klingt physikalisch imho nicht plausibel.Das hätte ich jetzt mal gerne näher erklärt.

Einfache These von mir dazu:
Von dem, was weiter weg ist, kennen wir weniger und das auch schlechter als das, was näher dran ist. ;)

Weltraumeule
2011-10-05, 21:51:18
Ja soll ich nun dir Gipsel oder dem Florian glauben? Für einen Laien wie mich, scheint ihr beide sehr viel Wissen zu haben und ich bin nun verwirrt :confused:

Nicht falsch verstehen, ich möchte keine Erklärung haben, die ich eh nicht verstehen würde, auch wenn es Florian in seinem Blog recht gut und einfach erklärt.
Sondern es wäre gut wenn du dir seine Begründung und die Links durchliest und dich dann mit ihm auseinandersetzt und ihr somit dann zu einer übereinstimmenden Meinung kommt? Am besten verweise ihn auf diesen Thread.
Sein Blog:

Nobelpreis für Physik geht an die Entdecker der dunklen Energie
http://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2011/10/nobelpreis-fur-physik-geht-an-die-entdecker-der-dunklen-energie.php


Dunkle Energie ist keine "Erfindung"
http://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2009/12/dunkle-energie-ist-keine-erfindung.php