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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : zivilisierte Menschheit?


Mars81
2016-09-29, 06:31:39
http://www.wissenschaft.de/home/-/journal_content/56/12054/13757465/Die-Wurzeln-der-Gewalt/

Der letzte Absatz irritiert:
Erst vor rund 100 Jahren begann der Anteil von gewaltsamen Todesfällen wieder stark abzusinken: Heute liegt die Rate von Mord und Totschlag nur noch bei 0,1 Prozent, wie Studien zeigen. Damit liegen wir heute in puncto tödlicher Aggression und Gewalt um das rund 200-Fache niedriger als unsere Vorfahren in der Steinzeit.

Auch wenn der Text vielleicht formal richtig ist und man Tot durch Kriegseinwirkung nicht als Mord und Totschlag betrachtet, so werden hier dennoch Äpfel mit Birnen verglichen. Anders kann ich mir diese Zahl nicht erklären. Die Millionen von Toten in den Weltkriegen allein dürften schon fast diesen Wert erreichen. Alle anderen Kriege und Morde noch nicht mitgezählt. Zuerst wird innerartliche Gewalt insgesamt betrachtet und später ein Großteil innerartlicher Gewalt ausgeklammert. Imo keine seriöse wissenschaftliche Arbeit.

Hat zufälliger Weise jemand hier ein Nature Abo und kann die Orginalquelle prüfen?
http://www.nature.com/nature/journal/vaop/ncurrent/full/nature19758.html

urpils
2016-09-29, 06:34:40
http://www.wissenschaft.de/home/-/journal_content/56/12054/13757465/Die-Wurzeln-der-Gewalt/

Der letzte Absatz irritiert:


Auch wenn der Text vielleicht formal richtig ist und man Tot durch Kriegseinwirkung nicht als Mord und Totschlag betrachtet, so werden hier dennoch Äpfel mit Birnen verglichen. Anders kann ich mir diese Zahl nicht erklären. Die Millionen von Toten in den Weltkriegen allein dürften schon fast diesen Wert erreichen. Alle anderen Kriege und Morde noch nicht mitgezählt. Zuerst wird innerartliche Gewalt insgesamt betrachtet und später ein Großteil innerartlicher Gewalt ausgeklammert. Imo keine seriöse wissenschaftliche Arbeit.

Hat zufälliger Weise jemand hier ein Nature Abo und kann die Orginalquelle prüfen?
http://www.nature.com/nature/journal/vaop/ncurrent/full/nature19758.html

habe den Artikel hier was genau möchtest du denn "geprüft sehen"?

Korfox
2016-09-29, 07:12:57
Es ist ja deutlich, dass es um relative Zahlen geht.
Nehmen wir Mal die aktuellen zahlen:
http://www.worldometers.info/de/
Bevölkerung dieses Jahr: rund 7.5Mrd.
Tote (aufs Jahresende geschätzt): 60 Mio.
Davon durch Gewaltanwendung gestorben (0,1%): 60.000

1950 lag die Weltbevölkerung bei ca. 2,5Mrd.
Wenn wir eine ähnliche Sterberate ansetzen ca. 25 Mio. Tote
Bei 0,1% durch Gewalteinwirkung: 25.000

Von daher: Richtig... der Holocaust (als Beispiel) ist hier wohl nicht berücksichtigt. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sich das durch die Jahrzehnte (Mittelwertbildung) glätten lässt, da man dann immernoch nur durch den Holocaust 5-6-stellig pro Jahr wäre.

Wenn man solche Ereignisse (Holocaust war ja nicht der einzige Massenmord) rausnimmt kann ich mir gut vorstellen, dass die Zahl stimmt und früher häufiger tödlicher Gewaltverbrechen stattfanden, als heute (Hexenverbrennung, Prohibition, ...). Wobei ich unsicher wäre, dass die Entwicklung anhält.

Beim 1. Weltkrieg sind wir btw. quasi ziemlich genau bei den 100 Jahren (1914-1918).

Mars81
2016-09-29, 07:19:22
habe den Artikel hier was genau möchtest du denn "geprüft sehen"?

Ob die Quelle richtig zitiert wurde und im Originalartikel sinngemäß genau das selbe steht. Und ob dort etwas steht, dass erläutert wie sie zu dieser Aussage kommen.

Monger
2016-09-29, 07:42:44
Der zweite Weltkrieg war halt aber auch der letzte große Konflikt des 20ten Jahrhunderts, darauf folgte die längste friedliche Phase überhaupt. Es war auch der letzte große Territorialkrieg.
Die globale Bevölkerung hat sich seit Beginn des 20ten Jahrhunderts ungefähr versechsfacht.

Und die Mordrate darf man auch nicht unterschätzen. England war das erste Land was Mitte des 19ten Jahrhunderts eine Polizei eingeführt hat, vorher gab es keine ernstzunehmende Ermittlungsarbeit. Mörder wurden entweder von Anwesenden in Flagranti erwischt, oder gar nicht. Heute ist Raubmord ein extrem seltenes Verbrechen, Anfang des 19ten Jahrhunderts fanden sich regelmäßig Leichen in den morgentlichen Straßen.

Avalox
2016-09-29, 09:17:32
Auch wenn der Text vielleicht formal richtig ist und man Tot durch Kriegseinwirkung nicht als Mord und Totschlag betrachtet, so werden hier dennoch Äpfel mit Birnen verglichen. Anders kann ich mir diese Zahl nicht erklären. Die Millionen von Toten in den Weltkriegen allein dürften schon fast diesen Wert erreichen. Alle anderen Kriege und Morde noch nicht mitgezählt. Zuerst wird innerartliche Gewalt insgesamt betrachtet und später ein Großteil innerartlicher Gewalt ausgeklammert. Imo keine seriöse wissenschaftliche Arbeit.



Ja ist befremdlich. Nun sind Mord und Totschlag ja juristisch formulierte stark definierte Begriffe und meinen keinesfalls die Gesamtheit welcher durch aktive oder passive Gewalt gestorbener Menschen. Ich würde vermuten, dass Mord und Totschlag nur einen geringen Anteil dieser Menschen ausmacht.

Zudem wächst heute die Weltbevölkerung weit überproportional. Die Anzahl der Toten von Gestern wird durch die Bevölkerung von Morgen sofort prozentual relativiert. In der Steinzeit ist die Bevölkerung gar nicht gewachsen.


Zu Mord und Totschlage würde ich eher in einer kriminalistischen Statistik vermuten.

Natürlich ist die Polizei und der Staat generell politisch dran interessiert die Aufklärungsquote dieser Verbrechen extrem hoch zu halten. Diese liegt bei deutlich über 95%.
Erstmal ist dort die Ermittlung im Rahmen des technischen Fortschritts besser geworden und wirkt damit vielleicht abschreckender, die Medizin ist auch besser geworden und erhöht sicherlich die Überlebensrate bei Gewalttaten, auf der anderen Seite muss man annehmen, dass solche Statistiken auch gerne kreativ erstellt werden. Bestimmt ähnlich einer Arbeitslosenstatistik. Die Aufklärungsquote der Rauschgiftdelikte sind z.B. ähnlich hoch wie die der Morde ;) Da gibt die Statistik garantiert nicht das wieder, was der Bürger gemeinhin unter einem Rauschgiftdelikt versteht.


Was ja nicht im Umkehrschluss bedeutet, dass jeder bei einer Straftat umgebrachte Mensch durch einen Mord oder Totschlag umgebracht wurde.
Es gibt durchaus z.B. auch die Körperverletzung mit Todesfolge, die weder in Mord- noch Totschlagszahlen zu finden sind und scheinbar nicht in die Betrachtung oben fallen.
Von den gar nicht erst erkannten Verbrechen, die dann natürlich in der Statistik auch nicht geführt werden nicht zu sprechen. Für Mord und Totschlag muss es erstmal einen funktionierenden Staat geben, der eine Kriminalitätsstatistik führt. Die geografischen Konflikt Brennpunkte auf der Welt werden sicherlich keine Statistiken zu Morden und Totschlägen liefern und werden damit ausgeblendet.


Allein wenn man bedenkt, dass "Hunger" heute zwar weltweit drastisch zurück gegangen ist, der vorhandene Hunger aber nicht aus einer Knappheit resultiert, sondern heute als Waffe eingesetzt wird um ganze Bevölkerungsgruppe auszulöschen und zu vertreiben. Wer heute hungert, der hungert, weil jemand bewusst etwas tut, dass dieser Mensch hungert. So sind 6 Millionen Menschen allein letztes Jahr verhungert, der Großteil als Folge von Gewalt, die gar nicht in die Statistik fallen, dann relativiert es sich doch sehr stark.


Zudem ist es befremdlich von einer Mord und Totschlagrate in der Steinzeit zu sprechen, da es diese beiden Straftaten dort noch gar nicht gegeben haben wird.

Mortalvision
2016-09-29, 10:03:34
Nur 60.000???

Jonny1983
2016-09-29, 11:17:36
Der zweite Weltkrieg war halt aber auch der letzte große Konflikt des 20ten Jahrhunderts, darauf folgte die längste friedliche Phase überhaupt.


Das stimmt einfach nicht.
Zwischen 60 und 70 Millionen Opfer gab es im zweiten Weltkrieg.

Die USA hat es seit 1945 auf 30 Millionen gebracht. Ist das kein großer Konflikt? Passiert das nicht Weltweit? Ist das Frieden?
https://www.contra-magazin.com/2015/10/seit-1945-usa-toeteten-ueber-30-millionen-menschen/

PatkIllA
2016-09-29, 13:41:54
30 Millionen sind auf die Zeit und Weltbevölkerung immer noch relativ wenig.
Bei vielen Stämmen sind von den Männern zweistellge Prozente bei Konflikten ums Leben gekommen.
Wenn du Werte aus diversen Zeiten Werte willst kannst du mal in "Better Angels of our Nature" schauen.

Matrix316
2016-09-29, 15:40:09
Das stimmt einfach nicht.
Zwischen 60 und 70 Millionen Opfer gab es im zweiten Weltkrieg.

Die USA hat es seit 1945 auf 30 Millionen gebracht. Ist das kein großer Konflikt? Passiert das nicht Weltweit? Ist das Frieden?
https://www.contra-magazin.com/2015/10/seit-1945-usa-toeteten-ueber-30-millionen-menschen/
Aber es sind ja nicht die USA die auf einen Weltweiten Kreuzzug gehen, sondern oft sind es andere die den Konflikt anfangen und die USA (und andere Länder) nur reagieren.

Haarmann
2016-09-29, 16:06:28
Das ist dann wohl oft eine Frage der Zählweise...

Ohne Kriege wird diese Rate eher höher sein, denn Früher - weil man erst einmal wem begegnen muss, damit man ihn auch meucheln kann...

Poekel
2016-09-29, 16:31:03
So wie ich das verstehe, sind Kriege in der Zählweise mit drin. Das Ergebnis ist ja, dass die Gewalt innerhalb der Spezies für den Menschen zu Beginn vergleichbar gewesen sein soll mit der innerhalb anderer Primaten.

Diese ist dann massiv angestiegen, was wohl vor allem auf Kriege und Stammesfehden zurückgeführt wird, und erst für die letzten 100 Jahre wurde ein starker Abstieg des Wertes festgestellt, der aktuell bei 0,1% liegt.

Man sollte sich hier auch vor Augen halten, dass z. B. in Europa lange Zeit im Grunde Dauerkrieg herrschte und anderswo war Krieg auch der normale Gang der Dinge. Historisch sind die 50+ Jahre Frieden in Europa eher eine Ausnahme. Und bei Zahlen von 15-30% Todesfälle durch Gewalt kann man wohl davon ausgehen, dass Kriege mitgezählt werden.

Für die Moderne werden WK1 und 2 dann aber wohl Ausfälle darstellen.

dreamweaver
2016-09-29, 16:44:10
Zudem ist es befremdlich von einer Mord und Totschlagrate in der Steinzeit zu sprechen, da es diese beiden Straftaten dort noch gar nicht gegeben haben wird.

Wieso nicht? Weil es diese Maßstäbe damals nicht gab, oder weil sich alle lieb hatten?


Grundsätzlich finde ich es fast interessanter nach den relativen Zahlen von Gewalttätern zu fragen, als nach den Zahlen von Opfern. Denn durch die Möglichkeiten, die ein einzelner Mensch heutzutage hat, ist das eh nur bedingt in Relation zu setzen.

Angesichts von bald 8.000.000.000 Menschen müsste es schon 80.000.000 Gewalttäter jeden Tag geben, damit wenigstens 1% der Menschheit jeden Tag mordet/tötet. Mal nur auf Mord und Totschlag gezählt, glaube ich nicht, daß diese Zahl zustande kommen wird.

x-force
2016-09-29, 17:33:19
Angesichts von bald 8.000.000.000 Menschen müsste es schon 80.000.000 Gewalttäter jeden Tag geben, damit wenigstens 1% der Menschheit jeden Tag mordet/tötet. Mal nur auf Mord und Totschlag gezählt, glaube ich nicht, daß diese Zahl zustande kommen wird.
du kannst eine jahresquote natürlich nicht auf einen tag ansetzen. 8 millionen im jahr klingen schon realistischer, kriege und co mit einberechnet.

man könnte allerdings auch unterlassene hilfeleistung mit einrechnen, das wäre dann eher deine zahl ;)

Avalox
2016-09-30, 09:03:38
Wieso nicht? Weil es diese Maßstäbe damals nicht gab, oder weil sich alle lieb hatten?


Es gab nicht das Strafrecht, welches ja erst einen Mord und Totschlag definiert. Damit gibt es Morde erst seitdem es das entsprechende Strafrecht gibt.
Die Meschen werden schon immer gleich getickt haben.
Vermutlich wird es so gewesen sein, dass wenn jemand jemanden einen Stock hinterher geschmissen hat und diesen jemanden traf, dieser dann auch gleich an Tetanus gestorben ist. Heute gibs ne Spritze, trotzdem schmeißen bestimmt nicht weniger Menschen anderen etwas hinterher.

Spasstiger
2016-09-30, 09:31:54
Im WK2 dürfte die Quote der Todesfälle durch innerartliche Gewalt bei über 50% gelegen haben.

Eisenoxid
2016-09-30, 13:45:15
2.WK: 70Mio Todesopfer; Weltbevölkerung 1940: ~2,3Mrd. --> 3% (bzw. 0,5% p.a. im Schnitt)

Korfox
2016-09-30, 14:19:39
2.WK: 70Mio Todesopfer; Weltbevölkerung 1940: ~2,3Mrd. --> 3% (bzw. 0,5% p.a. im Schnitt)
Erm... es geht wohl kaum darum, dass 50% der Weltbevölkerung durch Gewalt ums Leben gekommen sind, sondern dass 50% der Gestorbenen eines Jahres durch Gewalt ums Leben gekommen sind....
Wenn man von heute 7.5Mrd und ~60Mio Todesfällen pro Jahr ausgeht und das nichtmal kürzt ist man bei 70 Mio. Kriegstoten schon bei über 50%.
Wenn man das runterrechnet auf 2.5 Mrd Weltbevölkerung hätte man ca. 20 Mio. Todesfälle... also 330% durch WK II (55% p.a. wenn man simplifiziert rechnet).
Wenn man jetzt noch die gesteigerte Lebenserwartung hinzunimmt... lassen wir das mal.

Eisenoxid
2016-09-30, 17:28:51
Ok, bin von der falschen Grundlage ausgegegangen. Wobei das egal ist, wenn man die Gesamtbevölkerung immer als Basis annimmt. Die ist nämlich deutlich leichter zu recherchieren als die insgesamten Todeszahlen pro jeweiligem Jahr.

Nichts desto trotz ist es so, dass die relativen Todesfälle durch Gewalt im langen zeitlichen Maßstab abgenommen haben.
Nach dem 30 jährigen Krieg bspw. war in einigen Regionen mehr als die Hälfte der Bevölkerung weg.


Wenn man das runterrechnet auf 2.5 Mrd Weltbevölkerung hätte man ca. 20 Mio. Todesfälle... also 330% durch WK II (55% p.a. wenn man simplifiziert rechnet).
Wenn dann musst du alles p.a. rechenen - du kannst nicht die 70Mio über 6 Jahre mit 20Mio in einem Jahr ins Verhältnis setzen. Die 330% stimmen daher nicht.

Monger
2016-09-30, 21:38:14
Mal zynisch betrachtet: das Bevölkerungswachstum wurde historisch gesehen vor allem limitiert durch Hunger, Krankheit und Krieg - wobei letzteres oft die beiden ersteren mitbringt.

Allein die Tatsache dass die Weltbevölkerung so deutlich gewachsen ist, ist ein Zeichen dafür dass die drei Faktoren allesamt besser geworden sind.

Lawmachine79
2016-10-01, 00:26:37
Es gab nicht das Strafrecht, welches ja erst einen Mord und Totschlag definiert. Damit gibt es Morde erst seitdem es das entsprechende Strafrecht gibt.
Die Meschen werden schon immer gleich getickt haben.
Vermutlich wird es so gewesen sein, dass wenn jemand jemanden einen Stock hinterher geschmissen hat und diesen jemanden traf, dieser dann auch gleich an Tetanus gestorben ist. Heute gibs ne Spritze, trotzdem schmeißen bestimmt nicht weniger Menschen anderen etwas hinterher.
Mord und Totschlag gab es schon vor dem Strafrecht. Das Strafrecht hat sich bestimmte tatsächliche Umstände herausgesucht und als Rechtsfolge eine Strafe vorgesehen. Dinge werden erst nicht dadurch geschaffen, dass man sie definiert. Die Definition abstrahiert nur und ordnet zu.

Davon abgesehen ist Strafrecht positiv gesetztes Recht. Jedes positiv gesetzte Recht leitet sich aber aus einem darüber liegenden Verständnis von "Richtig" oder "Falsch" ab. Es gibt also einen übergesetzlichen Konsens über das was man tun soll und was nicht, sog. "Naturrecht". Das macht uns zivilisiert. Bei Nicht-Menschen gibt es kein "sollen" und "dürfen" sondern nur ein "müssen" und "können".

Avalox
2016-10-01, 06:13:28
Glaube ich nicht.

Das deine Betrachtung problematisch ist zeigt ja allein die Diskussion um den Ehrenmord heute und dessen unterschiedlichste kulturellen Betrachtung weltweit.
Nach Deiner Definition dürfte dieses nicht so sein und dieses ist heute, hier reden wir aber von 200000 Jahren.

Menschliche Rechtsnormen sind nicht naturgegeben und ändern sich obendrein.

Lawmachine79
2016-10-02, 16:47:39
Glaube ich nicht.

Das deine Betrachtung problematisch ist zeigt ja allein die Diskussion um den Ehrenmord heute und dessen unterschiedlichste kulturellen Betrachtung weltweit.
Nach Deiner Definition dürfte dieses nicht so sein und dieses ist heute, hier reden wir aber von 200000 Jahren.

Menschliche Rechtsnormen sind nicht naturgegeben und ändern sich obendrein.
"Naturrecht" impliziert nicht, dass das "in der Natur angelegtes" Recht ist. "Überpositives Recht" ist vielleicht eine treffendere Bezeichnung.

Weiter kann man festhalten, dass es kein einheitliches überpositives Recht gibt, dass alle Menschen gleich empfinden. Überpositives Recht konstituiert sich durch menschliches Zusammenleben aus den Bedingungen unter denen man zusammenlebt und wie man dieses Zusammenleben dann gestaltet. Dabei kristallisieren sich - ohne dass man darüber spricht - Regeln dergestalt aus, dass bestimmte Verhaltensweisen erwünscht und gefördert werden und bestimmte Verhaltensweisen nicht gewünscht und sanktioniert werden. Wenn Du 40 Menschengruppen a 100 Personen bildest und sie quer in die Welt schickst, sie dann nach 300 Jahren besuchst, wirst Du 40 unterschiedliche Vorstellungen von richtig und falsch haben. Ich behaupte aber, dass 35 von diesen 40 auch eine große Schnittmenge haben werden. 5 von 40 werden sich aber ggf. völlig anders entwickelt haben, dort werden Dinge selbstverständlich sein, die die anderen als himmelschreiendes Unrecht empfinden. Diese 5 werden Dein "Ehrenmord"-Beispiel sein.

Monger
2016-10-02, 17:12:23
Bei den späten Azteken waren Menschenopfer gesellschaftlich akzeptiert. Wenn ein ganzes Volk vor der Wahl steht, ein Jahr weitere Dürre zu ertragen, oder die Götter mit Blut zu besänftigen...

Gut, man weiß sehr wenig über die Zeit. Niemand weiß, was für extreme gesellschaftliche Bedingungen aufgetreten sind, dass es soweit kommen konnte. Bei den Azteken kann man das auf jeden Fall nicht auf Gewohnheit zurückführen, die waren in ihrer Frühphase wahrscheinlich nicht so blutig.

Kurzum: moralische Vorstellungen sind ziemlich flexibel, vor allem in Extremsituationen.

Avalox
2016-10-02, 18:08:20
Diese 5 werden Dein "Ehrenmord"-Beispiel sein.

Ich denke schon, dass der Mensch aus seiner Primaten Entwicklung ein Verhaltensmuster geerbt hat. Aber dieses ist weder formulierbar, noch ist es eindeutig.

Das dieses in eine Tiefe von Mord und Totschlag unterscheidet , in Abgrenzung z.B. auf eine Köperverletzung mit Todesfolge, oder anderen Tötungsdelikten glaube ich nicht.

Ehrenmord ist weit verbreitet und keinesfalls an eine Religion, oder Region gebunden und viel, viel älter.


Der Ehrenmord ist ja im Kulturkreis selbst die "Strafe" für ein extremes Vergehen.

In unserem Kulturkreis ist diese extreme Vergehen überhaupt relevant, dafür wird der Akt der "Strafe" bestraft.

Ich denke das hat schon fundamentalen Charakter.


Selbst die Frage, was ein Mensch ist über den geurteilt wird ist sehr fraglich und keinswegs konstant. Völlig unabhängig des Ehrenmords.


Schon die Frage, kann ein Mord an einer Frau überhaupt ein Mord sein?
Kann der Mord an einen Menschen anderer Religion ein Mord sein?
Kann ein Mord an einen Menschen anderer Hautfarbe ein Mord sein?
Kann ein Mord an einem Feind ein Mord sein?
Kann es Mord sein, wenn man Hunger hat?
Kann es Mord sein, wenn ein König einen Bauern umbringt?

Das sind Fragen, welche je nach Zeit und Kulturkreis völlig unterschiedlich beantwortet wurden und werden. Dieses obwohl ein Strafrecht vielleicht schon längst in der Kultur vorhanden war, aber nicht für alle gleich galt.

krötenfresse
2016-10-03, 11:26:52
die menschheit ist mit absoluter sicherheit nicht friedfertiger geworden. es lohnt sich halt nur seltener, als früher.

Aber es sind ja nicht die USA die auf einen Weltweiten Kreuzzug gehen, sondern oft sind es andere die den Konflikt anfangen und die USA (und andere Länder) nur reagieren.
der witz des tages :ulol3:

Joe
2016-10-03, 11:42:44
die menschheit ist mit absoluter sicherheit nicht friedfertiger geworden. es lohnt sich halt nur seltener, als früher.


der witz des tages :ulol3:

Stimmt so nicht.
Fakt ist, es sterben sehr viel weniger Menschen durch Gewalt als früher ABER
der Zeitraum der Datenerhebung ist zu klein um eine belastbare Aussage zu machen.

Gutes Video dazu:

NbuUW9i-mHs

Eisenoxid
2016-10-03, 12:03:55
Man kann sich einfach folgende Frage stellen: Würde man lieber (im Bezug auf sicherer) in einer anderen Zeitperiode in der Vergangenheit leben?

Mir fällt keine vergangene Zeitperiode ein, in der man sich sicherer hätte fühlen können.

Kallenpeter
2016-10-03, 12:33:08
http://www.wissenschaft.de/home/-/journal_content/56/12054/13757465/Die-Wurzeln-der-Gewalt/

Der letzte Absatz irritiert:


Auch wenn der Text vielleicht formal richtig ist und man Tot durch Kriegseinwirkung nicht als Mord und Totschlag betrachtet, so werden hier dennoch Äpfel mit Birnen verglichen. Anders kann ich mir diese Zahl nicht erklären. Die Millionen von Toten in den Weltkriegen allein dürften schon fast diesen Wert erreichen. Alle anderen Kriege und Morde noch nicht mitgezählt. Zuerst wird innerartliche Gewalt insgesamt betrachtet und später ein Großteil innerartlicher Gewalt ausgeklammert. Imo keine seriöse wissenschaftliche Arbeit.

Hat zufälliger Weise jemand hier ein Nature Abo und kann die Orginalquelle prüfen?
http://www.nature.com/nature/journal/vaop/ncurrent/full/nature19758.html

Wo steht das Kriegstote nicht einberechnet werden?

krötenfresse
2016-10-03, 13:05:08
die menschheit ist mit absoluter sicherheit nicht friedfertiger geworden. es lohnt sich halt nur seltener, als früher.

Stimmt so nicht.
Fakt ist, es sterben sehr viel weniger Menschen durch Gewalt als früher ABER
der Zeitraum der Datenerhebung ist zu klein um eine belastbare Aussage zu machen.

Gutes Video dazu:

http://youtu.be/NbuUW9i-mHs
du postest ein video, dass genau das bestätigt, was ich geschrieben habe.
weniger krieg, weil es sich seltener lohnt.

falls sich das eines tages nochmal ändern sollte, wirst du dich wundern, was passiert.

Joe
2016-10-03, 13:44:44
du postest ein video, dass genau das bestätigt, was ich geschrieben habe.
weniger krieg, weil es sich seltener lohnt.

falls sich das eines tages nochmal ändern sollte, wirst du dich wundern, was passiert.

Das es sich seltener lohnt ist ein wichtiger Grund aber nur ein Grund!
Es gibt, wie in dem Video dargestellt noch eine Reihe andere Gründe:

Die Welt besteht zum größten Teil inzwischen aus mehr oder weniger gut funktionieren Demokratien. Und wenn das Volk was zu melden hat, gibt es keine Kriege, weil Kriege immer nur die Interessen einen sehr kleinen Minderheit bedienen.

Grenzen sind im wesentlichen gefestigt.

Und vielleicht der wichtigste Grund, der in deine IMHO etwas seltsame Reise der menschlichen Psyche geht: Krieg ist out, krieg ist langweilig. Früher war Krieg ein fester Bestandteil des Lebens für jede Generation. Jetzt haben wir in Europa über mehrere Generationen frieden. Es hat ein umdenken statt gefunden.

krötenfresse
2016-10-03, 14:41:09
Die Welt besteht zum größten Teil inzwischen aus mehr oder weniger gut funktionieren Demokratien. Und wenn das Volk was zu melden hat, gibt es keine Kriege, weil Kriege immer nur die Interessen einen sehr kleinen Minderheit bedienen.

da kann man sich ruhig drauf einigen. passt aber zu meiner aussage, dass es seltener lohnt.........in einer demokratie müsste sich die kleine minderheit gegen die mehrheit durchsetzen.
vielleicht sollte die kleine minderheit mal versuchen, dem großteil der bevölkerung durch die medien eine gehirnwäsche zu verpassen.

Und vielleicht der wichtigste Grund, der in deine IMHO etwas seltsame Reise der menschlichen Psyche geht: Krieg ist out, krieg ist langweilig.
Früher war Krieg ein fester Bestandteil des Lebens für jede Generation. Jetzt haben wir in Europa über mehrere Generationen frieden. Es hat ein umdenken statt gefunden.
es hat genau das umdenken statt gefunden, dass krieg sich (meistens) nicht mehr lohnt. was glaubst du wohl, warum es keinen 3ten w.k. zwischen ost und west gegeben hat? wir waren öfters kurz davor.

die usa führen noch gelegentlich krieg, trotz demokratie, für ihr imperium.

Avalox
2016-10-04, 11:20:33
Die Welt besteht zum größten Teil inzwischen aus mehr oder weniger gut funktionieren Demokratien. Und wenn das Volk was zu melden hat, gibt es keine Kriege, weil Kriege immer nur die Interessen einen sehr kleinen Minderheit bedienen.

Ich finde es etwas eindimensional.

Die größten Kriege sind von Demokratien geführt worden. Ich kenne das Konzept des demokratischen Friedens, aber irgendwie kann man die Bürger dann schon dazu bewegen. Zumal Kriegsrecht auch immer gleich demokratische Grundrechte ausser Kraft setzt. Ist eine Demokratie im umfassenden Krieg noch eine Demokratie?

So viele vollständige Demokratien gibt es auch auf der Welt gar nicht, sicherlich sind viele Länder demokratischer Geworden, aber echte Demokratien sind es damit noch lange nicht. Ich denke nicht mal Polen ist wirklich demokratisch und vor der eigenen Haustür gelegen.

Welchen Anteil trägt auch die Atombombe daran, dass es keinen großen Krieg seit dem zweiten Weltkrieg mehr gibt und welchen Anteil trägt die Globalisierung daran, dass es keinen großen Krieg mehr seitdem gab. Sind das vielleicht sogar die wichtigeren Faktoren, im Vergleich zur Demokratie?


Und die größte Frage ist die, ob es überhaupt eine Rolle spielt, dass die Anzahl großer Kriege und Kriegstoten zurück gegangen ist, oder ob die Gewalt nur einen anderen Namen bekommen hat und verdeckter geschieht. Die USA führt keinen Krieg gegen Pakistan, hat aber inzwischen mehr Luftangriffe auf Pakistan geflogen als im Koreakrieg.
Fakt ist jedenfalls, dass es heute mehr Flüchtlinge gibt, als jemals zuvor. Das Warlords und Rassisten Menschen weltweit vertreiben und durch Hunger als Waffe umbringen.

Haben Kriege nur einen neuen Namen und ein neues Gesicht bekommen? Jedenfalls sind diese überwiegend asymmetrisch und nennen sich in der Regel nicht Krieg.