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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Sind Germanisten, Theologen, Meteorologen etc. "forschende Wissenschaftler"?


Kladderadatsch
2015-04-12, 19:04:26
Hi,
Titel ist Thema. Kommt der Begriff "Forscher" oder "Wissenschaftler" auf, haben die meisten den Kittelträger mit Schutzbrille vor Augen. Googles Bildersuche zeigt das deutlich und bedient auch die Klischees zu den jeweiligen naturwissenschaftlichen Fachrichtungen verlässlich. Kommt euch in diesem Kontext die Bezeichnung des "forschenden Genderwissenschaftlers" nicht befremdlich vor? Nach welchen Kriterien definiert ihr "Forschung und Wissenschaft"? Wie passen da Geistes"wissenschaften" dazu?

Disconnected
2015-04-12, 20:04:36
Stehen für mich auf einer Stufe mit Astrologen und ähnlichem esoterischen Bullshit. Meteorologen sind aber keine Geisteswissenschaftler.

Ich finde zwar Philosophie recht interessant und lese auch gerne mal was in der Richtung aber als ernstzunehmende Wissenschaft betrachte ich es nicht.

big_lebowski
2015-04-12, 20:05:19
Solange es in irgend einer Form vorgegebene Regeln gibt, ist auch Forschung/Wissenschaft möglich.
Das gilt für Geisteswissenschaften/Rechtswissenschaften usw. als auch für Naturwissenschaften.
In der Rechtswissenschaft z.B. hat man Gesetze/Rechtsprechungen, welche diesen Fixpunkt darstellen und bei zahlreichen Gegebenheiten des alltäglichen Lebens angewendet/ausgelegt werden müssen.

Edit:
Bei den Geisteswissenschaften sind es dann die herrschenden Theorien/Lehren anhand derer Forschung betrieben wird.

InsaneDruid
2015-04-12, 20:19:17
Warum sollte ein Germanist nicht forschen können? Weil dir das Thema nicht gefällt?

Einfach mal die aktuellen und vergangenen Themenschwerpunkte solcher Institute aufsuchen:

http://www.uni-leipzig.de/~germ/index.php?page=forschung-3

Lokadamus
2015-04-12, 20:46:33
Nach welchen Kriterien definiert ihr "Forschung und Wissenschaft"? Wie passen da Geistes"wissenschaften" dazu?Einmal kurz Wikipedia angeworfen wegen den Begriffen und jedes Mal eine sinnvolle Erklärung bekommen, was die Leute machen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Germanistik
Germanistik ist die akademische Disziplin der Geisteswissenschaften, die die deutsche Sprache und deutschsprachige Literatur in ihren historischen und gegenwärtigen Erscheinungsformen erforscht, dokumentiert und vermittelt. In einem weiteren Verständnis hat sie die Aufgabe, die germanischen Sprachen mit ihren Kulturen und Literaturen zu erforschen.
IMO: Die Germanistiker sollten mittlerweile festgestellt haben, dass die neue deutsche doofe Rechtschreibreform nicht die gewünschten Änderungen erbracht haben.

http://de.wikipedia.org/wiki/Meteorologie
Meteorologie oder Wetterkunde (altgriechisch μετεωρολογία meteōrología „Untersuchung der überirdischen Dinge oder Himmelskörper“[1]) ist die Lehre von den physikalischen Vorgängen und Gesetzmäßigkeiten in der Erdatmosphäre
IMO: Sehr wichtig, um das Wetter über einen längeren Zeitraum sicher hervorsagen zu können. Nebenbei lassen sich wahrscheinlich auch Erkenntnisse in andere Bereiche übertragen. Die Mayas und vermutlich eine Dürreperiode fallen mir dazu ein. Da dürften die Geologen zwar eher ihr Wissen reingeworfen haben, aber naja.

http://de.wikipedia.org/wiki/Theologie
Theologie (griechisch θεολογία theología, von θεός theós ‚Gott‘ und -logie) bedeutet übertragen „die Lehre von Gott“ oder Göttern im Allgemeinen und die Lehren vom Inhalt eines spezifischen religiösen Glaubens und seinen Glaubensdokumenten im Besonderen.
IMO: In einer ordentlichen Kultur überflüssig, allerdings zeigen die Auswüchse des ISIS das so etwas wichtig ist. Ansonsten würde jeder die heiligen Schriften/ Nachrichten zu seinem eigenem Vorteil auslegen.
Ein einfaches Beispiel ist wohl die Zerstörung von Nimrud. In einer ordentlichen Kultur würde man das Betrachten der Götterbilder eher als eigene Herausforderung oder Glaubensprüfung ansehen anstatt sie zu zerstören.
http://de.wikipedia.org/wiki/Nimrud

lumines
2015-04-12, 21:16:09
Ich finde zwar Philosophie recht interessant und lese auch gerne mal was in der Richtung aber als ernstzunehmende Wissenschaft betrachte ich es nicht.

Das ist sie auch nicht im eigentlichen Sinne. Philosophie hilft aber, überhaupt erst einmal die Grundbausteine für andere Wissenschaften zu finden. Da werden keine Antworten gefunden, sondern erst einmal die richtigen Fragen formuliert. Für mich ist das schon eine ziemlich fundamentale Sache, die aber etwas aus der Mode gekommen ist.

Hier findet man übrigens ein paar Sachen über Berechenbarkeit und Komplexität, die für eine philosophische Betrachtung momentan interessant sind: http://www.scottaaronson.com/papers/philos.pdf

Die Einleitung fasst das Missverständnis auch ganz gut zusammen:

The theory of computing, created by Alan Turing, Alonzo Church, Kurt Gödel, and others in the 1930s, didn’t only change civilization; it also had a lasting impact on philosophy. Indeed, clarifying philosophical issues was the original point of their work; the technological payoffs only came later! Today, it would be hard to imagine a serious discussion about (say) the philosophy of mind, the foundations of mathematics, or the prospects of machine intelligence that was uninformed by this revolution in human knowledge three-quarters of a century ago.


Was soll in dem Zusammenhang eigentlich nicht ernstzunehmend sein? Ich mein, ohne solche philosophische Arbeiten hätten wir heute keine Computer. So sollte man das vielleicht auch einmal sehen.

samm
2015-04-12, 22:39:56
Einmal kurz Wikipedia angeworfen wegen den Begriffen und jedes Mal eine sinnvolle Erklärung bekommen, was die Leute machen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Germanistik
Germanistik ist die akademische Disziplin der Geisteswissenschaften, die die deutsche Sprache und deutschsprachige Literatur in ihren historischen und gegenwärtigen Erscheinungsformen erforscht, dokumentiert und vermittelt. In einem weiteren Verständnis hat sie die Aufgabe, die germanischen Sprachen mit ihren Kulturen und Literaturen zu erforschen.
IMO: Die Germanistiker sollten mittlerweile festgestellt haben, dass die neue deutsche doofe Rechtschreibreform nicht die gewünschten Änderungen erbracht haben.Kann dir schonmal verraten, dass Germanisten im Allgemeinen nichts mit präskriptivem Duden-Verhalten am Hut haben. MMn geht es bei der Erforschung der Deutschen Sprache um die Grundlagen der (hiesigen) Kommunikation, ist also durchaus wichtig, und ein interessantes Forschungsgebiet. Bei der Erforschung von Literatur geht es mMn um einen Teil der Kultur, in der wir jetzt leben, und um ihre Wurzeln, ist also ebenfalls nichts Kleines.

Nachteil bei germanistischer, philosophischer, theologischer, ... Forschung ist, dass sich Ergebnisse nicht in Geld messen lassen. So werden derartige Wissenschaften derzeit kritisiert von vielen Seiten, in der Schweiz insbesondere sowohl von wirtschaftsliberalen als auch konservativen Kreisen. Dass sich beide aktiver als früher in die Bildungsinstitutionen und deren Aufträge einmischen, merkt man relativ direkt in der Qualität heutiger Berichterstattung über Volk, dessen Wurzeln, und Religion. Ist alles nur noch auf oberflächliche Betrachtung, schnellen Konsum ausgelegt, es werden simple scheinbare Wahrheiten proklamiert, die letzlich nur Konfrontation und Ausgrenzung fördern. Und, so unterstelle ich, auch nichts anderes zum Ziel haben, weil das beiden genannten Kreisen wunderbar in die Hand arbeitet.

derpinguin
2015-04-12, 23:14:57
Der Thread wird ohnehin auf ein Geisteswissenschaften Bashing rauslaufen. Hier sind vermutlich zu viele naturwissenschaftlich orientierte Leute denen der Einblick fehlt um das differenziert betrachten zu können.

exxo
2015-04-12, 23:27:55
Warum sollten Philospohie und Germanistik keine Wissenschaftlichen Disziplinen sein?

Eine Sprache zu erforschen ist ein veritables wissenschaftliches Vorhaben. Die Welt zu erklären bzw. die Dinge die um einen herum passieren zu analysieren ist auch kein simples unterfangen.

Wer sich mal etwas mit Soziologie beschäftigt sollte gelernt haben das die Wissenschaft den Platz der Religion hinsichtlich der Funktion eingenommenen hat, den Menschen die Welt in der wir leben zu erklären.

Dies ist bei Germanistik und Philosophie sowie jeder anderen wissenschaftlichen Disziplin gegeben.

Monger
2015-04-12, 23:58:16
Der ideologische Graben zwischen z.B. Germanisten und Chemikern ist ziemlich tief. Wie wäre es, wenn wir mal was aus der Mitte betrachten?

Mathematik zum Beispiel. Sind Mathematiker Forscher? Ich habe in der Realität noch keine Zahl an mir vorüber laufen sehen - die Mathematik ist einzig und allein ein Produkt des menschlichen Geistes. Oder etwa nicht? Sie ist nur im Rahmen ihrer rein willkürlich gewählten Axiome beweisbar, ihre Experimente haben nichts mit der physischen Welt zu tun.

Kann man etwas erforschen was sich allein im eigenen Kopf befindet?

Die moderne Astrophysik bewegt sich ja fast ausschließlich noch in mathematischen Gefilden. In welchen Calabi-Yau Mannigfaltigkeiten das Universum jetzt gewickelt sein könnte oder nicht - reine Zahlenspielerei ohne nur den Hauch eines physikalischen Ansatzes dahinter.

Ein Germanist dagegen arbeitet wenigstens anhand von realen Daten. Menschen sprachen und sprechen nachweislich diese Sprache, es gibt ausreichend Daten in Schrift und Ton die man analysieren und auswerten kann. Die Ergebnisse sind jederzeit überprüfbar, und haben konkrete technische Anwendungen zur Folge, z.B. die Erkennung und Konstruktion von Grammatiken durch Spracherkennungssoftware.


Ich habe das jetzt natürlich bewusst ein wenig überzogen, aber mal ehrlich: durch was grenze ich denn gute von schlechter Forschung ab? Alle Forschung hat den Erkenntnisgewinn als Ziel gemein - nicht nur über die Inhalte, sondern auch und vor allem über die für diesen Zweck verwendete Methodik. Systematisches Lernen, also. Und das haben sicherlich alle genannten Wissenschaften gemeinsam.

No.3
2015-04-13, 00:32:19
Mathematik zum Beispiel. Sind Mathematiker Forscher? Ich habe in der Realität noch keine Zahl an mir vorüber laufen sehen - die Mathematik ist einzig und allein ein Produkt des menschlichen Geistes. Oder etwa nicht? Sie ist nur im Rahmen ihrer rein willkürlich gewählten Axiome beweisbar, ihre Experimente haben nichts mit der physischen Welt zu tun.

Kann man etwas erforschen was sich allein im eigenen Kopf befindet?

Mathematik ist weit mehr als Zahlen.

Unabhängig davon, ohne Mathematik würden Naturwissenschaften nicht funktionieren. Der Apfel fällt mit 9,8 m/s^2 zu Boden, 2 Moleküle Wasserstoff reagieren mit 1 Molekül Sauerstoff zu 2 Molekülen Wasser - das ist alles auch Mathematik.

Das ist nichts was sich nur in unserem Kopf befindet, im Gegenteil DAS ist DIE Welt in die wir leben.


Ein Germanist dagegen arbeitet wenigstens anhand von realen Daten. Menschen sprachen und sprechen nachweislich diese Sprache, es gibt ausreichend Daten in Schrift und Ton die man analysieren und auswerten kann. Die Ergebnisse sind jederzeit überprüfbar, und haben konkrete technische Anwendungen zur Folge, z.B. die Erkennung und Konstruktion von Grammatiken durch Spracherkennungssoftware.

die Sprache ist etwas, das sich "nur" in unserem Kopf befindet. Die Sprache folgt keinen Naturgesetzen sondern dem Gebrauch durch den Menschen.
Sie ist also allen menschlichen Eigenschaften "ausgeliefert", dazu gehören auch Willkür, Unlogik, Propaganda, Political Correctnes, Rassismus etc.

Fritzchen
2015-04-13, 00:56:15
Mathematik zum Beispiel. Sind Mathematiker Forscher? Ich habe in der Realität noch keine Zahl an mir vorüber laufen sehen - die Mathematik ist einzig und allein ein Produkt des menschlichen Geistes. Oder etwa nicht?
Mathematik ist soweit ich gelesen habe eine Hilfswissenschaft.

Sie ist nur im Rahmen ihrer rein willkürlich gewählten Axiome beweisbar, ihre Experimente haben nichts mit der physischen Welt zu tun.
Machen Mathematiker Experimente? Ich dachte das sei den Empirisch arbeitenden Wissenschaften vorbehalten.

Ich finde zwar Philosophie recht interessant und lese auch gerne mal was in der Richtung aber als ernstzunehmende Wissenschaft betrachte ich es nicht.
Die Epistemologie und Wissenschaftstheorie überschneiden sich.

lumines
2015-04-13, 01:11:59
Unabhängig davon, ohne Mathematik würden Naturwissenschaften nicht funktionieren. Der Apfel fällt mit 9,8 m/s^2 zu Boden, 2 Moleküle Wasserstoff reagieren mit 1 Molekül Sauerstoff zu 2 Molekülen Wasser - das ist alles auch Mathematik.

Dann ziehst du das Pferd aber von hinten auf. Naturwissenschaften machen sich die Mathematik zunutze. Mathematik an sich kann aber auch ohne Anwendungen in irgendeiner Wissenschaft existieren. Das ist doch der Clou.

die Sprache ist etwas, das sich "nur" in unserem Kopf befindet. Die Sprache folgt keinen Naturgesetzen sondern dem Gebrauch durch den Menschen.
Sie ist also allen menschlichen Eigenschaften "ausgeliefert", dazu gehören auch Willkür, Unlogik, Propaganda, Political Correctnes, Rassismus etc.

Wenn du „Sprache“ schreibt, meinst du aber offenbar speziell natürliche Sprachen. Auf formale Sprachen treffen deine Beispiele nämlich nicht zu.

Lokadamus
2015-04-13, 05:01:27
Kann dir schonmal verraten, dass Germanisten im Allgemeinen nichts mit präskriptivem Duden-Verhalten am Hut haben. MMn geht es bei der Erforschung der Deutschen Sprache um die Grundlagen der (hiesigen) Kommunikation, ist also durchaus wichtig, und ein interessantes Forschungsgebiet. Bei der Erforschung von Literatur geht es mMn um einen Teil der Kultur, in der wir jetzt leben, und um ihre Wurzeln, ist also ebenfalls nichts Kleines.Die neue Rechtschreibreform ist etwas, was sich auch in der Litertur und Kultur niederschlägt. Wurde die neue Rechtschreibung angenommen? Wie lange dauert der Übergang usw. sind fragen, die man sich als normaler Bürger gar nicht stellen würde. Aber ich denke, solche Sachen sind es, die Germanistiker angehen. Und beim Duden werden sie wohl auch die Veränderungen berücksichtigen, um einen zeitlichen Verlauf und Veränderung der Gesellschaft abzubilden. Dazu gehören auch Rückblicke in die Vergangenheit und in die Zukunft.
Wenn ich mir in den Foren die Rechtschreibung anschaue, hat die Reform nicht die gewünschte Änderung gebracht, sondern keine bis nachteilige Auswirkungen. Man braucht nur hier im Forum die Rechtschreibung beachten und findet schnell Fehler in der Groß- und Kleinschreibung, über Kommafehler will ich lieber nicht reden.

Ob Germanstik auch die Entwicklung der Handschrift berücksichtigt, weiß ich nicht, aber die wird schlechter, je mehr Elektronik eingesetzt wird.

Kladderadatsch
2015-04-13, 07:01:34
Der Thread wird ohnehin auf ein Geisteswissenschaften Bashing rauslaufen. Hier sind vermutlich zu viele naturwissenschaftlich orientierte Leute denen der Einblick fehlt um das differenziert betrachten zu können.
Bei einem sind sich ja schon mal alle einig: Ärzte sind keine Wissenschaftler. Auch, wenn sie auf dem Campus wie entlaufene Chemiker ausschauen (der Kittel scheint nur ungern abgelegt zu werden) (;

derpinguin
2015-04-13, 07:22:02
Der gehört auch zur Berufskleidung und ist kein Schutz wie bei Chemikern ;)

ngl
2015-04-13, 07:54:08
Bei einem sind sich ja schon mal alle einig: Ärzte sind keine Wissenschaftler. Auch, wenn sie auf dem Campus wie entlaufene Chemiker ausschauen (der Kittel scheint nur ungern abgelegt zu werden) (;

Natürlich gibt es auch Wissenschaftler unter den Ärzten. Es gibt genug Ärzte die forschen. Wie sonst soll man nach Heilung von Krankheiten forschen, wenn man keine Ahnung von der Materie hat.

Natürlich sind Forschende Ärzte auch Biologen und Chemiker. Aber ein Physiker ist ja auch Mathematiker, teilw. auch Chemiker. Und je komplexer die Materie wird, umso breiter ist das Fachwissen der Wissenschaftler auch gestreut.

Kladderadatsch
2015-04-13, 08:30:32
Nein. Ärzte sind per Definition keine Naturwissenschaftler. Medizinische Forschung wird von (u.a. Human-)Biologen betrieben. Wer in die medizinische Forschung will, studiert in der Regel auch nicht Medizin.

ngl
2015-04-14, 18:01:12
Also bei uns im Uni Klinikum hier in Essen, sind genug Forscher und Ärzte angestellt. Auch ist gerade im Bereich Medizin kaum noch einer "nur" Biologe. Die Materie ist so komplex, dass die meisten unter anderem auch halbe Ingenieure sind.