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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Zufriedenere Menschen durch das Prinzip "Mehr Schein als Sein"?


aths
2012-02-28, 11:02:41
Bevor ich zum eigentlich Punkt komme, etwas Kontext. Manchmal überlege ich, wie man Städte bauen könnte, so dass der Mensch sich besser fühlt. Nehmen wir als Beispiel einen schönen Park. Es wäre einen eigenen Thread wert, zu überlegen, wie man einen Park so gestalten könnte, dass er pflegeleicht ist, im Bau nicht zu viel kostet, trotz geringer Grundfläche groß wirkt, und vor allem wie man durch Hecken getarnte Lärmschutzmauern so anlegt dass der Lärm angrenzender Straßen zu einem kaum noch wahrnehmbaren Hintergrundrauschen wirkt. Und wie sich Baum-Reihen blickdicht gestalten lassen, so dass es Stellen gibt in der man nur Natur sieht und keine Häuser. Dann könnte man auch überlegen, inwieweit ein Park so gebaut werden kann, dass er unberührte Natur simuliert, so dass es beim Besuch so wirkt, als seien lediglich Wege durch ein echtes Waldgebiet geführt worden.

Die Diskussion hier soll um zwei Punkte gehen: Ist es möglich, Menschen an eine eigentlich schönere Umgebung – hier das Beispiel mit dem Park – zu erinnern, so dass sie sich wohler fühlen? Und ist es zweitens ethisch vertretbar, auf "Mehr Schein als Sein" zu setzen indem Assoziationen an eine schönere Umwelt geweckt werden?

Zum ersten Punkt. Man könnte zum Beispiel in der Umgebung kleine Park-Inseln gestalten. Nur ein paar Bäume und ein paar Meter Hecke im Design wie im Park, so dass diese grüne Insel wie ein Ausläufer des richtigen Parks wirkt. Geht jemand daran vorbei, könnte das die Erinnerungen an seinen tatsächlichen Parkbesuch auslösen, wo er abschalten und die Stadt um sich herum vergessen konnte. Man könnte auch einen Wegweiser anbringen der zum Park zeigt. Das macht dem Passanten klar, dass er ja jederzeit erneut in den Park gehen könnte.

Zum zweiten Punkt. Da nicht jeder ein Häuschen im Grünen haben kann, sich der Mensch aber in Gegenwart von Wiesen, Bächen und Bäumen wohler fühlt, könnte man wie oben beschrieben versuchen (das mit den Park-Anlagen ist jetzt nur eine Idee, man könnte auch über andere Sachen nachdenken) die Umwelt-Wahrnehmung von Städtern auszutricksen. Eine zweite Idee: Man könnte an einem kleinen See einen Bootssteg bauen und einen Fährbetrieb einrichten, obwohl die Busverbindung um den See herum schneller wäre. Das Übersetzen mit der Fähre böte dann einige Minuten lang ein kleines Seefahrts-Erlebnis. In der Nähe der Anlegestelle könnte man Geländer aus Messing gestalten dass sie wie auf einem Schiff wirken, oder gut sichtbar Ständer mit Rettungsringen aufstellen obwohl der See noch etwas entfernt ist, oder einen trockengelegten Fischkutter aufstellen, der eine ehemalige Fischereitradition simuliert. Es ließen sich alle möglichen Sachen ausdenken, die ein ursprünglicheres Leben vorgauckeln. Das Park-Beispiel dürfte da noch am greifbarsten sein.

Da sich Städte kaum großflächig von schönen Parks durchziehen lassen, ließe sich die Erfahrung in der Natur zu sein, in kleineren Parks machen, während aber für die meiste Zeit lediglich die Erinnerung daran ausgelöst wird, so dass man sich fast wie in der Natur fühlt, ohne es zu sein. Vorausgesetzt, das geht mit genügend großer Wirkung, wäre die Simulation einer menschenfreundlichen Umwelt ethisch okay?

FeuerHoden
2012-02-28, 11:18:14
Sprich einmal mit einem Autofahrer in einer Großstadt darüber was er von einem einzelnen Baum hält der dort steht wo sonst Platz für einen Parkplatz wäre und lasse den überwältigenden Einfluss auf die Zufriedenheit des Autofahrers auf dich wirken. ;)

Prinzipiell, ja kann funktionieren. Aber wir sind weit davon entfernt das soetwas gemacht würde. Pflegeleichte Begrünungen die gleichzeitig billig sind, sind nicht schwer zu finden, das Problem wäre aber das alle Parks mehr oder weniger gleich aussehen würden da es sooviel Auswahl auch wieder nicht gibt.

Man müsste aber auch klar trennen zwischen einem kleinen Park zur Entspannung und Erholung und einem Kinderspielplatz oder einem Skaterpark.

Das nächste ist das ewige Problem Schallschutz und das ist ein Knackpunkt. Entweder der Schallschutz frisst viel Platz, oder er wird abartig teuer, und gut ist er noch lange nicht, gut funktionieren tut das ganze erst wenn es viel Platz braucht UND teuer ist.

Die große Gefahr besteht aber imo darin eine Sehnsucht überhaupt erst auszulösen. Wer jeden Tag an einer Burgerbude vorbeigeht und Burger mag der wird irgendwann auch zubeissen wollen und das Zubeissen würde bei deinem System entfallen.

Monger
2012-02-28, 11:34:00
Zum zweiten Punkt: das klingt so, als gäbe es einen fundamentalen Unterschied zwischen Schein und Sein.

Der Mensch ist halt nunmal ein ästhetisches Wesen. Streich die Wände schwarz, und die Menschen werden melancholisch. Streich sie rot, und sie werden aggressiv.

Auch wenn das unser heutigen mechanistischen Weltsicht widerspricht: Kunst ist wichtig. Menschen fühlen sich besser, wenn sie sich mit Dingen umgeben die ihre Fantasie anregen. Wie du schon sagst: manchmal reicht es, einen Baum zu pflanzen um das Gefühl zu vermitteln, dass man nicht mitten in einer stickigen Megametropole steckt.

Geht auch nicht nur um die "grüne Lunge", sondern jede Form von architektureller Vielfalt. Stell dir vor, du läufst durch ne Straße wo jedes Haus genau gleich aussieht. Manchmal sieht man das in Retortenstädten, oder in Kasernensiedlungen. Da kriegt man alleine vom Durchlaufen ja bereits Depressionen.

Ob das jetzt eine Illusion ist oder nicht, ist erstmal wurscht. Das daraus resultierende Gefühl ist echt.

Monger
2012-02-28, 11:48:27
Zum ersten Punkt: ich denke man muss aufpassen, dass man es nicht übertreibt. Allzu offensichtliche Lügen lassen den Intellekt wieder reinkicken, und verhindern die beabsichtigte Gefühlsregung.

Ich glaube, das ist auch unnötig. Man muss einen Park nicht bis ins letzte Detail imitieren, um das Gefühl eines Parks zu vermitteln. Möglicherweise spielt da auch das "Uncanny Valley" eine Rolle: wenn du eine Hecke, zwei Bäume und eine Parkbank hinstellst, ist alles okay. Sobald du ein Schild hinstellst "zum Park", wird offensichtlich dass du krampfhaft versuchst der Realität eines Parks nahe zu kommen, und die Illusion zerbricht.

Der Intellekt ist nicht so leicht zu überlisten. Am besten, man strapaziert den nicht unnötig, sondern konzentriert sich auf die Gefühlswelt.

aths
2012-02-28, 12:04:38
Ja, wie die Erinnerung an ein schönes Erlebnis – zum Beispiel ein Natur-Erlebnis in einem Park – ausgelöst wird, müsste man herausfinden. Wenn das überhaupt mit genügend großer Wirkung machbar ist. Falls das aber geht, dass Menschen (um beim Beispiel zu bleiben) angesichts ein paar grüner Bäume die Bäume stärker wahrnehmen als die vielen Häuser, bliebe die Frage, inwieweit so eine Stadtplanung ethisch vertretbar ist, da sie darauf beruht, das dass Wohlbefinden der Einwohner durch die Auslösung schöner Erinnerungen gesteigert wird.

Zum zweiten Punkt: das klingt so, als gäbe es einen fundamentalen Unterschied zwischen Schein und Sein.
Unsere Wahrnehmung vom Sein ist ein Konstrukt unserer Neuronen, damit wir uns in der Umwelt besser zurechtfinden. Evolution aus der Futtersuche heraus. Insofern ist das was wir als Sein wahrnehmen immer Schein und der fundamentale Unterschied fällt weg, da stimme ich dir zu.

Als wichtiges Unterscheidungsmerkmal zwischen Mensch und Tier sehe ich die Fähigkeit, natürliche Bedürfnisse zurückzustellen um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Das geht nur wenn er das "Sein", die Umwelt, anders wahrnimmt. Doch beliebig weit lässt sich das nicht treiben. Wäre es möglich, dass jeder Mensch an einem Bach wohnt und von Natur umgeben ist, wäre das glaube ich objektiv einer Stadt vorzuziehen.

Nun wäre schon eine Diskussion interessant, ob man mit der richtigen Tapete oder Beschichtung Holzwände simulieren sollte um den Eindruck, von Stein und Stahl umgeben zu sein, zu mindern, oder inwieweit Natursteinplatten und Büropflanzen den Alltag aufwerten. Dieses Topic geht eine Stufe weiter: Darf man die Welt so gestalten, dass sie durch das Abrufen schöner Erinnerungen lebenswerter wirkt?

aths
2012-02-28, 12:13:18
Die große Gefahr besteht aber imo darin eine Sehnsucht überhaupt erst auszulösen. Wer jeden Tag an einer Burgerbude vorbeigeht und Burger mag der wird irgendwann auch zubeissen wollen und das Zubeissen würde bei deinem System entfallen.
Tja, was hat größeren Nutzen oder Schaden. Nehmen wir an, zwischen zwei Neubaugebieten wird etwas Platz gelassen, eine Straße führt an einer blickdichten Baumreihe vorbei so dass man denkt, direkt am Wald langzufahren, und es gibt eine Stelle mit Blick auf eine Wiese die hinten ebenfalls vom Bäumen begrenzt ist, so dass der Effekt verstärkt mit, dass es hier genug Platz gibt. Lässt sich dann die Enge im Neubaugebiet besser oder schlechter aushalten? Was ist, wenn die Baumreihe an der Straße an einer Stelle nicht so blickdicht ist, so dass man in den vermeintlichen Wald reingucken kann, weil dort in etwas Abstand ebenfalls Bäume wachsen? Fühlt man sich erst Recht in Waldnähe oder ist man bloß enttäuscht, wenn man dieses Gebiet zu Fuß besucht und den Trick bemerkt?

Wenn es eine kleine Pferdekoppel gibt, so dass Mädchen ein Pferd striegeln und die Jungs auf einem Rundkurs reiten könnten, quengeln dann alle Kinder so dass es gar keinen Platz gibt, dem Andrang gerecht zu werden? Oder entlastet die Möglichkeit, ein paar Pferden beim Grasen zuzusehen oder sie auf einem Rundkurs zu reiten, oder auch mal striegeln zu dürfen, die Sehnsucht nach dem Prinzip: Jetzt gerade habe ich was anderes zu tun oder bin einfach zu faul hinzugehen, aber ich könnte ja? Löst ein echter Pferdekoppelbesuch den Drang aus, schnell und oft wiederzukommen, oder enstehen dabei schöne Erinnerungen die das Leben zwischen grauen Neubaublocks leichter machen? Kann Sehnsucht – nach Natur oder Abenteuer – den Alltag aufwerten, weil man sich in die Situation reinträumt, oder wird der Kontrast zum tatsächlichen Leben nur stärker?

Nehmen wir an, mit den richtigen Mitteln ließe sich ein positiver Effekt erreichen, so dass die Menschen konzentrierter arbeiten und weniger krank werden, aber sich auch einfach besser fühlen, obwohl ihnen eigentlich nur ein paar Brocken hingeworfen werden – ist das moralisch korrekt?

alkorithmus
2012-02-28, 13:17:11
Das Projekt Venus ist ja nicht neu - kommt aber nicht aus der Mode, einfach weil einige Ideen sehr reizvoll erscheinen. Dass dadurch die Menschen ein anderes "Glücklichsein" erreichen ist, zumindest für mich persönlich, keine Frage.

mercutio
2012-02-28, 13:17:35
Pflegeleichte Begrünungen die gleichzeitig billig sind, sind nicht schwer zu finden, das Problem wäre aber das alle Parks mehr oder weniger gleich aussehen würden da es sooviel Auswahl auch wieder nicht gibt.

Da kam neulich was in der Glotze, auf Arte oder 3Sat oder so - jedenfalls hat eine Professorin der Botanik in Sachen Garten- und Grünanlagen jahrelang geforscht und durch Kombination bestimmter Pflanzen Grünanlagen geschaffen, die kaum Pflege (zB wg. Schädlingen) brauchen und ohne künstliche Bewässerung auskommen. In Frankreich oder Belgien gibts schon den ein oder anderen Park, den ihr Team gestaltet hat.

@topic: Die Simulation von Natur kann vielleicht den ein oder anderen zufriedenstellen, aber nicht alle. Was nützt ein schöner Park, wenn man dort Verkehrslärm hört oder wenn es stinkt. Blickdichte Bereiche werden dazu noch gerne von zwielichtigen Gestalten genutzt, weshalb es die in vielen Parks nicht gibt.

Ich persönlich finde, dass man viel mehr Dächer in Städten begrünen sollte und dort den ein oder anderen "öffentlichen Park" einrichten könnte. Dächer gibts eigentlich genug in unseren Städten, aber wer soll das bezahlen... :confused:

Monger
2012-02-28, 13:42:28
Dieses Topic geht eine Stufe weiter: Darf man die Welt so gestalten, dass sie durch das Abrufen schöner Erinnerungen lebenswerter wirkt?
Ja, warum denn nicht?

Selbst wenn wir mal annehmen wir hätten eine moralische Pflicht zum Realismus: was genau heißt das eigentlich? Ist eine graue Häuserwand irgendwie korrekter als eine grün bemalte? Wer bestimmt, wie gut oder schlecht sich ein "normaler" Mensch zu fühlen hat?


Wäre es möglich, dass jeder Mensch an einem Bach wohnt und von Natur umgeben ist, wäre das glaube ich objektiv einer Stadt vorzuziehen.

Ich glaube, dass da viele Menschen anderer Meinung wären. Städte haben ihre ganz eigene Anziehungskraft. Das ist für einen modernen Menschen nicht mehr vorstellbar, aber früher lauerten vor den Stadttoren wilde Tiere und Räuber. In der Stadt herrschte relative Sicherheit, technischer Fortschritt und - wahrscheinlich am wichtigsten - man war nie allein.
Dementsprechend gehen Menschen raus in die Natur, wenn sie alleine sein möchten. Wenn sie Nähe suchen, stürzen sie sich ins Nachtleben in möglichst engen Räumen. Beides hat seine Berechtigung.

Ist ja auch nicht so, dass du die Menschen damit belügst. Du lässt ihnen damit nur die Wahl, sich selber in bestimmte Gefühlssituationen bringen zu können, wenn sie das denn wollen. Abwechslung ist hier das Stichwort.

sth
2012-02-28, 13:53:51
Ich persönlich finde, dass man viel mehr Dächer in Städten begrünen sollte und dort den ein oder anderen "öffentlichen Park" einrichten könnte. Dächer gibts eigentlich genug in unseren Städten, aber wer soll das bezahlen... :confused:
In New York gibt es ein interessantes Projekt in der Richtung:
http://www.thehighline.org/

Wurde zu Anfang auch eher skeptisch betrachtet (eigentlich sollte die Bahntrasse abgerissen und die Fläche als Bauland genutzt werden). Heute sieht die Situation aber ganz anders aus:
http://en.wikipedia.org/wiki/High_Line_(New_York_City)#Impact
The recycling of the railway into an urban park has spurred real estate development in the neighborhoods that lie along the line. Mayor Bloomberg noted that the High Line project has helped usher in something of a renaissance in the neighborhood: by 2009, more than 30 projects were planned or under construction nearby.
Crime has been extraordinarily low in the park. Shortly after the second section opened, The New York Times reported that there have been no reports of major crimes such as assaults or robberies since it opened.

soLofox
2012-02-28, 15:15:30
Ist es möglich, Menschen an eine eigentlich schönere Umgebung – hier das Beispiel mit dem Park – zu erinnern, so dass sie sich wohler fühlen? Und ist es zweitens ethisch vertretbar, auf "Mehr Schein als Sein" zu setzen indem Assoziationen an eine schönere Umwelt geweckt werden?


das ist meiner meinung nach sogar ohne parks oder ähnliches möglich.

1. keine nachrichten mehr lesen/schauen
2. in ein land wie schweden oder neuseeland ziehen.

ich bin hin und wieder mal in schweden und es ist ein traum. in verbindung damit, dass man sich komplett frei von nachrichten aus der welt macht und dann auch noch ländlich lebt, gibt es eigentlich nichts schöneres zum leben.

alles andere was mehr schein als sein ist, ist doch nach 10min im alltag wieder vergessen. entweder man liebt die großstadt und die menschen, oder nicht.

mal ganz abgesehen davon, dass man solche parks ständig beobachten muss, denn wieviele menschen werfen ihren müll einfach überall hin.

ich für meinen teil fühle mich schon wohler, wenn ich weniger nachrichten schaue und mir keine reportagen angucke. allerdings will ich mich irgendwie auch nicht vor der scheisse die auf der welt passiert verschließen, darum hänge ich mich teilweise trotzdem rein :)

aths
2012-02-28, 15:41:52
Wahrscheinlich habe ich mich im Originalposting etwas ungenau ausgedrückt. Die Diskussion, wie sich eine angenehmere Umgebung faken lässt, will ich hier nicht im Detail führen, das brachte ich ein, weil man unter dem ökonomischen Gesichtspunkt vermutlich "betrügen" muss, damit genug Menschen in den Genuss schöner Erinnerungen kommen. Nicht jeder kann sich einen Urlaub in Neuseeland oder auch nur in Schweden leisten.

Das Topic ist, ob man schöne Erinnerungen, wie zum Beispiel an Natur, ständig und mit genügend großer Wirkung aktivieren könnte, damit die durch diese Erinnerungen geprägten Menschen ihre ziemlich unnatürliche Umwelt akzeptieren. Und wenn ja, ob das überhaupt wünschenswert ist.

soLofox
2012-02-28, 15:46:11
ich meinte auch eher von auswandern, nicht urlaub :D

aths
2012-02-28, 15:54:23
Ja, warum denn nicht?

Selbst wenn wir mal annehmen wir hätten eine moralische Pflicht zum Realismus: was genau heißt das eigentlich? Ist eine graue Häuserwand irgendwie korrekter als eine grün bemalte? Wer bestimmt, wie gut oder schlecht sich ein "normaler" Mensch zu fühlen hat?
Aus meiner Sicht sind wir hier in einer bereits tief in eine moralische Debatte eingestiegen. Ethik (oder Moral) soll ja praktisch das Wohlbefinden von Menschen (oder allgemein von bewussten Lebewesen) optimieren. Also ohne zu wissen, *was* ein Mensch fühlen sollte, dürften wir uns einig sein, dass möglichst viele Menschen sich möglichst lange möglichst gut fühlen sollten. Wohlbefinden ist eine Erfahrung, abhängig davon was unsere Sinnesorgane aufnehmen und wie der Input im Gehirn verarbeitet wird. Auch wenn sich keine scharfen Kriterien aufstellen lassen, dürfte es objektiv bessere und schlechtere Wege geben, um ein höheres oder weniger hohes Wohlergehen zu schaffen. (Das behauptet zumindest Sam Harris.)

Wir haben glaube ich eine moralische Pflicht, unnötiges Leid zu vermeiden und Wohlergehen zu stärken. Im weiten Sinne gehört dazu auch die Lebensqualität in der Stadt. Zur Ethik-Frage komme ich gleich noch zurück.

Ich glaube, dass da viele Menschen anderer Meinung wären. Städte haben ihre ganz eigene Anziehungskraft. Das ist für einen modernen Menschen nicht mehr vorstellbar, aber früher lauerten vor den Stadttoren wilde Tiere und Räuber. In der Stadt herrschte relative Sicherheit, technischer Fortschritt und - wahrscheinlich am wichtigsten - man war nie allein.
Dementsprechend gehen Menschen raus in die Natur, wenn sie alleine sein möchten. Wenn sie Nähe suchen, stürzen sie sich ins Nachtleben in möglichst engen Räumen. Beides hat seine Berechtigung.

Ist ja auch nicht so, dass du die Menschen damit belügst. Du lässt ihnen damit nur die Wahl, sich selber in bestimmte Gefühlssituationen bringen zu können, wenn sie das denn wollen. Abwechslung ist hier das Stichwort.
Städte haben schon wegen der kurzen Wege ihre Vorteile. Die (gedankliche) Flucht in die Berge oder ans Meer ist sicherlich eine romantische Vorstellung, als Schafshirte oder Fischer möchte sicherlich kaum einer arbeiten. Nur kann man von einer Stadt ausgehend schlecht in die Natur fahren ohne größere Wege zurückzulegen.

Ich greife noch mal dein Stichwort "Pflicht zum Realismus" auf. Angenommen wir hätten eine Staatsform in der wir uns weitgehend frei fühlen und denken, dass es uns prima geht, während wir in Wahrheit von einer Oligarchie unterdrückt und mit Brosamen abgespeist würden. Das wäre zum Beispiel möglich, wenn genügend viele einer Ideologie oder Religion folgen, die den Aufbruch in eine strahlende Zukunft verheißt, so dass wir unser eigenlich karges Los ertragen und uns super fühlen, weil wir denken, dass wir ein tolles Werk erschaffen.

Reicht das bereits aus? Oder ist echtes Wohlbefinden wichtiger, selbst wenn wir dann zum Beispiel in einer Überflussgesellschaft leben und vieler Dinge überdrüssig sind? Man könnte die Frage auch präziser formulieren: Sollten wir unsere Lebensqualität nach Parametern wie Realeinkommen, Lebenserwartung, Gesundheit bemessen oder ist ein inneres Gefühl der Zufriedenheit höher zu bewerten, selbst wenn die materielle Existenz schlechter ist?

FeuerHoden
2012-02-28, 16:58:03
Nehmen wir an, mit den richtigen Mitteln ließe sich ein positiver Effekt erreichen, so dass die Menschen konzentrierter arbeiten und weniger krank werden, aber sich auch einfach besser fühlen, obwohl ihnen eigentlich nur ein paar Brocken hingeworfen werden – ist das moralisch korrekt?

Ist vl. nicht ganz Ontopic aber dazu fällt mir eine Aussage der japanischen Regierung wärend des Fukushima Unglücks ein. Die Aussage lautete sinngemäß: 'Man hält sich mit Informationen bedeckt um eine Panik zu vermeiden.' Das klingt überlegt und umsichtig, aber was heißt es? Dass Informationen vorlagen die eine Panik gerechtfertigt hätten? Die Aussage hat bewirkt dass weniger Panik ausgebrochen ist als ausgebrochen wäre wenn man den Bürgern die Wahrheit gesagt hätte. Der Clou an dem ganzen ist aber dass man es den Leuten quasi ins Gesicht gesagt hat und sie habens geschluckt obwohl sie sich ausrechnen konnten welche Aussage dahinter steckt.

War das moralisch korrekt? Das ist davon abhängig ob tatsächlich die befürchtete Panik ausgebrochen wäre oder ob es nur eine Ausrede war um das wahre Ausmaß der Katastrophe zu verheimlichen. Wissen tut das in meinem reellen und in deinem fiktiven Beispiel nur derjenige der dem anderen etwas 'vorlügt'. Und diese Tatsache allein ist moralisch zumindest bedenklich.

dreamweaver
2012-02-28, 17:05:27
Vielleicht liegt die Zukunft für die Städte ja in sowas:

Vertical Farming
http://science.howstuffworks.com/environmental/conservation/issues/vertical-farming.htm

Vertical Forest
http://ifitshipitshere.blogspot.com/2011/10/jolly-green-giants-metropolitan.html

Vertical Habitat (Sea Tree)
http://www.archdaily.com/199230/sea-tree-waterstudio-nl/sea-tree-1/
http://waterstudio.nl/projects/79#

Aber auch für solche "Bauten" muss in den Städten dann der Platz erstmal geschaffen werden.

mercutio
2012-02-28, 21:15:54
Das Topic ist, ob man schöne Erinnerungen, wie zum Beispiel an Natur, ständig und mit genügend großer Wirkung aktivieren könnte, damit die durch diese Erinnerungen geprägten Menschen ihre ziemlich unnatürliche Umwelt akzeptieren. Und wenn ja, ob das überhaupt wünschenswert ist.
Also das klingt für mich so: Wenn man im Esszimmer ne Großformat Wald-Tapete aufhängt, dann soll dies das Bedürnis nach echten Bäumen stillen?

Also für mich wärs nix. Ich brauche die echte Natur... :rolleyes:

Das New Yorker Projekt und die Waldhäuser in Mailand gefallen mir... sowas sollte viel öfter gemacht werden und wieder mehr Grün in die Städte gebracht werden.

Piffan
2012-02-28, 22:09:23
Ist vl. nicht ganz Ontopic aber dazu fällt mir eine Aussage der japanischen Regierung wärend des Fukushima Unglücks ein. Die Aussage lautete sinngemäß: 'Man hält sich mit Informationen bedeckt um eine Panik zu vermeiden.' Das klingt überlegt und umsichtig, aber was heißt es? Dass Informationen vorlagen die eine Panik gerechtfertigt hätten? Die Aussage hat bewirkt dass weniger Panik ausgebrochen ist als ausgebrochen wäre wenn man den Bürgern die Wahrheit gesagt hätte. Der Clou an dem ganzen ist aber dass man es den Leuten quasi ins Gesicht gesagt hat und sie habens geschluckt obwohl sie sich ausrechnen konnten welche Aussage dahinter steckt.

War das moralisch korrekt? Das ist davon abhängig ob tatsächlich die befürchtete Panik ausgebrochen wäre oder ob es nur eine Ausrede war um das wahre Ausmaß der Katastrophe zu verheimlichen. Wissen tut das in meinem reellen und in deinem fiktiven Beispiel nur derjenige der dem anderen etwas 'vorlügt'. Und diese Tatsache allein ist moralisch zumindest bedenklich.

Nein, ich sehe keine Bedenklichkeit. Es ist eher so: Die Regierung gibt zu, dass sie bewusst Infos zurückhält, um die Bevölkerung zu schonen. Diese wirklich offene Aussage zeigt dem Volk: Ja, die machen sich Gedanken zur offensichtlich üblen Situation und ja, wir sollten uns verdammt noch mal zusammenreißen, damit wir überhaupt eine Chance haben "GEMEINSAM" aus dem Schlammassel rauszukommen. Die Aussage ist eher ein Appell an die Besonnenheit der Menschen. Das Verhalten der Japaner zeigte ja, dass das gemeinsame Unterdrücken der Fluchtreflexe mehr wert ist als schonungslose Aufklärung, die im Falle einer Panik verheerende Folgen hätte. Da ich gerade beim Thema bin: Kotzt euch nicht der Boulevard- Journalismus an, der die Ängste der Bevölkerung hemmenungslos schürt, oder zum Hass anstachelt? Oder mit dem sie sich dreist ein Mitspracherecht beim Posten des Bundespräsidenten ergreift? Wäre Wulf ein Präsident von Gnaden der Springerpresse gewesen, wäre er noch im Amt.....Wir werden alle getäuscht und belogen, ob moralisch vertretbar oder nicht liegt einzig in der Intention des Täuschenden.

Um wieder OT zu werden: Sicher ist eine Täuschung moralisch vertretbar, die mehr Nutzen als Schaden stiftet. Wobei ich bei Kunst zur Steigerung des Wohlbefindens überhaupt keine Schäden erkennen kann, außer dass der Haushalt einer Kommune aus dem Lot gerät. :wink:

Ich versteht aths irgendwo nicht: Er sieht die wahrgenommene Welt als das Resultat von Sinnesreizungen und dem, was unser durch Evolution geschaffenes Hirn daraus konstruiert....warum dann die imho völlig unsinnige Frage nach der Moral? Die Moral selbst ist doch keine unabhängige Instanz, sie ist auch nur ein sich evolutionär entwickelnder Kodex. Sieht man doch am Dissenz zwischen der "aufgeklärten Welt" und den fanatisierten Islamisten.

Dicker Igel
2012-02-29, 00:44:36
Wäre es möglich, dass jeder Mensch an einem Bach wohnt und von Natur umgeben ist, wäre das glaube ich objektiv einer Stadt vorzuziehen.

Da gibt es aber imo ein grundsätzliches Problem.

Der moderne westlich zivilisierte Mensch sieht in dieser Beschreibung eine Idylle, aber in der Natur ist es das nicht immer. Man würde quasi mit diesen ganzen hier im Thread beschriebenen Anlagen scheinbare Natur scheinbar machen - denn wer will dann schon Wildschweine, Wölfe usw da herumlaufen haben? Das Bild der Natürlichkeit ist quasi schon völlig verquert. Die ethische Frage hätte man sich demnach schon viel früher stellen müssen.

aths
2012-03-02, 09:43:32
Da gibt es aber imo ein grundsätzliches Problem.

Der moderne westlich zivilisierte Mensch sieht in dieser Beschreibung eine Idylle, aber in der Natur ist es das nicht immer. Man würde quasi mit diesen ganzen hier im Thread beschriebenen Anlagen scheinbare Natur scheinbar machen - denn wer will dann schon Wildschweine, Wölfe usw da herumlaufen haben? Das Bild der Natürlichkeit ist quasi schon völlig verquert. Die ethische Frage hätte man sich demnach schon viel früher stellen müssen.
Bäume und Bäche sehen zu wollen, ist glaube ich nicht verquer. Menschen nutzen oder bauen sich seit längerem Unterkünfte zum Schutz. Ein Zurück zur Ursprünglichkeit im Sinne dass wir die Vorfahren nackt herumlaufen und Großwild jagen, will vermutlich keiner.

aths
2012-03-02, 09:49:53
Ich versteht aths irgendwo nicht: Er sieht die wahrgenommene Welt als das Resultat von Sinnesreizungen und dem, was unser durch Evolution geschaffenes Hirn daraus konstruiert....warum dann die imho völlig unsinnige Frage nach der Moral? Die Moral selbst ist doch keine unabhängige Instanz, sie ist auch nur ein sich evolutionär entwickelnder Kodex. Sieht man doch am Dissenz zwischen der "aufgeklärten Welt" und den fanatisierten Islamisten.
Ich vermute, dass sinnvolle Moral sich an objektiven Fakten ausrichtet. Diese sind nicht immer einfach zu finden. Meistens kann man auch nicht genau sagen, was gut ist, lediglich, ob etwas schlecht ist. Schlecht ist zum Beispiel alles was unnötig Leiden verursacht. Wie stark jemand oder eine Gruppe leidet, lässt sich durchaus feststellen, ebenso, inwieweit Maßnahmen das lindern.

Das Spannungsfeld was ich in Bezug auf das Topic sehe, ist, dass ich Maßnahmen vorschlage die primär darauf setzen, mit Erinnerungen, also Gehirnzuständen zu arbeteiten, anstatt wirklich viel zu ändern. Diese Wirklichkeit ist als für alle Lebewesen gültige Ausgangsbasis ja die Grundlage, sich überhaupt auf einen Konsens zu verständigen. Obwohl jeder von uns in seiner eigenen Welt lebt, bietet die Schnittstelle "Realität" genug objektive Fakten, dass sich die allermeisten von uns über viele Dinge einig sind.

Doch wie weit lässt sich das dehnen? Wären sich alle einig, dass man zum Beispiel mit meinem Parkvorschlag deutlich näher an der Natur lebe, ohne es wirklich zu sein, ist der Effekt des Wohlfühlens einer, der an der Realität nichts ändert, zu oft giftige Abgase einzuatmen. Daher die moralische Komponente.

Dicker Igel
2012-03-02, 11:47:24
Bäume und Bäche sehen zu wollen, ist glaube ich nicht verquer. Menschen nutzen oder bauen sich seit längerem Unterkünfte zum Schutz. Ein Zurück zur Ursprünglichkeit im Sinne dass wir die Vorfahren nackt herumlaufen und Großwild jagen, will vermutlich keiner.

Natürlich will das keiner, oder zieht es ins lächerliche weil man es vermutlich nicht versteht. Dies ist ja auch der Punkt, wenn man sich die moralische Frage stellt. Möchte man im Einklang mit einer Natur leben, sie quasi vor der Haustür haben, dann sollte man doch auch in Zukunft versuchen die restliche Natürlichkeit bestehen zu lassen, anstatt immer weiter in diese einzugreifen. Was früher eine Notwendigkeit war muss es Heute nicht sein, denn ansonsten würde man ja in der Hinsicht stillstehen bzw sich zurückentwickeln. Ich bin halt der Meinung, dass man auf der einen Seite Großstädte - welche mE nach sowieso nicht "artgerecht" sind - "begrünen" möchte, währenddessen man aber auf der anderen Seite den Rest vor die Hunde gehen läßt und sich anmaßt dabei noch über Moral zu sprechen. Das ist doch grotesk und höchst unlogisch.

Monger
2012-03-06, 20:36:34
Sollten wir unsere Lebensqualität nach Parametern wie Realeinkommen, Lebenserwartung, Gesundheit bemessen oder ist ein inneres Gefühl der Zufriedenheit höher zu bewerten, selbst wenn die materielle Existenz schlechter ist?
Um nochmal die Grundlage dazu aufzugreifen: eine Basis des Individualismus ist, dass niemand, auch der Staat nicht, wissen kann was gut für einen Menschen ist, was er braucht um glücklich zu sein.

Der Staat kann versuchen, Hindernisse aus dem Weg zu räumen, aber die Entscheidung muss von jedem Individuum erneut gefällt werden. Ein pluralistischer Staat erzwingt eben nicht entweder Weg A oder Weg B, sondern erkennt an, dass unterschiedliche Menschen auch unterschiedliche Bedürfnisse haben.

Deine Frage ist also eigentlich eine kulturelle Frage. Jeder von uns kann diese individuell beantworten, und eventuell zeigt sich da in der Gesamtheit dann eine gewisse Tendenz, aber es gibt darauf keine finale Antwort.


Ich persönlich glaube, dass wir nach wie vor ein sehr mechanistisches Weltbild haben. Wir messen unsere Gesellschaft am BIP, unsere Zukunftsfähigkeit an der Menge der registrierten Patente. Wir (naja, viele) glauben dass die Geburtenrate am Kindergeld hängt, und die Gesundheit an der Kalorientabelle. Kunst ist das was im Museum hängt, und nicht etwa im eigenen Wohnzimmer.

Kurz: ich denke, wir glauben alle viel zu sehr an Zahlen. Ein Lebensgefühl lässt sich nicht messen, und auch nicht vergleichen. Es ist unmöglich vorherzusagen ob dieses oder jenes die breite Masse an Menschen glücklicher machen würde. Das weiß man erst wenn man es ausprobiert hat.

FeuerHoden
2012-03-06, 21:14:34
Um wieder OT zu werden: Sicher ist eine Täuschung moralisch vertretbar, die mehr Nutzen als Schaden stiftet. Wobei ich bei Kunst zur Steigerung des Wohlbefindens überhaupt keine Schäden erkennen kann, außer dass der Haushalt einer Kommune aus dem Lot gerät. :wink:


Moralisch bedenklich daran finde ich dass das Ausmaß, die Schwere, die Größe der Täuschung für den getäuschten nicht ersichtlich ist. Alleine die Legitimation einer berechtigen Täuschung dieser Art eröffnet die unüberprüfbare Möglichkeit einer unberechtigten Täuschung. Deswegen schrieb ich moralisch bedenklich.

An aths Beispiel sehe ich das Problem im Motiv. Man will eine begründete Unzufriedenheit billig in Zaum halten. Das klingt für mich mehr nach gut gemeinter Symptombekämpfung um sich aus tiefer gehenden Problemlösungen herauszukaufen. Das ist, etwas weiter ausgeholt, nichts anderes als die historisch belegte billige Herrschaft der wenigen über viele. Brot und Spiele, und aths Beispiel passt in dieses Konzept.
Will man Zufriedenheit um der Zufriedenheit wegen oder um Probleme größeren Ausmaßes zu verschleiern welche Ausdruck der Diskrepanz zwischen den Wünschen der vielen armen und den wenigen reichen sind?

Egal was das Motiv ist, die potenziellen negativen Möglichkeiten werden immer griffbereit sein für diejenigen die zum eigenen Vorteil davon Gebrauch machen wollen.

Ich hoffe das war jetzt nicht alles OT. :)

aths
2012-03-07, 12:20:04
Um nochmal die Grundlage dazu aufzugreifen: eine Basis des Individualismus ist, dass niemand, auch der Staat nicht, wissen kann was gut für einen Menschen ist, was er braucht um glücklich zu sein.
Warum nicht? Es ist größtenteils bekannt was der Mensch braucht. Auch wenn man sich in Details streiten kann, besteht sicherlich Einigkeit darin dass eine Stadt die ihr Kohlekraftwerk im Zentrum baut und so die Luft verschmutzt, weniger glückliche Menschen hat als dieselbe Stadt dessen Kraftwerk sauber arbeitet.

Der Staat kann versuchen, Hindernisse aus dem Weg zu räumen, aber die Entscheidung muss von jedem Individuum erneut gefällt werden. Ein pluralistischer Staat erzwingt eben nicht entweder Weg A oder Weg B, sondern erkennt an, dass unterschiedliche Menschen auch unterschiedliche Bedürfnisse haben.

Deine Frage ist also eigentlich eine kulturelle Frage. Jeder von uns kann diese individuell beantworten, und eventuell zeigt sich da in der Gesamtheit dann eine gewisse Tendenz, aber es gibt darauf keine finale Antwort.
Dem stimme ich zwar zu, finde aber, dass wir das ausloten sollten was möglich ist. Man könnte zum Beispiel darüber nachdenken und austesten, welche Höhe von Häusern optimal ist und welche Farbe sich am besten auf unser Gemüt auswirkt. Das bliebe zwar ein Kompromiss, aber das Gesamtwohlbefinden ließe sich sicherlich steigern.

Wo und wie sollten Straßen langführen? Wie sollte der öffentliche Nahverkehr geregelt sein? Überlässt man das einfach Wirtschaftsunternehmen, führt das nicht unbedingt zum Optimum. Wie viele Eingriffe von außen sind wir bereit, hinzunehmen? Ist es akzeptabel, zum Beispiel 10% mehr staatliche Vorschriften hinzunehmen, wenn trotz der Eingriffe das Wohlbefinden um 15% steigt?

Ich persönlich glaube, dass wir nach wie vor ein sehr mechanistisches Weltbild haben. Wir messen unsere Gesellschaft am BIP, unsere Zukunftsfähigkeit an der Menge der registrierten Patente. Wir (naja, viele) glauben dass die Geburtenrate am Kindergeld hängt, und die Gesundheit an der Kalorientabelle. Kunst ist das was im Museum hängt, und nicht etwa im eigenen Wohnzimmer.

Kurz: ich denke, wir glauben alle viel zu sehr an Zahlen. Ein Lebensgefühl lässt sich nicht messen, und auch nicht vergleichen. Es ist unmöglich vorherzusagen ob dieses oder jenes die breite Masse an Menschen glücklicher machen würde. Das weiß man erst wenn man es ausprobiert hat.
Auch dem stimme ich zu, aber sehe es ebenfalls nicht als Endpunkt. In Grenzen können wir Dinge vorhersagen. Mit Forschung ließe sich die Vorhersage sicherlich auch verbessern. Da wir unsere Kraft (Wirtschaftsleistung) sinnvoll einsetzen wollen, brauchen wir auch eine möglicht gute Vorhersage, was welche Maßnahmen bringen. Würden wir jeden Menschen für sich entscheiden lassen, blieben viele Synergien ungenutzt.

aths
2012-03-07, 12:21:33
Natürlich will das keiner, oder zieht es ins lächerliche weil man es vermutlich nicht versteht. Dies ist ja auch der Punkt, wenn man sich die moralische Frage stellt. Möchte man im Einklang mit einer Natur leben, sie quasi vor der Haustür haben, dann sollte man doch auch in Zukunft versuchen die restliche Natürlichkeit bestehen zu lassen, anstatt immer weiter in diese einzugreifen. Was früher eine Notwendigkeit war muss es Heute nicht sein, denn ansonsten würde man ja in der Hinsicht stillstehen bzw sich zurückentwickeln. Ich bin halt der Meinung, dass man auf der einen Seite Großstädte - welche mE nach sowieso nicht "artgerecht" sind - "begrünen" möchte, währenddessen man aber auf der anderen Seite den Rest vor die Hunde gehen läßt und sich anmaßt dabei noch über Moral zu sprechen. Das ist doch grotesk und höchst unlogisch.
Es geht in meinem Beispiel nicht darum, den Rest vor die Hunde gehen zu lassen.



Moralisch bedenklich daran finde ich dass das Ausmaß, die Schwere, die Größe der Täuschung für den getäuschten nicht ersichtlich ist. Alleine die Legitimation einer berechtigen Täuschung dieser Art eröffnet die unüberprüfbare Möglichkeit einer unberechtigten Täuschung. Deswegen schrieb ich moralisch bedenklich.

An aths Beispiel sehe ich das Problem im Motiv. Man will eine begründete Unzufriedenheit billig in Zaum halten. Das klingt für mich mehr nach gut gemeinter Symptombekämpfung um sich aus tiefer gehenden Problemlösungen herauszukaufen. Das ist, etwas weiter ausgeholt, nichts anderes als die historisch belegte billige Herrschaft der wenigen über viele. Brot und Spiele, und aths Beispiel passt in dieses Konzept.
Will man Zufriedenheit um der Zufriedenheit wegen oder um Probleme größeren Ausmaßes zu verschleiern welche Ausdruck der Diskrepanz zwischen den Wünschen der vielen armen und den wenigen reichen sind?

Egal was das Motiv ist, die potenziellen negativen Möglichkeiten werden immer griffbereit sein für diejenigen die zum eigenen Vorteil davon Gebrauch machen wollen.

Ich hoffe das war jetzt nicht alles OT. :)Dein Beispiel geht eine Stufe weiter, aber passt in die Fragestellung dieses Threads. Wenn wir eine Gesellschaft haben in der die Menschen glauben dass es ihnen gut geht, obwohl sie in Wahrheit für den Wohlstand von wenigen Leuten schuften, ist das akzeptabel? Worin liegt der Unterschied zwischen arm und reich? In unserem Land geht es den meisten Armen deutlich besser als den Armen in Dritte-Welt-Ländern. Kann man daher verlangen dass unsere Armen ihr Los akzeptieren sollen? Besteht für die weniger Armen eher die Verpflichtung, zu helfen, dass sich Dritte-Welt-Länder entwickeln oder eher, dass es in unserem Land besser aussieht?

Ist es moralisch verwerflich, unseren Armen zu demonstrieren dass sie durch die Gnade des Geburtsortes deutlich besser leben als in anderen Ländern, so dass sie nicht aufmucken und wir unser Geld für unseren eigenen Wohlstand nutzen können? Ist es okay wenn ein Arbeitsloser in einer Talkshow von jemandem einen Job vermittelt bekommt, so dass unser Gewissen nicht von diesem Einzelschicksal geplagt wird und wir weiterhin das breite Elend, das aber im Fernsehen nicht vorkommt, akzeptieren?

Auf der anderen Seite leben wir direkt so, dass wir später von Erinnerungen profitieren. Ein schönes Fest zum Beispiel, wo man wieder mal mit seinen alten Freunden zusammen war, ersetzt als Erinnerung ein regelmäßigeres Treffen.


Ich will aber noch mal zum Eingangsbeispiel mit dem Park zurück. Angenommen man würde das umsetzen, in Städte wesentlich mehr Grün zu bringen und könnte damit die Stimmung von Menschen heben, dann muss das ja nicht heißen dass dieses Zufriedenheitsplus als Herrschaftsinstrument genutzt wird. Weniger griesgrämige Menschen schauen hoffentlich optimistischer in die Zukunft und trauen sich mehr zu. Wer sich gestärkt fühlt, packt möglicherweise eher was an.

Dafür kann man glaube ich auch ein Zerrbild der Natur in Kauf nehmen. Aus Platzgründen würden wir dann von kleinauf an eher kleine Wäldchen gewöhnt, an Baumreihen die nur zwei oder drei Bäume tief sind, an optische Tricks mit Hecken um eine Tiefe des Grüns vorzutäuschen die baulich nicht gegeben ist. Hinter dem Haus in dem ich wohne ist ein kleiner künstlich angelegter Teich, der mit einigen Tricks aufgepeppt wurde. So gibt es einen Kai, einen aufgestellten Rettungsring und es gibt mehrere weitere Stellen an das (ansonsten bewachsene und nicht betretbare) Ufer zu kommen. So wird diese Pfütze zum kleinen See aufgeblasen.

Spasstiger
2012-03-07, 16:17:13
Schöner ist es natürlich, wenn diese Grünanlagen historisch gewachsen sind und seit jeher zum Stadbild gehören. An "meiner" Stadt Stuttgart sehe ich das ganz gut. Ich kann mich von daheim aus (20 km nordwestlich von Stuttgart) fast durchgängig über Felder, Grünflächen und Parkanlagen bis ins Zentrum von Stuttgart bewegen. Vom Killesberg über den Rosensteinpark und die Schlossgärten bis zum Schlossplatz muss man kein einziges Mal den Weg mit PKWs oder LKWs teilen. Stuttgart 21 treibt da jetzt leider erstmal für einige Jahre einen Keil dazwischen und zerstört ein Stück von Stuttgarts Historie, weswegen ich die Parkschützer schon halbwegs verstehen kann. Wobei ich insgesamt kein Projektgegner bin, da ich die Nachteile des jetzigen Kopfbahnhofs selbst miterlebe.

Grundsätzliche finde ich einen "Fake"-Park aber immer noch besser als gar keinen Park. Ich persönlich könnte mir nicht vorstellen, irgendwo zu wohnen, wo ich nicht binnen 5 Minuten in der Natur bin. Die riesigen Großstadtmoloche in Asien und Südamerika, wo jeder freie Quadratmeter für Wohnungen/Slums oder Straßen genutzt wird, wären gar nix für mich

Cyphermaster
2012-03-07, 16:33:09
Ich vermute, dass sinnvolle Moral sich an objektiven Fakten ausrichtet.Nicht wirklich, sonst könnte man eine "absolute Moral" definieren. Grade das geht aber nicht. Manchmal ist es einfach, weil man objektive Fakten hat, aber eben beileibe nicht immer.
Doch wie weit lässt sich das dehnen? Wären sich alle einig, dass man zum Beispiel mit meinem Parkvorschlag deutlich näher an der Natur lebe, ohne es wirklich zu sein, ist der Effekt des Wohlfühlens einer, der an der Realität nichts ändert, zu oft giftige Abgase einzuatmen. Daher die moralische Komponente.Ich denke, es ist die Frage, ob man die Leute belügt, die dem Ganzen zu Grunde liegt. Es spricht in meinen Augen nichts dagegen, sich als Mensch die Umgebung so zu gestalten, wie man sich in ihr am Wohlsten fühlt. Dinge werden im Umkehrschluß nicht automatisch "realer", wenn sie sie "unangenehmer" in ihrer Wahrnehmung gestaltet werden.

Wo diese moralisch kritische Grenze zwischen einem angenehmen Gestalten der Realität und dem zielgerichteten Erwecken einer Fehleinschätzung liegt, das ist dann wieder nicht so leicht zu sagen. Erst Letzteres wäre meiner Meinung nach "Mehr Schein, als Sein" im strengen Sinne.

aths
2012-03-13, 17:12:57
Nicht wirklich, sonst könnte man eine "absolute Moral" definieren. Grade das geht aber nicht. Manchmal ist es einfach, weil man objektive Fakten hat, aber eben beileibe nicht immer.
Sagen wir so: In jeder Situation gibt es eine beste Möglichkeit, oder mehrere gleich gute beste Möglichkeiten. Was das Beste ist, lässt sich nicht immer bestimmen, da wir zu wenig wissen. Wir werden wohl nie dahin kommen, immer die beste Möglichkeit zu bestimmen. Doch es gibt eine optimale Antwort auf jedes Problem. Dass wir sie nicht kennen heißt nicht dass alle Ansichten gleichwertig sind. Daher hielte ich es für sinnvoll, die besseren Möglichkeiten zu bevorzugen. Statt einer absoluten, einzeln ausformulierten Moral könnte man zu einer objektiv begründbaren Moral kommen wobei die besseren oder schlechteren Optionen auch verifizierbar oder falsifizierbar sind.

Ich denke, es ist die Frage, ob man die Leute belügt, die dem Ganzen zu Grunde liegt. Es spricht in meinen Augen nichts dagegen, sich als Mensch die Umgebung so zu gestalten, wie man sich in ihr am Wohlsten fühlt. Dinge werden im Umkehrschluß nicht automatisch "realer", wenn sie sie "unangenehmer" in ihrer Wahrnehmung gestaltet werden.

Wo diese moralisch kritische Grenze zwischen einem angenehmen Gestalten der Realität und dem zielgerichteten Erwecken einer Fehleinschätzung liegt, das ist dann wieder nicht so leicht zu sagen. Erst Letzteres wäre meiner Meinung nach "Mehr Schein, als Sein" im strengen Sinne.
Ich würde die Grenze hier gar nicht mal an der Absicht des Stadtplaners / Parkbauers ziehen. Bestünde ein zynischer politischer Wille, der Bevölkerung Wohlstand vorzugaukeln, wobei dieses von der Bevölkerung durchschaut wird, bliebe immerhin der Park. Der bliebe auch dann, wenn diese Absicht nicht durchschaut wird. Wenn nebenbei Betriebe die Luft verpesten, und dies angesichts des Grüns nicht wahrgenommen wird von den umliegenden Bewohnern, wäre das ein separater Fall, der unmoralisch wäre.

In meinem Beispiel wird eine verzerrende Umweltwahrnehmung bewusst in Kauf genommen. Der Städter bekäme ein falsches Bild von der Natur, und der Anreiz sinkt für ihn, wirklich mal rauszufahren.



Schöner ist es natürlich, wenn diese Grünanlagen historisch gewachsen sind und seit jeher zum Stadbild gehören. An "meiner" Stadt Stuttgart sehe ich das ganz gut. Ich kann mich von daheim aus (20 km nordwestlich von Stuttgart) fast durchgängig über Felder, Grünflächen und Parkanlagen bis ins Zentrum von Stuttgart bewegen. Vom Killesberg über den Rosensteinpark und die Schlossgärten bis zum Schlossplatz muss man kein einziges Mal den Weg mit PKWs oder LKWs teilen. Stuttgart 21 treibt da jetzt leider erstmal für einige Jahre einen Keil dazwischen und zerstört ein Stück von Stuttgarts Historie, weswegen ich die Parkschützer schon halbwegs verstehen kann. Wobei ich insgesamt kein Projektgegner bin, da ich die Nachteile des jetzigen Kopfbahnhofs selbst miterlebe.

Grundsätzliche finde ich einen "Fake"-Park aber immer noch besser als gar keinen Park. Ich persönlich könnte mir nicht vorstellen, irgendwo zu wohnen, wo ich nicht binnen 5 Minuten in der Natur bin. Die riesigen Großstadtmoloche in Asien und Südamerika, wo jeder freie Quadratmeter für Wohnungen/Slums oder Straßen genutzt wird, wären gar nix für mich
Ich sehe leider manchmal, dass in der Nähe in der ich wohne, Wiesen bebaut werden. Eine Grünfläche finde ich entlastend im Häuermeer, dass es eben flach ist so dass man nicht nur die Straßenschluchten hat um nicht direkt auf eine Wand zu gucken.

Wenn ein Neubaugebiet geplant wird, setzt man ja oft auf der Hochseite einen Rasen und drei, vier Bäume. Das ist besser als nichts, mir aber noch nicht genug. Da der Platz begrenzt ist und in einer Stadt ja auch gerade kurze Wege als Vorteil gelten, müsste man dann überlegen, wie sich ein möglichst grüner Eindruck möglichst platz- und kostensparen umsetzen ließe.

Leider bliebe wohl zu wenig Raum, um Kindern einen speziellen Abenteuer-Raum zu bieten so dass sie sich nicht immer auf den gleichen Spielplätzen sehen, oder Liebespaaren ihren Baum, unter dem sie sich küssen. Parks und angrenzende, dünn gehaltene Park-Simulationen müssten auf Durchsatz optimiert sein, wenn man den Gesamteffekt pro eingesetztem Euro maximieren möchte.

Cyphermaster
2012-03-13, 20:27:50
Statt einer absoluten, einzeln ausformulierten Moral könnte man zu einer objektiv begründbaren Moral kommen wobei die besseren oder schlechteren Optionen auch verifizierbar oder falsifizierbar sind.Das funktioniert nicht ohne Glaskugel. Wir können nur auf Basis des aktuellen Wissenstandes agieren, und wir können nicht z.B. die "Top3" der Optionen gleichzeitig wählen, sondern immer nur eine. Haben wir diese gewählt, wissen wir dann am Ende zwar möglicherweise, wie gut diese schlußendlich gewesen ist - aber da wir die Ergebnisse der anderen Optionen, die wir ja nicht abschätzen können, ohne sie gewählt und angewandt zu haben, eben mangels ihrer Anwendung immer noch genausowenig verläßlich haben wie vorher, können wir auch retrospektiv nicht wissen, ob eine andere Entscheidung besser gewesen wäre, oder nicht.
In meinem Beispiel wird eine verzerrende Umweltwahrnehmung bewusst in Kauf genommen. Der Städter bekäme ein falsches Bild von der Natur, und der Anreiz sinkt für ihn, wirklich mal rauszufahren.Eine bewußt herbeigeführte oder bewußt in Kauf genommene falsche Einschätzung ist imho Betrug, da sie mündige Entscheidungen der Personen aktiv aushebelt/sabotiert. Da könnte man genauso gut propagandistisch organisiert der Bevölkerung vorgaukeln, es gäbe keine negativen Folgen von Radioaktivität, damit sich die Leute wohler mit AKWs und Zwischenlagern fühlen - das wäre ebenfalls eine positiv verzerrte Umweltwahrnehmung.

PET
2012-03-13, 21:09:40
Hm, schwierig.
Auf der einen Seite hat man natürlich wenig gegen Verbesserung von Umwelt und Lebensraum. Ich glaube aber, hier werden zwei Themen miteinander vermischt. Das eine ist aktive Gestaltung von Lebensraum. Das andere Suggestion von Dingen die zwar den Eindruck von "Natur" erwecken, aber faktisch kaum oder nur zum Teil zutreffen bei einem direkten Vergleich.

Eigentlich ist in diesem Zusammenhang der Begriff "Natur" nicht richtig.
Wenn man Pflanzen bewusst nach Plan und mit Maß platziert, ist es eine Kulturlandschaft und keine Naturfläche. Bei einem Park sind wirkliche Naturflächen meist jene, die "ordentlich" geschnitten werden oder aber ganz vermieden werden wollen. (Wildwuchs)

Als extremes Beispiel, der Japan-Garten. Optisch schmeichelt er sehr dem Auge, durch Formen, Farben und Raumteilung. Natur spielt aber hier eine untergeordnete Rolle. Der artifizielle Faktor überwiegt nur nicht, wenn er gut angelegt wurde, was bei vielen Parks allerdings aus Kostengründen nicht funktioniert bzw. nicht erreicht wird.

Menschen durch Illusion zufriedener zu machen, halte ich für sehr bedenklich, wenn nicht sogar für gefährlich. Denn man entmündigt ja im Prinzip den Rezipienten, da man ihn um den Erkenntnisprozess betrügt.
Wo sind denn da Grenzen gesetzt? Ich sehe keine, da die Machtgier einiger Menschen ebenfalls grenzenlos ist.
Menschen nicht nur durch Design im täglichen Leben zufriedener zu machen, sondern vielleicht auch auf Neuro/chemischer Ebene?
Wäre eine Massendroge gut, die alle negativen Gefühle unterdrückt..
Im Endeffekt braucht es nur gezielter Manipulation der Emotionen und Gefühle. Bringt man diese unter vollständige Kontrolle, ja dann sind wir in der Tat nur noch umherlaufende biochemische Reaktoren.

Das ist passive Gewalt, nichts anderes und das hat wenig mit Gestaltung von Lebensraum, noch mit Kunst zu tun. Es gibt bereits genug von diesen Dingen und man sollte darauf achten, dass es nicht überhand nimmt.

Schaut doch mal genauer hin, Ferienparks, Hotelbunker an Hotelbunker in den typischen Urlaubszielen.. Shoppingmalls, die heimlichen Tempel des radikalen Kapitalismus, Werbung, Marketing... worauf zielen diese Dinge im Kern?
Auf eure Emotionen und Gefühle, nichts anderes!
Ist dort ein verantwortungsvoller Umgang mit solchen Dingen zu sehen?
Nein!

Nun stellt sich doch die Frage in wie weit es gut sein kann, die eigenen Emotionen und Gefühle dauerhaft künstlich zu beeinflussen..(oder sich manipulieren zu lassen)
was macht das mit der Psyche und dem Menschen?
Ganz besonders wenn es keine(wenig) Ausweichmöglichkeit gibt, sich dieser Art der Manipulation zu entziehen..
Bsp.:
Junge Mädchen verknüpfen Mager-Models auf Werbeflächen mit ihren eigenen Identitäten und sehen es als gesellschaftliche Vorgabe so ausehen zu müssen. Ist das moralisch und ethisch vertretbar?

Was macht Menschen wirklich zufrieden, und was nicht?
Gibt es so etwas wie Grundbedürfnisse?

Unsere Gesellschaft ist in vielen Bereichen übersättigt und mit Illusionen gespickt. Einige glauben daran weil sie es wollen, andere weil sie es nicht besser wissen können. Glücklich sind die Igonoranten, Dummen und Blinden oder wie? Worauf soll das hinaus laufen?

Dicker Igel
2012-03-15, 22:41:12
Eben - ich sehe das genauso :)