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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Debattenkultur / Debatte im 3DC-Forum?


aths
2012-01-16, 13:28:36
Bei schwierigen Themen ist es defakto ausgeschlossen, dass irgendjemand überzeugt wird. Lässt sich dennoch eine Debatte auf hohem Niveau führen? Das könnten wir experimentell herausfinden.

Aus historischen Gründen haben wir im 3DCenter-Forum ein gemeinsames Brett für Wissenschaft und Religion. Dieses Spannungsfeld ließe sich auch für eine Debatte nutzen.

Anstelle einer üblichen Forendiskussion, wo sich jeder einmischen kann, schlage ich eine Debatte zwischen zwei Leuten, mir und jemand anderen, nach einem festen Format vor. Das genaue Thema bliebe noch zu finden. Möglichkeiten wären zum Beispiel "Liefert Religion objektive Moral?", "Ist die Existenz der Menschheit gottgewollt?" oder ähnlich. Bewusst sollte ein Thema gewählt werden, in denen eine Einigung ausgeschlossen ist. Dazu brauche ich jemanden mit dem ich debattiere, wobei ich die Position des Atheisten einnehme, was bedeutet, dass der Gegenüber eine deistische oder theistische oder religionsbejahende Position haben müsste.

Das genaue Format würde ich mit demjenigen der debattieren will, abstimmen. Als Vorschlag stünde im Raum, dass jeder Beitrage eine bestimmte Länge nicht überschreiten darf. Man könnte mit einem Eingangs-Statement von jedem beginnen, woraufhin der andere eine Erwiderung geben darf. Danach könnten Einwände der User rangenommen werden, woraufhin jeder der beiden Debattanten eine (dann aber nur recht kurze) Antwort gibt. Möglich wäre auch eine längere Phase von gegenseitigen Erwiderungen und / oder die Behandlung von vorher festgelegten Unterthemen.

Dass im Vorfeld eine feste Struktur und eine Maximallänge pro Beitrag vereinbart wird, soll verhindern, den Gegenüber mit einem Wortschwall zu überrumpeln. Die im Vorfeld vereinbarte feste Rundenanzahl soll bewirken, dass beide gleich ihre besten Argumente bringen.

Alle Debattenbeiträge würden von mir in das oberst Posting des ensprechenden Threads reinkopiert. Ich würde demjenigen der debattieren will, das letzte Wort (genauer gesagt, den letzten Debattenbeitrag) überlassen.

DerEineHades
2012-01-16, 19:11:31
So großartig ich die Idee finde, so sehr stelle ich auch fest, dass sie ein waschechter aths ist. ;D

dreas
2012-01-16, 19:30:43
ich hätte interesse, kann leider aber nur das atheistische thema besetzen. fraglich ist natürlich ob meine schriftform den anforderungen des herren genüge tut.

Monger
2012-01-16, 19:45:47
Klingt spannend! Würde ich gerne mal ausprobieren. Wäre sicherlich eine aufschlussreiche Übung in Sachen Dialektik.

Ich lasse geeigneteren Kandidaten gerne den Vortritt, aber im Zweifel argumentiere ich auch für die theistische Seite. Wenn es der Diskussionskultur dient, habe ich kein Problem damit gegen meine Überzeugungen zu argumentieren.

dreamweaver
2012-01-16, 20:00:58
Hört sich ganz gut. Würde mich auch bereit erklären, obwohl Atheist, als Theist zu argumentieren. Aber es wäre wohl besser, jemand macht das auch aus Überzeugung.

BTW, ist objektive Moral nicht ein Oxymoron? ;)

Edit:
Vielleicht könnte man diese Idee auch parallel auf andere Themen anwenden. Also quasi ein Raum mit diversen Themensträngen in denen jeweils nur 2 Leute diskutieren.

- Pro/Contra Genttechnik
- Pro/Contra Klimawandel
etc.

zaboron
2012-01-16, 20:48:45
Da fehlt noch eine 3. Position, der Apatheist. Was soll schon rauskommen, wenn man zwei irrationale Fanatiker (Atheisten und Christen) miteinander diskutieren lässt?

aths
2012-01-16, 21:12:17
Die theistische Seite sollte schon von einem vertreten werden, der sie für wahr hält, damit es nicht bei einer rein rhetorischen Übung bleibt.

Wenn sich dieser Testlauf bewährt, ließen sich auch in Dingen Gentechnik oder Klimawandel Diskussionen führen, wobei in Dingen Klimawandel die Faktenlage überwältigend ist. Gentechnik böte mehr Raum zur argumenativen Entfaltung.

Bei einer Debatte wie "Wissenschaft versus Religion" geht es mir nicht darum, die endgültige Diskussion zu führen. Dasselbe Thema könnte später von anderen, oder sogar den gleichen Leuten erneut angegangen werden.

ngl
2012-01-16, 21:25:35
Wie soll die theistische Seite Argumentieren? Soll sie Gott als rational notwendig, oder als rational möglich rechtfertigen?

Lyka
2012-01-16, 21:30:14
ethisch notwendig^^
Danke@Hitch :(

aths
2012-01-16, 21:30:53
Wie soll die theistische Seite Argumentieren? Soll sie Gott als rational notwendig, oder als rational möglich rechtfertigen?Das hängt vom genauen Thema ab. Der Theist dürfte Gründe haben, an einen bestimmten Gott zu glauben, die über "weil ich so erzogen wurde" hinausgehen.

ngl
2012-01-16, 21:52:28
Ich bin zwar gläubiger Moslem, aber ich glaube nicht das ich eine gute Debatte führen könnte. Nach dem zu Urteilen was du bisher über Religion geschrieben hast, wären unser beider Argumente höchstwahrscheinlich dieselben. Die Schlussfolgerungen wären einzig unterschiedlich.

Vielleicht hat ja Vikingr lust auf die Debatte. Ich glaube das wäre der spannendste Kandidat.

Vikingr
2012-01-16, 22:12:14
Vielleicht hat ja Vikingr lust auf die Debatte. Ich glaube das wäre der spannendste Kandidat.
Nein Danke. :) Ich bin hier im Forum (selbst als Gast) schon selten mehr als 1x die Woche zugegen, einfach weil's hier nix mehr gibt, was mich interessieren würde. Zudem wäre es sinn- & fruchtlos.

LG, Vikingr:)
Tschau

Monger
2012-01-17, 18:41:40
Die theistische Seite sollte schon von einem vertreten werden, der sie für wahr hält, damit es nicht bei einer rein rhetorischen Übung bleibt.

Ich fürchte, das wird schwierig.
Gibt ohnehin nur wenige Leute hier im Forum die da mit Überzeugung argumentieren könnten. Dazu kommt noch, dass es wenige Theisten gibt die gleichzeitig gute Theologen sind.
Das liegt wahrscheinlich in der Natur der Sache: Kaum ein Politiker ist Politikwissenschaftler. Um etwas von der akademischen Seite zu sehen, braucht man ein gutes Stück Abstand. Um Menschen zu überzeugen, braucht man möglichst wenig Abstand.

Bin immer wieder erstaunt, wie schlecht rhetorisch viele Missionare und Pfarrer sind. Ich mach mir manchmal einen Spaß mit denen zu diskutieren wenn sie wiedermal die Treppe hochgeschlappt kommen, und mehr als Phrasen kommen da selten. Da war meine Reli Lehrerin damals ein ganz anderes Kaliber: die hat damals im Unterricht härter diskutiert als jeder Ethik Kurs.

-Ninetails-
2012-01-17, 21:18:22
Mist ich wäre auch für Vikingr gewesen.

Hast du die mail deiner alten Religions Lehrerin? :D

aths
2012-01-17, 22:18:07
Ich fürchte, das wird schwierig.
Gibt ohnehin nur wenige Leute hier im Forum die da mit Überzeugung argumentieren könnten. Dazu kommt noch, dass es wenige Theisten gibt die gleichzeitig gute Theologen sind.
Das liegt wahrscheinlich in der Natur der Sache: Kaum ein Politiker ist Politikwissenschaftler. Um etwas von der akademischen Seite zu sehen, braucht man ein gutes Stück Abstand. Um Menschen zu überzeugen, braucht man möglichst wenig Abstand.

Bin immer wieder erstaunt, wie schlecht rhetorisch viele Missionare und Pfarrer sind. Ich mach mir manchmal einen Spaß mit denen zu diskutieren wenn sie wiedermal die Treppe hochgeschlappt kommen, und mehr als Phrasen kommen da selten. Da war meine Reli Lehrerin damals ein ganz anderes Kaliber: die hat damals im Unterricht härter diskutiert als jeder Ethik Kurs.Ein Hintergedanke bei mir ist: Wenn man annimmt, dass seine Weltsicht in einem Punkt wahr ist, sollte es ein Leichtes sein, den Punkt zu verteidigen. Ist das aber wirklich so? Wenn man unter Gleichgesinnten ist und sich gegenseitig bestärkt, richtig zu liegen, liegt man höchstens zufällig richtig.

Ich bin zwar gläubiger Moslem, aber ich glaube nicht das ich eine gute Debatte führen könnte. Nach dem zu Urteilen was du bisher über Religion geschrieben hast, wären unser beider Argumente höchstwahrscheinlich dieselben. Die Schlussfolgerungen wären einzig unterschiedlich.Meine Kenntnisse über den islamischen Glauben dürften nicht ausreichen, um gezielt einzelne Punkte zu diskutieren. Eine allgemeinere Debatte, die den Gottesbegriff etwas weiter umfasst, ließe sich vermutlich führen. Die Burka, die ich strikt ablehne, laste ich nicht dem Islam an sich an, sondern einer absurden Tradition.

Monger
2012-01-17, 23:27:00
Ein Hintergedanke bei mir ist: Wenn man annimmt, dass seine Weltsicht in einem Punkt wahr ist, sollte es ein Leichtes sein, den Punkt zu verteidigen. Ist das aber wirklich so?
Das ist eine sehr... altgriechische Denkweise. Wer von der Wahrheit beseelt ist, kann diese auch formulieren. Im Umkehrschluss: wer eloquent argumentieren kann, ist ein göttliches Sprachrohr. Denn Schönheit und Perfektion stammen von den Göttern, also auch schöne Sprache.

Ich glaube, man muss eine Weltsicht nicht vollkommen übernehmen, nur um sie nachvollziehen zu können. Wir sind empathisch genug, um uns auch in nicht so gewohnte Position hineinversetzen zu können. Ohne diese Empathie gäbe es auch keine guten Lügen! ;)

Eigentlich finde ich es schade, dass es hier im ReWi schwierig ist, auf einem wirklich hohen Niveau über Religion zu reden. Das ist ein Teil unserer Menschlichkeit der durchaus interessante Erkenntnisse bietet. Da geht uns eine Form von Wissen verloren, die für Menschen vor 150 Jahren noch vollkommen selbstverständlich war.

PHuV
2012-01-18, 08:38:48
Eigentlich finde ich es schade, dass es hier im ReWi schwierig ist, auf einem wirklich hohen Niveau über Religion zu reden. Das ist ein Teil unserer Menschlichkeit der durchaus interessante Erkenntnisse bietet. Da geht uns eine Form von Wissen verloren, die für Menschen vor 150 Jahren noch vollkommen selbstverständlich war.

Was für ein Wissen soll das Deiner Meinung nach sein? Vor 150 Jahren konnte man noch nicht, trotz bereits gelaufener Aufklärung und der franzöischen Revolution mit der beginnenden Säkularisierung bei weitem frei über die christliche Religion diskutieren. Da berufen sich noch zu viele hohe Instanzen auf die christliche höchste Entität, und religionskritische Schriften konnten angezeigt und verfolgt werden.

PHuV
2012-01-18, 09:09:12
Ein Hintergedanke bei mir ist: Wenn man annimmt, dass seine Weltsicht in einem Punkt wahr ist, sollte es ein Leichtes sein, den Punkt zu verteidigen. Ist das aber wirklich so?

Du vergißt eine ganz wichtige Komponente: der Kritiker muß das Argument erst mal akzeptieren. Wenn der Einwand überhaupt nicht angenommen wird, kannst Du noch so gut argumentieren, es kommt beim Gegenüber nicht an. Es wird einfach als ungültig oder nicht rechtens definiert, und schon kann man Fakten wunderbar ausblenden.

Wenn man unter Gleichgesinnten ist und sich gegenseitig bestärkt, richtig zu liegen, liegt man höchstens zufällig richtig.

Das liegt auch wiederum daran, daß man immer das unterstützt, was man gerne hört. Der Neurophilosoph Thomas Metzinger hielt in einem Kongress 2011 in Berlin (bei dem ich anwesend war) folgenden Vortrag, der auf einen wichtigen Punkt für eine Diskussionsgrundlage aufmerksam machte:

Intellektuelle Redlichkeit

Den Vortrag findet man unter:

Thomas Metzinger - Spirititualität und intellektuelle Redlichkeit - Teil 1 (http://www.youtube.com/watch?v=N1MBG7FaZKM)

und 5 weitere Teile. Zusammenfassend bedeutet Intellektuelle Redlichkeit einfach Ehrlichkeit in der Geisteshaltung gegenüber allen faktenbasierten Argumenten. Ohne Intellektuelle Redlichkeit ist IMHO überhaupt keine Diskussion möglich, da es sonst nur ein blindes Verteidigen seiner Standpunkte bedeutet. Jedoch zeigen gerade viele religös überzeugte Menschen, daß sie genau diese Basis der Intellektuelle Redlichkeit eben nicht beherrschen. Da wird der Geist von Liebe und Güte einer vermeidlichen Entität gesprochen, die schlichtweg einfach nicht falsch sein kann und falsch sein darf. Damit ist jede Diskussionsgrundlage und Möglichkeit per se unmöglich. Ein erlebtes Gefühl oder einen tiefen sprituellen Eindruck kann man einfach nicht widerlegen.

Meine Kenntnisse über den islamischen Glauben dürften nicht ausreichen, um gezielt einzelne Punkte zu diskutieren. Eine allgemeinere Debatte, die den Gottesbegriff etwas weiter umfasst, ließe sich vermutlich führen. Die Burka, die ich strikt ablehne, laste ich nicht dem Islam an sich an, sondern einer absurden Tradition.

Meine Erfahrung mit einigen fundamentalen arabischen Muslimen zeigt, daß diese noch viel schwerer für logische Argumente zugänglich sind als europäische Christen.

Dein gut gemeinter Ansatz krankt leider an einigen Voraussetzungen und Grundproblemen. Du setzt eine hohe intellektuelle Kernkompetenz und eine rhetorisch Kernkompetenz voraus. Jedoch sind die meisten Menschen nicht in der Lage, abstrakt und ohne Gefühlsbeeinträchtigungen zu diskutieren. Du vergißt, daß ein Mensch immer auch aus Gefühlen, Hoffnungen und Ängsten besteht. Und das stellt oft seine Diskussionsgrundlage dar, weil er sie schlichtweg als real erlebt. Und wie willst Du vernünftig gegen Gefühle und Empfindungen diskutieren. Das ist IMHO nicht möglich, wenn die Menschen nicht über eine ausreichend tief fundierte Selbstreflexion verfügen.

Monger
2012-01-18, 11:20:37
Was für ein Wissen soll das Deiner Meinung nach sein?
Die Menschen im Mittelalter hatten einen völlig anderen Zugang zu Religion und Kunst wie wir heute. Für die war Kirchenmusik eben nicht nur Entertainment, sondern sie fühlten sich dadurch beseelt. Wenn man ihnen ein Bild von einem Sonnenaufgang über einer Schlucht gezeigt hat, hat selbst der hinterwäldlerischste Bauer darin Gott erkannt. Wenn man sie gefragt hätte warum sie denn an der x-ten Kathedrale mitbauen die wieder einen Haufen Geld verschlingt, dann nicht wegen Ruhm, auch nicht unbedingt um zu zeigen was technisch möglich ist, sondern um ihrem Leben ein Ziel und einen Sinn zu geben, und aus der Aufgabe als besserer Mensch herauszukommen.

Natürlich ging es den Menschen schlechter, und natürlich wurde da vieles getan um schlicht überleben zu können, aber die Menschen haben weniger ihren Verstand erweitert (so viel Bewegung war da in den Wissenschaften innerhalb einer Generation halt nicht), sondern ihr Gefühl.
Wenn man heute sagen würde: "ich möchte meine Seele entfalten und entwickeln", bekommt man erstmal ein Stirnrunzeln. Selbst die ganzen New-Age Bewegungen sind relativ gefühlsneutral.

Was echte emotionale Tiefe angeht, war uns der mittelalterliche Mensch in vielerlei Hinsicht weit voraus.

PHuV
2012-01-18, 11:58:06
Die Menschen im Mittelalter hatten einen völlig anderen Zugang zu Religion und Kunst wie wir heute.

Richtig, aber was hat das mit Wissen zu tun? Du beschreibst Gefühl, das hat rein gar nichts mit Wissen zu tun.

Für die war Kirchenmusik eben nicht nur Entertainment, sondern sie fühlten sich dadurch beseelt. Wenn man ihnen ein Bild von einem Sonnenaufgang über einer Schlucht gezeigt hat, hat selbst der hinterwäldlerischste Bauer darin Gott erkannt. Wenn man sie gefragt hätte warum sie denn an der x-ten Kathedrale mitbauen die wieder einen Haufen Geld verschlingt, dann nicht wegen Ruhm, auch nicht unbedingt um zu zeigen was technisch möglich ist, sondern um ihrem Leben ein Ziel und einen Sinn zu geben, und aus der Aufgabe als besserer Mensch herauszukommen.

Das halte ich für kein begrenztes Phänomen von früher, das gibt es heute auch noch.

Natürlich ging es den Menschen schlechter, und natürlich wurde da vieles getan um schlicht überleben zu können, aber die Menschen haben weniger ihren Verstand erweitert (so viel Bewegung war da in den Wissenschaften innerhalb einer Generation halt nicht), sondern ihr Gefühl.
Wenn man heute sagen würde: "ich möchte meine Seele entfalten und entwickeln", bekommt man erstmal ein Stirnrunzeln. Selbst die ganzen New-Age Bewegungen sind relativ gefühlsneutral.

Ich weiß ja nicht, wo Du hier Deine Erfahrungswerte her hast, ich kann sie definitiv nicht teilen. Gefühl gibt es heute auch genau so viel und tief, nur ist sie eben nicht so einseitig ausgerichtet wie im Mittelalter, wo die meisten Menschen eben kaum Zugang zu Erkenntnis, Bildung und vor allen Dingen Unterhaltung und Kunst hatten. Eine einseitige Projektion auf eine Richtung zeugt noch lange nicht von Tiefe geschweige den Qualität der emotionalen Empfindungen.

Was echte emotionale Tiefe angeht, war uns der mittelalterliche Mensch in vielerlei Hinsicht weit voraus.

Nochmals, woran machst Du das fest? Wie kannst Du das genau beurteilen, was ist für Dich hier die Referenz? IMHO kann man die Gefühlswelt von damals überhaupt nicht erfassen. Die Beschreibungen, die Du kennst, wurden von gebildeten Menschen bzw. einer Elite überliefert, die subjektiv und ebenfalls einseitig gewisse Dinge beschrieben haben. Das gibt nur ein sehr kleines Bild von damals ab.

Wenn ich mir dagegen unsere Kultur mit all der Vielfalt sehe, die vielen Ausdrucksarten, da steckt doch eine ernome Menge von Gefühl drinnen. Sie kann sich in so vielen Variationen und Facetten artikulieren, wie es früher niemals möglich war. Von dem Her halte ich Deine Thesen schlichtweg für falsch. Man kann nicht einfach so Dinge von früher nehmen und dann behauptet, daß sie besser seien.

Jeder Mensch kann doch heute auch staunen und wundern, ohne es mystisch einer Entität oder einer religiösen Interpretation zuzuschreiben. Selbst bei Atheisten sind überwältigende Gefühle in Form von spirituellen Erlebnissen möglich und mittlerweile bekannt. Auch wenn man selbst weiß, wie ein Regenbogen entsteht, oder wie im Gehirn eine Dopaminausschüttung stattfindet, mindert das doch in meinen Augen überhaupt nicht die Qualität solch einer Erfahrung. Genausowenig schafft geringeres Wissen und Einseitigkeit nicht automatisch eine qualitativ höhere Erlebnisfähigkeit.

Heute sind die Möglichkeiten einfach größer und vielfältiger geworden. Viele Menschen müssen nicht mehr den harten Überlebenskampf von früher führen, und Freiheit führt eben auch zu viel mehr Entfaltungsmöglichkeiten. Ein Bauer aus dem Mittelalter hatte nicht die Möglichkeit, einfach Künstler oder Wissenschaftler zu werden. Heute dagegen stehen doch vielen Menschen in den fortschrittlichen Ländern alle Möglichkeiten offen.

dreamweaver
2012-01-18, 12:28:37
Das sehe ich ganz genauso wie PHuV. Mit unserem heutigen Wissen erschließen sich einem so viele "Wunder", so viele faszinierende Vorgänge in der Natur. Kaum ein Mensch wird das alles begreifen können. Und es gibt imho jede Menge wo man nur mit offenem Mund dastehen kann.
Die Evolution
Der Kosmos
Die Zeiträume
Die Maßstäbe
Die Dinge im Kleinsten
Die Dinge im Größten
Und was uns direkt betrifft, ebenso. Allein unsere Wahrnehmung des Lichts. Das wir die Welt um uns herum so sehen können. Das sind doch alles eigentlich unglaubliche Dinge. Aber nicht im religiösen Sinne, eher poetisch. Von mir aus spirituell. Aber schlichtweg fantastisch.

Dadurch, daß wir Zusammenhänge besser oder überhaupt erstmal verstehen können, werden sie doch nicht langweiliger. Im Gegenteil.
Es gibt mehr als genug zum Staunen.

Ich bezweifle auch, daß uns der Mensch im Mittelalter hinsichtlich emotionaler Tiefe überlegen war. Warum, weil er religiöser war? Religiösität = Emotionalität

PHuV
2012-01-18, 13:13:00
Ich bezweifle auch, daß uns der Mensch im Mittelalter hinsichtlich emotionaler Tiefe überlegen war. Warum, weil er religiöser war? Religiösität = Emotionalität

Ist halt auch die Frage, was emotionale Tiefe genau bedeutet. Die Leute früher hatten doch früher gar nicht so viel, um sich hier entsprechend ausleben zu können. Das normale Volk lebte doch sehr schlicht, war um das tägliche Überleben bemüht. Da ist dann doch jede Form von Abwechslung willkommene Projektionsfläche für die eigene Persönlichkeit.

Ich habe vorgestern eine interessante Doku auf Phönix gesehen - Tibets letztes Geheimnis (http://www.bruno-baumann.de/de/for-you/oeffentliche-vortraege/tibets-letztes-geheimnis/). Dort waren tibetische Mönche, die noch eine alte Variante eines buddistischen Glaubens pflegen, welche seine Wurzeln in einer Religon vor dem Buddismus hatte, und zwar das legendäre Königreich Shang Shung. Hier sah man kleine Hütten, mitten in einem Talgeflecht, völlig alleine, wo nur ein Mönch drinsaß, und den ganzen Tag nichts anderes tut als beten und Schriftrollen lesen. Ist in meinen Augen klar, daß wenn die den ganzen Tag überhaupt keine andere Möglichkeit haben, als sich nur damit zu beschäftigen, dann haben solche Menschen einen ganz anderen Zugang zu einem Glauben als vergleichweise ein moderner Mensch in einer zivilisierten modernen Großstatdt. Die Frage ist, ob das überhaupt so erstrebenswert ist. Eine Zeitlang hatte ich auch geglaubt, ich müßte mich so in ein ähnliches Kloster oder spirituelle Stätte in Einsamkeit zurückziehen, um meine Spiritualität ohne Ablenkung zu leben.

Das wäre vergleichbar mit jemanden, der nur ein Computerspiel spielt, und dieses in all seinen Facetten bis ins letzte Bit wirklich kennt. Oder ein Nerd, der seine Erfüllung in der einseitigen Beschäftigung mit genau einem Thema findet.

Monger
2012-01-18, 15:10:27
Richtig, aber was hat das mit Wissen zu tun? Du beschreibst Gefühl, das hat rein gar nichts mit Wissen zu tun.

Definitionssache. Es hat auf jeden Fall was mit Bildung zu tun. Goethe gebrauchte noch Begriffe wie "Herzensbildung"... wer kann sich heute schon noch was darunter vorstellen?


Nochmals, woran machst Du das fest? Wie kannst Du das genau beurteilen, was ist für Dich hier die Referenz? IMHO kann man die Gefühlswelt von damals überhaupt nicht erfassen.

Eben. Für uns ist das gar nicht mehr begreifbar, was es bedeutet in einer mystisch durchtränkten Welt zu leben. In einer Welt wo Visionen und Realität noch sehr eng beeinander lagen, wo ein Waldspaziergang noch mit Ehrfurcht vor der Natur verbunden war.

Man kann das auch in der Kunst beobachten: bis Ende des 19ten Jahrhunderts ging es da vorwiegend um Ästhetik und Harmonie. Das war dann mit dem ersten Weltkrieg schnell ein für allemal vorbei.

Das sieht man auch daran, dass es heute undenkbar wäre so etwas wuchtiges wie eine Kathedrale zu bauen. Moderne Kirchen sind schlicht, pragmatisch, sauber.

PHuV
2012-01-18, 23:44:50
Definitionssache. Es hat auf jeden Fall was mit Bildung zu tun.

Gut, aber Bildung kann man weitergeben. Subjektive Eindrücke eines Zeitgeistes eben nicht. Das macht eben den Unterschied von Wissen und Glauben aus.


Goethe gebrauchte noch Begriffe wie "Herzensbildung"... wer kann sich heute schon noch was darunter vorstellen?

Jaja, die Romantiker. Das war eben der damalige Zeitgeist, der zum ersten Mal ein Verständnis für das Unbewußte schaffte, welches sich durch Sehnsüchte und Wunschvorstellungen in der Literatur und Kunst ausdrückte. Wir wissen doch heute alle, daß das Herz nicht das Zentrum unserer Gefühlswelt ist, oder ;)

Eben. Für uns ist das gar nicht mehr begreifbar, was es bedeutet in einer mystisch durchtränkten Welt zu leben. In einer Welt wo Visionen und Realität noch sehr eng beeinander lagen, wo ein Waldspaziergang noch mit Ehrfurcht vor der Natur verbunden war.

Gab es jemals so eine Zeit? Wenn ja, wann? Ich bezweifle das. So wie die damals mit den natürlichen Ressourcen umgegangen sind, ist da nichts mit Ehrfurcht vor der Natur zu bemerken. Ich glaube, Du hast da eine etwas verklärte Sicht auf die Dinge. ;) Und IMHO ist das Phänomen spirtuelles Wundern und Staunen sehr wohl für uns Menschen bis heute erfahrbar, weil es schlichtweg einfach in uns verankert ist. Wir haben sogar den Vorteil, daß wir auf verschiedene Wege das heute erreichen können, und sehr viele Mittel und Wege dafür offen stehen, im Gegensatz zu früher, wo es nur eine religiöse Richtig gab. Wir wissen ja heute viel besser, wie es funktioniert. Der Mensch hat sich ja physiologisch nicht so stark verändert.

Man kann das auch in der Kunst beobachten: bis Ende des 19ten Jahrhunderts ging es da vorwiegend um Ästhetik und Harmonie. Das war dann mit dem ersten Weltkrieg schnell ein für allemal vorbei.

Das sieht man auch daran, dass es heute undenkbar wäre so etwas wuchtiges wie eine Kathedrale zu bauen. Moderne Kirchen sind schlicht, pragmatisch, sauber.

Du vergißt, daß die heutigen Baukosten schlichtweg jeden Rahmen sprengen würde. Ich habe in irgend einer Doku über Architektur im Altertum und Mittelalter mal mitbekommen, daß solche Bauwerke wegen dem enormen Aufwand von Material und Personen gar nicht mehr machbar ist. Da alles in Handarbeit gemacht werden muß, ist das heute schlichtweg zu teuer. Zudem haben die damals für gewisse Bauwerke Jahrzehnte (!!) benötigt, was heute auch nicht mehr machbar wäre.

Jede Epoche hat ihre Glanzpunkte und Höhepunkte. Zu sehr werden dann die negativen Aspekte ausgeklammert. Überleg doch mal, was damals alleine mit kranken Menschen oft gemacht wurde: Die wurden dann einer vermeidlichen Strafe der christlichen Entität bezichtigt, und wenn es schlimmer lief, von irgend welche finsteren Mächte, Dämonen oder einer negativen Entität als besessen bezeichnet. Da wurde jeder Mist irgendwelchen höheren Kräften zugeordnet, und oft auch der Verstand ausgeschaltet. Ob das so dolle war, wage ich zu bezweifeln. Da war zuviel Aberglaube und oft Hysterie im Spiel, die doch eine Menge Menschenleben gekostet haben. Wo ist den da die Ehrfurcht vor dem Leben geblieben? Und das damals andere Glaubensrichtungen systematisch ausgerottet und bekämpft wurden, übersiehst Du auch gerne, oder? ;)

Ne, Du romantisierst da IMHO einiges zu viel und verklärst zu viel. Es gibt immer zwei Seiten einer Medaille, und Du siehst nur die eine, und ich habe ein bißchen von der anderen Seite genannt. Ne, ich glaube, wir haben heute einen hohen Grad der geistigen und persönlichen Freiheit erreicht, den man in vorherigen Epochen wohl kaum findet. Vor allen Dingen ist das Wissen heute allen und frei zugänglich, und das ist mit keiner vergangenen Epoche, egal wie toll sie angeblich war, aufzuwiegen.

Monger
2012-01-19, 10:41:39
Ne, ich glaube, wir haben heute einen hohen Grad der geistigen und persönlichen Freiheit erreicht, den man in vorherigen Epochen wohl kaum findet. Vor allen Dingen ist das Wissen heute allen und frei zugänglich, und das ist mit keiner vergangenen Epoche, egal wie toll sie angeblich war, aufzuwiegen.
Das bezweifle ich ja gar nicht. Rein quantitativ gesehen weiß auch der Durchschnittsbürger heute mehr als in jedem anderen Zeitalter zuvor.

Ich sag nur: es gibt auch gewisse Dinge, zu denen wir heute keinen Zugang mehr haben. Religion gehört auf jeden Fall dazu.

PHuV
2012-01-19, 11:39:19
Ich sag nur: es gibt auch gewisse Dinge, zu denen wir heute keinen Zugang mehr haben. Religion gehört auf jeden Fall dazu.

Da würden Dir aber viele (religiöse) Menschen heute widersprechen. ;) Und wenn man sich so umschaut, kann man von einer Wandlung für das Verständnis von Religion beobachten, die sicherlich wesentlich individueller geworden ist, aber deren Intensität bestimmt nicht abgenommen hat. Sprich doch mal mit Mönchen und Nonnen der christlichen oder buddhistischen Religionen, oder mit einem Esoteriker. Ich persönlich empfände es als sehr vermessen, denen einen Zugang zu deren Religion absprechen zu wollen. Mein Eindruck, daß sie sehr wohl sehr tief drinstecken, und ihre klare Beschreibung auf ein sehr tiefes Verständnis für sich und ihren Glauben hindeutet.

Monger
2012-01-19, 13:53:59
Ich persönlich empfände es als sehr vermessen, denen einen Zugang zu deren Religion absprechen zu wollen.
Da habe ich weniger Skrupel. Ich bin mir ziemlich sicher, dass selbst in Rom der Glaube nur ein Schatten seiner selbst ist. Ist auch nicht verwunderlich, wenn man sich ansieht wie stark sich das Christentum seit der Renaissance gewandelt hat.

Das Christentum heute ist unglaublich verkopft: der Himmel ist ein abstraktes Gebilde wie das Nirvana, die Hölle existiert nur in den Herzen, Gott ist ein rein transzendentales Gebilde, was nur indirekt in die Mechanik der Welt eingreift, die Nächstenliebe ist nur dieses Wischiwaschi "Agape"...

Überhaupt dreht sich Religion offenbar nur noch um Ethik. Liebe und Hoffnung werden zwar regelmäßig angesprochen, aber nie detailliert ausgeführt.

ngl
2012-01-19, 16:05:33
Die aufkeimende Evangelikale Bewegung wird dir da allerdings wiedersprechen. Ich glaube nicht das man immer von einer Religionsgruppe sprechen kann. Das Christentum gibt es schlicht und einfach nicht. Ich kann deine Beobachtung zwar für Deutschland teilen, aber dies ist auch hier nur ein lokaler Gradmesser. Dies mag beim Protestantismus vielleicht nicht verwundern, wo es keine zentrale Instanz wie im Katholizismus gibt, aber auch das katholische Religionsverständnis ist keine Konstante. Zwischen NRW und Bayern gibt es schon massive Unterschiede.

PHuV
2012-01-19, 23:20:34
Da habe ich weniger Skrupel. Ich bin mir ziemlich sicher, dass selbst in Rom der Glaube nur ein Schatten seiner selbst ist. Ist auch nicht verwunderlich, wenn man sich ansieht wie stark sich das Christentum seit der Renaissance gewandelt hat.

Nochmals umformuliert, damit wir uns verstehen: Wie willst Du jemanden persönlich eine individuelle spirituelle Erfahrung anhand seines Glaubens absprechen? Du kannst sicherlich den Glauben als Konzept und die Methodik kritisieren, aber nicht die eigene gemachte Erfahrung, die jeder damit verbindet. Du kannst keinem seine Gefühle oder Empfindungen absprechen. Dieses Erleben ist, IMHO, nicht anders als damals, da sich der Mensch physiologisch nicht verändert hat.

DerEineHades
2012-01-20, 08:13:47
Das Christentum heute ist unglaublich verkopft: der Himmel ist ein abstraktes Gebilde wie das Nirvana, die Hölle existiert nur in den Herzen, Gott ist ein rein transzendentales Gebilde, was nur indirekt in die Mechanik der Welt eingreift, die Nächstenliebe ist nur dieses Wischiwaschi "Agape"...

Was schwebt dir denn vor? Die Hölle liegt wieder in den Leichengräben von Gehenna? Azazel lauert immer noch in der Wüste? Wenn Gott böse ist, tötet er alle Erstgeborenen?

Liebe und Hoffnung sind keine abstrakten Konzepte?

Stammesreligionen werden halt irgendwann Schriftreligionen. Deal with it oder such dir ein Totemtier.

#44
2012-01-20, 10:37:31
Die Hölle liegt wieder in den Leichengräben von Gehenna? Azazel lauert immer noch in der Wüste? Wenn Gott böse ist, tötet er alle Erstgeborenen?
Nun, früher waren solche Dinge Wahrheiten für den Gläubigen.

Heute wird Religion viel Abstrakter wahrgenommen. Das geht sogar so weit, dass die Bibel im Gottesdienst/in Biebelkreisen interpretiert wird. Nicht von Wissenschaftlern, sondern von den Gläubigen. Das ist längst nicht mehr alles Bare Münze.

Ich denke, man kann kaum behaupten, dass Wissenschaft und Bildung unser Bild und unseren Zugang zu Religion nicht verändert hätten.

€: Mir scheint es hat sich ein Thema gefunden. Und Diskussionsteilnehmer. Nur ob aths das so geplant hatte...

PHuV
2012-01-21, 01:32:06
Heute wird Religion viel Abstrakter wahrgenommen. Das geht sogar so weit, dass die Bibel im Gottesdienst/in Biebelkreisen interpretiert wird. Nicht von Wissenschaftlern, sondern von den Gläubigen. Das ist längst nicht mehr alles Bare Münze.

Ich denke, man kann kaum behaupten, dass Wissenschaft und Bildung unser Bild und unseren Zugang zu Religion nicht verändert hätten.


Die Frage ist aber dennoch, ändert das was an dem spirituellen Erleben selbst? Wir wissen doch auch beispielsweise, wie Alkohol wirkt, oder Drogen, wie eine Schokolade schmeckt oder schlichtweg ein Orgasmus beim Sex. Nimmt das Wissen um diese Dinge das Gefühl und Empfindung oder nicht? Ich bin der Meinung, daß die Empfindung und der Genuß damit genau so ist, egal wieviel man davon abstrakt weiß. Es ist einfach in unserer Biologie, warum auch immer, verankert. Wenn ich mir so den Eso-, Psycho- und Religionsmarkt so anschaue, hat das spirituelle Erleben doch förmlich eine Befreiung und Demokratisierung erlebt. Man ist nicht mehr abhängig von einem Propheten, oder einem Erleuchteten. Jeder hat im Prinzip die Möglichkeit, das spirituelle Gefühl wirklich zu erleben. Natürlich erreicht es nicht jeder, genau so wenig wie jeder ein Instrument spielt, sportlich begabt ist oder gar ein Wissenschaftsgenie. Aber die Techniken, die Meditation ist nicht mehr einer spirituellen und geheimen Elite vorbehalten, es ist allgemein zugänglich geworden. Natürlich mit einige Auswüchsen und Verirrungen, aber das Wissen ist da.

Von dem her bezweifle ich stark, daß Religion früher besser erlebt wurde. Meine These ist, daß die Einseitigkeit und die geringe Bildung eher blinden Aberglauben gefördert hat. Man kann das doch noch gut in den 3-4.Welt-Ländern sehen, wenn Menschen geopfert oder heute noch der Hexerei bezichtigt und getötet werden:

/0,1518,806585,00.html"]Siebenjähriges Mädchen rituell geopfert (http://www.spiegel.de/panorama/justiz[URL="http://www.welt.de/vermischtes/weltgeschehen/article13763470/Frau-in-Saudi-Arabien-wegen-Hexerei-gekoepft.html)
Frau in Saudi-Arabien wegen "Hexerei" geköpft[/URL]

Selbst unsere Gesellschaft ist nicht so weit weg davon gewesen, wenn man sich mal den ländlichen Aberglauben anschaut, siehe Exorzismus an Anneliese Michel (http://de.wikipedia.org/wiki/Anneliese_Michel)

Von dem Her teile ich Mongers optimistische Sicht nicht. Sicherlich brauchte die religöse Verquickung auch tolle Sachen in Kunst und Kultur hervor, wie Michelangelo, Bach. Sie brachten Menschenrechte weiter, wie durch tief religöse Menschen wie William Wilberforce und John Newton, die stetig gegen die Skalverei im 17.Jahrhundert kämpften, usw. Aber das sind leider Ausnahmen, die Geschichte zeigt doch eher die negativen Aspekte von Religion und die damit ausgelöste Furcht und Angst in Richtung Aberglaube. Unwissenheit führt immer zu Furcht, und Glaube ist nun mal blankes Unwissen. Es ist Hoffnung, Hilfesuche, aber es führt eben auch zu vielen unüberlegten Handlungen.

Es zeigen alle unterentwickelten Zivilisationen und Kulturen: Je mehr Unwissen, um so mehr Aberglaube. Und wenn Aberglaube noch mit einem spirituellen Erleben gekoppelt ist, kaum meistens nichts gutes dabei raus.

PHuV
2012-01-21, 01:38:06
Heute wird Religion viel Abstrakter wahrgenommen. Das geht sogar so weit, dass die Bibel im Gottesdienst/in Biebelkreisen interpretiert wird. Nicht von Wissenschaftlern, sondern von den Gläubigen. Das ist längst nicht mehr alles Bare Münze.

Ich denke, man kann kaum behaupten, dass Wissenschaft und Bildung unser Bild und unseren Zugang zu Religion nicht verändert hätten.


Die Frage ist aber dennoch, ändert das was an dem spirituellen Erleben selbst? Wir wissen doch auch beispielsweise, wie Alkohol wirkt, oder Drogen, wie eine Schokolade schmeckt oder schlichtweg ein Orgasmus beim Sex. Nimmt das Wissen um diese Dinge das Gefühl und Empfindung oder nicht? Ich bin der Meinung, daß die Empfindung und der Genuß damit genau so ist, egal wieviel man davon abstrakt weiß. Es ist einfach in unserer Biologie, warum auch immer, verankert. Wenn ich mir so den Eso-, Psycho- und Religionsmarkt so anschaue, hat das spirituelle Erleben doch förmlich eine Befreiung und Demokratisierung erlebt. Man ist nicht mehr abhängig von einem Propheten, oder einem Erleuchteten. Jeder hat im Prinzip die Möglichkeit, das spirituelle Gefühl wirklich zu erleben. Natürlich erreicht es nicht jeder, genau so wenig wie jeder ein Instrument spielt, sportlich begabt ist oder gar ein Wissenschaftsgenie. Aber die Techniken, die Meditation ist nicht mehr einer spirituellen und geheimen Elite vorbehalten, es ist allgemein zugänglich geworden. Natürlich mit einige Auswüchsen und Verirrungen, aber das Wissen ist da.

Von dem her bezweifle ich stark, daß Religion früher besser erlebt wurde. Meine These ist, daß die Einseitigkeit und die geringe Bildung eher blinden Aberglauben gefördert hat. Man kann das doch noch gut in den 3-4 Welt-Ländern sehen, wenn Menschen geopfert oder heute noch der Hexerei bezichtigt und getötet werden:

Siebenjähriges Mädchen rituell geopfert (http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,806585,00.html)
Frau in Saudi-Arabien wegen "Hexerei" geköpft (http://www.welt.de/vermischtes/weltgeschehen/article13763470/Frau-in-Saudi-Arabien-wegen-Hexerei-gekoepft.html)

Selbst unsere Gesellschaft ist nicht so weit weg davon gewesen, wenn man sich mal den ländlichen Aberglauben anschaut, siehe Exorzismus an Anneliese Michel (http://de.wikipedia.org/wiki/Anneliese_Michel)

Von dem Her teile ich Mongers optimistische Sicht nicht. Sicherlich brauchte die religöse Verquickung auch tolle Sachen in Kunst und Kultur hervor, wie Michelangelo, Bach. Sie brachten Menschenrechte weiter, wie durch tief religöse Menschen wie William Wilberforce und John Newton, die stetig gegen die Skalverei im 17.Jahrhundert kämpften, usw. Aber das sind leider Ausnahmen, die Geschichte zeigt doch eher die negativen Aspekte von Religion und die damit ausgelöste Furcht und Angst in Richtung Aberglaube. Unwissenheit führt immer zu Furcht, und Glaube ist nun mal blankes Unwissen. Es ist Hoffnung, Hilfesuche, aber es führt eben auch zu vielen unüberlegten Handlungen.

Es zeigen alle unterentwickelten Zivilisationen und Kulturen: Je mehr Unwissen, um so mehr Aberglaube, und um so mehr Tod und Vernichtung für alles, was nicht verstanden wird oder nicht ins Weltbild paßt.

Monger
2012-01-21, 13:09:49
Du kannst keinem seine Gefühle oder Empfindungen absprechen. Dieses Erleben ist, IMHO, nicht anders als damals, da sich der Mensch physiologisch nicht verändert hat.
Du denkst also, unsere Gesellschaftsstrukturen, unser Körperbau, unsere Weltsicht und unsere Moralvorstellungen haben sich durch die Jahrtausende hindurch gewandelt, aber unser Gefühlsempfinden nicht?

Du glaubst nicht, dass Gefühle durchs gesellschaftliche Umfeld kultiviert werden? Dass z.B. das Trauerempfinden auch davon abhängt, ob sie gesellschaftlich akzeptiert ist? Wie kommt es, dass Männer ausgerechnet im Fußballstadion heulen können wie ein Schlosshund? Haben Männer eine genetische Prädisposition für Fußballfelder?

Diese Unterschiede gibt es ja heute sogar zwischen verschiedenen Kulturkreisen. Nicht umsonst gelten die Südeuropäer als heißblütig, und die Japaner als besonders zurückhaltend.
Klar kann man argumentieren, dass das nur Äußerlichkeiten sind, dass das noch nichts darüber aussagt wie sich die Leute wirklich fühlen. Aber denkst du nicht, dass bei Gefühlen auch Konditionierung eine Rolle spielt?
Hältst du es nicht für möglich, dass bestimmte Formen von Gefühlen in unserer Geschichte schlicht ausgestorben sind?

Leonidas
2012-01-21, 14:25:27
Ist zu einfach. Sofern es wirklich um die Frage "Gott oder nicht" geht, hat die bejahende Seite keine Chance. Mit der richtigen Argumentationsstrategie wird es so eindeutig, daß der Theologe am Ende dem Atheisten Recht geben muß - oder zustimmen muß, daß er sich wider aller Logik verhält.

Interessanter wäre ein Thema, was nicht von Anfang an entschieden ist.

aths
2012-01-21, 18:21:14
Ist zu einfach. Sofern es wirklich um die Frage "Gott oder nicht" geht, hat die bejahende Seite keine Chance. Mit der richtigen Argumentationsstrategie wird es so eindeutig, daß der Theologe am Ende dem Atheisten Recht geben muß - oder zustimmen muß, daß er sich wider aller Logik verhält.Es gibt durchaus zunächst sinnvoll erscheinde Argumente pro Gott. Ich sehe da zwei Probleme: Einerseits weisen Argumente, die man so auslegen könnte dass das All bewusst erschaffen worden sei, nicht auf eine spezielle Auslegung hin. Der Schritt von "Ich gehe von einer Schöpfung aus" bishin zu einer bestimmten Konfession ist sehr groß. Das andere Problem ist, dass Argumente die für eine Schöpfung sprechen, aus meiner Sicht entweder unredlich sind – sie fragen letztlich, ob es nicht schön wäre, wenn es endgültige Gerechtigkeit oder objektive Ethik gäbe – oder argumentieren aus der Sicht begrenzter Vorstellungskraft und bringen dabei oft auch Begriffe durcheinander. Die Frage, ob es trotzdem sinnvoll ist, an (einen speziellen) Gott zu glauben, könnte trotzdem spannend debattiert werden.

€: Mir scheint es hat sich ein Thema gefunden. Und Diskussionsteilnehmer. Nur ob aths das so geplant hatte...Welches Thema denn?

dreas
2012-01-21, 19:15:52
Welches Thema denn?

ob ein thema pro/contra religion gleichberechtigt und ergebnisoffen geführt werden kann.

imho hab ich mal eine statistik gesehen das religiöse menschen glücklicher sind. das glaube ich sogar. auch wenn mir dieses wissen schon fast weh tut.

dreamweaver
2012-01-21, 19:57:32
Ich denke auch, daß es diskutabel sein kann, ob es sinnvolle Argumente für einen Gott geben kann.

Die Frage wäre, ob es für die Spezies Mensch generell besser ist an einen Gott zu glauben und dann weiter, ob es sich ab einer bestimmten Zivilisationsstufe vielleicht erübrigt. Menschen, die meinen ohne Religion/Gott würden die Meisten nur noch völlig egoman und vielleicht vergewaltigend und mordend durchs Leben gehen, mögen diese Frage wahrscheinlich mit Ja beantworten. Gott quasi als zähmende Selbstillusion.

Lieber halbwegs friedlich mit der Lüge, als wahrhaftig aber total zerstörerisch.

Ich könnte mir vorstellen, daß das die Einstellung vieler moderaterer Gläubigen oder auch nicht Gläubigen Religionsbejaher ist.

PHuV
2012-01-22, 01:29:48
Du denkst also, unsere Gesellschaftsstrukturen, unser Körperbau, unsere Weltsicht und unsere Moralvorstellungen haben sich durch die Jahrtausende hindurch gewandelt, aber unser Gefühlsempfinden nicht?

Dann muß ich erst mal die Frage stellen, von welchen Zeiträumen wir reden. Weiterhin müßte geklärt werden, ob und wie sich der Mensch in diesem Zeitraum entwickelt hat. Bisherige Berichte sprechen von Auftreten und Ausbreitung des modernen Homo Sapiens vor ca. 60-70K Jahren. Aber so weit will ich erst mal nicht gehen. Nehmen wir mal (vereinfacht und falsch) an, daß der moderne Mensch seit der Gründung der ersten bekannten Hochkultur der Sumerer vor ca. 4000 Jahren existiert.

Das wäre dann ein Zeitraum von ca. 6000 Jahren. In den 6000 Jahren hat sich der Mensch in seiner Physiologie nicht wesentlich verändert. Sprich, wir haben Hunger, wir sind neugierig und erforschen, halten das Wissen, empfinden Lust beim Sex, wir lieben die daraus entstandenen Kinder, und ziehen sie groß, und versuchen eine Welt zu schaffen, in denen die nächsten Generation es besser hat als die vorhergehende. Darin reiht sich die Entwicklung der Sprache ein, und die Entwicklung der Spiritualität. Von den ersten Urformen primitiven Schamanismus zu den heutigen komplexen Religionen.

Was hat sich hierbei geändert in den letzten 6000 Jahren? Wir nehmen nach wie vor zu, wenn wir zuviel essen. Wir werden genau so krank wie früher. Wir haben die Fähigkeit zur Sprache, wir haben die Fähigkeit zu lernen. Sicherlich hat der Mensch vieles im Laufe der Zeit kultiviert, aber er basiert im Endeffekt immer noch auf der gleichen Hardware wie vor zig tausend Jahren. Das heißt, wenn der Mensch damals schon sprachen konnte, was soll dann hier und heute anders sein als damals? Wenn der Mensch schon damals Sex hatte, wie sollte sich der biologische Mechanismus von damals geändert haben? Wenn man all diese Annahmen so treffen kann, dann kann man davon ausgehen, daß dies mit den Gefühlen sehr wohl genau so sein muß.

Der Mensch hat die Fähigkeit, zu lernen, dieses Wissen in Form von Kultur zu verdichten. Er hat Aspekte von Ästhetik und Symmetrie. Es sieht mehr Grüntöne als alle andere Farben. Was hat sich den hier groß verändert?

Du glaubst nicht, dass Gefühle durchs gesellschaftliche Umfeld kultiviert werden? Dass z.B. das Trauerempfinden auch davon abhängt, ob sie gesellschaftlich akzeptiert ist? Wie kommt es, dass Männer ausgerechnet im Fußballstadion heulen können wie ein Schlosshund? Haben Männer eine genetische Prädisposition für Fußballfelder?

Das spielt doch keine Rolle, ob und wie sie kultiviert bzw. konditioniert werden. Die Grundhardware ist vorhanden, die Grundsoftware ist vorhanden (z.B. Instinkte), und sie wird so oder in anderer Weise genutzt. Daß wir heute ein komplexere Sprache haben, ändert doch die Sprachfähigkeit selbst nicht. Und es gibt ein einfaches Mittel, wie man die Grundprogrammierung des Menschen feststellen kann:

Setze die Menschen in extreme Stressituationen
Nimm die normale Konditionierung weg (durch Drogen, Medikamente, Alkohol...)

Umgekehrt frage ich Dich, meinst Du, daß die Trauer über eine verstorbenen geliebten Menschen damals anders was als heute? Meinst Du, daß die Angst vor Verlust heute anders ist als damals? Meinst Du, daß die Furcht vor dem Tod heute anders ist als damals? Meinst Du, daß der Trieb zu überleben anders ist als damals? Ob dann die Trauer dann in der einen oder andere Form ausgedrückt wird, spielt doch keine Rolle. Fakt ist doch, daß es immer so etwas wie Trauer gab oder gibt, egal in welcher Art sie nun dargestellt wird.


Diese Unterschiede gibt es ja heute sogar zwischen verschiedenen Kulturkreisen. Nicht umsonst gelten die Südeuropäer als heißblütig, und die Japaner als besonders zurückhaltend.
Klar kann man argumentieren, dass das nur Äußerlichkeiten sind, dass das noch nichts darüber aussagt wie sich die Leute wirklich fühlen. Aber denkst du nicht, dass bei Gefühlen auch Konditionierung eine Rolle spielt?

Nein, da gewisse Gefühle nur unterdrückt und verdrängt werden können. Sie können aber nicht konditioniert werden. Nimm Scham. Es gibt Kulturen, die haben kein Problem, nackt vor einem her zu laufen, oder zusammen Fäkalien auszusondern, sie haben aber Probleme, voreinander zu essen. Scham ist in allen Kulturen vorhanden, nur wirkt sie sich anders aus. Jeder schämt sich für andere Dinge.

Alles, was genetisch in uns verankert ist, kann verdrängt und unterdrückt werden, aber es zeigen viele Untersuchungen, daß sie immer wieder auf irgend eine Weise hochkommen.


Hältst du es nicht für möglich, dass bestimmte Formen von Gefühlen in unserer Geschichte schlicht ausgestorben sind?

Wie gesagt, von welchen Zeiträumen reden wir? Wenn man sich den aktuellen Forschungsstand heranzieht, kann man sehr gut sehen und sagen, daß der Mensch in den letzten 6000 Jahren, oder noch enger 2000 Jahren (seit Erscheinen des neuen Testamentes) nicht wesentlich verändert hat. Er ist in seinen Veranlagungen und Grundzügen immer noch der gleiche. Wie diese Gefühle kultiviert werden, ist ein anderes Thema, aber sie sind alle in den Grundzügen 1:1 vorhanden wie damals. Lachen und Freude wird sich nicht unterscheiden. Nur wird es sicherlich anders sein, worüber wir uns freuen, oder worüber wir lachen. Im alten Rom haben die Leute sicherlich gelacht, wenn ein Gladiator sich aus Versehen selbst ein Bein abhackte, wo uns heute schlecht werden würde.

Verschieden Kulturen haben doch stetig versucht, gewisse Dinge zu unterdrücken, und es ist bisher keiner Kultur geglückt, diese Dinge weg zu erziehen oder verschwinden zu lassen. Wenn man alle verfügbaren Quellen studiert, kommt man meiner Meinung nach nur auf einen Schluß: Der Mensch hat sich nicht großartig verändert: Er liebt, er erlebt Freude, er hat Angst vor dem Tod, will überleben, erlebt Leid und Schmerz. Er fragt sich sich nach seiner Stelle in dieser Welt, nach seinem Sinn und was mit sich und seiner Existenz nach dem Tode passiert. Ich glaube, diese Fragen haben sich seit den letzten Jahrtausenden nicht verändert, weil sich die Bedingungen nicht geändert haben: Wir verlieren Menschen durch Krankheit, Tod oder andere Umstände (Verbrechen, Krieg, Unglücke, Katastrophen), und wir selbst sind davon irgendwann mal betroffen. Wir lieben, damit wir Nachkommen zeugen und aufziehen können, und wir sind stetig bestrebt, unsere Lebenssituation zu verändern und zu verbessern, um es im Leben leichter zu haben. Wir gehen Gemeinschaften ein, versuchen einen Konses in großen Gruppen zu finden, um eine Grundlage für das eigene Überleben zu bilden. Ob es nun die Erfindung des Speeres war, um leichter Beute machen zu können, oder die Erfindung des Iphones, um leicher kommunizieren und sich leicht Apps runterladen zu können, spielt für die Grundveranlagung keine Rolle.

Wie kommst Du auch auf die Idee, daß in Mensch genetisch verankerte Fähigkeiten einfach so verschwinden sollen? Mich würde mal interessieren, was Dich veranlaßt, genau solche Schlüsse zu ziehen.

PHuV
2012-01-22, 01:51:00
Es gibt durchaus zunächst sinnvoll erscheinde Argumente pro Gott.

Ich denke auch, daß es diskutabel sein kann, ob es sinnvolle Argumente für einen Gott geben kann.


Kann es leider nicht, weil diese Frage schlichtweg mit unseren Mitteln einfach nicht zu beantworten ist. Es ist und bleibt eine hochgradige Spekulation, die zu keiner endgültigen Antwort führt, und lediglich auf subjektiven Eindrücken und Wahrnehmungen basiert. Aber auf subjektive Eindrücke und Wahrnehmungen kann man keine Argumentation geschweige den eine Diskussion aufbauen.


Lieber halbwegs friedlich mit der Lüge, als wahrhaftig aber total zerstörerisch.

Nein, weil die Lüge immer irgendwann entlarvt wird, und es immer Menschen geben wird, die das hinterfragen wollen, und es so nicht akzeptieren wollen. Menschen spüren oft sehr wohl, ob etwas stimmig ist oder nicht. Und wenn etwas nicht stimmig ist, wird sich das immer wieder irgendwie äußern, sei es durch Krankheiten, Unterdrückung, Terror und Gewalt. Die Lüge führt zur Zerstörung. Die Wahrhaftigkeit führt eben nicht zur Zerstörung, sie kann es per Definition nicht, aber das würde jetzt hier den Rahmen sprengen. Ganz im Gegenteil, die Wahrhaftigkeit allein führt erst zu Frieden. Deine Annahme hier ist leider total falsch.

ngl
2012-01-22, 02:57:20
Ist zu einfach. Sofern es wirklich um die Frage "Gott oder nicht" geht, hat die bejahende Seite keine Chance. Mit der richtigen Argumentationsstrategie wird es so eindeutig, daß der Theologe am Ende dem Atheisten Recht geben muß - oder zustimmen muß, daß er sich wider aller Logik verhält.

Interessanter wäre ein Thema, was nicht von Anfang an entschieden ist.

Ich würde hier entschieden widersprechen, da die Wissenschaften unsere Schöpfung nicht erklären können. Wir kommen optisch 300.000 Jahre an den Big Bang heran (oder Schöpfung). Im Labor schaffen wir es bis auf 0,3 Sekunden heran zu kommen. Die 0 werden wir aber niemals schaffen. Wir können uns nur so weit wie Möglich herannähern. Was bei 0 oder vor 0 war kann niemand messen.

An Gott zu glauben bedeutet ja nicht auf Kreationismus im bibelschen Sinn zu pochen. Selbst Evolution durch Zufall schließt ja im Endeffekt keinen Schöpfer aus, der eben ein Universum mit Evolution geschaffen hat. Das große Problem der atheistischen Argumentation ist die Annahme, das Gott innerhalb unseres Universums existieren muss. Das würde aber für mich, der Big Bang und Evolution als gegeben sieht gar nicht funktionieren. Denn dann müsste Gott sich ja selber mit dem Universum mit erschaffen haben. Das klingt mir nicht logisch.

Ich halte es wie Einstein. Mit der Wissenschaft können wir sehr schön die Zutaten von "Gott" sehen. Von den Zutaten und dem fertigen Produkt hat man aber noch nie einen unbekannten Koch ausfindig machen können.

Jemand der im Einstein'schen Sinn an Gott glaubt, kann daher eine Argumentation nicht verlieren. Es endet im Unendschieden. Der Atheist kann außerhalb des Universums nicht argumentieren. Das gleiche gilt für mich als Gläubigen. Daher auch meine ursprüngliche Meinung das eine Debatte mit mir ziemlich eintönig werden würde. Am Ende müssen beide Seiten glauben. Empirisch messen lässt sich da nichts.

Oder liegt meinerseits ein Denkfehler vor?
Ja ich weiss das geht jetzt doch schon ziemlich Richtung Debatte :)

dreamweaver
2012-01-22, 10:06:03
Kann es leider nicht, weil diese Frage schlichtweg mit unseren Mitteln einfach nicht zu beantworten ist. Es ist und bleibt eine hochgradige Spekulation, die zu keiner endgültigen Antwort führt, und lediglich auf subjektiven Eindrücken und Wahrnehmungen basiert. Aber auf subjektive Eindrücke und Wahrnehmungen kann man keine Argumentation geschweige den eine Diskussion aufbauen.
Aber wir Menschen sind doch subjektive Wesen. Unsere ganze Historie beruht auf unseren subjektiven Bewertungen. Und selbst objektive wissenschaftliche Ergebnisse werden von uns subjektiven Wesen erst interpretiert. Trotzdem bleibt natürlich die Wissenschaft das Objektivste, was wir haben. Und zum Glück haben wir das.


Nein, weil die Lüge immer irgendwann entlarvt wird, und es immer Menschen geben wird, die das hinterfragen wollen, und es so nicht akzeptieren wollen. Menschen spüren oft sehr wohl, ob etwas stimmig ist oder nicht. Und wenn etwas nicht stimmig ist, wird sich das immer wieder irgendwie äußern, sei es durch Krankheiten, Unterdrückung, Terror und Gewalt. Die Lüge führt zur Zerstörung. Die Wahrhaftigkeit führt eben nicht zur Zerstörung, sie kann es per Definition nicht, aber das würde jetzt hier den Rahmen sprengen. Ganz im Gegenteil, die Wahrhaftigkeit allein führt erst zu Frieden. Deine Annahme hier ist leider total falsch.
Meine Annahme war die potentielle Annahme eines Religionsbefürworters, zu denen ich nicht gehöre. Aber ich kann mir eben gut vorstellen, daß diese Menschen so oder so ähnlich argumentieren würden, wenn ihnen der bloße Glauben zu subjektiv ist.

Woher nimmst du per se die Gewissheit, das Wahrhaftigkeit nicht zur Zerstörung führen könnte? Warum sollte es im Universum keine Spezies geben, die bei absoluter Wahrhaftigkeit sich selbst zerstört? Wenn eine Spezies im Laufe ihrer Entwicklung einen Evolutionssprung (temporär) auf Basis einer Lüge (Mutation) vollzieht und diese Lüge dann duch Wahrhaftigkeit implodiert, könnte es doch zu einer Zerstörung kommen? Zumindest rein theoretisch, oder nicht?

Monger
2012-01-22, 12:11:29
...
Umgekehrt frage ich Dich, meinst Du, daß die Trauer über eine verstorbenen geliebten Menschen damals anders was als heute? Meinst Du, daß die Angst vor Verlust heute anders ist als damals?

Natürlich! Die Lebenserwartung war weit geringer, der Tod war deutlich präsenter als heute. Heute ist der Tod tabuisiert, entsprechende Rituale wie die Aufbahrung oder der Totenschmaus werden immer seltener. Heute gilt ein Tod immer als traumatisch, früher war er schlicht Alltag. Das hat selbstverständlich Auswirkungen darauf wie Menschen getrauert haben, und wie mit Verlusten umgegangen wurde.

Ich werde auf den Rest nicht eingehen, weil er mir ehrlich gesagt zu sehr an der eigentlichen Frage vorbei ist. Ich hab keine Lust, mich da in irgendwelchen Details zu verzetteln.

Bei dir klingt das alles so nach Gleichmacherei, als wäre die gesamte Menschheitsgeschichte eigentlich nur ein Status Quo. Damit ignorierst du jegliche kulturelle Entwicklung, und die Existenz eines Zeitgeistes. Du nimmst die heutige Welt als gegeben an, und interpolierst sie einfach in die Vergangenheit.

Ich habe vom Körperbau geredet, nicht von genetischen Anlagen. Im Schnitt gesehen haben wir heute - sehr eiweißreicher und kohlenhydrathaltiger Ernährung sei dank - einen spürbar anderen Körperbau als noch unsere Eltern und Großeltern. Wir sind größer, weniger muskulös, und dicker. Hat das Auswirkungen darauf wie wir uns fühlen? Selbstverständlich!
Wenn du wissen willst ob die Körpergröße gesellschaftliche Relevanz hat, frag mal eine Frau ob sie lieber zu ihrem Partner hoch oder runter schaut.

Menschen die regelmäßig körperlich arbeiten, haben auch ein anderes Selbstbildnis. Sie haben einen stärkeren Bezug zu ihrem körperlichen Erscheinungsbild. Eine bäuerliche Gesellschaft, wie sie bis in die Renaissance vorherrschte, ist geprägt von harter körperlicher Arbeit. Wie sich das aufs Wohlbefinden auswirkt, sieht man an so kuriosen Entwicklungen, wie dass heute vielen ihren Garten zur "Entspannung" durchackern, oder dafür zahlen im Urlaub auf einem Bauernhof Holz hacken zu dürfen. Das was früher eine zentrale und alltägliche Lebenserfahrung war, ist heute eine Kuriosität.

Wir sind heute eine Wissensgesellschaft. Körperliche Arbeit zählt wenig, Bildung dafür umso mehr. Wir definieren uns sehr stark über unser Wissen und unser Verständnis von der Welt. Wir nehmen es als selbstverständlich an, dass die Welt ständig in Bewegung ist, und dass wir nur Schritt halten können wenn wir kontinuierlich dazu lernen.
Als Folge daraus sind wir sehr kopfgesteuert. Ein gütiger, redlicher und stolzer Bürger (ich hab ganz bewusst die Begrifflichkeiten benutzt die heute praktisch unbekannt sind), der aber dumm wie Brot ist, hat heute ein gesellschaftlich sehr niedriges Ansehen.
Man beachte, dass gütig und stolz Emotionen sind. Eine Emotion als ideeles Ziel... schwer vorstellbar, oder? Keiner würde heute einen bestimmten Gefühlszustand zum Ideal erheben.


Meine zentrale These ist, dass die Menschen des Mittelalters eine andere Gefühlswelt hatten als wir heute, weil nunmal die äußeren Umstände auch anders waren. Damit hatten sie auch einen anderen Zugang zur Religion, der uns heute versperrt ist, weil sich halt unsere Gesellschaft gewandelt hat.

PHuV
2012-01-23, 13:02:59
Natürlich! Die Lebenserwartung war weit geringer, der Tod war deutlich präsenter als heute. Heute ist der Tod tabuisiert, entsprechende Rituale wie die Aufbahrung oder der Totenschmaus werden immer seltener. Heute gilt ein Tod immer als traumatisch, früher war er schlicht Alltag. Das hat selbstverständlich Auswirkungen darauf wie Menschen getrauert haben, und wie mit Verlusten umgegangen wurde.
Du hast in diesen Punkten sicherlich Recht, aber nochmals, wie kommst Du darauf, auf die individuelle Verarbeitung von Trauer zu schließen? Du hast auch keine Fähigkeiten, in die Menschen selbst reinzuschauen. Äußere Zustände repräsentieren nicht 1:1 auch die inneren Zustände. Man kann nicht vom gelebten Ritual der Verarbeitung des Todes automatisch auf die inneren Zustände von Trauer schließen. Von dem her halte ich Deine vollzogenen Schlüsse für sehr übereilt und voreingenommen. Dass der Tod früher eher präsent war, ist das eine. Dennoch glaube ich, daß die Menschen immer den Verlust als sehr stark und präsent empfunden haben.
Bei dir klingt das alles so nach Gleichmacherei, als wäre die gesamte Menschheitsgeschichte eigentlich nur ein Status]Quo.
Ich mache gar nichts gleich, daß möchte ich nur mal festhalten. Alles was ich mache, sind die Fakten zu studieren und zu interpretieren. Wenn Du meinen Standpunkt bezweifelst, solltest Du dann bitte auch mal Fakten liefern, und nicht nur Deine subjektiven Gedanken äußern. Es gibt eben starke Belege, daß sich der Mensch physiologisch seit den letzten 6000 Jahren nicht stark verändert hat. Das ist nicht auf meinen Mist gewachsen, sondern Stand der Forschung. So, und nun Dein belegbares Argument dagegen?
Damit ignorierst du jegliche kulturelle Entwicklung, und die Existenz eines Zeitgeistes.
Was hat die kulturelle Entwicklung und der Zeitgeist mit den physiologisch vorhandenen Gefühlen zu tun? Nichts, rein gar nichts. Trenne doch bitte nochmals den Mensch selbst in der biologischen Veranlagung von dem, was sich daraus ergibt.
Du nimmst die heutige Welt als gegeben an, und interpolierst sie einfach in die Vergangenheit.
Wo tue ich das bitte schön? Die Welt spielt doch keine Rolle, weil die heute geschaffene Kultur und Zivilisation ein Ergebnis des Menschen ist, nicht mehr, nicht weniger. Und es bleibt bei der zentralen Frage, ist der Mensch noch der gleiche wie vor 6000 Jahren, ja oder nein? Wenn es ja ist, ist der Vergleich Mensch-Gehirn-heute mit heutigen Forschungsergebnissen vergleichbar mit Mensch-Gehirn damals. Du hast immer noch nicht belegt, wo hier der Fehler in der Argumentationskette sein soll.
Ich habe vom Körperbau geredet, nicht von genetischen Anlagen. .
Und was hast der Körperbau dann mit Gehirn und den dadurch gelebten Gefühlen zu tun. Was hat er mit der Bildung der Intelligenz zu tun? Soweit mir bekannt ist, gibt es zwischen Intelligenz und Körperbau bisher noch keinen Zusammenhang.
Im Schnitt gesehen haben wir heute - sehr eiweißreicher und kohlenhydrathaltiger Ernährung sei dank - einen spürbar anderen Körperbau als noch unsere Eltern und Großeltern. Wir sind größer, weniger muskulös, und dicker. Hat das Auswirkungen darauf wie wir uns fühlen? Selbstverständlich!
Aha, dann hat die Verarbeitung von Scham und Trauer also was mit Körperbau zu tun, wenn ich hier mal Deine gezogenen Schlüsse herannehmen darf?
Wenn du wissen willst ob die Körpergröße gesellschaftliche Relevanz hat, frag mal eine Frau ob sie lieber zu ihrem Partner hoch oder runter schaut.
Hmm, mir wirfst Du vor, vom Thema abzuweichen, und Du machst genau das immer deutlicher. Nochmals, was hat Körperbau mit Gefühlen zu tun?
Menschen die regelmäßig körperlich arbeiten, haben auch ein anderes Selbstbildnis. Sie haben einen stärkeren Bezug zu ihrem körperlichen Erscheinungsbild. Eine bäuerliche Gesellschaft, wie sie bis in die Renaissance vorherrschte, ist geprägt von harter körperlicher Arbeit. Wie sich das aufs Wohlbefinden auswirkt, sieht man an so kuriosen Entwicklungen, wie dass heute vielen ihren Garten zur "Entspannung" durchackern, oder dafür zahlen im Urlaub auf einem Bauernhof Holz hacken zu dürfen. Das was früher eine zentrale und alltägliche Lebenserfahrung war, ist heute eine Kuriosität.
Aha, aber das widerlegt doch Deine ursprüngliche These, daß Gefühle aussterben sollen. Wer nicht weiß, wie es sich so anfühlt, bäuerlich oder körperlich arbeitend zu leben, braucht doch nur mal auf den Bauernhof zu gehen oder seinen Garten intensiv umzugraben, um genau dieses Gefühl und das Verständnis dafür zu wecken, oder? ;)
Wir sind heute eine Wissensgesellschaft. Körperliche Arbeit zählt wenig, Bildung dafür umso mehr.
Meinst Du jetzt uns, in Europa? Fakt ist aber, es gibt noch viel körperliche Arbeit. Und noch drastischer wird es, wenn wir in andere Länder gehen. Schau mal an, wie Rohrzucker oder die meisten Obst- und Gemüsesorten gewonnen werden. Und dann haben wir noch das Argument, daß in den gebildeten und reichen Eliten von vor zigtausend Jahren ebenfalls körperliche Arbeit als niedrig galt, wo ist da der Unterschied zu heute? Nimm die griechische Hochkultur, die römische oder asiatische, wo die harte körperliche Arbeit überwiegend von versklavten und unterdrückten Völkern verrichtet wurde. Oder glaubst Du, das Aristoteles, Platon, Konfuzius und Co. starke körperliche Arbeit geleistet hätten?
Als Folge daraus sind wir sehr kopfgesteuert.
Und, wo ist da das Argument, daß das Gefühl weg sein soll? Meine Erfahrung, gerade auf der Couch mit Klienten zeigt, daß Gefühle sehr wohl noch in vielen Facetten vorhanden sind. Sie sind eben nicht weg, sondern nur anders kanalisiert. Betrachte mal Kinder, die sind sehr wohl noch nahe an den Gefühlen dran. Dann habe ich als weiteres Argument gebracht – welches Du geflissentlich ignorierst – das bei Menschen in Extremsituationen, wo die Konditionierungen wegfallen, sehr wohl wieder die gesamte Gefühlspalette beobachtbar ist.
Meine zentrale These ist, dass die Menschen des Mittelalters eine andere Gefühlswelt hatten als wir heute, weil nun mal die äußeren Umstände auch anders waren. Damit hatten sie auch einen anderen Zugang zur Religion, der uns heute versperrt ist, weil sich halt unsere Gesellschaft gewandelt hat.
Und ich habe Dir an zig Beispielen belegbar und nachweisbar gezeigt, daß Deine These falsch ist. Und trotzdem hältst Du an dieser These fest. Wir haben nun mal eine flexible Hardware, die sehr anpassungsfähig und flexibel ist. Dennoch ist sie seit mehreren Jahrtausenden gleich. Wir haben heute mehr Wissen, sicher, und die Lebensumstände sind anders. Aber gehe in andere Umgebungen, und stecke Menschen in andere Umgebungen, und Du wirst sehen, daß der Mensch in seinen Gefühlen genau so ist wie früher. Allein dieses Argument sollte Dir doch klar zeigen, daß Deine These falsch ist. Es gibt auch mittlerweile viele Belege über Kinder, die in anderen Kulturen und Umgebungen aufwachsen, die anders ist als die der Eltern, und diese adaptiert werden können. Steck ein europäisches Kind in ein kleines Dorf in Afrika ohne Technik, und es wird sich von dortigen Kindern im Gefühlsleben nicht unterscheiden, wie in afrikanisches Kind in moderner Zivilisation mit anderen Kindern im Gefühlsleben nicht unterscheidet (alles bei gleicher Erziehung, wohlgemerkt).
Und der Zugang zum Erleben der Religion ist genauso wie früher. Nur weil wir mehr über uns selbst wissen, tut das dem spirituellen Element unseres Gehirns keinen Abbruch, wenn wir ein spirituelles Erlebnis haben.
Auch Dein Argument, daß Gefühle ausgestorben sein sollen, widerspreche ich aus 2 Punkten:
Belege in Forschung in der Psychologie und Psychiatrie zeigen, daß beispielsweise Psychotherapie bewirken kann, daß Menschen wieder Zugang zu ihren Gefühlen haben können. Psychotherapie zeigt auch, daß Konditionierungen teilweise wegtrainiert und gelöscht werden können. Weiterhin habe ich beispielsweise durch die Kampfkunst erfahren, daß sehr wohl Fähigkeiten in Wahrnehmung und Sensibilität wieder erlernt und antrainiert werden können. Das widerlegt ebenfalls Deine These, daß Gefühle aussterben könnten, sonst würde das ja nicht praktisch funktionieren. Jedoch habe ich zigfach als Trainierender und Trainer erlebt, daß sich wieder Fähigkeiten entwickeln, welche die Leute selbst gar nicht glauben konnten.
All das was ich hier sage, kannst Du in zig Bücher und Forschungsergebnissen nachlesen und nachvollziehen, ich habe diese Argumente ja nicht aus der Luft gegriffen. Dann brauchst Du aber mich bitte nicht angreifen, weil ich nur die Fakten liefere, dann mußt Du eben den Stand der Forschung angreifen. Ich würde Dir ja gerne glauben, und lasse ich gerne überzeugen. Aber Deine Behauptungen finden sich darin eben nicht wieder. Deswegen würde ich Dich dann bitte, wirklich mal nachlesbare Fakten und Beweise zu liefern für Deine Behauptungen, und nicht einfach nur subjektive Eindrücke Deinerseits. Ansonsten tust Du Dir doch keinen Abbruch, einfach mal geirrt zu haben. ;) Ich habe das hier ja auch schon oft genug getan.

PHuV
2012-01-23, 13:13:50
Aber wir Menschen sind doch subjektive Wesen. Unsere ganze Historie beruht auf unseren subjektiven Bewertungen. Und selbst objektive wissenschaftliche Ergebnisse werden von uns subjektiven Wesen erst interpretiert. Trotzdem bleibt natürlich die Wissenschaft das Objektivste, was wir haben.

Richtig, aber nochmals, was bringt das für eine Diskussion wie für die These einer höheren Entität, welches eben nur auf subjektive Eindrücke geführt werden kann? Gar nichts. Es ist erst dann eine Diskussionsbasis vorhanden, wenn gewissen Eindrücke in der Form objektiviert werden können, so daß diese Belege und Beweise liefern. Alles andere liefert nur eine beliebige Spekulation, die überhaupt nichts bringt.

Woher nimmst du per se die Gewissheit, das Wahrhaftigkeit nicht zur Zerstörung führen könnte? Warum sollte es im Universum keine Spezies geben, die bei absoluter Wahrhaftigkeit sich selbst zerstört? Wenn eine Spezies im Laufe ihrer Entwicklung einen Evolutionssprung (temporär) auf Basis einer Lüge (Mutation) vollzieht und diese Lüge dann duch Wahrhaftigkeit implodiert, könnte es doch zu einer Zerstörung kommen? Zumindest rein theoretisch, oder nicht?

Dann wäre das keine Wahrhaftigkeit. Wahrhaftigkeit orientiert sich immer an dem, was tatsächlich ist und nicht an dem was sein könnte, oder was man sich vorstellt, was sein könnte. Wahrhaftigkeit führt beispielsweise, dazu daß Du nicht von einem Hochhaus ohne Hilfsmittel runterstürzt, weil Dir jemand erzählen will, daß Du angeblich fliegen kannst. Aber genau das machen Religionen ständig. Sie erzählen immer - nicht wahrhaftig - was angeblich alles sein soll, und wenn Du das nicht erreichst, hast Du eben nicht genug geglaubt. Aus Angst wird dann aber weder das eine oder das andere überprüft, was eben nicht der Wahrhaftigkeit entspricht.

rokko
2012-01-23, 19:51:50
Entschuldigung das ich mich hier einmische.

Ich persönliche empfinde dieses ewige dauerzitieren wie PHuV es hier praktiziert eher als eine Debattenunkultur.
Ein herumreiten auf einzelne Stichpunkte bringt eine Debatte nämlich nicht voran.

Ist nix persönliches PHuV aber man verliert bei solchen Themen als Mitleser einfach den Überblick.:wink:

PHuV
2012-01-24, 10:56:06
Ich persönliche empfinde dieses ewige dauerzitieren wie PHuV es hier praktiziert eher als eine Debattenunkultur.
Ein herumreiten auf einzelne Stichpunkte bringt eine Debatte nämlich nicht

Das ist kein Herumreiten, sondern das Eingehen auf gewisse Punkte, die ich für wichtig erachte. Wenn ich einfach ohne Zitat nur antworte, geht der Fokus der Antwort leider verloren. So ist das nun mal im Forum, dafür kann ich nix.

oO_KIWI_Oo
2012-01-25, 17:26:26
Hi aths,

ich nehme dein Posting zum Anlass nach einigen Jahren des "Schweigens" hier mal wieder einen Beitrag zu verfassen ;)

Nachdem, was ich hier immer mal wieder - vor allem auch von "theistischer Seite" - bei einem Besuch im Forum lesen musste, hat sich meine Motivation bezüglich einer Diskussionsbeteiligung quasi komplett verflüchtigt. Das war Großteils einfach nur "grotesk"...

Deinen Ansatz finde ich jedoch sehr gut. Es gibt einige englischsprachige Foren, wo genau so etwas praktiziert wird. Das Niveau ist dort i.d.R. auch entsprechend hoch.

Persönliche fände ich eine Diskussion mit dir sehr reizvoll, da ich dich als einen fairen und sachlichen Diskussionspartner kennengelernt habe. Mein Problem ist jedoch die Zeit. Falls dein Konzept hier jedoch allgemein Anklang findet und umgesetzt wird, schaue ich bei Interesse gerne, was sich machen lässt.

oO_KIWI_Oo
2012-01-25, 17:43:13
Ist zu einfach. Sofern es wirklich um die Frage "Gott oder nicht" geht, hat die bejahende Seite keine Chance. Mit der richtigen Argumentationsstrategie wird es so eindeutig, daß der Theologe am Ende dem Atheisten Recht geben muß - oder zustimmen muß, daß er sich wider aller Logik verhält.

Interessanter wäre ein Thema, was nicht von Anfang an entschieden ist.

Da ist sich ja jemand seiner Sache sehr sicher... :rolleyes: :wink:

Hier eine kleine Empfehlung zur Erweiterung des persönlichen Horizonts: "Gottesbeweise: von Anselm bis Gödel" von Guido Kreis und Joachim Bromand (eines der wenigen deutschen Werke zu diesem Thema). Speziell das Kapitel von Graham Oppy mit dem Titel "Über die Aussicht erfolgreicher Beweise für Theismus oder Atheismus".

Oppy ist einer der renommiertesten zeitgenössischen atheistischen Philosophen, der sich intensiv mit den akademisch diskutierten Argumenten für und gegen die Existenz Gottes auseinandersetzt.

PHuV
2012-01-25, 19:21:57
Da ist sich ja jemand seiner Sache sehr sicher... :rolleyes: :wink:
:


Ganz einfach, weil er recht hat. Es gibt für uns Menschen aufgrund unserer Begrenzung nur die Möglichkeit, unsere subjektive Sicht auf eine vermeidliche Wahrnehmung einer Entität zu diskutieren. Objektiv beweisbar feststellen läßt sich das weder von der einen noch der anderen Seite. Es muß aber nicht die eine Seite die Nichtexistenz beweisen, sondern die anderen die Existenz.

Siehe auch:
Russells Teekanne (http://de.wikipedia.org/wiki/Russells_Teekanne)

Das es manche versuchen, ist witzig, aber nicht fruchtbar.
Die Nichtexistenz Gottes ist beweisbar (http://hpd.de/node/3458)

Gauron Kampeck
2012-01-25, 19:34:59
Es muß aber nicht die eine Seite die Nichtexistenz beweisen, sondern die anderen die Existenz.
Warum eigentlich?

Lyka
2012-01-25, 19:40:13
wieso gibts sowenige Agnostiker? Ohne Beweise....

oO_KIWI_Oo
2012-01-28, 16:51:17
Ganz einfach, weil er recht hat.

Zunächst eine Verständnisfrage:

Mit welcher dieser Aussagen hat er recht?
- Es gibt keine Argumente für die Existenz Gottes.
- Die Argumente für die Existenz Gottes sind nicht stichhaltig und/oder ungültig.
- Die theistische Position ist selbstwidersprüchlich.

Es gibt für uns Menschen aufgrund unserer Begrenzung nur die Möglichkeit, unsere subjektive Sicht auf eine vermeidliche Wahrnehmung einer Entität zu diskutieren.

Ist diese Aussage eine objektive Tatsachenbehauptung oder ebenfalls ein Produkt deiner subjetiven Wahrnehmung? Im ersten Fall würde sich deine Behauptung ("es gibt nur subjektive Wahrnehmungen und somit auch nur subjektive Aussagen / Urteile") selbst widerlegen und im zweiten Fall ist sie deine private Meinung und damit irrelevant bzw. kann ignoriert werden. Wieso sollte ich deine subjektive Sichtweise - egal um was es sich handelt - meiner eigenen vorziehen?

Im übrigen teile ich diese relativistische Sichtweise nicht. Und zwar genau deshalb, weil sie selbstwidersprüchlich ist. Auf dieser Basis ist jeder Diskurs, sei er philosophischer oder naturwissenschaftlicher Natur, unmöglich.

Objektiv beweisbar feststellen läßt sich das weder von der einen noch der anderen Seite. Es muß aber nicht die eine Seite die Nichtexistenz beweisen, sondern die anderen die Existenz.

Der erste Satz besagt, dass wir die Frage deiner Einschätzung nach grundsätzlich nicht beantworten können. Der zweite Satz fordert dann jedoch vom Theisten genau dies zu tun. Das klingt für mich ein wenig unfair... :redface:

Es ist natürlich klar, "dass der Theist keine Chance hat", wenn man die Voraussetzungen so definiert, dass eine Argumentation grundsätzlich unmöglich ist. Herzlichen Glückwunsch!

Siehe auch:
Russells Teekanne (http://de.wikipedia.org/wiki/Russells_Teekanne)

Das es manche versuchen, ist witzig, aber nicht fruchtbar.
Die Nichtexistenz Gottes ist beweisbar (http://hpd.de/node/3458)

Die Existenz Gottes bzw. eines spezifischen Gottesbegriffs lässt sich durchaus widerlegen. Der Diskutant muss lediglich aufzeigen, dass die Eigenschaften, welcher der Theist seinem Gott zuschreibt, unvereinbar bzw. widersprüchlich sind. Ich kann z.B. sehr einfach für die Nichtexistenz "quadratischer Kreise" argumentieren.

Wenn es die Zeit erlaubt schreibe ich ev. noch etwas zu epistemischen Pflichten, Teekannen, fliegenden Spaghettimonstern und sonstigen interssanten Entitäten. Das lässt sich aber - soweit ich die Situation hier einschätze - nicht sinnvoll in ein paar Sätzen abhandeln.

aths
2012-01-28, 19:01:46
Hi aths,

ich nehme dein Posting zum Anlass nach einigen Jahren des "Schweigens" hier mal wieder einen Beitrag zu verfassen ;)

Nachdem, was ich hier immer mal wieder - vor allem auch von "theistischer Seite" - bei einem Besuch im Forum lesen musste, hat sich meine Motivation bezüglich einer Diskussionsbeteiligung quasi komplett verflüchtigt. Das war Großteils einfach nur "grotesk"...

Deinen Ansatz finde ich jedoch sehr gut. Es gibt einige englischsprachige Foren, wo genau so etwas praktiziert wird. Das Niveau ist dort i.d.R. auch entsprechend hoch.

Persönliche fände ich eine Diskussion mit dir sehr reizvoll, da ich dich als einen fairen und sachlichen Diskussionspartner kennengelernt habe. Mein Problem ist jedoch die Zeit. Falls dein Konzept hier jedoch allgemein Anklang findet und umgesetzt wird, schaue ich bei Interesse gerne, was sich machen lässt.Möglicherweise gibts mit einem User bald eine Debatte, doch bevor das nicht sicher ist, will ich noch nichts ankündigen.

In deiner Signatur sehe ich ein Lewis-Zitat. Kann ich daraus auf ein christliches Weltbild (im Sinne von Lewis) schließen?

Quantar
2012-01-29, 00:33:52
Habt ihr euch mal Gedanken über allgemeine Argumentationsstrukturen gemacht? Als studierter Logiker (hohoho) finde ich gerade die Frage interessant, wann eine Behauptung als "logisch konsequent" durchgehen kann. Da scheiden sich sich auch die Theorien, so dass es alles andere klar ist, wann Hypothesen auch wirklich eine Konklusion rechtfertigen.
So ehrenwert und wertvoll ich diesen Ansatz empfinde, so bin ich doch recht kritisch, da meistens Schlussfolgerungen gezogen werden die der eine für "logisch" hält und die der andere anzweifelt.
Imo wird eine gute Diskussion nicht da enden dass man den Wahrheitsgehalt anzweifelt, sondern dass man Schlussweisen kritisiert und/oder Hypothesen der Inkonsistenz überführt.

PHuV
2012-01-29, 03:49:39
Das lässt sich aber - soweit ich die Situation hier einschätze - nicht sinnvoll in ein paar Sätzen abhandeln.

Genau das ist das Problem an so einer Thematik.

@aths

Ich würde mal folgendes vorschlagen. Könnten wir das nicht mal als Podcast oder Lifewebcam-Ereignis oder tatsächlichem Treffen diskutieren? So ähnlich wie hier:

http://www.musotalk.de/video/akai-mpc-fly-und-die-news-von-namm-2012/

Ich glaube, so ein Thema ist doch etwas zu komplex, um es nur in reiner Schriftform zu diskutieren.

noid
2012-01-29, 10:55:34
Was hier auch oftmals zutrifft:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,811832,00.html

...und das trifft hier bei vielen Themen zu, schliesslich muss man sich im Netz ja nicht in einem Kompromiss treffen - man lebt ja nicht zusammen. Und so zementiert man seinen Standpunkt fest, egal wieviel Argumente der/die Andere/n haben.

aths
2012-01-30, 10:57:41
Genau das ist das Problem an so einer Thematik.

@aths

Ich würde mal folgendes vorschlagen. Könnten wir das nicht mal als Podcast oder Lifewebcam-Ereignis oder tatsächlichem Treffen diskutieren? So ähnlich wie hier:

http://www.musotalk.de/video/akai-mpc-fly-und-die-news-von-namm-2012/

Ich glaube, so ein Thema ist doch etwas zu komplex, um es nur in reiner Schriftform zu diskutieren.Theoretisch könnte man das, zum Beispiel einen Moderator und zwei Debattanten in einer Bildmontage einblenden und als Video zu streamen bzw. Vod zu speichern. Aber anstatt gleich große Dinger zu planen, würde ich lieber kleiner anfangen. Lieber hätte eine kleine Debatte geführt, als eine große geplant, aber nie richtig umgesetzt zu haben. 3DCenter ist bislang auch nicht die prestigeträchtige Debatten-Plattform.

MadManniMan
2012-02-03, 01:32:31
Was wäre das Ziel der Debatte? Dem Beobachter verschiedene Standpunkte aufzeigen?

Ich persönlich bekomme beinahe Krämpfe, wenn sich Diskutanten über riesige Abschnitte hinweg über Kleinstteiliges austauschen, ich selbst aber das dringende Bedürfnis habe, eines der Standpunktfundamente in Frage zu stellen.

In kleinerer Dimensionen (da auf je 140 Zeichen beschränkt, aber aber hochfrequent) passierte mir das zuletzt des Öfteren: These und Gegenthese wurden einander zu geworfen, beide wurden nicht gefangen, beide krakelten vor sich hin.
Ich rief hinein, dass doch bitte A und B zu beachten wären - und tot war die Debatte.

Ich bin der Überzeugung: mit hinreichend Zeit (und ich meine WIRKLICH LANGE Zeitabschnitte) würde noch eine jede Runde einen Konsens finden. Ein Gespräch, in das alle Teilnehmer mit der Überzeugung gehen, ihren Standpunkt abgrenzen zu müssen und EBEN NICHT Erkenntnis zu gewinnen, erachte ich inzwischen als Zeitverschwendung.

Mosher
2012-02-03, 09:10:56
Letzteres wäre diskutieren um des Diskutierens Willen und hat in meinen Augen außer in einem Rhetorikseminar keinen Wert.
Ich finde die Idee von aths an sich nicht schlecht, doch befürchte ich, wird die Diskussion ab irgendwann arg künstlich verlaufen, wenn es keinen Konsens geben darf.

Spirou
2012-02-03, 19:24:23
Ich bin der Überzeugung: mit hinreichend Zeit (und ich meine WIRKLICH LANGE Zeitabschnitte) würde noch eine jede Runde einen Konsens finden. Ein Gespräch, in das alle Teilnehmer mit der Überzeugung gehen, ihren Standpunkt abgrenzen zu müssen und EBEN NICHT Erkenntnis zu gewinnen, erachte ich inzwischen als Zeitverschwendung.

Das setzt aber doch voraus, daß man ein Thema hat, bei dem ein Konsens möglich ist, und alle Teilnehmer wenigstens theoretisch einen Erkenntnisgewinn erreichen können. I.d.R. trifft man auf Diskutanten, die davon überzeugt sind, alle Hintergründe und Argumente zu kennen, die in jenen Standpunkten kulminieren, die sie selbst nicht teilen. Ob irrig oder nicht, sei dabei mal offen gelassen.

Als Betrachter einer Diskussion kann ich den neutralen und ergebnisoffenen Standpunkt fallweise noch recht leicht einnehmen und gelange durchaus immer wieder zu einem Erkenntnisgewinn. Als Teilnehmer hingegen strebe ich diesen doch bei meinem gedachten Betrachter an. Nach meinem Dafürhalten spricht man in einer guten Diskussion ja eben auch nicht sein Gegenüber an, sondern konkuriert mit diesem um die Aussenwirkung. Insoweit ist ein Konsens doch eigentlich das Scheitern aller Teilnehmer und zeigt mangelnde Vorbereitung an, d. h. respektlos gegenüber jenen, denen man zumutet, mitanzusehen, wie man unreife Vorstellungen einbringt, die man nicht bis zum Ende verfechten kann.

oO_KIWI_Oo
2012-02-07, 21:38:04
Habt ihr euch mal Gedanken über allgemeine Argumentationsstrukturen gemacht? Als studierter Logiker (hohoho) finde ich gerade die Frage interessant, wann eine Behauptung als "logisch konsequent" durchgehen kann. Da scheiden sich sich auch die Theorien, so dass es alles andere klar ist, wann Hypothesen auch wirklich eine Konklusion rechtfertigen...

Hallo Quantar,

Mir ist nicht ganz klar, was du genau meinst. Kannst du das Problem bitte näher spezifizieren? Ich vermute du beziehst dich hier auf induktive Argumente und nicht auf die deduktive Ableitung von Schlussfolgerungen. Oder verstehe ich dich hier falsch?

Als "nichtstudierter Logiker" sehe ich das Problem von Argumenten primär in der Einschätzung der Plausibilität der Prämissen und weniger in der Anwendung der formalen Regeln. Bei induktiven Argumenten gibt es bezüglich der Regeln tatsächlich einige Kontroversen. Um die Wahrscheinlichkeit einer Hypothese anhand vorhandener Evidenz zu beurteilen, gibt es aber durchaus auch formale Werkzeuge wie z.B. Bayes-Theorem.

Nach meiner Erfahrung beschränkt sich die große Mehrheit der deduktiven Argumente auf die Aussagenlogik mit ihren neun Basisregeln. Eventuell spielt die Prädikatenlogik erster Ordnung noch eine Rolle. In diesem Bereich gibt es aber kaum Dispute über formale und informale Fehlschlüsse. Differenzen gibt es, soweit mir bekannt, erst ab dem Bereich der Modallogik und auch dort nur bei speziellen modallogischen Systemen. Richtig problematisch wird es dann in der kontrafaktischen Logik. Da gibt es nicht einmal eine allgemein gültige Syntax. Für die absolute Mehrheit der Argumente spielen diese Konstrukte jedoch meiner Erfahrung nach keine Rolle.

PHuV
2012-02-08, 10:17:55
Ich finde die Idee von aths an sich nicht schlecht, doch befürchte ich, wird die Diskussion ab irgendwann arg künstlich verlaufen, wenn es keinen Konsens geben darf.

Für manche Dinge kann es einfach keinen Konsens geben. Nimm doch nur mal die unsägliche Entitäts-Diskussion, wie soll es da jemals zu einem Konsens kommen?

aths
2012-02-09, 10:50:56
Für manche Dinge kann es einfach keinen Konsens geben. Nimm doch nur mal die unsägliche Entitäts-Diskussion, wie soll es da jemals zu einem Konsens kommen?
Was wissen wir? Was wissen wir nicht? Wenn wir etwas nicht wissen, sind dann alle Meinungen darüber wie es wirklich ist, gleichwertig, oder weisen bisherige Erkenntnisse eher in eine bestimmte Richtung? Was den Konsens angeht, haben aus meiner Sicht einige Leute die irrige Vorstellung, dass genügend großer Konsens ein Indiz für Wahrheit ist.

Spirou
2012-02-09, 11:37:38
Irgendwer sagte mal: Das Gegenteil einer banalen Wahrheit ist einfach nur falsch, wärend das Gegenteil einer großen Wahrheit ebenfalls wahr ist.

Ist ein Konsens bei zunächst strittiger Ausgangslage etwas anderes als die Feststellung einer banalen Wahrheit nachdem sich einer der Standpunkte als einfach nur falsch entpuppte?

Oder ist ein Konsens die gemeinsame Feststellung, daß man mit derselben strittigen Ausgangslage aus einer Diskussion austritt, die keinen Erkenntnisgewinn brachte? Im Sinne von: schön, daß wir mal drüber gesprochen haben?

Weil ich beides für unbefriedigend halte, meine ich, daß ein Erkenntnisgewinn des Publikums, nicht aber der Diskutanten, der einzige mögliche Vektor aller Teilnehmer sein kann. Eine Diskussion ist wie ein Boxring, in dem man gewisse Regeln einhält, aber mit dem Ziel der Vernichtung des Gegners (eigentlich Vernichtung der Aufrechterhaltbarkeit seines Standpunktes) antritt, oder eben fernbleibt, wenn man dafür zu weich ist oder zuwenig trainiert.

Nur daraus kann Spannung entstehen, die das Publikum mitnimmt, Erkenntnisgewinn für eben dieses Publikum, für die Teilnehmer aber eher nur hinsichtlich der Strategien und Taktiken. Ich bin davon überzeugt, daß diese Haltung ohnehin jeder hat, und jede Konsensorientierung insofern unehrlich ist, als sie zu den Strategien und Taktiken zählt. Das offene Visier halte ich für ehrlicher, und ich denke, man kann dazu stehen. Vermutlich verlaufen Diskussionen bei offener Gegnerschaft sogar friedlicher, weil das Verdecken von Tiefschlägen entfällt, was der Diskussion insgesamt zugute kommt.

Zu viel Konsensorientierung führt in das Geplänkel, das den Mitleser ödet.