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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ich versteh die Coens nicht mehr!


Crazy_Borg
2012-09-23, 20:39:30
OK, mit diesem Thread mach ich mir jetzt 'ne Menge Feinde, aber vielleicht versteht mich ja jemand. Oder klärt mich auf, weil ich irgendwo etwas übersehen habe. Also dann...

Damals(tm), konnte ich jeden Ethan/Joel Coen anschauen ohne Bedenken zu haben. In die Zeitung geschaut -> ist von den Coens -> 1,5 - 2 Stunden gute Unterhaltung garantiert.
Sei es Fargo, Brother where are thou?, Hudsucker oder the Big Lebowski. Alles Meisterwerke, zum Großteil wegen seinem entweder hintergründigen, schrägen oder schwarzem/ätzenden Humors.
Obwohl kein Film wie der andere war, sah man jedem Film ihre Handschrift an.
Erster "kleiner" Schlag war Ladykillers. Da stimme irgendwas nicht. Das schräge Ensemble zog ganz gut, aber irgendwie fehlte das gewisse etwas. Na gut, dachte ich mir. Ist ein typisches Remake, und das Original ist so genial, da kamen sie halt nicht drüber. Hat jeder mal einen schlechten Tag/Film. Dennoch ein sehr gut anschaubarer Film.

Und dann kam der KO: No country for old men.
Ich hasse diesen Film. Er hat reihenweise Oscars bekommen, millionen Leute lieben ihn. Und ich bin wahrscheinlich der einzige weltweit der ihn NICHT mag. Wieso?
Es war der erste Coen Film der war nicht das war was ich erwartet hatte.
Humor? So gut wie null. Ein paar im Auge des Betrachters (etwa wenn der Sheriff mit seinem Deputy über die Mordwaffe rätselt und im nächsten Moment besagtes Bolzenschussgerät erwähnt wird ohne einen Zusammenhang herzustellen). Ansonsten Fehlanzeige. Ich habe keinen schwarzen Humor gefunden. Blood Simple z.B. war oberflächlich auch nicht besonders lustig, aber es triefte vor schwarzen Humor (böse Leute die bekamen was sie verdienten, Ironische Momente, die "sprechende" Leiche, etc...)
"No country for old men" bot mir nichts. Alle Charaktere waren mir durch die Bank unsympathisch. Soll ich mich mit dem blutrünstigen Killer anfreunden???
Der nervte mich total. Wie schon Sylar in Heroes (ich hab nur Staffel 1 gesehen...) war er derjenige dem ich die Pest an den Hals wünschte. Der "Held" war auch nicht viel besser. Er redete kaum (musste er ja auch nicht), aber deswegen war er mir total egal. Als er tot war dachte ich nur "wie, und jetzt immer noch 45 Minuten Film über?"
Auch die anderen Charaktere taten NICHTS, um auch nur irgendwie im Gedächtnis zu bleiben. Tommy Lee Jones wirkt so, als wolle er nur einen Gehaltsscheck abholen. OK, das passt 100% zu seinem Charakter, aber "bitte?" Man hat Tommy Lee Jones in seinem Film und lässt ihn lustlos rumsitzen?
Der Film lief allen meinen Erwartungen zuwider.
1.) Der Held sollte ein paar Kämpfe mit dem Bösewicht haben und nur einer sollte daraus als Sieger hervorgehen. -> Nein, Held wird off-screen gekillt. Von einer komplett anderen Partei.
2.) Der Bösewicht sollte für seine Taten bekommen was er verdient (Karma und so) -> Nein, er hat dauernd Glück und überlebt auch noch den Crash am Ende. Ein Wunder dass er nicht auch noch die Kinder am Ende gekillt hat.
3.) Tommy Lee Jones sollte sich zumindest an die Fersen des Bösewichts heften -> Äh, nein. Kaffeetrinken und überall auftauchen wenns schon zu spät ist

Soll das der ganze Witz sein? Dass der Film jeglicher Hollywood Konformität entgegenläuft? Ich meine ja, 08/15 Filme die sich sklavisch an immer den selben Ablauf halten sind auch langweilig, aber so?
Schön gefilmt ist er ja, und Javier Bardem sowie Josh Brolin spielen hervorragend. Aber rettet das den Film? Nein.
Ich muss auch zugeben, ich kenne das Buch nicht.

Da habe ich Coen Filme erstmal gemieden. Ein Freund empfahl mir " A serious man", aber den habe ich mir noch nicht angeschaut. Sein Filmgeschmack läuft meinem manchmal zuwider. :rolleyes:
Letztens kam "Burn after reading" im TV. Juhuu, eine Komödie dachte ich.
Und hab nach einer Stunde abgestellt. Ich habs nicht ausgehalten. Ein plattes, unwitziges, unerträgliches Gehampel. Zwar schön gegen den Strich besetzt (Besonders Brad Pitt als Fitnesstrainer), aber nur Leute bei inkompetenten Handlungen zu verfolgen (Schadenfreude? Eher Fremdschämen!), nee also wirklch. Was ist nur los?
Bei The Big Lebowski funktionierte das hervorragend (dumme Leute tun Dummes und müsse dann die dummen Konsequenzen ertragen), aber hier fehlt vollkommen "der Funke".
Mach ich jetzt was falsch, oder die? :frown:

Lyka
2012-09-23, 20:44:56
ich mag die Filme der Coens, die alten lieber als die neuen, ja... No Country finde ich als Buch z.B. richtig geil, als Film recht nett... Burn after Reading war auch für mich sehr nett^^ allein die Wandschrankszene^^... dafür finde ich z.B. Fargo blöd und langweilig :| (dafür ist Millers Crossing für mich DER Mafiafilm ;D)

aufkrawall
2012-09-23, 21:12:03
Geht mir ähnlich@TO.
Fargo ist sicherlich Geschmackssache, hat mir persönlich aber gut gefallen. *Sal-be* :freak:

Lv-426acheron
2012-09-24, 00:02:30
"Fargo" fand ich sehr, sehr gut. Auch zuletzt "True Grit" war typischer Coen Film in meinen Augen. Ich weiss nicht, aber für mich sinds sie nachwievor gute Geschichten Erzähler. Das zeichnet ihre Filme ja aus.

Matrix316
2012-09-25, 09:13:36
Also mir gehts da ähnlich. True Grit fand ich genauso nichtssagend wie No Country for Old Men. Wobei Burn after Reading fand ich OK. Der hatte wenigstens noch Humor.

MadManniMan
2012-09-25, 09:57:21
Lange bevor ich "No Country ..." gesehen hatte, dachte ich über einen Film nach, der lange Zeit den üblichen Verwicklungen folgt, wie man sie gewohnt ist -- und plötzlich wird der Hauptdarsteller wegen Unvorsicht von einem Bus überfahren und aus is. Ich fand das immer ganz reizvoll -- dieser Bruch mit den Sehgewohnheiten, das Erhalten der Situation, die er zu lösen aufgebrochen war.

Ganz normales Leben halt.

Dann sah ich "No Country ..." und fand meine Idee ganz plötzlich total doof. Müsste ich mich erst daran gewöhnen? Oder funktioniert so etwas einfach per se nicht?

clm[k1]
2012-09-25, 11:04:34
Lange bevor ich "No Country ..." gesehen hatte, dachte ich über einen Film nach, der lange Zeit den üblichen Verwicklungen folgt, wie man sie gewohnt ist -- und plötzlich wird der Hauptdarsteller wegen Unvorsicht von einem Bus überfahren und aus is. Ich fand das immer ganz reizvoll -- dieser Bruch mit den Sehgewohnheiten, das Erhalten der Situation, die er zu lösen aufgebrochen war.

Ganz normales Leben halt.

Dann sah ich "No Country ..." und fand meine Idee ganz plötzlich total doof. Müsste ich mich erst daran gewöhnen? Oder funktioniert so etwas einfach per se nicht?

Vielleicht sollte man bei der Diskussion ein Spoiler Warning setzen.


Nun zum Inhalt:
Kann funktionieren - muss aber nicht. Hängt sicher auch davon ab, wie der Film aufgezogen wird. Bei "No Country..." wird vermutlich deshalb nicht der Fokus auf den "Hauptprotogonisten" gelegt. Und die eher spärlichen Dialogzeilen sind vermutlich ebenfalls dem geschuldet. Wenn man den Zuschauer erst eine, sagen wir "emotionale Bindung" zur Hauptfigur aufbauen lässt, mit der er sich vielleicht auch noch identifizieren kann, dann wäre das ansonsten wie ein Tritt in die Eier, und für das Filmerlebnis eher kontraproduktiv.

Ich fand die Idee in dem Film sogar ganz interessant und auch halbwegs gut umgesetzt.
Es ist ja auch eine gewisse Befriedigung, dass er nicht vom Antagonisten getötet wird

Die Tatsache allerdings, dass der "Böse" als nahezu unverwundbarer Übermensch dargestellt wurde, ist mir auch sauer aufgestoßen!


"Burn after reading" fand ich wiederum richtig gut und witzig!


just my 2 cent

MadManniMan
2012-09-25, 11:15:11
Huppsa ... sorry ;(

Und ja, es stimmt schon: die Sympathien sind nicht sooo klar verteilt. Aber gerade das hätte es vielleicht noch effektvoller gemacht.

Ich habe immer davon geträumt, dass man eine maximal-empathische Beziehung zum Protagonisten aufbaut und dann durch völlig banale Dinge übermäßig angeteaste Sachen misslingen. Ich möchte mich auch mal schlecht fühlen können.

Lyka
2012-09-25, 11:17:47
der Protagonist in No Country ist halt... unemotional... da gibts kaum Sympathien

PHuV
2012-09-25, 11:47:52
Ich gehöre wohl zu den wenigen, die The Big Lebowski absolut kacke und unnötig finden. Darin kann ich überhaupt kein Meisterwerk entdecken, ich finde den Film einfach nur albern und verschwendete Zeit.

Aber mit dem Filmen sollte man sich keine allzugroßen Gedanken machen. Man reflektiert in den Filmen ja auch automatisch sich selbst und seine eigene Biographie und Persönlichkeiten. Manche sprechen einen an, und manche eher nicht. Wenn es einen eben nicht anspricht, dann kann man vielleicht über die handwerklichen und filmischen Qualitäten eines Films diskutieren oder nicht. Ich finde es immer dann besonders interessant, die Filme mit anderen Menschen zu diskutieren, die einen tieferen Einblick in die Situation oder Umstände haben. Mit einem weiteren Blick und umfassenderen Verständnis kann man dann doch überraschend einem ungeliebten Film doch den ein oder anderen Scharm abgewinnen. Filmkritiker sind auch nur Menschen, von dem her sollte man sich doch immer erst mal selbst ein Bild von allen Dingen machen, wenn es einem wichtig ist.

Matrix316
2012-09-25, 12:23:48
Die Coens leben halt auch von den Charakteren. Klar, die Story von Big Lebowski ist schon etwas sinnlos, aber dafür hat man den "Dude" Jeff Bridges, den Waffennarren mit John Goodman, Steve Buscemi, die verrückte Tussi mit Julianne Moore, die Nihilisten... alles geniale Figuren. Was kann man da schlecht finden?

PHuV
2012-09-25, 14:21:38
... alles geniale Figuren. Was kann man da schlecht finden?

Für mich eben einfach nicht genial, einfach nur blöd. Akzeptiere es doch einfach. ;) Wir werden bestimmt einen Film finden, den ich genial finde, und Du blöd.

RaumKraehe
2012-09-25, 14:33:10
Einer der Leitsätze der Cohens ist: "Niemand hat das Recht auf ein Happy-End!"

Und das zieht sich durch die meisten ihrer Filme.

Es gibt nur einen Film den ich von den Cohens nicht mag: "Ladykiller" was aber auch wiederum nur ein Remake ist. Den Rest finde ich sehr gut bis genial.

No Contry for Old Man ist in meinen Augen schon recht genial. Ich würde es auch komisch finden wenn die Cohens immer nur lustige Filme machen. Bäh. Allerdings hat der Film auch einige stellen an denen ich schon schmunzeln musste. Ist halt sehr sehr schwarzer Humor.

RaumKraehe
2012-09-25, 14:37:01
Noch ein nettes Interview:

http://www.zeit.de/2008/40/Coen-Interview/seite-1

medi
2012-09-25, 15:29:40
@Crazy_Borg

Du bist nicht allein! Ich kann mit No country for old men auch absolut nichts anfangen - aus genau den von dir genannten Gründen. Ist mir auch unverständlich wie man den Film so toll finden kann.

MartinB
2012-09-25, 20:41:19
Weil Du es erwähnt hattest:

"A Serious Man" wird dir gefallen. Er hat alles was Du an "No Country for old men" vermisst hast.

Tony Gradius
2012-09-25, 21:35:57
Ich mochte Burn after Reading. Sehr lebensnah, fast schon Loriot-mäßig gerade so übertrieben, dass es sehr lustig ist.

Langenscheiss
2012-09-25, 22:20:59
The Big Lebowski hat mich auch noch nie fasziniert, für mich total overhyped, aber Burn After Reading fand ich wirklich gut und witzig. Die angesprochene Wandschrank-Szene, die CIA-Szenen mit Sledge Hammer, und generell der Plot.

FeuerHoden
2012-09-25, 23:09:57
No Country for old Men lebt vom wunderschönen Szenenbild, quasi das Gegenteil zum dauertristen Fargo. Man kann den Charakteren die ganze Zeit bei intelligenten Handlungen zusehen die auch Sinn machen was den Vin Diesel dressierten Zuseher erfreulicherweise überfordern dürfte.
Der Tod des Protagonisten gleicht für mich dem Tod des ersten Kofferträgers am Anfang des Films, und wieder stirbt der Typ mit dem schönsten Hemd und den schönsten Schuhen.
Tommy Lee Jones soll im O-Ton einen exzellenten südländischen Akzent sprechen, das geht in der deutschen Version völlig unter.

Chigur ist eben doch kein unverletzlicher Geist. Er wird angeschossen und sieht am Ende noch ziemlich mitgenommen aus. Er ist zweifellos der intelligenteste und auch der ruhigste Charakter in der Geschichte und kommt so immer wieder zum Erfolg. Dass er wahnsinnig ist, jo mei, is ers halt.

Interessant sind ja vorallem die Szenen wo die beiden Hauptgegner auf das normale Fussvolk treffen. :D

Lyka
2012-09-25, 23:09:57
"Der Teppich hat das Zimmer erst richtig gemütlich gemacht!!!"

ich verstehe nie, wieso ich Big Lebowski so toll finde :/ aber ich finde ihn toll. Sachen wie Millers Crossing und Oh Brother where art thou sind dennoch meine Lieblings-Cohens... allein Millers Crossing, der meiner Meinung nach wahnsinnigste (und beste) Mafia-Film und bei Oh Brother, diese Odysee (im Wahrsten Sinne des Wortes), verdammt, das ist so toll =) :ulove:

UND die Musik ist immer toll :D

nalye
2012-09-25, 23:17:48
Ich gehöre wohl zu den wenigen, die The Big Lebowski absolut kacke und unnötig finden. Darin kann ich überhaupt kein Meisterwerk entdecken, ich finde den Film einfach nur albern und verschwendete Zeit.
Alter! Ich komm vorbei und binde Dich am Sofa fest, während das Meisterwerk in Endlosschleife spielt :eek:
Pffff....


:freak:

FeuerHoden
2012-09-25, 23:19:26
The big Lebowsky fand ich eher solala aber nicht unbedingt schlecht. Wenn man nicht sein ganzes bisheriges Leben in einer Höhle verbracht hat dann hat man alles schonmal irgendwo gesehen.

Lyka
2012-09-25, 23:33:33
Gerade läuft wieder "Burn after Reading" aufm WDR :D

PHuV
2012-09-26, 09:35:13
Das Highlight ist für mich No Country. Burn after reading kommt dananch. A Serious Man fand ich dagegen wieder langweilig, und Fargo ist so :confused:, man schaut ihn, und weiß nicht so recht...

Lurtz
2012-09-26, 18:05:19
So sehr viel von den Coens kenne ich gar nicht. The Big Lebowski fand ich am Anfang furchtbar, mittlerweile kommt es ganz auf meine Stimmung an, manchmal finde ich ihn eher langweilig, dann wieder zum Totlachen X-D
No Country For Old Men fand ich irritierend, aber ziemlich genial... Auch mit True Grit hatte ich meinen Spaß.

Der Artikel passt denke ich ganz gut in den Thread:
http://www.negativ-film.de/2011/03/du-musst-nur-die-laufrichtung-andern-das-kino-von-joel-und-ethan-coen