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Ausgeloggt
2017-11-18, 00:53:41
Oder andersrum: Schafft eine behütete Kindheit "langweilige" Charaktere, die unambitioniert vor sich hin leben?
Ich sehe es immer wieder in meinem Umfeld: Die Leute, die früher krasse Scheiße erlebt oder selbst gebaut haben, die sind heute die spannendsten Charaktere!
Eine schlimme Kindheit mit Missbrauch. Eine steile Drogenkarriere. Psychische Probleme als Teenager, nahe am Suizid.
Wenn das Leben schon in frühen Jahren so in den Brennpunkt rückt, ist das die Keimzelle damit aus jemand ein starker, interessanter Mensch wird, der sein späteres Leben souverän im Griff hat, eine Familie am Laufen hält und Karriere macht?
Ist es gar eine Notwendigkeit, dass man so etwas mal erlebt und überwunden hat?
[dzp]Viper
2017-11-18, 04:32:40
Ähm... Nein definitiv nicht.
Natürlich prägen schlimme Erfahrungen unseren Charakter, aber eben auch nicht immer zum Positiven.
Wenn du spätere psychische Probleme als "interessant" bezeichnest, dann vielleicht ;-)
denjudge
2017-11-18, 07:51:30
Oder andersrum: Schafft eine behütete Kindheit "langweilige" Charaktere, die unambitioniert vor sich hin leben?
Ich sehe es immer wieder in meinem Umfeld: Die Leute, die früher krasse Scheiße erlebt oder selbst gebaut haben, die sind heute die spannendsten Charaktere!
Eine schlimme Kindheit mit Missbrauch. Eine steile Drogenkarriere. Psychische Probleme als Teenager, nahe am Suizid.
Wenn das Leben schon in frühen Jahren so in den Brennpunkt rückt, ist das die Keimzelle damit aus jemand ein starker, interessanter Mensch wird, der sein späteres Leben souverän im Griff hat, eine Familie am Laufen hält und Karriere macht?
Ist es gar eine Notwendigkeit, dass man so etwas mal erlebt und überwunden hat?
Nein!
Backbone
2017-11-18, 08:29:42
Die eigene, begrenzte Wahrnehmung herzunehmen und daraus ohne große Überlegungen ein allgemeines Muster ableiten zu wollen ist ein sehr menschlicher Denkfehler. Menschlich, aber immer noch ein Fehler.
Mortalvision
2017-11-18, 09:18:55
Jein. Gehen wir mal von "nature and nurture" aus. Dann gibt es Leute, die die schlimmsten Sachen weitgehend unberührt wegstecken können und unauffällig weiterleben.
Andere werden krank, und dagibt es zwei Wege: a) der Patient bleibt krank, und b) der Patient wird wieder gesund und dann - möglicherweise - sieht er sich besonders stark. Exzeptionalismus, man ist besonders, weil...
Mir ging es damals nach der Bundeswehr so. Ich wurde gemobbt, hatte gefloppt, und war schließlich auf eine offene Psychotherapie-Station gekommen. Dann aus BW entlassen. Ich hatte mich dann so stark gefühlt, dass ich im ersten semester 65% des gesamten Grundstudiums gepackt hatte. Bei meiner Frau, die auch gemobbt wurde, gings leider weniger glimpflich aus...
Der Schuss kann aber auch nach hinten losgehen. Eine gute Freundin leidet Tag für Tag an einer unbefriedigenden Arbeit, lebt in einer schlechten Beziehung, und hat auch körperlich krasse Probleme. Uund sie erklärt sich doch tatsächlich als "stark" und "besonders", weil jeder andere das doch garnicht aushalten könnte. Meinen Einwand, dass nur stark ist, wer Probleme auch angeht und die eigene Situation verbessert, sich auf die Schulter klopfen sollte, fand sie gar nicht nett. Sie hatte sich an die "Leidensrolle" so gewöhnt, dass sie da garnicht rauswollte.
PatkIllA
2017-11-18, 11:23:19
Ich sehe es immer wieder in meinem Umfeld: Die Leute, die früher krasse Scheiße erlebt oder selbst gebaut haben, die sind heute die spannendsten Charaktere!Wieviele kennst du denn? Und keine die immer wieder die gleichen Problemen haben oder auf der Strecke geblieben sind?
der sein späteres Leben souverän im Griff hat, eine Familie am Laufen hält und Karriere macht?Ist das nicht die langweilige Variante? So ziemlich alle die ich kenne auf die das zutrifft sind "normale" Familen aus Arbeiter oder Mittelstand. Komplette Wandlungen gibt es da eher nicht.
Ist es gar eine Notwendigkeit, dass man so etwas mal erlebt und überwunden hat?Eher nicht. Schwierige Kindheit vervielfacht das Risiko an Problemen mit Drogen, Beziehungen, Gesundheit, Jobs usw.
lumines
2017-11-18, 11:40:45
Leid bringt nur in Hollywood interessante Charaktere hervor.
anorakker
2017-11-18, 12:18:01
Der Charakter eines Menschen ist meiner Meinung sehr tief in unseren Genen verankert, je älter man wird desto mehr erkennt man auch den Mix an charakterzügen seiner unmittelbaren Verwandschaft. Die tatsächliche äusserliche Ausprägung des Charakters kann je nach Alter und allen Umständen kombiniert sehr divers sein, die Grundzüge hat man aber tief in sich drin.
Wirkliche charakterliche Änderungen sind desegen auch nur gespielt, antrainiert oder unterdrückt (oder eben medizinisch bedingt, z.B. Krankheit etc.)
Mosher
2017-11-18, 12:21:33
Leid bringt nur in Hollywood interessante Charaktere hervor.
Das halte ich so allgemein dargestellt für Blödsinn.
Ob man jemanden interessant findet, liegt im Auge des Betrachters.
In meinem Umfeld jedenfalls habe ich unter den Leuten, die ich interessanter finde als die meisten anderen, eine recht hohe Quote an Menschen, die das ein oder andere hinter sich haben.
Auch mit Frauen ist es so, man zieht wohl gegenseitig einen ähnlichen Typus an.
Ich sehe "schwierige Kindheit" nicht als Garant für Erfolg - dafür kenne ich viel zu viele Gegenbeispiele -, sondern eher als Starthilfe für stark ausgeprägte Charakterzüge, welche auch immer das sein mögen.
Aber mal wieder geil, wie schon ab Post #2 fröhlich verallgemeinert wird.
So eine ausgeprägte Phantasielosigkeit finde ich zB sterbenslangweilig und uninteressant, habe aber keine Ahnung, ob sowas einer "schweren Kindheit" entspringt.
Korfox
2017-11-18, 12:27:14
Ich denke, das ist - wie so vieles - vom Menschen abhängig.
Da kaum jemand offen von sich denken/zugeben wird, langweilig zu sein, wird hier die Anzahl ernstzunehmender Antworten nicht sehr hoch sein.
Ich selbst behaupte von mir, eine behütete, sehr ruhige und durchaus glückliche - vielleicht etwas kühle - Kindheit gehabt zu haben und langweilig zu sein.
Meine Schwester hat natürlicherweise das selbe Elternhaus genossen, ist schon damals etwas mehr ausgebrochen, hat aber definitiv nicht den wirklich krassen Scheiß gemacht, und ist das, was viele wohl als das Gegenteil von langweilig bezeichnen würden.
- Gib einem Kind freien Zugang zu Süßigkeiten -> es wird als Erwachsener kaum Interesse daran haben
- Gib einem Kind freien Zugang zu Süßigkeiten -> es wird als Erwachsener 'schokoladensüchtig'
- Gib einem Kind keinen freien Zugang zu Süßigkeiten -> es wird als Erwachsener kaum Interesse daran haben
- Gib einem Kind keinen freien Zugang zu Süßigkeiten -> es wird als Erwachsener 'schokoladensüchtig'
Was davon ist korrekt? Alle 4 Thesen sind korrekt und inkorrekt zugleich. Jedem wird von jedem Typus wenigstens eine Person bekannt sein.
Die Vergangenheit formt uns sicher zu dem Menschen, der wir werden. Aber ob sich die Wilde Vergangenheit so äußert, dass man beide Füße auf den Boden kriegt, oder so, dass man immer wieder Eskapaden braucht kann man vorher nicht wirklich sagen.
Einhard
2017-11-18, 12:35:49
Der Charakter eines Menschen ist meiner Meinung sehr tief in unseren Genen verankert, ...
Das ist falsch (https://de.wikipedia.org/wiki/Sozialisation).
Daredevil
2017-11-18, 12:38:06
Interessant finde ich nicht richtig formuliert, vielleicht sind sie polarisierender und leben ein wenig gegen die Regeln und fallen deshalb auf, weil es eben mal Zeitpunkte in ihrem Leben gab, wo ihnen eben alles und jeden egal war bzw. sie soviel schmerz erfahren haben, dass sie nicht mehr auf der Welt verweilen wollen.
Aber ob das interessant oder erstrebenswert ist? Ich glaube nicht.
Man entwickelt sich auf jeden Fall anders als ein normaler Mensch und da die Menschen mit "schwerer Kindheit" zum Glück die Minderheit sind, fallen die vielleicht eher auf. Also sie können auffallen, wenn sie sich vorher nicht umgebracht haben, im Drogensumpf verloren sind oder kriminell wurden und im Knast sind. Ist halt eher nicht so geil.
Aber ich kann es nachvollziehen. Wenn ich mit einem Mädchen ausgehen würde, wäre mir die "wollte mich mal umbringen und bin depressiv" Person vermutlich ein deutlich größeres Rätsel was man erforschen kann, als "War die Ballkönigin und liebe Pferde". Sowas erweckt in mir, warum auch immer, Sympatie. Ist so ein Helferding irgendwie. Ich stehe z.B. auch auf Introvertiertheit.
Aber generell möchte ich mal behaupten, je mehr ein Mensch im Leben durchgemacht hat, desto erfahrener und reifer wird er. ( Ganz egal ob "scheiße/suizid/drogen" durchgemacht oder "die Welt bereist" durchgemacht )
Ob das nun in gute oder schlechte Charakterzüge endet, ist halt dann die Frage. Krisen prägen einen dann doch irgendwie bzw. das ausbrechen aus seiner Comfort Zone.
Monger
2017-11-18, 14:00:39
Langweilig ist gut. Wer sein Leben im Griff hat, und nachvollziehbar strukturiert, ist halt n bissl langweilig.
Ein Haus in dem es regelmäßig brennt und explodiert, ist natürlich spannender als ein Haus das einfach so rumsteht. Die ständige Erneuerung nach einem Brand tut dem Haus natürlich sichtlich gut. Aber will man drin wohnen? Verbessert das ständige Auf und Ab wirklich die Lebensqualität der Bewohner?
Dazu kommt noch Survivorship Bias: du kennst nur Leute, die erfolgreich Schwierigkeiten aus ihrer Kindheit gemeistert haben und über sich hinaus gewachsen sind, weil wären sie es nicht, wären sie wahrscheinlich nicht in deinem Milieu unterwegs.
Das gilt übrigens für viele Lebensbereiche. Ich hege auch eine starke Faszination für Frauen mit, sagen wir mal, speziellen Persönlichkeiten. Tut der Umgang mit solchen Frauen gut? Meistens nicht. Fühlen die sich selber gut? Meistens auch nicht.
Gilt auch für Arbeit: gibt Teams, die viel Kraft und Aufmerksamkeit daraus schöpfen, ständig die Feuerwehr zu sein und Krisen zu bewältigen. Teams in denen es keine Krisen gibt, sind viel unauffälliger, langweiliger... aber halt auch effizienter.
Noch ein statistisches Argument: wäre eine miese Kindheit so toll für die spätere Entwicklung, müssten die sozialen Schichten wesentlich durchlässiger sein. Aber wer ne miese Kindheit hatte, hat mit höherer Wahrscheinlichkeit Kinder denen es nicht besser geht als ihm selbst, während Kinder aus einem gut situierten, stabilen Umfeld meist recht gute Chancen auf einen sozialen Aufstieg haben. Zumindest legen das alle sozialen und pädagogischen Untersuchungen der letzten 20 Jahre nahe.
Edit:
Die Komfortzone zu verlassen ist sicherlich gut fürs Geschäft, aber für einen persönlich? Bin außerdem der Meinung, dass es einen Unterschied macht ob man aus der Komfortzone rausgeschubst wird, oder sie freiwillig verlässt. Wirklich interessante Menschen haben dies mMn freiwillig getan.
Die meisten Menschen werden auch erst dann risikofreudiger, wenn sie ein stabiles Netz unter sich haben.
Florida Man
2017-11-18, 14:40:12
Oder andersrum: Schafft eine behütete Kindheit "langweilige" Charaktere, die unambitioniert vor sich hin leben?Definitiv. Ich habe das sogar mal getestet. Da mich die meisten Menschen langweilen, habe ich Anfang der 2000er mal ein paar Leute in Gesprächen (bei Geburtstagen, Partys usw.) gefragt, was deren aufregendstes oder schlimmstes Erlebnis war. Und es passt wie die Faust aufs Auge: die drögsten und lahmsten Langweiler kamen dann mit Dingen wie: "mit 15 wurde ich beim Schwarzfahren erwischt". Da konnte man sofort abwinken und gehen, nichts spannendes ist von solchen Leuten zu erwarten. Heute arbeiten diese Leute im Büroinnendienst, buchen Pauschalurlaub und finden ein Tempolimit von 130 gut. Das ist schlimmer als tot zu sein.
Daredevil
2017-11-18, 14:49:22
Die machen aber dann nach dem Abi n halbes Jahr lang Backpacking in Australien und werden dann ne gute Ecke relaxter. ( Wenn wir gerade schon mit Klischees umherschmeißen :D )
anorakker
2017-11-18, 14:50:28
Das ist falsch (https://de.wikipedia.org/wiki/Sozialisation).
Du hast mich nicht verstanden: die Sozialisation kann die Charakterzüge entsprechend kondensieren und in Ausprägung bringen. Ansonsten wären wir ja per Definition alle gleich, wenn jeder nur die gleiche Sozialisation durchmacht. Verhaltensmuster mögen sich dann gleichen, Charakterzüge aber nicht.
Ich meine auch eher so grundsätzliche Charakterzüge wie z.B. intro-/extrovertiertheit, i.A. hat sich die Wissenschaft diesbzgl. vor allem mit der Interpretation und Analyse von Zwillingsstudien damit beschäftigt.
denjudge
2017-11-18, 15:04:09
Leid bringt nur in Hollywood interessante Charaktere hervor.
Das ist vollkommen richtig. Und @Mosher so wie die Frage formuliert war kann ich darauf nur mit Nein Antworten. Ausnahmen bestätigen selbstverständlich die Regel. Ansonsten sehe ich es wie Lumines, Leid formt keinen interessanten Charakter. Natürlich kann man aus dem Überwinden von Leiden gestärkt hervorgehen. Allerdings, je früher ein Kind leidet, desto schwieriger wird es. Ich persönlich kenne doch einige Leute, auch welche die schon in Ihrer Kindheit durch diverse Höllen gehen mussten, aber ich glaube nicht, das auch nur einer von denen weniger interessant, oder liebenswert oder sonstwas wäre ohne die Erlebnisse.
Weniger anstrengend, weniger zu bedauern, weniger unglücklich, wären einige mit Sicherheit.
denjudge
2017-11-18, 15:06:10
Definitiv. Ich habe das sogar mal getestet. Da mich die meisten Menschen langweilen, habe ich Anfang der 2000er mal ein paar Leute in Gesprächen (bei Geburtstagen, Partys usw.) gefragt, was deren aufregendstes oder schlimmstes Erlebnis war. Und es passt wie die Faust aufs Auge: die drögsten und lahmsten Langweiler kamen dann mit Dingen wie: "mit 15 wurde ich beim Schwarzfahren erwischt". Da konnte man sofort abwinken und gehen, nichts spannendes ist von solchen Leuten zu erwarten. Heute arbeiten diese Leute im Büroinnendienst, buchen Pauschalurlaub und finden ein Tempolimit von 130 gut. Das ist schlimmer als tot zu sein.
Du verwechselst Erlebnisse mit der Frage nach einer schwierigen Kindheit.
Einhard
2017-11-18, 15:12:08
Du hast mich nicht verstanden: die Sozialisation kann die Charakterzüge entsprechend kondensieren und in Ausprägung bringen. Ansonsten wären wir ja per Definition alle gleich, wenn jeder nur die gleiche Sozialisation durchmacht. Verhaltensmuster mögen sich dann gleichen, Charakterzüge aber nicht.
Ich meine auch eher so grundsätzliche Charakterzüge wie z.B. intro-/extrovertiertheit, i.A. hat sich die Wissenschaft diesbzgl. vor allem mit der Interpretation und Analyse von Zwillingsstudien damit beschäftigt.
Auch Charakterzuege werden nur zu einem Teil vererbt. Alleine die Charakterzuege, die sich erst in der Adoleszenz herausbilden (koennen), widerlegen die These von der vorwiegenden Vererbbarkeit.
Einhard
Lowkey
2017-11-18, 15:13:42
>>> Bringt eine schwierige Kindheit die interessanteren Erwachsenen hervor?<<<
Es kommt darauf an wie man interessant definiert. Wenn ich nun einen Formel 1 Wagen ausleihe und damit mit 400km/h auf der Autobahn eine Runde drehe, dann finden das manche Leute interessant und andere Leute überhaupt nicht.
Ich denke, dass es Macher gibt, die überdurchschnittlich aktiv sind. Ob das mit der Kindheit zusammen hängt? Ich denke nicht. Problematische Kindheit birgt immer wieder Probleme, die andere Menschen nicht verstehen.
Wenn dem so wäre, würden die Kids und Jugendlichen, die unsere Einrichtungen verlassen, ja anschließend die coolsten Macher dieser Republik sein. Leider entwickeln sie sich dann doch eher von "es geht gar nichts" zu "ich bekomme mein Leben irgendwie hin" und auf jeden "ich hab es jetzt voll drauf und alles ist super" kommen zwei "ich bin dann doch wieder abgestürzt oder sitze sogar im Knast"
Rooter
2017-11-18, 15:57:02
Dazu kommt noch Survivorship Bias: du kennst nur Leute, die erfolgreich Schwierigkeiten aus ihrer Kindheit gemeistert haben und über sich hinaus gewachsen sind, weil wären sie es nicht, wären sie wahrscheinlich nicht in deinem Milieu unterwegs.https://de.wikipedia.org/wiki/Survivorship_Bias
Interessant, kannte ich noch nicht, danke!
MfG
Rooter
Florida Man
2017-11-18, 15:58:37
Du verwechselst Erlebnisse mit der Frage nach einer schwierigen Kindheit.
Eine schwierige Kindheit zeichnet sich durch schwierige Erlebnisse aus, oder nicht?
denjudge
2017-11-18, 16:14:50
Natürlich. Und ich sagte bereits, man kann sicher aus schwierigen Situationen gestärkt hervorgehen. Für Kinder trifft das aber meiner Meinung nach nur sehr eingeschränkt zu. Eine Kindheit mit vielen schwierigen Erlebnissen führt nach meiner Erfahrung in den meisten Fällen aber zu Problemen im Erwachsenenalter. Und nicht zu positiven Effekten.
Dicker Igel
2017-11-18, 16:59:29
Das halte ich so allgemein dargestellt für Blödsinn.
Ob man jemanden interessant findet, liegt im Auge des Betrachters.
In meinem Umfeld jedenfalls habe ich unter den Leuten, die ich interessanter finde als die meisten anderen, eine recht hohe Quote an Menschen, die das ein oder andere hinter sich haben.
Auch mit Frauen ist es so, man zieht wohl gegenseitig einen ähnlichen Typus an.
Ich sehe "schwierige Kindheit" nicht als Garant für Erfolg - dafür kenne ich viel zu viele Gegenbeispiele -, sondern eher als Starthilfe für stark ausgeprägte Charakterzüge, welche auch immer das sein mögen.
Aber mal wieder geil, wie schon ab Post #2 fröhlich verallgemeinert wird.
So eine ausgeprägte Phantasielosigkeit finde ich zB sterbenslangweilig und uninteressant, habe aber keine Ahnung, ob sowas einer "schweren Kindheit" entspringt.
+1
Mr.Fency Pants
2017-11-18, 17:11:43
Kommt wohl immer auf den Standpunkt was man als interessant bezeichnet. Was für den einen interessant ist, ist für den anderen sterbenslangweilig. Kommt außerdem immer darauf an, wie viel man über den anderen weiß, bzw. wissen will.
Ich kann ja nachvollziehen, dass jeder gerne besonders interessant, spannend und anders sein will, und jeder ist das ja auch auf seine Weise. Was hier aber einige special snowflakes so ablassen ist aber mehr als peinlich. https://encyclopediadramatica.rs/Special_Snowflake_Syndrome
Florida Man
2017-11-18, 17:20:52
Natürlich. Und ich sagte bereits, man kann sicher aus schwierigen Situationen gestärkt hervorgehen. Für Kinder trifft das aber meiner Meinung nach nur sehr eingeschränkt zu. Eine Kindheit mit vielen schwierigen Erlebnissen führt nach meiner Erfahrung in den meisten Fällen aber zu Problemen im Erwachsenenalter. Und nicht zu positiven Effekten.
Woher kommen jetzt plötzlich die "positiven Effekte"?
big_lebowski
2017-11-18, 17:42:28
Keine Ahnung ob explizit eine schwere Kindheit, positive Effekte für den Charakter eines Menschen haben kann.
Jedenfalls sagt man, dass wahre Kunst nur aus großem Leid entstehen kann. Anderes Beispiel: die kreativsten Küchen sind in Ländern entstanden, wo Nahrungsmittel nicht gerade im Überfluss vorhanden waren.
Eventuell ist doch etwas dran an dieser Idee. Aber so generell kann man das bestimmt nicht sagen. Das hängt sicherlich vom Menschen selbst ab.
Ich lebe eher nach dem Prinzip rincewind. Langeweile ist toll, dann passiert schon nichts Schlimmes. Das kommt auch von alleine
Brauch keine abgefuckte Trulla mit Marotten, der Sex wird auch nicht besser dadurch.
Mortalvision
2017-11-18, 18:18:09
Sorry, aber das special snowflake ist nichts Schlimmes. Es ist der Wunsch eines jeden Einzelnen, in bestimmten Bereichen Individualität ausdrücken zu wollen.
Als Syndrom bezeichnet man es erst, wenn die ernsthafte Überzeugung daraus erwächst, man könnte wegen seiner exzeptionellen Stellung Gesetze missachten oder sozial überall anzuecken, mit Folgen....
Hamster
2017-11-18, 18:52:20
Definitiv. Ich habe das sogar mal getestet. Da mich die meisten Menschen langweilen, habe ich Anfang der 2000er mal ein paar Leute in Gesprächen (bei Geburtstagen, Partys usw.) gefragt, was deren aufregendstes oder schlimmstes Erlebnis war. Und es passt wie die Faust aufs Auge: die drögsten und lahmsten Langweiler kamen dann mit Dingen wie: "mit 15 wurde ich beim Schwarzfahren erwischt". Da konnte man sofort abwinken und gehen, nichts spannendes ist von solchen Leuten zu erwarten. Heute arbeiten diese Leute im Büroinnendienst, buchen Pauschalurlaub und finden ein Tempolimit von 130 gut. Das ist schlimmer als tot zu sein.
Ack. Ganz furchtbar.
Allerdings würde ich einem dahergelaufenem Typen den ich nicht kenne/einschätzen kann, nichts anderes erzählen ;)
Definitiv. Ich habe das sogar mal getestet. Da mich die meisten Menschen langweilen, habe ich Anfang der 2000er mal ein paar Leute in Gesprächen (bei Geburtstagen, Partys usw.) gefragt, was deren aufregendstes oder schlimmstes Erlebnis war. Und es passt wie die Faust aufs Auge: die drögsten und lahmsten Langweiler kamen dann mit Dingen wie: "mit 15 wurde ich beim Schwarzfahren erwischt". Da konnte man sofort abwinken und gehen, nichts spannendes ist von solchen Leuten zu erwarten. Heute arbeiten diese Leute im Büroinnendienst, buchen Pauschalurlaub und finden ein Tempolimit von 130 gut. Das ist schlimmer als tot zu sein.
erinnert mich an "gutbürgerliche" Mitstudenten, die Angst hatten mich bei mir zu Hause @Billstedt-Öjendorf zu besuchen, weil "da werde ich doch von Gangstern erschossen" ;D
denjudge
2017-11-18, 20:40:18
Woher kommen jetzt plötzlich die "positiven Effekte"?
Sorry? Garantiert nicht von einer schwierigen Kindheit.
Commander Keen
2017-11-18, 23:39:40
Meine Cousine arbeitet in einem Waisenhaus. Von Ihren Infos aus erster Hand wäre meine Einschätzung, dass man man eigentlich nur froh sein kann, wenn von diesen interessanten Charakteren sich niemand später umbringt. Oder jemand anderen. Und da sind echt üble, also nach der These des TS = interessante, Fälle dabei.
Abgesehen davon kann man auch relativ wohlbehütet aufwachsen und trotzdem als Kind und/oder Jugendlicher viel Scheiße bauen um die Grenzen auszuloten. Ich gebe dem TS nur insofern recht, als dass jemand, der nie auch nur irgendwas illegales, gefährliches oder sonstwie riskantes gemacht hat, meist boring as fuck ist. Aber ob dabei ein schwierige Kindheit hilft? Das wage ich zu bezweifeln. Meist haben diese armen Menschen einen Schatten fürs ganze Leben. Im besten Fall kommen sie drüber hinweg und schaffen es ihr Leben in den Griff zu kriegen, im Schlimmsten... endet es nicht gut.
Monger
2017-11-19, 10:31:08
Summa summarum: Wenn dein Plan war deine Kinder zu interessanten Persönlichkeiten zu erziehen, versuche etwas anderes als ein schweres Trauma.
Hier kann man lesen was ein interessanter Erwachsener ist. (http://www.spiegel.de/panorama/leute/charles-manson-ist-tot-satan-antichrist-idiot-a-1179287.html)
Ehrlich, manche Statements hier lesen sich weiterhin als ob diese Personen auch auf der Autobahn mit Handy in der Hand Videos von Unfällen drehen weil diese interessanter sind als regulärer Stau.
Mortalvision
2017-11-20, 11:24:25
Hmm, ich merke mal an, dass es einen Unterschied zwischen "schwierig" und "beschissen" gibt.
Das eine sind handhabbare Konfliktsituationen (Mama ist krank, Kind hilft mit, hat weniger Freizeit, kann aber stolz sein, etwas geleistet zu haben).
Das andere sind Probleme, die jenseits der Möglichkeiten eines Kindes liegen und dieses schwer belasten (Mama ist/ wird drogenabhängig, oft nicht ansprechbar, emotional auf den Stoff fixiert. Papa haut ab und das Kind kommt woanders hin)
Nur aus Nr. 1 kommen Legenden wie Abraham Lincoln. Aus Nr. 2 wird mehr das, was Commander Keen beschreibt: kranke Personen, und das leider regelmäßig, und ja, das ist für mich "beschissen".
YeOldeFerret
2017-11-20, 11:28:14
Die eigene, begrenzte Wahrnehmung herzunehmen und daraus ohne große Überlegungen ein allgemeines Muster ableiten zu wollen ist ein sehr menschlicher Denkfehler. Menschlich, aber immer noch ein Fehler.
Ich denke an dieser Überlegung ist doch was dran. Es ist paradox, aber Tatsache:
Wenn ich heute heldenhaft 77 Menschen vor dem sicheren Tod rette, werde ich einmal in den Gazetten genannt und fertig, wenn ich aber heute 77 Menschen erschieße, bekomme ich eine Menge Fanpost und Heiratsanfragen im Knast... Auch noch Jahre nach der Tat.
Das Schlechte und Negative fasziniert die Menschen mehr als das Gute und Positive...
Nur weil ich es hier geschrieben habe heißt nicht das ich es gut finde!
Daredevil
2017-11-20, 11:29:20
Summa summarum: Wenn dein Plan war deine Kinder zu interessanten Persönlichkeiten zu erziehen, versuche etwas anderes als ein schweres Trauma.
;D :D !
Dem möchte ich beipflichten!
Veeegie
2017-11-20, 20:37:00
Was mir definitiv aufgefallen ist, dass vor allem Frauen die eine sehr behütete Kindheit, Jungendsein erlebt haben, dass Bedürfniss haben nach dem Abi/Schule ein Abenteuer zu erleben.
Ich glaube dass viele unscheinbar wirkende Menschen, auch eher auf den zweiten Blick interessant wirken.
Interessante Menschen haben meist interessante Dinge gesehen, erlebt, gemacht etc. Das hat aber nichts mit einer schlechten Kindheit zu tun, sondern mit einem weiten Horizont; und das eine führt eben nicht zwangsläufig zum anderen.
Der weite Horizont sollte im besten Fall erstens schon eine Veranlagung sein und zweitens von deinen Eltern, deiner Umwelt und deinen Interessen erweitert werden. Hier führen also viele Wege nach Rom.
Btw:
Wer Leute "interessant" findet, die ein Lebenslauf wie aus einem Gangsterfilm haben, der outet sich meistens selbst als Langweiler und Bewunderer von eher Zweifelhaftem.
Warum sonst sollte man daran in irgendeiner Weise ein positives Interesse haben können?
Solche Menschen bemitleide ich eher im Stillen und versuche ihnen zu helfen, wenn ich es kann und vor allem sie es selber wollen. Ich möchte aber in keinem Moment mit solchen Leuten auch nur eine Minute ihres Lebens tauschen.
denjudge
2017-11-22, 21:19:05
Interessante Menschen haben meist interessante Dinge gesehen, erlebt, gemacht etc. Das hat aber nichts mit einer schlechten Kindheit zu tun, sondern mit einem weiten Horizont; und das eine führt eben nicht zwangsläufig zum anderen.
Der weite Horizont sollte im besten Fall erstens schon eine Veranlagung sein und zweitens von deinen Eltern, deiner Umwelt und deinen Interessen erweitert werden. Hier führen also viele Wege nach Rom.
Btw:
Wer Leute "interessant" findet, die ein Lebenslauf wie aus einem Gangsterfilm haben, der outet sich meistens selbst als Langweiler und Bewunderer von eher Zweifelhaftem.
Warum sonst sollte man daran in irgendeiner Weise ein positives Interesse haben können?
Solche Menschen bemitleide ich eher im Stillen und versuche ihnen zu helfen, wenn ich es kann und vor allem sie es selber wollen. Ich möchte aber in keinem Moment mit solchen Leuten auch nur eine Minute ihres Lebens tauschen.
Gut gesagt!
Piffan
2017-11-24, 13:12:43
Menschen mit einer schwierigen Biografie können auf zwei Arten überleben: Stoisch ertragen und sich stark fühlen. Oder in vollem Bewusstsein die Ursache von Leid erkennen und aktiv gegenlenken. Die sind dann wirklich stark und haben zweifelsfrei einen interessanteren Charakter als die Dulder...
Aber formt die Biografie den Menschen oder ist es der genetisch determinierte Mensch, der aktiv in die eigene Biografie eingreift? :freak:
Und aus diesem Dilemma heraus habe ich es mir abgwöhnt, irgendwas verstehen zu wollen. Es ist wie es ist, und man sollte den interessanten Menschen genießen und akzeptieren, dass er interessant ist, warum auch immer. Vielleicht bewegen einen Minderwertigkeitsgefühle oder Versuche, seine eigene Rolle zu rechtfertigen, zur obigen Fragestellung.
Ein bissel erinnert mich die Frage auch an "Impfen oder Krankheit durchstehen?"
Als Vater und alter Sack sage ich dazu: Impfen auf alle Fälle. Bin selbst gut gefahren und meine Kinder sind auch bald 30....so richtig falsch war es nicht. Andersrum: würde man nicht impfen und der GAU passiert, hätte man ein Erklärungsproblem...
soderle, genug OT von mir.
Leonidas
2017-12-31, 22:50:51
Interessant ist, das die Frage des TS vornehmlich in Richtung der schwierigen Kindheit hin beantwortet wird - und kaum in Richtung einer langweiligen/ereignisarmen Kindheit.
Ich jedenfalls muß rückblickend sagen, das mir jegliche Aufgaben und Zielsetzungen als Kind gefehlt haben, weil ich eben eher langweilig/ereignisarm aufgewachsen bin. Und dies hat zu einer Prägung der Erwachsenpersönlichkeit geführt, welche nur Nachteile für mich gebracht hat. Natürlich spielt auch das "Grundmaterial" eine Rolle - ich bin wohl einfach jemand, den man fordern muß.
Haarmann
2018-01-01, 07:53:05
Nur weil man selbst "keine grossen Probleme" hatte, heisst das ja nicht, dass man in der Umgebung keine "miterlebte".
Selbst Nichtscheidungskinder erlebten Scheidungen der Kumpels doch oftmals recht hautnah mir - nicht?
Und obschon sich die "Leichen" "türmten" in meiner "Kindheit" - ich würds nicht als schwere Kindheit sehen - trotz dem stetigen Ärger in der Schule.
Und wer natürlich den "Sumpf" überlebte und sogar irgendwie wieder rauskroch, hat sich ja schon deswegen abgehoben vom Rest, weil er das konnte. Schau mal in den "Sumpf" - dort siehts dann entsprechend aus.
Rooter
2018-01-01, 14:24:25
Interessant ist, das die Frage des TS vornehmlich in Richtung der schwierigen Kindheit hin beantwortet wird - und kaum in Richtung einer langweiligen/ereignisarmen Kindheit.
Ich jedenfalls muß rückblickend sagen, das mir jegliche Aufgaben und Zielsetzungen als Kind gefehlt haben, weil ich eben eher langweilig/ereignisarm aufgewachsen bin. Und dies hat zu einer Prägung der Erwachsenpersönlichkeit geführt, welche nur Nachteile für mich gebracht hat. Natürlich spielt auch das "Grundmaterial" eine Rolle - ich bin wohl einfach jemand, den man fordern muß.Naja, du hast das 3Dc und eines der größten deutschsprachigen Foren gegründet, von daher hast du's imo ganz gut hingekriegt... :D
MfG
Rooter
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