PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Gütertransport der Zukunft


Semmel
2020-08-03, 15:29:20
Die letzten Jahrzehnte wurde immer mehr Güterverkehr von der Schiene auf die Straße verlagert. Der Grund ist vor allem "Just-in-time".

Immer wieder wird von der Politik eine Rückverlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene gefordert.
Aber wie realistisch und sinnvoll ist das langfristig?

Wenn man sich die Umbrüche in der Autoindustrie ansieht (siehe Tesla), dann ist es nur logisch, dass es diese Umbrüche langfristig auch im Güterverkehr geben wird. Tesla mischt hier ebenfalls mit, aber auch andere neue Unternehmen wie Nikola.
Wenn wir in Zukunft hoch effiziente, umweltfreundliche und vor allem autonom fahrende LKW haben, wieso sollte man dann noch den Gütertransport auf die Schiene verlagern?

Der Schienenverkehr ist heute schon zu teuer, zu unflexibel und zu langsam. Die Überlegenheit des Transports auf der Straße wird sich in Zukunft durch o.g. Entwicklungen noch weiter verstärken. Der Schienentransport wird meiner Meinung nach in Zukunft eher noch mehr zur Nische verkommen.

Monger
2020-08-03, 19:44:35
Für die Schiene sprachen ursprünglich zwei wichtige Gründe: sehr hoher Automatisierungsgrad (automatische Stellwerke, Unfallgefahr trotz hohem Tempoetc.) und geringe Reibungsverluste. Ersteres ist heute wohl überholt.
Zweiteres erlaubt halt sehr große Kapazitäten. So groß wie sonst nur im Schiffsverkehr.

Vielleicht ist das heute weniger relevant, weil vor allem hochverarbeitete Güter durch die Gegend fahren die tendenziell eher leicht sind und an viele Adressaten geht.

Opprobrium
2020-08-03, 19:59:57
Der Schienenverkehr ist heute schon zu teuer, zu unflexibel und zu langsam. Die Überlegenheit des Transports auf der Straße wird sich in Zukunft durch o.g. Entwicklungen noch weiter verstärken. Der Schienentransport wird meiner Meinung nach in Zukunft eher noch mehr zur Nische verkommen.
In Zukunft werden die Güter von unzähligen kleinen Drohnen durch die Luft geflogen. Maximaler Treibstoffverbrauch, maximaler Wartungsaufwand, maximale Unterhaltskosten = Maximales Wirtschaftswachstum

:rolleyes:

Monger
2020-08-03, 20:07:42
Die größte Innovation der letzten 100 Jahre im Transportwesen war ja auch nicht irgendein Superzug, sondern: der Standardcontainer. Plötzlich war es möglich, vom Lager auf den LKW zum Schiff zum Flugzeug zum Zug zum LKW zum Endkunden zu kommen, und zwar überall auf der Welt. So ist es überhaupt möglich, innerhalb von drei Tagen Waren um die halbe Welt zu kriegen.

Voodoo6000
2020-08-03, 20:15:48
Wenn wir in Zukunft hoch effiziente, umweltfreundliche und vor allem autonom fahrende LKW haben, wieso sollte man dann noch den Gütertransport auf die Schiene verlagern?

Weil die Autobahnen schon jetzt mit LKWs verstopft sind.

PatkIllA
2020-08-03, 20:18:50
Weil die Autobahnen schon jetzt mit LKWs verstopft sind.
Wenn alles autonom fährt kann man die Straßen viel effizienter nutzen.
Dann kannst du die LKWs direkt im Windschatten fahren lassen und die Autos erzeugen bei gleichmäßiger und koordinierter Geschwindigkeit deutlich weniger Staus.

Poook
2020-08-03, 20:22:53
Die Produktion müsste erstmal wieder näher an den Verbraucher gerückt werden, dies würde den Verkehr wesentlich mehr entlasten als die Diskussion Zug/LKW. Und ich glaube auch dass hier über die nächsten 20 Jahre mächtig was passiert.

1. Die Elektrifizierung des Verkehrs macht die ganzen Treibstofftransporte unnötig, die 56mio Tonnen an Diesel/Benzin am Tag müssen ja im Moment irgendwie zu den Tankstellen kommen.

2. Da das Wetter immer unbrauchbarer für die Landwirtschaft wird wird ein Umstieg auf Aquaponic-Gewächshäuser notwendig werden. Durch deren 50 bis 200 höheren Ertrag (ohne Vertical Farming) pro qm können diese direkt in die Städte gesetzt werden.

3. Werden durch den Umschwung der Konsumgüterindustrie auf das "As a Service" Geschäftsmodel die Produkte wieder langlebieger da die Industrie nicht mehr dasselbe Produkt alle 3 Jahre verkaufen muss um Gewinn zu machen. Dies wird den Verkehr weiter reduzieren.

Alles reduziert und optimistisch geschrieben weil ich keinen Roman verfassen wollte.

Voodoo6000
2020-08-03, 20:23:42
Wenn alles autonom fährt kann man die Straßen viel effizienter nutzen.
Dann kannst du die LKWs direkt im Windschatten fahren lassen und die Autos erzeugen bei gleichmäßiger und koordinierter Geschwindigkeit deutlich weniger Staus.
Dann gibt es bei Unfällen das maximale Chaos und Autofahrer können nicht mehr auf die Rechte Spur wechseln da es keine Lücken gibt... Außerdem werden in den nächsten 30 Jahren noch viele Fahrzeuge manuell fahren.

Alles reduziert und optimistisch geschrieben weil ich keinen Roman verfassen wollte.Ich denke du liegst mit allen Punkten daneben 1,2,3.
1. Der Anteil der Treibstofftransporte ist doch eher ein kleiner Punkt und wird keine massive Entlastung bringen.
2. Ich denke die klassische Landwirtschaft wird sich möglicherweise anpassen müssen aber weiter existieren.(So schlimm ist das Wetter auch nicht) Gewächshäuser in Städten machen schon alleine wegen des Platzmangels keinen Sinn.
3. Da bin ich auch skeptisch, für einige Produkte trifft dies villeicht zu aber nicht für alle. Viele Produkte sind auch nicht technisch.
Die Produktion müsste erstmal wieder näher an den Verbraucher gerückt werden
Davon redet Trump seit 4 Jahren, es hat nicht funktioniert. Auch in Europa schreitet die Deindustrialisierung voran, es kommt mittlerweile fast alles aus Asien. Jetzt werden auch schon immer mehr Autos aus China nach Europa verschifft.

Geächteter
2020-08-03, 20:31:21
Angenommen, der heutige Verkehr bleibt so oder wird gar noch mehr, dann ist für Deutschland bei seinem aktuellen Tempo seines Sanierungs- und Neustrukturierungsprogramm auf Straße und Schiene eh der finale Infarkt angesagt. Da helfen dann auch die Modewörter Digitalisierung und 4.0 nicht, die die beste Regierung aller Zeiten bemüht, um zu verstecken, dass sie das Land in eine Sackgasse manövriert haben, pleite und zugleich handlungsunfähig ist. Vielleicht kommt bald der Cargolifter als Wunderwaffe ins Gespräch, die hat ja hier lange Tradition.

Semmel
2020-08-03, 22:16:48
Angenommen, der heutige Verkehr bleibt so oder wird gar noch mehr, dann ist für Deutschland bei seinem aktuellen Tempo seines Sanierungs- und Neustrukturierungsprogramm auf Straße und Schiene eh der finale Infarkt angesagt.

Das ist vor allem ein deutsches Problem. Die Infrastruktur in unseren Nachbarländern wurde die letzten Jahre dagegen massiv ausgebaut.

So oder so, Infrastruktur braucht man für jede Art von Transport. Das ist jetzt nicht wirklich ein Argument pro oder contra einer bestimmten Transportform.

Florida Man
2020-08-03, 22:31:31
Wenn alles autonom fährt
Wenn

rokko
2020-08-03, 23:32:59
Es gibt grosse deutsche Speditionen die karren ihre Auflieger per Bahn durch Europa.
Die letzten km dann per Strasse.
Da rollen dann mal eben 30 Auflieger in einem Rutsch per Strom mit der Bahn umweltfreundlich durch Europa.

Das ist aus umwelttechnischer Sicht natürlich optimal.
Und da die Schweizer uns ja vormachen wie eine Bahn pünktlich sein kann und das bei geologisch sehr viel schwierigeren Verhältnissen wüsste ich nicht warum das hier nicht gehen sollte.
Es würde viel für die Strasse und Umwelt bringen wenn erstmal wenigtens nur der Transitverkehr per Schiene abgewickelt werden würde.

Voodoo6000
2020-08-03, 23:51:44
Und da die Schweizer uns ja vormachen wie eine Bahn pünktlich sein kann und das bei geologisch sehr viel schwierigeren Verhältnissen wüsste ich nicht warum das hier nicht gehen sollte.
In der Theorie stimme ich dir zu aber in der Realität ist so etwas schwer umzusetzen. In Deutschland sind die Schienennetze oft überlastet. Es ist fast unmöglich neue Bahnstrecken oder Autobahnen zu bauen weil dann Anwohner, Umweltverbände etc. klagen. Man muss sich nur mal andere Großprojekte anschauen:( Die Infrastruktur in Deutschland wurde in den letzten Jahrzehnten völlig vernachlässigt. Außerdem hat der Staat/die Bahn offenbar noch immer kein Interesse daran etwas zu ändern. Jetzt zahlen Menschen und Wirtschaft die Quittung.

Das ist vor allem ein deutsches Problem. Die Infrastruktur in unseren Nachbarländern wurde die letzten Jahre dagegen massiv ausgebaut.
Ein erheblicher Anteil des Güterverkehrs muss aber durch Deutschland, anstatt Akzente zu setzten limitiert Deutschland die Anstrengungen andere Länder wie z.B. Österreich.
Beim Bau des längsten Zugtunnels der Welt wächst die Wut auf die Deutsche Bahn (https://www.focus.de/finanzen/news/suedtirol-hitze-und-laerm-in-200-meter-tiefe-die-baustelle-unterm-brenner_id_10525866.html)

Semmel
2020-08-04, 12:02:50
Es gibt grosse deutsche Speditionen die karren ihre Auflieger per Bahn durch Europa.
Die letzten km dann per Strasse.
Da rollen dann mal eben 30 Auflieger in einem Rutsch per Strom mit der Bahn umweltfreundlich durch Europa.


Das sind die letzten exklusiven Vorteile der Bahn und genau diese fallen in Zukunft weg.
Mit einem elektrifizierten LKW (oder mit H2) geht es genauso umweltfreundlich.

Mittels Platooning (https://www.hannovermesse.de/de/news/news-fachartikel/vernetzte-lkw-kolonnen-sparen-benzin) kann in Zukunft ein einziger Fahrer auch eine ganze Kolonne von 30 Sattelzügen steuern. Als teilautonome Lösung könnte das schon viel früher realisiert werden als eine vollautonome Lösung.


Ein erheblicher Anteil des Güterverkehrs muss aber durch Deutschland, anstatt Akzente zu setzten limitiert Deutschland die Anstrengungen andere Länder wie z.B. Österreich.
Beim Bau des längsten Zugtunnels der Welt wächst die Wut auf die Deutsche Bahn (https://www.focus.de/finanzen/news/suedtirol-hitze-und-laerm-in-200-meter-tiefe-die-baustelle-unterm-brenner_id_10525866.html)

In Zukunft wird man diese Bahntunnels vielleicht zu Straßentunnels umbauen.

Nightspider
2020-08-04, 12:13:59
Was ich an Zügen toll finde:

Wenig Abrieb und Verschleiß und elektrisch.

Bei LKWs wie Autos hat man überall Gummiabrieb, Feinstaub, Stickoxide usw.
Der ganze Abrieb (Gummi & Mikroplastik) der Autos rieselt durch Winde verteilt ja schon in den Arktis herunter.

https://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/mikroplastik-autoreifenabrieb-weht-um-die-welt-a-aca289ae-d3d4-4741-b9f8-570f7cc09be4

Zergra
2020-08-04, 13:03:09
Das sind die letzten exklusiven Vorteile der Bahn und genau diese fallen in Zukunft weg.
Mit einem elektrifizierten LKW (oder mit H2) geht es genauso umweltfreundlich.



Nicht wirklich, Reibungskoeffizient bei Stahl auf Stahl sind 0,1 , Gummi auf Teer/Beton ca 0,5-0,6.


Das Hauptproblem ist, das die Bahn überhaupt kein Interesse an dem Gütertransport hat.

Poook
2020-08-04, 13:34:01
Nicht wirklich, Reibungskoeffizient bei Stahl auf Stahl sind 0,1 , Gummi auf Teer/Beton ca 0,5-0,6.


Stahl auf Stahl kann zwar einen Haftreibungskoeffizienten von 0,1 haben allerdings wird das Schienenradsystem auf einen Haftreibungskoeffizienten von 0,3 +- 0,05 unter Normalbedingungen ausgelegt da die Züge Anfahren, Bremsen und Steigungen bewältigen sollen.

Edit: du meintest wohl den Rollwiderstandskoeffizienten der bei der Bahn wirklich wesentlich geringer ist, dieser ist aber sowohl bei der Bahn als auch beim LKW ca. um den Faktor 10 bis 100 geringer als von dir angegeben.

Edit2: Quellen

https://www.johannes-strommer.com/mechanik/haftreibungszahlen/
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Reibungskoeffizient
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Rollwiderstand

Zergra
2020-08-04, 14:01:50
Eh ja, habe die Zahlen von Gleitreibung genommen. Kamen mir schon etwas komisch vor... :D

Geächteter
2020-08-04, 14:16:02
Platooning (https://www.hannovermesse.de/de/news/news-fachartikel/vernetzte-lkw-kolonnen-sparen-benzin) kann in Zukunft ein einziger Fahrer auch eine ganze Kolonne von 30 Sattelzügen steuern. Als teilautonome Lösung könnte das schon viel früher realisiert werden als eine vollautonome Lösung.

Ohja, Platooning wird gut funktionieren, wenn alles andere als Lkw auf Autobahnen und Kraftfahrtstraßen Hausverbot 24/7 hat.

Opprobrium
2020-08-04, 14:28:55
Mittels Platooning (https://www.hannovermesse.de/de/news/news-fachartikel/vernetzte-lkw-kolonnen-sparen-benzin) kann in Zukunft ein einziger Fahrer auch eine ganze Kolonne von 30 Sattelzügen steuern. Als teilautonome Lösung könnte das schon viel früher realisiert werden als eine vollautonome Lösung.
Hmm, irgendwie kann man doch gleich bei der Schiene bleiben, oder?

Für mich wirkt das alles so, als würde wahnsinnig viel Aufwand betrieben um letztlich Züge zu bauen, die auf der Straße fahren. Mit allen Nachteilen der Bahn, ohne die Vorteile zu haben ;D

Sinnvoller wäre es imo, wenn man einfach die viel beschworene Digitalisierung nutzen würde, um die Fahrpläne für das Schienennetz besser zu takten.

Standardcontainer wurden ja schon erwähnt, und der Transport zum endgültigen Ziel findet ja ohnehin abseits der Schiene statt. Warum aber auf Teufel komm raus auch auf den langen Strecken, die ohne Probleme mit der Bahn zu erledigen wären, LKWs fahren müssen verstehe ich beim besten Willen nicht.

gnahr
2020-08-04, 14:30:48
elektrischer gütertransport per deutsche bahn? ihr habt aber wilde phantasien. bei der ice flotte wirbt die bahn mit ökostrom, aber der gütertransport hat noch die blöden dieselloks in grosser zahl plus strecken ohne elektrooberleitungen.

rokko
2020-08-04, 14:58:28
elektrischer gütertransport per deutsche bahn? ihr habt aber wilde phantasien. bei der ice flotte wirbt die bahn mit ökostrom, aber der gütertransport hat noch die blöden dieselloks in grosser zahl plus strecken ohne elektrooberleitungen.
Ja ist ja auch kein Wunder.

Wenn man jahrzehntelang nur Oberleitungen zurückbaut und zeitgleich massiv in den Strassenverkehr und seine Leitsystem investiert kommt sowas bei raus.
Seit der Wiedervereinigung wurden doch ca. 25% der Strecken abgebaut. Und gleichzeitig wurden Milliarden in den Strassenverkehr investiert.

Wäre es andersrum gelaufen würde die Bahn viel besser und leistungsfähiger da stehen. Aber die Bahn sollte ja unbedingt zwecks gigantisch besserer wirtschaftlichkeit aufgeteilt werden und ab zur Börse.
So sehen die Reste dann heute auch aus.:freak:

Monger
2020-08-04, 17:17:41
Ich denke, der erste Fehler ist, dass Güterverkehr und Personenverkehr ums gleiche Gleisnetz konkurrieren, und der Personenverkehr halt viel prestigeträchtiger ist.
Ein Transportnetz was auf Warenverkehr ausgelegt wäre, sähe mMn ganz anders aus. Langsamer, schmaler, flexibler. Die meisten Waren können auch gerne nachts fahren, innerhalb eines Tages ist man also auch mit Tempo 70 überall in Deutschland. Theoretisch. Automatisches Verladen und umladen ist wohl viel wichtiger.