Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Mit den Eltern gebrochen und dennoch "nicht frei"
Rockhount
2016-08-10, 20:59:26
Ich schreib das hier, weil ich das Ganze einfach (nochmal) loswerden muss/will.
Ob mir das im Umgang mit der Thematik hilft, weiss ich nicht, aber loswerden will ich es.
Anlaß dafür, dass das Ganze gerade wieder hoch kommt ist der Umstand, dass bei meiner Mutter Darmkrebs diagnostiziert wurde.
Genaueres weiss ich nicht.
Vorgeschichte:
Das liegt daran, dass ich seit etwa 10 Jahren keinen direkten Kontakt mehr zu meinen Eltern habe.
Der Bruch kam nach meinem Auszug von zu Hause, der zugegeben etwas plötzlich kam.
Mein Elternhaus ist nicht das herzlichste gewesen, generell war es eine von einer klaren Erwartungshaltung geprägte Eltern-Kind-Beziehung bei uns.
Zwar wurden die typischen Aktivitäten usw. mit uns (ich habe einen Bruder) durchgeführt, aber es war eben nie diese herzliche-emotionale Bindung zu den Eltern da.
Das zeigte sich bspw. darin, dass nie über Gefühle gesprochen wurde und auch nie ein Stolz auf oder die Liebe zu den Kindern ausgesprochen wurde.
Ich bin relativ selbständig aufgewachsen, habe mich um meine Belange selber gekümmert und früh angefangen, finanziell möglichst selbständig zu sein.
Mein Ziel war es immer, keine Belastung zu sein und den Erwartungen bestmöglichst zu entsprechen. Warum das so war, weiss ich nicht, ich hab das nie in Frage gestellt.
Meine Eltern haben sich um mich nie wirklich kümmern müssen, im Gegensatz zu meinem Bruder, der durch ADHS massiver Aufmerksamkeit bedurfte und viele viele Probleme gemacht hat...
Das heisst aber nicht, dass sie nicht gewisse Erwartungen bzgl schulischer Leistungen oder Berufsplanung hatten. Eine "3" war in der Regel schon Grund für Diskussionen, eine "4" führte bereits
zu gewissen Anspannungen...usw usw. Diese Erwartungshaltung war eigentlich immer gegenwärtig, sobald ich eigene Entscheidungen treffen wollte, musste ich mich rechtfertigen bzw. alles begründen.
Das typische "Fehlermachen" oder "Ausprobieren" und Jugendsünden gab es im Endeffekt nie wirklich, ich war früh erwachsen...Hinzu kam, dass ich immer fett war und somit ein Aussenseiter.
Sportlich nicht aktiv, generell eher typischer Nerd (Fett, Brille, kalkige Haut...) und immer schön in von Mami ausgesuchten Klamotten.
Wie auch immer, ich habe nach langen Diskussionen dann mein Abi gemacht, obwohl ich eigentlich mit Fachabi enden wollte, ich hatte meinen Ausbildungsplatz bei der örtlichen Sparkasse bereits 1,5 Jahre vor Ausbildungsbeginn
in der Tasche. Ich habe mich doch breitschlagen lassen und mein Abi mehr schlecht als recht gemacht. Danach Ausbildung (auch eher mittelmäßig) und dann an die befristete Anstellung.
Dann lernte ich meine Frau kennen (13 Jahre her). Wir führten 1,5 Jahre eine WE-Beziehung, bis mein Arbeitsvertrag auslief und zu 90% nicht verlängert werden würde. Ich bin der Entscheidung zuvor gekommen und habe
die Planungen eines Umzuges angefangen. Beruflich sollte meine Ausbildung mir eigentlich einen direkten Berufseinstieg ermöglichen...
Meine Eltern sahen die Beziehung sehr kritisch, haben keine Gelegenheit (auch in Anwesenheit meiner Frau) ausgelassen, diese in Frage zu stellen und Zweifel zu äußern. Zusammenziehen? "Ihr seid doch erst 1,5 Jahre zusammen, ob das hält?"
Sie kamen mit der, zugegeben forschen und recht speziellen, Art meiner Frau nicht zu recht.
Bin dann zu Hause raus und hab teuer Lehrgeld bezahlt. Keinen Job gefunden, trotz längerer Bewerbungszeit (auch vor dem Umzug schon), ok...wofür hab ich das Abi...gehste studieren.
Mir wurde in der Jugend von den Eltern bereits mitgeteilt, dass ich gerne studieren könnte, aber man mich nicht finanziell unterstützen könnte. Gleichzeitig aber einen ordentlichen Lebensstil gepflegt,
mehrmals im Jahr Urlaub, neue Möbel...meine Eltern haben kein großes Geld, das was aber da war, wurde dann eher für eigene Interessen ausgegeben.
Ich bin trotzdem studieren gegangen, mit der Unterstützung anderer Familienmitglieder (auch der von meiner Frau). Das Studium habe ich mit allen Möglichkeiten finanziert: Bafög, StudentenjobS, Studienabschlussdarlehen.
mit allen Problem die Auftreten können (Mietvertrag unterschrieben und kurz drauf den Studentenjob verloren, ungünstiger Uniplatz mit langer Anreise täglich und zusätzlichen Fahrtkosten abseits Studententicket...)
Der endgültige Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte war die Frage, ob ich 80€ mtl für das zusätzliche Fahrticket von meinen Eltern bekommen könnte. Das wurde mir "genehmigt", dennoch musste ich jeden Monat nachfragen und "betteln",
weil meine Eltern keinen Dauerauftrag eingerichtet haben (gewollte?!).
Wir haben mehrere Aussprachen versucht, aber am Ende kam dann von meiner Mutter die Aussage, sie könne sich mit ihren ~45 Jahren nicht mehr ändern (damit auch nicht für ihre Kinder!),
mein Vater meinte dann, dass man dann wohl einen Schlussstrich ziehen müsse. Gesagt, getan.
Es gab zwischenzeitig nochmal ein paar Episoden (zuletzt bei der Beerdigung meines Opas, wo meine Eltern mir auf dem Friedhofsparkplatz eine Szene gemacht haben und mich zur Rede stellen wollten),
aber mittlerweile kommen nur noch Glückwünsche/Grüße per Email zu Ostern, Weihnachten, meinem Geburtstag (nicht der von meiner Frau...)
Heute:
Durch diese Kindheit habe ich psychisch stark gelitten und bin in vielen Bereichen "auffällig" entwickelt und aktuell in Behandlung, bspw. wegen Depressionen und keinem/kaum vorhandenem Selbstbewusstsein/Selbstwertgefühl.
Ich lerne aktuell (genauer seit ~1,5 Jahren), mit diesen Problemen umzugehen und habe als Teil davon stark abgenommen (150kg->93kg). Das trägt natürlich positiv zum Befinden bei, auf mehreren Ebenen.
Teil der Therapie ist aber auch, zu trennen, was mich betrifft und "Meins" ist und was nicht.
Ich habe meine Beziehung zu meinen Eltern für mich abgehakt, dennoch ist mir die Erwartungshaltung von ihnen und andern Angehörigen offenbar immer noch nicht ausreichend egal.
Durch die Diagnose heute geht es mir schlecht. Nicht weil meine Mutter Krebs hat und, so vermute ich es, binnen 2 Jahren tot sein wird, sondern weil ich jetzt wieder der böse Sohn bin, der selbst jetzt nicht zu ihr stehen wird
und vielleicht auch Anteil an der Erkrankung hat (die Psyche des Menschen trägt ja zu vielem bei und meine Mutter leidet unter der Trennung angeblich massiv, auch wenn sie im Endeffekt der Auslöser ist).
Ich kann an dieser Stelle diese externe Erwartung an mich, die u.U. auch garnicht existiert und nur in meinem Kopf existiert, nicht ignorieren. Ich fühle Situationen und Konfrontationen auf mich zu kommen,
die mir aufgezwungen werden und denen ich mich nicht freiwillig stellen will (bspw. der pers. Kontakt mit meinen Eltern).
Ich kann aktuell nicht gut damit umgehen, es belastet mich, auch wenn ich mir keinerlei Schuld oder Verantwortung für die aktuelle Situation gebe. Davon ab würde eine Änderung des Status Quo auch NICHTS an der gesundheitl. Situation ändern
und es würde auch der Eindruck entstehen, man würde nur aufgrund der Erkrankung etwas ändern und nicht, weil man es will und richtig findet.
Für meinen Teil sind die letzten ~10 Jahre so "ok" gewesen, wären da nicht die wiederholten mir aufgezwungenen Kontakte gewesen, die nicht von mir initiiert wurden. Ansonsten bin ich mit mir in der Sache im Reinen.
Trotzdem nagt das Ganze gerade massiv an mir und ich weiss nicht, wie ich damit umgehen soll.
Sorry für den langen Text, ich erwarte nicht, dass er gelesen oder kommentiert wird, bin aber offen dafür und bereit, zu reden :)
Ich sehe es auch als Teil meiner Selbsttherapie, mich offen zu diesen Problemen und Schwächen zu bekennen, ich schäme mich ihrer nicht. Daher poste ich das auch nicht als Gast.
Mosher
2016-08-10, 21:42:15
Hi.
Ich sehe viel von deiner Geschichte in meiner wieder, deswegen antworte ich mal.
Ich glaube, solange nichts wirklich zerstörendes passiert, hören wir nie auf, die Kinder unserer Eltern zu sein, egal wie selbstständig und unabhängig wir sind.
Ich würde mein Elternhaus genau wie du als wenig herzlich bezeichnen. Eher kalt und phantasielos. Ich bin schon immer irgendwelche Schlangenwege gegangen und habe am Schluss aber immer irgendwas draus gemacht. Heute verdiene ich echt sau viel Geld mit einem Job, der mir saumäßig Spaß macht und mit dem ich viel um die Welt komme.
Hin und wieder telefoniere ich mit meinen Eltern und bereue es jedes einzelne Mal. Unterbewusst möchte ich endlich mal ein paar Worte der Anerkennung, Stolz, wasauchimmer, aber es kommen nie welche. Und obwohl mir absolut bewusst ist, dass niemand, außer mir selbst mir den Segen über meine Lebensentscheidungen geben kann, versuche ich es immer und immer wieder mit dem selben Ergebnis.
Meine Mutter ist seit 1996 körperlich und psychisch krank (lange Geschichte) und manchmal hasse ich sie dafür. Ich hasse es, mit einer positiven Nachricht bei den Eltern anzurufen und wieder eine ("wegen WELCHER VERSCHISSENEN KLEINIGKEIT HEULST DU DENN JETZT SCHON WIEDER, VERDAMMTE SCHEIßE!!!!") heulende Mutter am Telefon zu haben. Es kotzt mich an, und ich gebe ihr die Schuld, meine positive Nachricht nicht mehr genießen zu können.
Ich musste auch in einem langen, langen Prozess erst lernen, loszulassen. Es bringt einfach nichts.
Ich lese bei dir vielleicht so etwas wie Schuldgefühle heraus.
Ich glaube, das passiert mit Menschen, die früh lernen mussten, Verantwortung zu tragen und die Rolle ihrer eigenen Eltern übernehmen mussten. Man wird im schlimmsten Fall den Rest seines Lebens versuchen, von den Eltern zu bekommen, was man eigentlich als Kind hätte bekommen sollen, aber Es.Wird.Nicht.Mehr.Geschehen.
Damit muss man umzugehen lernen.
Dass deine Mutter Krebs hat, ist natürlich eine unschöne Sache, mein Beileid.
Fliwatut
2016-08-10, 21:44:03
Mir zeigt das nur, dass du kein eiskalter Klotz bist und trotz allem irgendetwas für deine Eltern empfindest. Halte ich für völlig normal, denn sie waren zwar nicht unbedingt toll mit dir, sie haben dir aber auch nichts Schlimmes angetan. Da du aber sowieso in Behandlung bist, solltest du mit dem Therapeut auch darüber reden (wenn du das nicht sowieso schon getan hast oder tun willst). Wichtig dürfte nur sein, dass du dir keinerlei Schuld an der Erkrankung deiner Mutter gibst.
Rockhount
2016-08-10, 21:57:41
Hi.
Ich sehe viel von deiner Geschichte in meiner wieder, deswegen antworte ich mal.
Ich glaube, solange nichts wirklich zerstörendes passiert, hören wir nie auf, die Kinder unserer Eltern zu sein, egal wie selbstständig und unabhängig wir sind.
Ich würde mein Elternhaus genau wie du als wenig herzlich bezeichnen. Eher kalt und phantasielos. Ich bin schon immer irgendwelche Schlangenwege gegangen und habe am Schluss aber immer irgendwas draus gemacht. Heute verdiene ich echt sau viel Geld mit einem Job, der mir saumäßig Spaß macht und mit dem ich viel um die Welt komme.
Hin und wieder telefoniere ich mit meinen Eltern und bereue es jedes einzelne Mal. Unterbewusst möchte ich endlich mal ein paar Worte der Anerkennung, Stolz, wasauchimmer, aber es kommen nie welche. Und obwohl mir absolut bewusst ist, dass niemand, außer mir selbst mir den Segen über meine Lebensentscheidungen geben kann, versuche ich es immer und immer wieder mit dem selben Ergebnis.
Meine Mutter ist seit 1996 körperlich und psychisch krank (lange Geschichte) und manchmal hasse ich sie dafür. Ich hasse es, mit einer positiven Nachricht bei den Eltern anzurufen und wieder eine ("wegen WELCHER VERSCHISSENEN KLEINIGKEIT HEULST DU DENN JETZT SCHON WIEDER, VERDAMMTE SCHEIßE!!!!") heulende Mutter am Telefon zu haben. Es kotzt mich an, und ich gebe ihr die Schuld, meine positive Nachricht nicht mehr genießen zu können.
Ich musste auch in einem langen, langen Prozess erst lernen, loszulassen. Es bringt einfach nichts.
Ich lese bei dir vielleicht so etwas wie Schuldgefühle heraus.
Ich glaube, das passiert mit Menschen, die früh lernen mussten, Verantwortung zu tragen und die Rolle ihrer eigenen Eltern übernehmen mussten. Man wird im schlimmsten Fall den Rest seines Lebens versuchen, von den Eltern zu bekommen, was man eigentlich als Kind hätte bekommen sollen, aber Es.Wird.Nicht.Mehr.Geschehen.
Damit muss man umzugehen lernen.
Dass deine Mutter Krebs hat, ist natürlich eine unschöne Sache, mein Beileid.
Ich kann meine Probleme und Eigenarten heute natürlich besser reflektieren.
Das/die fehlende Selbstbewusstsein/-sicherheit sind das Resultat des Nichterfüllens der Ansprüche und Vorstellungen anderer. Gleichzeitig hab ich ja nie Ermutigung erlebt, meine eigenen Wünsche und Vorstellungen zu ermitteln und zu verwirklichen.
Die angesprochenen Schuldgefühle sind ein Teil davon. Ich "spüre" halt diese externen Erwartungen an mich, diese Vereinnahmung meiner, ob tatsächlich vorhanden oder eingeredet. Ich weiss heute, dass ich es bin, der das in mir zulässt und ich das auch trennen und ablehnen könnte, aber es fällt mir sehr sehr schwer.
Mir zeigt das nur, dass du kein eiskalter Klotz bist und trotz allem irgendetwas für deine Eltern empfindest. Halte ich für völlig normal, denn sie waren zwar nicht unbedingt toll mit dir, sie haben dir aber auch nichts Schlimmes angetan. Da du aber sowieso in Behandlung bist, solltest du mit dem Therapeut auch darüber reden (wenn du das nicht sowieso schon getan hast oder tun willst). Wichtig dürfte nur sein, dass du dir keinerlei Schuld an der Erkrankung deiner Mutter gibst.
Ich würde mich als sehr empathischen Menschen bezeichnen, kann mich immer gut in andere hineinversetzen und mitfühlen. Das ist natürlich nicht immer gut :-/
"Schlimmes" haben meine Eltern mir nicht angetan, nein, da ist noch viel Luft nach oben, aber unterm Strich haben sie mir aber eben Wesentliches nicht gegeben, was sie mir hätten geben sollen. Warum das so war/ist, weiss ich nicht, ich bin da auch nicht nachtragend oder gebe ihnen Schuld...vielleicht wussten/konnten sie es nicht besser.
Ich gebe mir keinerlei Schuld an der Erkrankung, genauso wenig glaube ich, dass dadurch die Beziehung "gekittet" werden kann. Deswegen habe ich auch eher keinen "Redebedarf" bzw. Interesse an einer Aufarbeitung der Beziehung, das hat in Teilen schon stattgefunden. Für meinen Teil sind es eben Menschen, die mich auf die Welt gebracht haben, aber eine übermäßig emotionale Bindung habe ich nicht zu ihnen. Ergo weiss ich auch nicht, was das bringen sollte...
Fuchs
2016-08-10, 22:04:47
Übermäßiges Reflektieren bringt dich glaube ich vor allem emotional überhaupt nicht weiter.
Ziemlich üble Geschichte. Insbesondere, als ich das "da ist noch viel Luft nach oben" gelesen habe, habe ich mich an meine eigene Gedankenwelt erinnert gefühlt. Weißte was? Nur, weil man nicht jeden Tag von seinem Alten mit dem Gürtel verdroschen wurde, ist noch lange nicht das empfundene Leid gering(er). Ich finde, da gibt es nichts zu relativieren!
Was würdest du dir denn jetzt als erwachsener Mann wünschen? Komplett in Ruhe gelassen zu werden? Dass deine Mutter wieder gesund wird?
(...)
Was Mosher geschrieben hat ist natürlich auch die Oberhärte. Wenn selbst bei sehr schleichendem Kontakt bei erstbester Gelegenheit sofort des Sohnes Ohr vollgesülzt wird, dass man sich vorkommt, als hätte man ein 56k-Modem am Ohr, kriege ich persönlich aufgrund eigener gleichgelagerter Erfahrungen fast das Kotzen.
Rockhount
2016-08-10, 22:23:59
Viel Luft nach oben bezog sich auf das Schlimme, was Eltern ihren Kindern antun können, dagegen geht es mir fast noch gut :-/
Ich war mit dem Status Quo eigentlich zufrieden und würde mir den wieder wünschen. Jeder geht seiner Wege und wenn dann doch mal irgendwann Wege gekreuzt werden, passiert das ohne Eskalationen...aber gerade das können meine Eltern eher nicht, mittlerweile gehen sie mir/uns auf Familienfeiern teilweise auch aus dem Weg und kommen erst garnicht, sobald sie wissen, das wir da sind
Und natürlich wünsch ich meiner Mutter, dass sie gesund wird.
Ich bin kein Unmensch, und nur weil sie mir keine 'guten Eltern' waren, wäre ihr Tod nicht automatisch weniger schlimm
Timolol
2016-08-10, 22:46:08
Sieht bei mir aber ähnlich aus. Die Eltern üben eine Erwartungshaltung aus welche du gar nicht erfüllen kannst wenn du dich in eine andere "Richtung" entwickelst.
Ich frage bei größeren Entscheidungen gerne meine Eltern da sie ja "eigentlich" Lebenserfahrung besitzen müssten.
Mein Vater neigt dazu mich jedesmal auszulachen und zu demütigen. Wichtig ist hierbei ihn sofort zur Rede zu stellen und ihn damit zu konfrontieren was er denn gerade abzieht.
Ich war früher auch lieber bei Opa und Oma weil es einfach viel harmonischer war.
Du musst mit der Familie irgendwie ins Reine kommen. Ich dachte auch es geht ohne und habe auch zeitweise den Kontakt abgebrochen. Aber das tut einem seelisch nicht gut.
Kann dir da leider keinen Tip geben weil ich mich aktuell selbst darum bemühe.
Denke das Vater eh kurz vor der geschlossenen ist. Wenn er so weitermacht führt da nix drum rum.
Rockhount
2016-08-10, 22:49:05
Ich weiss nicht ob ich mit der Familie ins Reine kommen muss, mit mir aber sehr wohl. Das ist momentan oberste Aufgabe, Selbstfürsorge. Und warum soll ich mit denen ins Reine kommen, wenn ich mehr oder minder keine grosse emotionale Bindung zu ihnen habe?
Timolol
2016-08-10, 22:53:00
Im Titel schriebst du das du nicht frei sein kannst weil du mit den Eltern "gebrochen" bist.
Mein Bestreben ist es mit ihnen ins Reine zu kommen. Für mich hat das eine sehr hohe Priorität. Wenn es dann mal danach ausschaut ändert sich meine komplette Gefühlslage.
Mit den Eltern "verhasst" zu sein ist scheiße. Aber jeder sollte das Leben des anderen akzeptieren können. Über Differenzen muss man reden und somit bereinigen können.
Gent Leman
2016-08-10, 23:22:45
Ich weiss nicht ob ich mit der Familie ins Reine kommen muss, mit mir aber sehr wohl. Das ist momentan oberste Aufgabe, Selbstfürsorge. Und warum soll ich mit denen ins Reine kommen, wenn ich mehr oder minder keine grosse emotionale Bindung zu ihnen habe?
(Ich hatte erst angefangen zu schreiben, dass recht viele eine Erziehung ohne Emotionen, Gefühle und Ablehnung persönlicher Entwicklungsrichtungen kennen werden. Hab dann Weiterführendes gelöscht, weil jede Geschichte irgendwann individuell wird.)
Die Bindung existiert trotz allem, die Emotion ist da. Und trotzdem bist du zu 100% eine eigene Person, mit eigenem Willen, eigener Vorstellung und eigenem Leben. Aus der Position kannst du jeden Umgang wollen oder auch nicht wollen.
Guter Wille oder eben nicht. Wenn du als du selbst, das was du jetzt bist, dort auftauchst und das auch zeigst, was oder wer soll dich belasten? Ist es nicht erwünscht, dann gehst du halt wieder. Macht man dir Vorwürfe, zeig ihnen, dass sie keine Berechtigung haben. Man muß nicht streiten, nur als Person wahrgenommen werden.
Die Bindung existiert trotz allem, die Emotion ist da.
Das tut sie immer und ist kaum anders möglich. Auch die bindungsgestörten Kids bei mir in der Gruppe, die teilweise von frühester Kindheit an von den Eltern misshandelt bis misbraucht wurden, hängen an ihren Peinigern.
BlacKi
2016-08-11, 00:27:35
ich könnte auch viel aufzählen, wo meine eltern mich und meine geschwister falsch behandelt haben. für mich ist das aber alles geschichte, vergeben aber nicht vergessen. sowohl ich als auch meine mutter sagen manchmal dinge die zwar sachlich gemeint sind, aber emotional falsch verstanden werden.
die lösung ist eben einfach zu vergeben, das mag zwar etwas zeit kosten, aber wunden das leben lang zwischen den personen offen zu halten ist für die beziehung und für das persönliche wohlgefühl einfach falsch.
lieber einmal tut mir leid sagen, oder jemandem etwas vergeben als dass das ganze leben lang mit zu schleppen.
Hübie
2016-08-11, 00:58:58
Hey Rockhount,
ich kann dir vielleicht keinen ultimativen Ratschlag oder den geheimsten Geheimtipp geben, aber habe großen Respekt dass du deine Situation hier versuchst zu verarbeiten. Wir sind alle hässliche Nerds. :D
Ich gratuliere zu deinem bestandenen Abitur, Studium, zum Auszug und zur Hochzeit. Trotz aller Widrigkeiten stehst du heute mit 93 kg vor dem Spiegel und hast alles allein geschafft.
Wenn ihr Kinder haben solltet oder plant, bin ich mir sicher dass ihr beide, du und deine Frau, es anders (besser!) machen werdet, denn ich kenne dich hier im Forum als cleverer Typ und offenbar hast du keine Scheu Emotionen zu zeigen.
Was bleibt? Ich wünsche dir von Herzen Kraft und Ausdauer für das was da kommt. Das meine ich verdammt ehrlich. :smile:
Respekt, dass Du so offen über Dich erzählst, aber ich verstehe auch, dass ein sehr großer Leidensdruck der Auslöser ist.
Denn wie oben geschrieben wurde, wir bleiben immer die Kinder unserer Eltern, das können wir schon chronologisch und erfahrungsmäßig niemals aufholen. Müssen wir aber auch nicht, dumm nur, dass sie (die Eltern) uns dann unter Umständen nicht (mehr?) lieben.
Doch was hindert uns daran, uns Menschen zu suchen, die dies tun ? Was ist daran so wichtig von seinen Eltern geliebt zu werden, so anders, dass wir nicht die gleiche Erfüllung durch die Frau, den Mann oder das eigene Kind oder uns selbst finden können ?
Das Problem ist, dass entzogene Elternliebe das Urvertrauen des jungen Menschen stört. Ohne dieses Urvertrauen verlieren wir unseren Halt, oder finden unseren Platz in der Welt nicht.
Auch ist es das Perfide, das wir uns als Kinder nicht dagegen wehren können, können Liebe und Anerkennung nicht einfordern, und schon garnicht rationell agieren, weil noch keine Ratio in dem Alter. Kinder kann man extrem manipulieren.
Schon ziemlich gemein jemanden emotional zu binden und ihn dann zwingen zu wollen, den Hampelmann zu geben, indem man fordert fordert fordert, ohne Rücksicht auf dessen Wünsche.
(Merke, wie ich beim Schreiben immer wütender werde)
Bei meiner Mutter, 82, wurde vor wenigen Wochen Darmkrebs diagnostiziert. Ist letzte Woche operiert worden, Krebs hat wohl nicht gestreut und wird abmorgen in der Reha sein.
Davor hatte ich ein Jahr nicht mit ihr gesprochen. Wir hatten einen Streit, in dessen Verlauf mir die Erinnerungen an die ganzen Demütigungen durch sie in meiner Kindheit wieder hochkamen. Man kann sich denken, wie sich das in einem Streit auswirkt.
Habe aber, als ich erfahren habe, dass es ihr lebensbedrohlich schlecht geht, mit ihr telefoniert, und ihr Mut zugesprochen.
Das wären die letzten Worte gewesen, die ich mit ihr gewechselt hätte, wäre sie bei der Op oder danach gestorben.
Ich wünsche ihr Alles Gute, aber wirklich wichtig ist das nicht mehr. Ich brauche meine Eltern jetzt nicht mehr zum Leben. Ich hätte sie damals gebraucht !
Was ist mit Deinem Bruder ? Wie ist dessen Sichtweise und sein Verhältnis zu Eueren Eltern geprägt ?
Rockhount
2016-08-11, 06:03:16
Danke für Euren Zuspruch! Er war zwar nicht der Grund für den Post, tut aber dennoch gut, danke! :)
Ich muss vielleicht klarstellen, dass mir meine Eltern wirklich nicht fehlen. Ich weiss heute, dass ich nie eine klassische, liebende Eltern-Kind-Beziehung hatte und auch heute nicht habe. Wenn ich die Situation jetzt so betrachte, mit der Gefahr bald keine Mutter mehr haben zu können, berührt mich das emotional nicht. Ich leide nicht.
Was mir zu schaffen macht ist der Umstand, mich nicht von möglichen Erwartungen und Anforderungen anderer nahestehender Familienmitglieder freimachen zu können. Keiner von denen, können nachempfinden, wie ich fühle und das Ganze erlebt habe,auch mein Bruder nicht. Dennoch sind sie immer schnell mit Ratschlägen dabei...
Nur um des lieben Friedens willen irgendwo reinen Tisch zu machen und zu vergeben, kann und will ich nicht. Ich brauche das auch nicht für mich. Und wenn es so kommen würde, wäre es nicht von Herzen und nicht aus Überzeugung. Ich lege mittlerweile keinen Wert auf diese Menschen, das ist auch nicht das Problem was ich aktuell habe...
Mein Bruder hat auch kein besseres Verhältnis zu meinen Eltern, wenngleich jedenfalls "anders". Er hat durch seine Krankheit viel Aufmerksamkeit erfahren, aber eben auch sehr stark rebelliert damals, was für Spannungen sorgte. Wie er die Sache heute sieht, oder zu meiner Situation steht, weiss ich nicht, wir haben ganz wenig Kontakt, hatten auch in Kindestagen keine klassische Geschwisterbeziehung (auch aufgrund seiner Erkrankung).
Cubitus
2016-08-11, 09:05:58
Das liest sich alles sehr traurig. Jedenfalls Respekt für deine tolle Leistung,
Abi, Studium, Abnahme und Bewältigung einer seelischen Erkrankung und das allen Widrigkeiten zum trotz. Ganz stark. (y)
Was mir zu schaffen macht ist der Umstand, mich nicht von möglichen Erwartungen und Anforderungen anderer nahestehender Familienmitglieder freimachen zu können. Keiner von denen, können nachempfinden, wie ich fühle und das Ganze erlebt habe,auch mein Bruder nicht. Dennoch sind sie immer schnell mit Ratschlägen dabei...
Du bist besorgt das man dir den schwarzen Peter zuschiebt.
Und du eventuell mit noch mehr Leuten den Kontakt einschränken musst.
Nur um des lieben Friedens willen irgendwo reinen Tisch zu machen und zu vergeben, kann und will ich nicht. Ich brauche das auch nicht für mich. Und wenn es so kommen würde, wäre es nicht von Herzen und nicht aus Überzeugung. Ich lege mittlerweile keinen Wert auf diese Menschen, das ist auch nicht das Problem was ich aktuell habe...
Naja so wie es sich liest nagt es schon an dir. Wenn deiner Mutter stirbt, wirst du es im Nachhinein bereuen mit ihr keinen Kontakt mehr gehabt zu haben?
Vielleicht ist das auch deine Sorge?
Ohne deine Eltern und dich persönlich zu kennen:
Eltern wollen in der Regel ihrem Kind die Art von Werten vermitteln, die sich für ihr eigenes Leben als wichtig herausgestellt haben.
Die Kinder wollen sich abgrenzen und Ihre eigenen (Fehl-)Erfahrungen erleben. Was auch wirklich wichtig ist. So wie du dein Lehrgeld bezahlen musstest, als du Ohne Job und ohne Geld dagestanden bist.
Ich vermute nicht das deine Eltern dich für einen Versager halten,
Sie müssten ja sonst an ihrer Erziehung zweifeln ;)
Eventuell Sind Sie auch froh das du selbständiger als dein Bruder bist und du ihnen so Verantwortung abgenommen hast.
Vielleicht bist du auch eifersüchtig auf deinen Bruder weil er mehr Zuwendung bekommen hatte als du, und bist in Gesprächen mit deinen Eltern eher auf Krawall gebürstet und trotzig.
Ich will deine Eltern sicher nicht in Schutz nehmen, denn so wie es sich liest wurden bei deiner Erziehung ziemlich viele Kardinal-Fehler begannen.
Eventuell kannst du dich in so weit diplomatisch verhalten, und einen Kontakt in solchen Dosen aufbauen, das du dir im Nachhinein nichts nachsagen lassen musst und du auch nach dem Tot deiner Mutter dir nichts vorzuwerfen hast.
bzw. Und dich somit auch nicht völlig mit deinem Vater deswegen verwirfst.
Jedenfalls wünsche ich dir viel Glück in dieser Zeit...
Fliwatut
2016-08-11, 09:14:30
Darmkrebs ist zwar eine sehr schlimme Diagnose, das muss aber auch nicht so schnell tödlich enden. Ich kenne jemanden, der hat noch 20 Jahre mit Darmkrebs gelebt, das ist immer verschieden.
Blase
2016-08-11, 09:28:17
Guten Morgen,
betrachte es mal unter dem Aspekt: Sollte deine Mutter dann irgend wann nicht mehr da sein - und du evlt eine nicht gemachte Aussprache bzw. eine nicht vollzogene "Versöhnung" bereuen, wäre es zu spät. Ich sage nicht, dass du das machen solltest, ich meine nur, dass du dir sicher sein solltest, wirklich frei von dem zu sein und sie - in mehrerer Hinsicht - "gehen lassen zu können". Und ich glaube, dass du das etwas zu eng siehst mit dem "nur wegen der Krankheit reinen Tisch machen"...
Es ist Familie - und es ist nie zu spät sich vielleicht doch auszusprechen - und vor allem gibt es keinen "falschen Zeitpunkt" dafür. "Jetzt", nicht "morgen". Eine schwere Krankheit hat nun einmal das Potenzial, Dinge und Sichtweisen zu ändern, "zurecht" zu rücken. Sowohl auf deiner, als auch auf ihrer Seite. Es muss nicht so sein, aber es kann...
Und bezüglich der Erwartungshaltung an dich - scheinbar hast du dich ja dann frei davon gemacht, die Erwartungshaltung deiner Eltern erfüllen zu "müssen" (wenn ich dich richtig verstanden habe), aber generell ist das noch ein Problem für dich? Bei anderen Personen, die dir "nahe" stehen?
Man kann es wohl grundsätzlich niemandem übel nehmen, wenn er eine gewisse Erwartungshaltung an einem hat. In einem "intakten Umfeld" (und natürlich, wenn mir die Person nahe steht bzw. mir seine Meinung nicht egal ist) würde ich wohl mit der Person sprechen, ihr grob meine Sichtweise schildern und - auch wenn die Person meine Sicht nicht teilt - um Verständnis für meine Sicht bitten. Denn auch wenn mein Gegenüber meine Meinung nicht teilt - er sollte sie wenigstens akzeptieren.
Es hängt halt damit zusammen, wie nahe dir die Personen stehen und wie das Verhältnis du zu diesen Personen pflegst. Du deutest an, dass du eigentlich eher wenig mit den Personen zu tun hast - aber dennoch ist es dir nicht egal.
Letztlich hast du also nur zwei Möglichkeiten. Mach, dass es dir egal ist - so wie du das scheinbar gegenüber deinen Eltern geschafft hast. Immerhin ist es dein Leben und deine Entscheidung. Und für niemanden und schon gar nicht irgend welche Erwartungshaltungen solltest du Dinge tun oder machen, bei denen du dich schlecht fühlst. Niemand steckt in deiner Haut, fühlt was du fühlst...
Möglichkeit zwei habe ich ja bereits angesprochen - sprich mit deinem Bruder und zeige ihm deine Sicht auf, wie du dich fühlst und warum du tun must, was du eben tust (oder auch NICHT tust). Sage ihm, dass du seinen Wunsch nach Aussöhnung verstehen kannst, es aber für dich nicht in Frage kommt. Bitte ihn um Verständnis.
Auch wenn ich "Scheidungskind" war und bin, so hatte ich das Glück in einer intakten Familie aufzuwachsen und auch heute ist das Verhältnis zu Mutter/Vater/Familie herzlich und warm. Ich würde also immer versuchen, die Dinge wieder ins Lot zu bringen. Ich kann aber verstehen, wenn das nicht immer möglich ist und man sich sogar abkapseln und den Kontakt beenden muss. Das nötigt mir Respekt ab, das kann keine leichte Entscheidung gewesen sein. Aber wenn das eigene (glückliche) Leben nur so funktionieren kann, ist das die richtige Entscheidung. Punkt!
Du musst halt schauen, ob und wie weit dieser "Trennungsprozess" evtl. auch auf weitere Familien Mitglieder ausgeweitet werden muss. Nicht jeder (keiner?!) wird deine Entscheidung bezüglich deiner Eltern verstehen, grade was deine Beharrlichkeit in der aktuellen Situation angeht. Du kannst es ihnen erklären (ob das dann auf der anderen Seite "ok" ist, wird sich zeigen) oder ein dickes Fell diesbezüglich haben. Aber so lange "Kontakt" besteht, wirst du sicherlich immer und immer wieder damit konfrontiert werden. Was du damit machst, liegt bei dir...
Gruß
Blase
Rockhount
2016-08-11, 09:42:43
Du bist besorgt das man dir den schwarzen Peter zuschiebt.
Und du eventuell mit noch mehr Leuten den Kontakt einschränken musst.
Ersteres ja, letzteres nein.
Ich habe sowieso zum Großteil der Familie keinen Kontakt mehr, weil diese "meinen Eltern nicht zu nahe treten wollen" indem sie mir Kontakt haben. Sei es drum, ist nicht mein Problem ;)
Naja so wie es sich liest nagt es schon an dir. Wenn deiner Mutter stirbt, wirst du es im Nachhinein bereuen mit ihr keinen Kontakt mehr gehabt zu haben?
Vielleicht ist das auch deine Sorge?
Nein, das denke ich nicht. Ich habe für mich sehr viel darüber nachgedacht und in mich hinein gehört/gefühlt und dabei "nichts" gefunden.
Ich bin emotional nicht wirklich mit ihnen verbunden und empfinde diesen Teil der Familie primär als Last. Es geht mir besser, seitdem ich weniger Kontakt habe.
Ohne deine Eltern und dich persönlich zu kennen:
Eltern wollen in der Regel ihrem Kind die Art von Werten vermitteln, die sich für ihr eigenes Leben als wichtig herausgestellt haben.
Die Kinder wollen sich abgrenzen und Ihre eigenen (Fehl-)Erfahrungen erleben. Was auch wirklich wichtig ist. So wie du dein Lehrgeld bezahlen musstest, als du Ohne Job und ohne Geld dagestanden bist.
Ich vermute nicht das deine Eltern dich für einen Versager halten,
Sie müssten ja sonst an ihrer Erziehung zweifeln ;)
Eventuell Sind Sie auch froh das du selbständiger als dein Bruder bist und du ihnen so Verantwortung abgenommen hast.
Im Leben meiner Eltern war eins immer am wichtigsten: Sie selber. Der Rest hatte zurück zu stehen. Das gilt auch für den Freundeskreis, der sich über die Jahre dadurch quasi aufgelöst hat.
Davon ab: Ich glaube nicht, dass sie mich als Versager sehen. Aber ich habe eben auch nie mal gehört, das man stolz auf mich ist oder das man mich liebt.
Direkte Worte können durch Vermutungen nicht ersetzt werden, mittlerweile ist es so oder so zu spät, weil ich ihnen, selbst wenn sie es mal sagen würden, nicht abnehmen könnte.
Vielleicht bist du auch eifersüchtig auf deinen Bruder weil er mehr Zuwendung bekommen hatte als du, und bist in Gesprächen mit deinen Eltern eher auf Krawall gebürstet und trotzig.
Ich will deine Eltern sicher nicht in Schutz nehmen, denn so wie es sich liest wurden bei deiner Erziehung ziemlich viele Kardinal-Fehler begannen.
Eventuell kannst du dich in so weit diplomatisch verhalten, und einen Kontakt in solchen Dosen aufbauen, das du dir im Nachhinein nichts nachsagen lassen musst und du auch nach dem Tot deiner Mutter dir nichts vorzuwerfen hast.
bzw. Und dich somit auch nicht völlig mit deinem Vater deswegen verwirfst.
Jedenfalls wünsche ich dir viel Glück in dieser Zeit...
Ich glaube nicht, dass ich eifersüchtig auf ihn bin, zumindest empfinde ich es nicht so. Ist ja auch nicht so, dass sie ihm freiwillig mehr Aufmerksamkeit widmeten, sie mussten es halt...
Ich habe mir davon ab nicht wirklich was vorzuwerfen. Ich habe mehrfach eine Aussprache gesucht und versucht, diese "Kuh vom Eis zu bekommen". Aber das wurde u.a. von der Gegenseite mit obigen Worten abgeschmettert. Ich habe in meinem Leben oft genug den Fehler gemacht, anderen hinterher zu rennen um Zuneigung, Freundschaft und Aufmerksamkeit zu bekommen. Das tue ich nicht mehr, daher bin ich in der Hinsicht auch mit mir im Reinen.
Darmkrebs ist zwar eine sehr schlimme Diagnose, das muss aber auch nicht so schnell tödlich enden. Ich kenne jemanden, der hat noch 20 Jahre mit Darmkrebs gelebt, das ist immer verschieden.
Ich würds ihr wünschen, ich hasse meine Eltern ja nicht.
Guten Morgen,
betrachte es mal unter dem Aspekt: Sollte deine Mutter dann irgend wann nicht mehr da sein - und du evlt eine nicht gemachte Aussprache bzw. eine nicht vollzogene "Versöhnung" bereuen, wäre es zu spät. Ich sage nicht, dass du das machen solltest, ich meine nur, dass du dir sicher sein solltest, wirklich frei von dem zu sein und sie - in mehrerer Hinsicht - "gehen lassen zu können". Und ich glaube, dass du das etwas zu eng siehst mit dem "nur wegen der Krankheit reinen Tisch machen"...
Es ist Familie - und es ist nie zu spät sich vielleicht doch auszusprechen - und vor allem gibt es keinen "falschen Zeitpunkt" dafür. "Jetzt", nicht "morgen". Eine schwere Krankheit hat nun einmal das Potenzial, Dinge und Sichtweisen zu ändern, "zurecht" zu rücken. Sowohl auf deiner, als auch auf ihrer Seite. Es muss nicht so sein, aber es kann...
Und bezüglich der Erwartungshaltung an dich - scheinbar hast du dich ja dann frei davon gemacht, die Erwartungshaltung deiner Eltern erfüllen zu "müssen" (wenn ich dich richtig verstanden habe), aber generell ist das noch ein Problem für dich? Bei anderen Personen, die dir "nahe" stehen?
Man kann es wohl grundsätzlich niemandem übel nehmen, wenn er eine gewisse Erwartungshaltung an einem hat. In einem "intakten Umfeld" (und natürlich, wenn mir die Person nahe steht bzw. mir seine Meinung nicht egal ist) würde ich wohl mit der Person sprechen, ihr grob meine Sichtweise schildern und - auch wenn die Person meine Sicht nicht teilt - um Verständnis für meine Sicht bitten. Denn auch wenn mein Gegenüber meine Meinung nicht teilt - er sollte sie wenigstens akzeptieren.
Es hängt halt damit zusammen, wie nahe dir die Personen stehen und wie das Verhältnis du zu diesen Personen pflegst. Du deutest an, dass du eigentlich eher wenig mit den Personen zu tun hast - aber dennoch ist es dir nicht egal.
Letztlich hast du also nur zwei Möglichkeiten. Mach, dass es dir egal ist - so wie du das scheinbar gegenüber deinen Eltern geschafft hast. Immerhin ist es dein Leben und deine Entscheidung. Und für niemanden und schon gar nicht irgend welche Erwartungshaltungen solltest du Dinge tun oder machen, bei denen du dich schlecht fühlst. Niemand steckt in deiner Haut, fühlt was du fühlst...
Möglichkeit zwei habe ich ja bereits angesprochen - sprich mit deinem Bruder und zeige ihm deine Sicht auf, wie du dich fühlst und warum du tun must, was du eben tust (oder auch NICHT tust). Sage ihm, dass du seinen Wunsch nach Aussöhnung verstehen kannst, es aber für dich nicht in Frage kommt. Bitte ihn um Verständnis.
Auch wenn ich "Scheidungskind" war und bin, so hatte ich das Glück in einer intakten Familie aufzuwachsen und auch heute ist das Verhältnis zu Mutter/Vater/Familie herzlich und warm. Ich würde also immer versuchen, die Dinge wieder ins Lot zu bringen. Ich kann aber verstehen, wenn das nicht immer möglich ist und man sich sogar abkapseln und den Kontakt beenden muss. Das nötigt mir Respekt ab, das kann keine leichte Entscheidung gewesen sein. Aber wenn das eigene (glückliche) Leben nur so funktionieren kann, ist das die richtige Entscheidung. Punkt!
Du musst halt schauen, ob und wie weit dieser "Trennungsprozess" evtl. auch auf weitere Familien Mitglieder ausgeweitet werden muss. Nicht jeder (keiner?!) wird deine Entscheidung bezüglich deiner Eltern verstehen, grade was deine Beharrlichkeit in der aktuellen Situation angeht. Du kannst es ihnen erklären (ob das dann auf der anderen Seite "ok" ist, wird sich zeigen) oder ein dickes Fell diesbezüglich haben. Aber so lange "Kontakt" besteht, wirst du sicherlich immer und immer wieder damit konfrontiert werden. Was du damit machst, liegt bei dir...
Gruß
Blase
Leicht war es natürlich nicht und ja, es geht mir besser dadurch. Aber ich bin halt leider so empathisch, dass mir zuviele Menschen nicht so egal sind, wie sie mir sein müssten.
Ich weiss, dass ich da ansetzen muss, aber das fällt mir wie gesagt aktuell mehr als schwer.
Emil123
2016-08-11, 10:00:13
Zunächst einmal finde ich es stark, dass du dir professionelle Hilfe geholt hast. In meinem Umkreis gibt es so viele Menschen, die es nötig hätten, aber wohl nie den Schritt wagen werden. Was ich zugegeben absolut peinlich finde, denn bei jedem Schnupfen geht es sofort zum Doktor. Glücklicherweise habe ich in meiner Jugend gelernt besser damit umzugehen.
Ich kann absolut verstehen wie es für dich sein muss, sich so von den eigenen Eltern zu entfernen. Für den eigenen Seelenfrieden kann es teils aber unabdingbar sein. Lass dir bloß nie ein schlechtes Gewissen deswegen einreden und betrachte dich oft in der dritten Person. Mir hilft das um zu ergründen, ob ich hier rational handle oder übertreibe.
Meine Geschichte zum Vergleich: Wir waren früher eine tolle Familie, aber meine Eltern haben sich ab einem gewissen Zeitpunkt einfach nicht mehr wirklich gemocht. Selten großer Streit, aber immer wieder der Versuch den Anderen auszuspielen und das dann auch nicht zu selten über mich und meine Schwester. So war dann auch die Stimmung ab meinem 10. Lebensjahr. Es wurde erwartet überall gut zu sein, aber meine Eltern haben bspw. nie Hausaufgaben kontrolliert oder irgendwie Anteilnahme gezeigt. Einzelne Noten: Nie interessant. Das Zeugnis wurde penibel ausgewertet und Steigerungen "besprochen". Wenn alles gut war: "Das haben wir auch erwartet." Als ich wider Erwarten Abi machen wollte gab es überraschte Gesichter, weil man dachte ich wäre zu faul und eigentlich könnte ich ja etwas Geld in den Haushalt bringen. Überhaupt: Leute die nicht arbeiten sind Schmarotzer. Meine Schwester bekam kein Taschengeld mehr, als sie mit 16 neben der Schule kleinere Jobs anfing um sich hier und da einen kleinen Luxus zu erlauben. Sie hatte doch jetzt ihr eigenes Geld. Auch vergleichbar mit dir: Als ich nach meiner Ausbildung 700km entfernt einen gut dotierten Job anfing, diesen aber zugunsten eines Studiums sausen ließ, war auch die erste Antwort, dass man mich finanziell nicht unterstützen "kann" (zusammen verdienten sie damals wie heute 6-stellig p.a.). Und ob ich mir das recht überlegt hätte, ich sei doch nicht besonders gut in der Schule gewesen. Die Wut nach diesen Worten war mega groß, auch weil die Unterstützung der Familie meiner damaligen Freundin groß war und mir der Kontrast noch mehr auffiel. Der Erfolg im Nachhinein gibt mir recht und jetzt heißt es auch, wie stolz man auf mich sei, aber ich hätte einfach mindestens moralische Unterstützung erwartet. Daher sah ich in den Jahren des Studiums meine Eltern auch max. 2x im Jahr.
Ein kurzer Schritt zurück: Meine Schwester zog mit 18, ich mit 19 aus. Danach gab es natürlich die große Leere bei meinen Eltern und meine Mutter wollte mehrfach die Scheidung. Leider (!!!) haben meine Schwester und ich versucht die beiden zu beraten, weil sie eben keine Freunde hatten und direkt zu uns kamen. Das Ganze flog uns später tausendmal härter um die Ohren.
Sie rauften sich einmal mehr zusammen, bis es zum großen Knall kam und meine Mutter in einer Nacht und Nebel Aktion auszog. Seitdem ist sie absolut unnahbar, denn es ist grundsätzlich alles toll (obwohl wir wissen, dass dem nicht so ist) und wenn sie dann wieder eine ihrer Episoden hat, dann werden nachts volltrunken Hassmails an meinen Dad und meine Schwester geschrieben. Mein Vater weil... was auch immer sie für Probleme haben. Meine Schwester weil... sie in Sachen Erziehung meiner Nichte unterschiedlicher Auffassung sind. Meine Mutter hat seit der Trennung locker 20kg zugenommen und war damals schon sehr üppig. Sie ist andauernd krank und hat trotz sehr guten Gehalts finanzielle Probleme. Damals dachten wir immer mein Vater wäre geizig, aber sie hat wohl alles Geld ohne Gegenwert rausgeschleudert. Hier hat sie wirklich viele Intrigen gegen ihn gesponnen, die mir im Nachhinein leid tun. Ich würde ihr gerne helfen, aber ich kann mich nicht erneut aufopfern um dann wieder zur Zielscheibe zu werden. (Vgl. Scheidung)
Hier flog einfach so viel Dreck und meine Eltern benahmen sich über Jahre (!) wie Kinder, so dass ich teils 6 Monate gar keinen Kontakt mehr zu ihnen hatte. Auch jetzt ist der Kontakt nur sporadisch da, aber immerhin etwas herzlicher. Für meinen Teil schütze ich mich aber und verweigere zu engen Kontakt, denn die letzten 2 Jahrzehnte haben mir permanent Schmerzen und Misstrauen bereitet. Schließlich habe ich gelernt, dass uns alle etwas Böses wollen. Oder noch viel schlimmer: Unser Geld. So sehr, dass ich in meiner eigenen Beziehung nicht mehr klar kam, keine Freunde hatte, Depressionen bekam und letztlich auch zur Therapeutin bin. Diese hat mir die Augen geöffnet und mich der Erwartungshaltung, die ich wegen meiner Eltern auch von weiteren Personen spürte, entzogen.
Zieh bitte viel Kraft aus den Sachen, die du nur für dich gemacht hast und die auf deinen eigenen Mist gewachsen sind. Mit Abi, Studium und Depressionen (trotz aller Widrigkeiten) habe ich vergleichbare Situationen durch und kann dir nur sagen: Wenn du all das bewältigt hast wirft dich noch weniger um. Du wirst stabiler, zufriedener und kannst dich auch mal zurücklehnen. Setze klare Richtlinien gegenüber deiner Eltern: Wenn ein Familienmitglied einen Zwist mit einem anderen Familienmitglied hat, dann wissen sie mittlerweile, dass sie mir dazu nichts sagen sollen. Versuche aber auch nicht nachzukanten oder etwas zu kitten, was du nicht mehr kitten magst.
Ich bin, obwohl ich früher so sehr Mama-Söhnchen war, mittlerweile absolut entwurzelt. Die große Entfernung jetzt hilft mir bei neuerlichen Streitigkeiten in meiner Familie auch emotional auf Abstand zu bleiben. Dabei liebe ich Harmonie. Meiner Schwester bleibt das leider verwehrt. Es wird spannend zu beobachten wie das Ganze mit 9000km Entfernung abläuft oder ob der Kontakt noch mehr abebbt, denn meine Frau und ich werden zurück in ihre Heimat gehen.
Halt die Ohren steif!
Blase
2016-08-11, 10:17:10
Leicht war es natürlich nicht und ja, es geht mir besser dadurch. Aber ich bin halt leider so empathisch, dass mir zuviele Menschen nicht so egal sind, wie sie mir sein müssten.
Ich weiss, dass ich da ansetzen muss, aber das fällt mir wie gesagt aktuell mehr als schwer.
Familie sollte einem auch nicht egal sein. Und schon gar nicht pauschal - die komplette Familie.
Der Kontakt zu deinem Bruder ist ja ein anderer, als zu dienen Eltern. Oder? Ja, auch er hat Erwartungshaltungen an dich, der du nicht gerecht werden willst. Aber ist das ähnlich in Stein gehauen, wie es bei deinen Eltern der Fall war? Ich meine, ihr könntet vielleicht eine Basis finden, eben unter Brüdern?! Hat eine Aussprache mit ihm stattgefunden? Kennt er deine Sicht und wie steht er dazu?
Ich habe auch einen kleinen Bruder und wir halten zusammen - auch und ganz unabhängig von unserer restlichen Familie. Der quasi NICHT-Kontakt zu deinen/euren Eltern ist ja das eine, aber vielleicht könnt ihr einen Basis finden, die es euch trotzdem erlaub, "Brüder" zu sein...
Rockhount
2016-08-11, 10:22:24
Naja, er sieht das ganze halt wie viele in der Familie und sind da stark von meiner recht konservativen Oma geprägt:
Lieber Friede-Freude-Eierkuchen, als Theater. Um JEDEN Preis, auch bei vollständiger Selbstaufgabe und Aufgabe der Selbstachtung.
Viele in der Familie scheinen lieber den äußeren Anschein zu wahren, anstatt tief in sich zufrieden und mit sich im Reinen zu sein. Das ist auch der Grund, warum viele Familienmitglieder mich offenbar eher nicht nachvollziehen können.
Mortalvision
2016-08-11, 10:48:12
Das kenne ich gut von meiner Frau. Ihre Mutter hat immer, auch heute, nur das Geld interessiert. Trotz Gesamteinkommens von 6000 netto waren die nur einmal im Urlaub mit ihr, alles Geld ging ins Haus. Meine Frau wurde von ihrer Mutter geschlagen, wenn sie mit einer zwei nach Hause kam, so richtig...
Trotzdem sehen wir sie jede Woche, aber sie hat keine Macht mehr über meine Frau, weil ich mich konsequent neutral halte in ihrem Dabeisein, nicht noch Öl ins Feuer gieße. ("Wie kannst du nur so ruhig sein?" -> "Weil ich ihre Spielregeln nicht akzeptiere")
Auch hat diese Dame nie, NIE ehrlich gesagt, was sie falsch gemacht hat. Meine Mama z.B. hat viel Alkohol getrunken, aber sie hat sich nach typischen Jahren der Lügengeschichten dazu aufgerafft, sich für die vielen Notarztrufe und anschließenden Klinikbesuche zu bedanken. Mehrfach, und unter Tränen. Ich glaube, so etwas fehlt dir am meisten, lieber TE!
Blase
2016-08-11, 10:54:04
Was möchtest du denn, im Zusammenhang mit deinem Bruder? Würdest du gerne eine "Bruder-Bruder" Beziehung zu ihm haben, oder ist es dir (inzwischen) egal? Den "Kampf" diesbezüglich mit deinen Eltern hast du ja dahingehend gewonnen, als dass es eine für dich zufriedenstellende Lösung gibt, mit der du gut leben kannst. Die Frage die du dir halt stellen musst, ist, ob du das so für deinen Bruder (und für wen auch sonst noch aus deiner Familie) auch so handhaben möchtest. Oder ob ihr unabhängig zum Zugang zu deinen Eltern für euch beide eine Lösung finden könnt.
Ist dir die Beziehung zu ihm wichtig? Hast du ihm gesagt, dass sie dir wichtig ist? Ist sie ihm wichtig? Es muss doch eine Möglichkeit geben, dass ihr beide einen Weg findet - für euch unter Brüdern...
Rockhount
2016-08-11, 10:54:49
Ich glaube, so etwas fehlt dir am meisten, lieber TE!
Das kann sehr gut sein, jedoch wäre der Preis dafür die Aufgabe meiner Integrität, meiner Selbstachtung, weil ich auf sie zugehen müsste, was ich aber mehr oder minder nicht (mehr) will. Und selbst dann würde ich wohl die Aufrichtigkeit anzweifeln...
Das kann sehr gut sein, jedoch wäre der Preis dafür die Aufgabe meiner Integrität, meiner Selbstachtung, weil ich auf sie zugehen müsste, was ich aber mehr oder minder nicht (mehr) will. Und selbst dann würde ich wohl die Aufrichtigkeit anzweifeln...
Müßtest wohl erst König von Deutschland werden, um ihnen Respekt abzufordern.
Aber dann wäre die Distanz zwischen Euch noch größer.
Was mach ich mit Einem, den ich nicht mag, oder der mir schadet zum Beispiel emotional ? Ich schaffe Abstand zu ihm.
Das hast Du auch getan. Finde ich ganz natürlich, sind ja auch nur soziale Teile einer Gesellschaft, diese Eltern.
Leider ist menschliche Interaktion selten Schwarz und Weiß. Das ist der Fluch der Intelligenz. Zuviel kann den Nachrichtenfluss verfälschen, ob die eigene Phantasie, alte Erfahrungen oder kulturelle Unterschiede.
Selbst wenn man nur ein Brötchen beim Bäcker kauft, kann man auf so vielen sozialen Ebenen etwas falsch machen, weil nie eindeutig klar ist, was wie beim Gegenüber ankommt.
Und das ist meine Frage, kennst Du Deine Eltern eigentlich ? Kennst Ihre Wünsche, Ihre Träume und dahingehend Ihre Lebensplanung, und ob diese sich so erfüllt hat, wie Sie es erhofft hatten ?
Wie soll man mit einer Sache verfahren, deren Wesen man nicht kennt ?
Ohne Informationen ist das im Trüben fischen. Mir scheint aber, sie kennen Dich auch nicht.
Du hast in der Therapie doch sicher auch eine Familienaufstellung gemacht. Was ist dabeiherausgekommen, gab es erhellende Momente ?
Rockhount
2016-08-11, 13:38:23
Und das ist meine Frage, kennst Du Deine Eltern eigentlich ? Kennst Ihre Wünsche, Ihre Träume und dahingehend Ihre Lebensplanung, und ob diese sich so erfüllt hat, wie Sie es erhofft hatten ?
Wie soll man mit einer Sache verfahren, deren Wesen man nicht kennt ?
Ohne Informationen ist das im Trüben fischen. Mir scheint aber, sie kennen Dich auch nicht.
Interessanter Gedankengang.
Nein, ich kenne sie nicht, sie mich sicher auch nicht. Grund dafür: Mangelnde Kommunikation und Nähe seit Geburt. Wir haben, je mehr ich drüber nachdenke, nur nebeneinander aber nicht miteinander gelebt. :frown:
Du hast in der Therapie doch sicher auch eine Familienaufstellung gemacht. Was ist dabeiherausgekommen, gab es erhellende Momente ?
Ich mache eine Verhaltenstherapie zur Steigerung der Selbstautonomie. Die richtet sich eher an aktuellen Verhaltensweisen und nicht so sehr auf biographische Aspekte
Interessanter Gedankengang.
Nein, ich kenne sie nicht, sie mich sicher auch nicht. Grund dafür: Mangelnde Kommunikation und Nähe seit Geburt. Wir haben, je mehr ich drüber nachdenke, nur nebeneinander aber nicht miteinander gelebt. :frown:
Hast Du denn in der Vergangenheit ihnen gegenüber klar formuliert, was Du von IHNEN erwartest ? * Bisjetzt warst Du nur Bittsteller und hast nur die Happen bekommen, die man Dir zuwarf. (Klingt undankbar, weil sie Dich immerhin in die Welt gesetzt haben und Dir auch den Start ins Leben ermöglicht haben, und dennoch darfst Du auch Deiner Enttäuschung über deine Eltern Ausdruck geben, oder ? DAS wäre doch ein Zeichen von Integrität.
(Wie kann man emotional integer sein ?)
*
Wir haben mehrere Aussprachen versucht, aber am Ende kam dann von meiner Mutter die Aussage, sie könne sich mit ihren ~45 Jahren nicht mehr ändern (damit auch nicht für ihre Kinder!),
mein Vater meinte dann, dass man dann wohl einen Schlussstrich ziehen müsse. Gesagt, getan.
In diesen Aussprachen, immerhin waren sie bereit für Aussprachen, was ja ihr Interesse an Dich zeigt, was war denn dort der Aufhänger ?
Ich mache eine Verhaltenstherapie zur Steigerung der Selbstautonomie. Die richtet sich eher an aktuellen Verhaltensweisen und nicht so sehr auf biographische Aspekte
Hat denn keiner Deiner Therapeuten die Möglichkeit zu einer tiefenpsychologischen Begleittherapie in Betracht gezogen ?
Aufgrund der Problemstellung halte ich die Suche nach den Ursachen statt allein einer Rekonditionierung für sinnvoll.
Rockhount
2016-08-11, 14:04:34
Hast Du denn in der Vergangenheit ihnen gegenüber klar formuliert, was Du von IHNEN erwartest ? Bisjetzt warst Du nur Bittsteller und hast nur die Happen bekommen, die man Dir zuwarf. (Klingt undankbar, weil sie Dich immerhin in die Welt gesetzt haben und Dir auch den Start ins Leben ermöglicht haben, und dennoch darfst Du auch Deiner Enttäuschung über deine Eltern Ausdruck geben, oder ? DAS wäre doch ein Zeichen von Integrität.
(Wie kann man emotional integer sein ?)
In den versuchen mich mit ihnen auszusprechen habe ich gesagt, was ich erwarten würde...Anteilnahme an meinem Leben. Interesse. Reaktion darauf s.o.
Diese Aussprachen waren auch von uns initiiert und man hatte relativ schnell das Gefühl, dass die Gegenseite da nur mehr oder minder "freiwillig" dabei ist.
Das Ergebnis, also der status quo, ist ja dann auch so von meinen Eltern (Vater) initiiert worden, ich habe diese Option nie angesprochen. Davon ab ist aber auch das,
diese "Flucht" anstelle des "sich stellen" auch stellvertretend für meine Eltern (speziell meine Mutter). Sie hat in der Vergangenheit sehr häufig bei emotionalen Diskussionen, die nicht nach ihrem Gusto verliefen,
den Raum verlassen (inkl. Türen knallen) und nicht selten hat sie sich ins Auto gesetzt und ist für 2-3 Stunden zu irgendwelchen Bekannten gefahren...danach waren die Themen dann "abgeschlossen".
Aber egal, nach der/den Aussprache(n) war es am Anfang natürlich besser, aber rel. schnell wurde es dann wie immer und bei Anrufen wurde ich quasi direkt damit beladen, was in DEREN Leben abgeht und passiert, keinerlei Nachfrage oder Interesse was in MEINEM Leben passiert...gerade während des Studiums hätte ich das irgendwie erwartet.
Hat denn keiner Deiner Therapeuten die Möglichkeit zu einer tiefenpsychologischen Begleittherapie in Betracht gezogen ?
Aufgrund der Problemstellung halte ich die Suche nach den Ursachen statt allein einer Rekonditionierung für sinnvoll.
Keine Ahnung. Wie gesagt, für mich ist das Thema "Beziehung" ad acta gelegt, das ist jetzt heute auch nicht das zentrale Problem für mich. Das Problem für mich ist, dass ich eine Belastung aus der vermuteten Erwartung an mich spüre...irgendeinem Bild gerecht werden zu müssen, obwohl ich weiss, dass ich das alleine bestimme und ich mich da nirgendwo einfügen muss. Aber es gelingt mir derzeit nicht.
In den versuchen mich mit ihnen auszusprechen habe ich gesagt, was ich erwarten würde...Anteilnahme an meinem Leben. Interesse. Reaktion darauf s.o.
Diese Aussprachen waren auch von uns initiiert und man hatte relativ schnell das Gefühl, dass die Gegenseite da nur mehr oder minder "freiwillig" dabei ist.
Das Ergebnis, also der status quo, ist ja dann auch so von meinen Eltern (Vater) initiiert worden, ich habe diese Option nie angesprochen. Davon ab ist aber auch das,
diese "Flucht" anstelle des "sich stellen" auch stellvertretend für meine Eltern (speziell meine Mutter). Sie hat in der Vergangenheit sehr häufig bei emotionalen Diskussionen, die nicht nach ihrem Gusto verliefen,
den Raum verlassen (inkl. Türen knallen) und nicht selten hat sie sich ins Auto gesetzt und ist für 2-3 Stunden zu irgendwelchen Bekannten gefahren...danach waren die Themen dann "abgeschlossen".
Aber egal, nach der/den Aussprache(n) war es am Anfang natürlich besser, aber rel. schnell wurde es dann wie immer und bei Anrufen wurde ich quasi direkt damit beladen, was in DEREN Leben abgeht und passiert, keinerlei Nachfrage oder Interesse was in MEINEM Leben passiert...gerade während des Studiums hätte ich das irgendwie erwartet.
Keine Ahnung. Wie gesagt, für mich ist das Thema "Beziehung" ad acta gelegt, das ist jetzt heute auch nicht das zentrale Problem für mich. Das Problem für mich ist, dass ich eine Belastung aus der vermuteten Erwartung an mich spüre...irgendeinem Bild gerecht werden zu müssen, obwohl ich weiss, dass ich das alleine bestimme und ich mich da nirgendwo einfügen muss. Aber es gelingt mir derzeit nicht.
Wir Alle müssen immer die Erwartungen Anderer erfüllen. Sicher ein Grund, warum Robinson Crusoe ein Welterfolg wurde, ein Traum für jeden, der unabhängig sein möchte. Das bedeutet aber auch Einsamkeit.
Also müssen wir ein Konzept finden, wie wir mit enttäuschten Erwartungen umgehen. Keiner kann Alle zufriedenstellen.
Das Scheiss-Drauf-Konzept wird von Vielen gewählt. Nicht das Schlechteste, wie ich finde.
Rockhount
2016-08-11, 14:34:58
Ist ja in Arbeit und klappt in vielen Bereichen mittlerweile recht gut, hier fällts mir aber noch schwer
Ist ja in Arbeit und klappt in vielen Bereichen mittlerweile recht gut, hier fällts mir aber noch schwer
Üben Üben Üben ;)
Mortalvision
2016-08-11, 15:20:58
Jein, Rockhound. Sie müssen von alleine auf dich zukommen (so wie meine Mutter). Die musst du nicht abholen... (als Tipp)
Das wäre das Optimum, wird aber sicher niemals geschehen. :(
Rockhount
2016-08-11, 15:46:59
Eher nicht, nein, ist aber auch ok so, ich erwarte da nix
ab einem gewissen Punkt gibt es keine echte Chance mehr, die verhärteten Fronten aufzuweichen. Insbesondere, da Rockhount sich SEHR deutlich bemüht hat, Klärungen herbeizuführen und die Gegenseite sich (lieber) um den "guten Sohn nebst Familie" kümmert, zeigt schon eine deutliche Aufgabe zu anderer Kommunikation an. (alles imho).
Rockhount
2016-08-11, 15:50:39
Naja, so ist es ja nicht, mit dem "guten Sohn". So habe ich das jedenfalls nicht empfunden und kann das auch heute nicht so sehen. Ich glaube, wenn mein Bruder kein ADHS gehabt hätte und so selbständig und vernünftig gewesen wäre wie ich, hätten sie sich eher um sich gekümmert...
Nimmst es Deinen Eltern also doch nicht so übel. Eher waren Sie, ergo Du Opfer der Umstände ?
Das ist das Leben. Unabwägbar. Der Mensch denkt, Gott lenkt.
Verluste gehören dazu, wir müssen das aushalten.
So, ich mach für mich hier nen Break. Drücke Dir die Daumen. Und lass es Dir so gut gehen, wie Du kannst, Rocky ! :)
Man muß eines im Leben immer begreifen, kein Kind ist ist verantwortlich für das Leben der Eltern! Und wenn sich Kinder, um sich ihr Seelenheil zu retten und um ihr "Überleben" zu sichern, von den Eltern abspalten und abtrennen müssen, mit allen Konsequenzen, ist das ihr gutes Recht und zum Gewissen Teil auch ihre Pflicht.
Daher halte ich persönlich jedes schlechtes Gewissen für unnötig. Und man sollte sich auch keines einreden lassen. Eltern sind selbst für ihr Leben und für ihr Glück verantwortlich, genau wie jeder Mensch eben auch, der erwachsen geworden ist.
@TS
Wenn Dein Leben ohne sie besser geworden ist, dann hast Du eben für Dich richtig gehandelt. Und das man immer irgendwie noch seelisch und emotional gebunden ist, ist normal. Diese Trennung wird wirklich erst aufhören, wenn die anderen Personen verstorben sind.
Ich kenne Deine Geschichte, so wie hier andere auch, leider auch nur zu gut aus eigener leidiger Erfahrung, eben auch mit Krebs der Mutter und Großmutter usw. Und so traurig wie ich darüber bin, daß beide nicht mehr leben, als meine Mutter starb, merkte ich richtig, wie all die negativen Projektionen von ihr schlagartig weg waren, und ich auch innerlich wirklich frei war. Ob eingebildet oder nicht, sei mal dahingestellt, aber erst seit ihrem Tod bin ich wirklich frei, und hatte auch keine entsprechenden Depressionen mehr. Als sie noch am Leben war, und da wußte ich ja dann ab ca. 30, durch meine psychologische Ausbildung, daß meine Depressionen keinen Grund für mich hatten, und wirklich an sich von ihr auf mich als "ältesten und verantwortlichen" Sohn übertragen wurden. Das war jetzt nicht mal böswillig oder absichtlich, sondern an sich fast vollkommen unbewußt und ein Ausdruck ihrer Hilflosigkeit. Nur mußte ich, um mich, meine Familie und meinen Seelenheil zu retten, sehr wohl diese Trennung vornehmen. Ich wollte nicht, daß sich dieser ganze Scheiß und Mist von unserer Familiengeschichte mit mehreren Generationen sich irgendwie auf meine Kinder und meine Frau auswirkt. Und da konnte ich mich nur für eine Seite entscheiden, und das war MEINE Familie, und eben nicht Mutter und Geschwister. Klar wurde es damals von ihnen sehr negativ bewertet. Aber ich kann heute eben einigermaßen glücklich leben, während meine Geschwister bis heute diese übertragenen Geschichten mit sich weitertragen, und meine Schwester ihrem Sohn diese Scheiße unbewußt übergibt.
Daher gibt es hier kein richtig oder falsch. Es ist die Frage, für was man sich entscheidet. Meine bittere Erfahrung, wenn man selbst nicht ab und zu egoistisch verhält, geht oftmals unter oder bekommt unberechtigt Dinge ab, die nichts mit einem selbst zu tun haben. Klar macht man sich damit nicht beliebt, aber diesen Preis muß man eben zahlen. Oder man bleibt seinen Eltern treu, bekommt aber den ganzen Mist ab, der weder was bringt, noch man überhaupt irgendwie was damit zu tun hat.
Hier kann ich das christliche Symbol der "Erbsünde" wirklich gut verstehen. Jedoch würde ich immer sagen, daß die Unterbrechung dieses Kreislaufes immer besser ist, als es Generationen weit immer wieder weiterzutragen.
vBulletin®, Copyright ©2000-2025, Jelsoft Enterprises Ltd.