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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Expandierendes Universum? jetzt grade?


Hallodri1972
2018-11-08, 11:24:48
ich (interessierter Laie) verstehe da etwas nicht...#

Hubble (das Teleskop, nicht der gute Mann selber) und Konsorten zeigen uns ja offenbar eine Rotverschiebung der beobachteten "Lichtquellen" und belegen dadurch eine Expansion des Universums.

Soweit so gut.

Auf der anderen Seite heisst es aber auch, dass das, was wir beobachten, ja immer nur ein Bild dessen ist, was tausende, Millionen, Milliarden Jahre alt ist.

Bedeutet das dann aber nicht, dass das Universum vor eben genau diesem Zeitraum expandiert ist? ...von mir aus darf sich auch damals die Expansion beschleunigt haben, es aber auch gut sein könnte, dass jetzt grade die Expansion zu einem Stillstand gekommen sein könnte?

Alle Theorien beiseite gelassen bezüglich expandierendem, kollabierendem und dadurch auf die Singularität Urknall verzichtende Variationen, muss man nicht generell sagen: "vor x Jahren hat sich die Expansion verstärkt, wie es heute aussieht, können wir nur mit Theorien vermuten"?

Vielen Dank für etwaige Erklärungen, wenn dann bitte so wie ihr es einem Kleinkind erklären würdet...:wink:

Tschö
Jens

RaumKraehe
2018-11-08, 11:55:54
Da die Messergebnisse zeigen das Galaxie die weiter weg sind sich auch schneller von uns wegbewegen gibt es für eine Vermutung, die Expansion würde zum Stillstand gekommen sein, erstmal keine Begründung.

Zumindest aus meiner laienhafter Sicht. Im Grunde sehe wir ja auch nicht das Ganze Universum. Sondern lediglich bis zu der Grenze von der aus das Licht uns erreicht hat.

Monger
2018-11-08, 12:31:02
Erstmal, was wird überhaupt gemessen?
Zum einen wird die Entfernung der Galaxien gemessen. Das wird u.a. über den Größenvergleich von bekannten Strukturen gemacht. Und dann wird die Farbe gemessen. Durch Vergleich mit ähnlichen Objekten deren Helligkeit man kennt, kann man die Rotverschiebung messen.

Je mehr man nach außen schaut, desto jünger sehen die Galaxien aus. Statistisch gesehen, natürlich.

Das Universum zu vermessen ist echt tricky, aber genau dafür gibt es ja Experten. Aus dem was man sehen kann, lässt sich schließen:
1) Das Universum expandiert seit dem Beginn kontinuierlich
2) Die Expansionsgeschwindigkeit hat geschwankt, nimmt aber sei einiger Zeit zu

Du hast natürlich grundsätzlich recht, dass sich die Expansion nur auf große Entfernungen nachweisen lässt, weil innerhalb unserer Galaxie andere Faktoren diese bei weitem überlagern. Das heißt, technisch gesehen können wir die letzten 100.000 Jahre oder so wohl nicht beurteilen. Aber da das im kosmischen Vergleich eh nur Fliegenschiss ist, ist es schon mutig zu sagen: ca. 13 Milliarden Jahre lang hat das Universum expandiert, aber hey, vielleicht ist irgendwas magisches vor kurzem passiert?

deekey777
2018-11-08, 13:06:49
Wenn Andromeda auf uns zubewegt und sich der Abstand verkürzt, sehen wir nicht das 2 Millionen Jahre alte Licht, sondern immer 2 Millionen - n, weil sich der Abstand zwischen der Milchstraße und der Andromedagalaxie verkürzt.

Das Licht hat eine schlechte Angewohnheit, dass es immer gleich schnell ist: Das Licht des Fahrradscheinwerfer ist immer gleich schnell, egal, ob das Fahrrad bewegt wird oder steht. Es kommt nie beim Beobachter schneller an, nur weil sich der Radfahrer auf den Beobachter zubewegt. (Oder so ähnlich).

Würde das Universum nicht mehr expandieren, dann würde sich die Rotverschiebung "entschieben".

Gimmick
2018-11-08, 13:38:27
Bedeutet das dann aber nicht, dass das Universum vor eben genau diesem Zeitraum expandiert ist? ...von mir aus darf sich auch damals die Expansion beschleunigt haben, es aber auch gut sein könnte, dass jetzt grade die Expansion zu einem Stillstand gekommen sein könnte?

Tschö
Jens

Sowas kann man nie wissen. Eine allen Tendenzen widersprechendes und unvorhersehbares Ereignis kann man nicht vorhersehen ;).

Über die Rotverschiebung etlicher Objekte in den unterschiedlichsten Distanzen weiß man aber, dass die Expansion kein kurzes Ereignis gewesen sein kann und dass sie nicht linear mit dem Abstand skaliert -> die Expansion ist nicht konstant.

Und wenn die Geschwidigkeitssurve tendenziell immer schneller nach oben geht kann man auch plötzlich gegen eine Wand fahren, ist aber unwahrscheinlich.

Erstmal, was wird überhaupt gemessen?
Zum einen wird die Entfernung der Galaxien gemessen. Das wird u.a. über den Größenvergleich von bekannten Strukturen gemacht. Und dann wird die Farbe gemessen. Durch Vergleich mit ähnlichen Objekten deren Helligkeit man kennt, kann man die Rotverschiebung messen.


Man braucht vorallem auch ein Vergleichssprektrum.


Würde das Universum nicht mehr expandieren, dann würde sich die Rotverschiebung "entschieben".

Für eine Verschiebung ins Blaue müsste es kontrahieren nur stehen bleiben würde nicht reichen - bei Licht, dass schon verschoben wurde.

joe kongo
2018-11-08, 13:53:41
Bedeutet das dann aber nicht, dass das Universum vor eben genau diesem Zeitraum expandiert ist? ...von mir aus darf sich auch damals die Expansion beschleunigt haben, es aber auch gut sein könnte, dass jetzt grade die Expansion zu einem Stillstand gekommen sein könnte?


Die gemessene Rotverschiebung von bekannten Spektren ist eine Akkumulation die passiert während sich der Raum (zwischen den Galaxien) ausdehnt in dem sich das Licht bewegt. Zumindest kommt die Verschiebung NICHT vom Zeitpunkt des Entstehens des Lichtstrahls, also vor x Millionen Jahren.

p.s. "jetzt gerade" hat für das Universum keine Bedeutung, alleine schon weil alles Zeit (Raumüberwindung) braucht um wechselwirken zu können.

deekey777
2018-11-08, 15:25:45
....



Für eine Verschiebung ins Blaue müsste es kontrahieren nur stehen bleiben würde nicht reichen - bei Licht, dass schon verschoben wurde.
Wußte ich gar nicht. Sprich: Die Wellenlänge bleibt?

Aber muss sich nicht das Licht "erholen", wenn die Expansion des Universums nicht mehr die Energie den Photonen entnimmt?

Gimmick
2018-11-08, 17:53:33
Wußte ich gar nicht. Sprich: Die Wellenlänge bleibt?

Aber muss sich nicht das Licht "erholen", wenn die Expansion des Universums nicht mehr die Energie den Photonen entnimmt?

Ausdehnung = Rotverschiebung
Keine Ausdehnung = keine Verschiebung
Kontraktion = Blauverschiebung

Einmal verschobene Wellenlänge hat keinen Drang wieder in den Urzustand zurückzukehren.

Gipsel
2018-11-08, 20:33:28
Im Prinzip ist die kosmologische Rotverschiebung nur ein Maß für die relative Größe des Universums (also der Skalenfaktor) zum Zeitpunkt des Aussenden des Lichts und dem Zeitpunkt des Empfangens. Haben sich in der Zwischenzeit im Universum alle Abstände verdoppelt, hat sich auch die Wellenlänge verdoppelt (d.h. Rotverschiebung z=1)*. Haben sich die Abstände verdreifacht, hat sich auch die Wellenlänge verdreifacht (z=2). Normiert man den Skalenfaktor für heute auf a=1, dann betrug der Skalenfaktor a(t) zum Zeitpunkt t des Aussendens des Lichts genau a(t)=1/(z+1).
Ganz einfach. ;)
Auf kurze Entfernungen wird das natürlich von der Rot-/Blauverschiebung aufgrund von Bewegungen (also Dopplereffekt) überlagert.

Stellt man jetzt eine Beziehung zwischen dem scheinbaren Abstand (Helligkeit) von Objekten und ihrer Rotverschiebung auf, dann kann man eventuell eine kleine Abweichung von dem Verhalten bei gleichförmiger Ausdehnung (also Ableitung von a nach der Zeit da/dt=0) feststellen. Dies ist aber extrem schwierig und sehr anfällig für systematische Fehler. Die Fehlerbalken der Beobachtungsdaten sind ziemlich groß. Nur aus den Helligkeitsdaten von Supernovae (was die "Standardkerze" für kosmologische Entfernungen ist) alleine ergibt sich nicht wirklich mit genügender statistischer Sicherheit, daß sich das Universum beschleunigt ausdehnt (ich glaube ich habe vor ein paar Jahren mal die Daten mitsamt Fehlerbalken hier gepostet). Es ist zwar der beste Fit, aber es bleibt eine gewisse kleine Chance, daß das nicht echt ist. Für die Schlußfolgerungen sind weitere Datenquellen dazugezogen worden (wie die Fluktuationen der Hintergrundstrahlung mitsamt der dazugehörigen theoretischen Untermauerung).

*:
z ist die relative Verschiebung der Wellenlänge, also als das Verhältnis der Wellenlängen w (z.B. irgendeiner Spektrallinie) minus 1 definiert:
z = w(von irgendeinem Objekt) / w(jetzt und hier in Ruhe) - 1

Mortalvision
2018-11-08, 21:40:19
Klaro, du könntest die Expansion eines Kilometers Land auf der Erde theoretisch messen. Man kommt dabei glaub ich auf den Durchmesser eines Wasserstoff-Atomkerns oder so pro km/sec². Aber leider gibt es keine Lichtwelle, die in unter einer 300.000tel Sekunde so schnell durch die Expansion des Universums rotverschoben würde, dass es messbar wäre (wäre sie messbar, würde das Photon wohl mehr Energie als das ganze Universum beinhalten :freak:). Es liegt also eher an der Messtechnik und der Praktikabilität. Und der Tatsache, dass unser Planet uns mit 1g viele, sehr viele Zehnerpotenzen stärker anzieht als die kosmische Expansion zwischen zwei gegenüberliegenden Punkten unserer Erde etwas ausmacht. In der Tat wobbeln wir schon deutlich stärker auf dem Erdmantel rum, als die kosmische Expansion es unilinear tut.

Gimmick
2018-11-09, 06:25:27
Klaro, du könntest die Expansion eines Kilometers Land auf der Erde theoretisch messen.

Eines Kilometers Raum. Das Land dehnt sich nicht aus ;)

Mortalvision
2018-11-09, 06:32:44
Eines Kilometers Raum. Das Land dehnt sich nicht aus ;)

Korrekt! Welch Lapsus ;D

Hallodri1972
2018-11-09, 10:08:48
Vielen Dank!

Ich darf zu meiner Frage zusammenfassen:

Mein Denkfehler war, dass die Rotverschiebung durch den Dopplereffekt nicht beim "Absenden" des Lichtes entstand, sondern während der Reise des Lichtes durch den sich ausdehnenden Raum, zu uns.

Einfach formuliert, richtig? ...würde Sinn machen...

Hallodri1972
2018-11-09, 11:22:54
Im Prinzip ist die kosmologische Rotverschiebung nur ein Maß für die relative Größe des Universums (also der Skalenfaktor) zum Zeitpunkt des Aussenden des Lichts und dem Zeitpunkt des Empfangens. Haben sich in der Zwischenzeit im Universum alle Abstände verdoppelt, hat sich auch die Wellenlänge verdoppelt (d.h. Rotverschiebung z=1)*. Haben sich die Abstände verdreifacht, hat sich auch die Wellenlänge verdreifacht (z=2). Normiert man den Skalenfaktor für heute auf a=1, dann betrug der Skalenfaktor a(t) zum Zeitpunkt t des Aussendens des Lichts genau a(t)=1/(z+1).
Ganz einfach. ;)
Auf kurze Entfernungen wird das natürlich von der Rot-/Blauverschiebung aufgrund von Bewegungen (also Dopplereffekt) überlagert.

Stellt man jetzt eine Beziehung zwischen dem scheinbaren Abstand (Helligkeit) von Objekten und ihrer Rotverschiebung auf, dann kann man eventuell eine kleine Abweichung von dem Verhalten bei gleichförmiger Ausdehnung (also Ableitung von a nach der Zeit da/dt=0) feststellen. Dies ist aber extrem schwierig und sehr anfällig für systematische Fehler. Die Fehlerbalken der Beobachtungsdaten sind ziemlich groß. Nur aus den Helligkeitsdaten von Supernovae (was die "Standardkerze" für kosmologische Entfernungen ist) alleine ergibt sich nicht wirklich mit genügender statistischer Sicherheit, daß sich das Universum beschleunigt ausdehnt (ich glaube ich habe vor ein paar Jahren mal die Daten mitsamt Fehlerbalken hier gepostet). Es ist zwar der beste Fit, aber es bleibt eine gewisse kleine Chance, daß das nicht echt ist. Für die Schlußfolgerungen sind weitere Datenquellen dazugezogen worden (wie die Fluktuationen der Hintergrundstrahlung mitsamt der dazugehörigen theoretischen Untermauerung).

*:
z ist die relative Verschiebung der Wellenlänge, also als das Verhältnis der Wellenlängen w (z.B. irgendeiner Spektrallinie) minus 1 definiert:
z = w(von irgendeinem Objekt) / w(jetzt und hier in Ruhe) - 1

Danke Mann!

Kannst Du alles nach "Im Prinzip..." nochmal einfacher erklären?

..ne Spass, alles gut ;)