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Rubber Duck
2024-09-24, 18:51:35
"Tesla für Sterbewillige"
Erster Mensch erstickt in umstrittener Suizidkapsel

In der Schweiz ist zum ersten Mal ein Mensch in einer sogenannten Suizidkapsel gestorben. Das Gerät ist umstritten. Es gab mehrere Festnahmen.

Medien nennen die futuristisch aussehende Kapsel eine "Todesmaschine" oder einen "Tesla für Sterbewillige".

https://www.t-online.de/nachrichten/panorama/gesellschaft/id_100496204/schweiz-erster-mensch-erstickt-in-suizidkapsel.html

Fliwatut
2024-09-25, 07:55:06
Warum zum Geier darf man das eigentlich nicht selber entscheiden? Zumindest bei austherapierten Schwerstkranken sollte man die Entscheidung freistellen und sie nicht bis zum "natürlichen" Tod unsägliche Qualen erdulden lassen.

rentex
2024-09-25, 08:00:48
Warum zum Geier darf man das eigentlich nicht selber entscheiden? Zumindest bei austherapierten Schwerstkranken sollte man die Entscheidung freistellen und sie nicht bis zum "natürlichen" Tod unsägliche Qualen erdulden lassen.

Gutmenschentum.

derpinguin
2024-09-25, 09:50:05
Warum zum Geier darf man das eigentlich nicht selber entscheiden? Zumindest bei austherapierten Schwerstkranken sollte man die Entscheidung freistellen und sie nicht bis zum "natürlichen" Tod unsägliche Qualen erdulden lassen.
Aus dem gleichen Grund, warum hochbetagte noch volle Therapie bekommen, auch wenn es objektiv betrachtet sinnlos ist. Es darf niemand sterben.

BlacKi
2024-09-25, 09:58:18
Warum zum Geier darf man das eigentlich nicht selber entscheiden? Zumindest bei austherapierten Schwerstkranken sollte man die Entscheidung freistellen und sie nicht bis zum "natürlichen" Tod unsägliche Qualen erdulden lassen. du meinst nach mehreren untersuchungen und mehreren bestätigten attesten? kann man drüber reden. dazu braucht man aber keine kapsel. das ist viel zu teuer.


mit "darüber reden" meinte ich, weil man das monetarisieren kann. du willst deine oma mit den vielen millionen unter der erde haben? unsere ärzte bestätigen dir für geld alles.


ja, das wäre heute so möglich, wenn es einfach nicht verboten wäre.


aber grundsätzlich fände ich es gut, wenn es im einzelfall möglich wäre.

Shink
2024-09-25, 10:08:14
Zumindest bei austherapierten Schwerstkranken sollte man die Entscheidung freistellen und sie nicht bis zum "natürlichen" Tod unsägliche Qualen erdulden lassen.
Ich bin nicht sicher, wie das in Deutschland ist. Wenn ich an meine nächste Verwandtschaft denke - die bekamen nach der "austherapiert"-Diagnose den Qualen angepasste Opiate und wirkten nicht als hätten sie den Freitod vorgezogen (auch wenn sie das im früheren Stadien behauptet haben). Ich behaupte, die hatten Freude an der Anwesenheit ihrer Liebsten bzw an ihren Haus (und Hof-)Tieren.

redpanther
2024-09-25, 10:56:12
Warum zum Geier darf man das eigentlich nicht selber entscheiden? Zumindest bei austherapierten Schwerstkranken sollte man die Entscheidung freistellen und sie nicht bis zum "natürlichen" Tod unsägliche Qualen erdulden lassen.

Darfst du doch? Du kannst in deiner Patienten Verfügung Lebenserhaltende Maßnahmen ablehnen.

Du darfst dich auch selbst Töten. Jemand darf dir auch zB Gift besorgen.
Musst es halt selbst schlucken.

Außerdem gibt es Palliativ Medizin, man muss nicht zwangsweise "Unsägliche Qualen" erdulden.

https://www.swr.de/swrkultur/wissen/sterbehilfe-in-deutschland-die-schwierige-neuregelung-102.html

Surrogat
2024-09-25, 11:18:03
Du darfst dich auch selbst Töten. Jemand darf dir auch zB Gift besorgen.

dazu braucht man niemanden, es wächst so viel am Wegesrand, ein Spaziergang entlang einer Wiese reicht da oft völlig aus, wenn man weiß was man suchen muss

derpinguin
2024-09-25, 11:24:13
Darfst du doch? Du kannst in deiner Patienten Verfügung Lebenserhaltende Maßnahmen ablehnen.


Kannst du machen. In der Praxis sieht es dann oft so aus, dass der Rettungsdienst gerufen wird, der in der akutsituation keine Verfügung prüfen kann, dich also erstmal rettet und ins Krankenhaus bringt. Im Krankenhaus schauen wir uns dann die Verfügung an und stellen in den meisten Fällen fest, dass die auf die aktuelle Situation nicht passt und demnach unwirksam ist. Also wirst du voll behandelt auch wenn das im Grunde nicht in deinem Sinne war. Ich glaube ich kann die Anzahl der Patienten bei denen ich die Therapie anhand einer Patientenverfügung eingestellt habe an zwei Händen abzählen.

Surrogat
2024-09-25, 11:27:18
Ich glaube ich kann die Anzahl der Patienten bei denen ich die Therapie anhand einer Patientenverfügung eingestellt habe an zwei Händen abzählen.

Was war das für dich für ein Gefühl? Interessiert mich wirklich

nalye
2024-09-25, 11:34:15
Ich habe das mal in ein neues Thema verschoben.

KriNemeth
2024-09-25, 12:08:03
du meinst nach mehreren untersuchungen und mehreren bestätigten attesten? kann man drüber reden. dazu braucht man aber keine kapsel. das ist viel zu teuer.


Das impliziert schon das Wort "austherapierte Schwerstpatienten". Das heißt, dass zumindest alle schulmedizinischen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden.
Dann sollte es den Patienten meiner Meinung schon zugestanden werden, eine Sterbehilfe anzufordern.

Im Krankenhaus schauen wir uns dann die Verfügung an und stellen in den meisten Fällen fest, dass die auf die aktuelle Situation nicht passt und demnach unwirksam ist.
Wie kommt das zustande? Weil die Verfügung nicht vollständig ausgefüllt wird oder weil die Vorlagen nicht ausreichend sind?

maximum
2024-09-25, 12:21:55
In der Schweiz ist assistierte Sterbehilfe bei schwerkranken Menschen erlaubt, neu/diskutiert ist jetzt erstmal nur diese Todeskapsel. Schon vor 20 Jahren im Ethikunterricht haben wir das diskutiert, damals noch mit Exit-Bag -> https://de.wikipedia.org/wiki/Exit-Bag

Das ist im Prinzip ein luftdichter Sacke, den man sich über den Kopf zieht. Vom Prinzip her dasselbe, ob das jetzt besser ist kann ich nicht beurteilen. Das mit dem Exit-Bag klingt irgendwie schlimmer.

redpanther
2024-09-25, 13:25:56
Kannst du machen. In der Praxis sieht es dann oft so aus, dass der Rettungsdienst gerufen wird, der in der akutsituation keine Verfügung prüfen kann, dich also erstmal rettet und ins Krankenhaus bringt. Im Krankenhaus schauen wir uns dann die Verfügung an und stellen in den meisten Fällen fest, dass die auf die aktuelle Situation nicht passt und demnach unwirksam ist. Also wirst du voll behandelt auch wenn das im Grunde nicht in deinem Sinne war. Ich glaube ich kann die Anzahl der Patienten bei denen ich die Therapie anhand einer Patientenverfügung eingestellt habe an zwei Händen abzählen.

Zweifellos kann es oft (oder weniger oft, ka) dazu kommen, das da etwas nicht so läuft, wie man es vielleicht wollte. Ist halt auch meist keine ja/nein, schwarz/weiß Situation.
Trotzdem wäre es halt auch falsch zu sagen, worauf sich meine Antwort bezog, das man nicht(s) selbst entscheiden kann/darf.

derpinguin
2024-09-25, 14:38:53
Was war das für dich für ein Gefühl? Interessiert mich wirklich
Für mich ist das positiv, wenn ich einem Menschen ein würdevolles und adäquates Sterben ermöglichen kann. Ich sehe keinen Sinn darin ein Leben um jeden Preis zu erhalten, wenn die Folge meiner Arbeit keinerlei Lebensqualität für denjenigen ermöglicht und es im Sinne des Patienten ist keine Therapie zu erhalten.


Wie kommt das zustande? Weil die Verfügung nicht vollständig ausgefüllt wird oder weil die Vorlagen nicht ausreichend sind?
Die Verfügungen sind meist sehr allgemeingültig gehalten und wenig spezifisch. In der Regel findet sich darin die Formulierung „wenn ich mich im akuten sterbeprozess befinde möchte ich keine lebensverlängernden Maßnahmen“
Juristisch heißt das für uns: wenn kein akuter sterbeprozess vorliegt möchte ich sie doch. Also wird therapiert.
Was einige aber meinen ist: „Ich möchte generell keine Maßnahmen“ oder ich möchte Maßnahme x/y/z nicht. Das ist aber nicht entsprechend formuliert. Oder es fehlen andere Angaben zu spezifischen Situationen. Oder die Spezifizierung passt nicht zur aktuellen Situation. Es gibt so viele fallstricke, warum eine Verfügung nicht passt. Liegt häufig auch daran, dass die Papiere entweder als Vorlage aus dem Internet gezogen und einfach unterschrieben werden oder man irgendwas beim Notar ausfüllt, der medizinisch keine Ahnung hat.
Und dann gibt’s natürlich noch das Problem Arzt. Es gibt Kollegen, die bei älteren Verfügungen gerne mal die Karte „wer weiß ob der Patient das immer noch so will“ ziehen. Obwohl es dafür gar keine Grundlage gibt. Aber man kann leider so argumentieren.
Zweifellos kann es oft (oder weniger oft, ka) dazu kommen, das da etwas nicht so läuft, wie man es vielleicht wollte. Ist halt auch meist keine ja/nein, schwarz/weiß Situation.
Trotzdem wäre es halt auch falsch zu sagen, worauf sich meine Antwort bezog, das man nicht(s) selbst entscheiden kann/darf.
Natürlich kann man über die Maßnahmen entscheiden. Dafür bedarf es aber einer sauber formulierten Verfügung und Gesprächen mit seinen Angehörigen bevor der Fall eintritt, sodass zum Beispiel der Rettungsdienst gar nicht erst gerufen wird bzw. in der Klinik nicht gegen die Verfügung entschieden oder die Verfügung nicht vorgelegt wird weil die Angehörigen mit deiner Entscheidung nicht einverstanden sind.

][immy
2024-09-25, 15:10:21
Darfst du doch? Du kannst in deiner Patienten Verfügung Lebenserhaltende Maßnahmen ablehnen.
...

Das ist gar nicht mal so einfach. Ja, du kannst es aufschreiben, trotzdem werden im Falle des Falles deine Angehörigen gefragt ob diese einverstanden sind. Im Zweifel ist sonst der Arzt haftbar.
In der Situation war meine Frau (als Angehörige) vor etwa einem Jahr. Schön ist das absolut nicht.

Das hat meine Sicht auf unser Gesundheitssystem auch ziemlich stark verändert.
Schon bei meinem Zivildienst im Altenheim sah ich viele Leute denen es zu gut zum sterben aber zu schlecht zum leben ging. Geistige Verwirrung ist da noch das geringste übel, zumindest wenn sich diese in einer eigenen Realität wieder fanden. Ein Leben mit Schmerzen im Bett und dann ggfs von den Angehörigen zur Magensonde "verurteilt" ist keines mehr. Da verhungert man dann nicht mal, sondern wartet bis die Organe vom Alter her den Dienst einstellen. Da wurde mir ziemlich bewusst das man so etwas ausfüllen sollte. Aber helfen tut es letztendlich leider auch nicht immer.

Fliwatut
2024-09-25, 17:08:12
Dann sollte es den Patienten meiner Meinung schon zugestanden werden, eine Sterbehilfe anzufordern.
Richtig. Und zwar dem austherapierten Patienten selber, nicht den evtl. geldgierigen Erben. Es sollte auch möglich sein, dass für die Zukunft zu verfügen, wenn die Schmerzmittel nicht mehr wirken und gar keine Lebensqualität mehr vorhanden ist.
Und nein, irgendwelche Pilze und Beeren vom Straßenrand sind keine Lösung, sowas mutet man nichtmal seinen Haustieren zu, die lässt man friedlich einschlafen, wenn keine Hilfe mehr möglich ist.

Fliwatut
2024-09-25, 17:13:37
Trotzdem wäre es halt auch falsch zu sagen, worauf sich meine Antwort bezog, das man nicht(s) selbst entscheiden kann/darf.
Man fragt sich nur mal wieder, wo du gelesen habe willst, "dass man nicht(s) selbst entscheiden kann/darf"?

Daredevil
2024-09-25, 17:16:42
Zum Thema Sterbehilfe und dem Abwägen nach für und wieder hat mich die Podcast Serie Justitias Wille ziemlich gut abegeholt. Tipp von mir!
Gibts auch bei allen bekannten Podcast Apps.

Vorab aber natürlich ne Triggerwarnung, wenn ihr selbst betoffen seid:
In Justitias Wille werden die Themen assistierter Suizid und Depression besprochen. Bitte achtet auf euch, wenn ihr reinhört.

Im Juli 2021 hatte der pensionierte Arzt Dr. Christoph Turowski, der zu dem Zeitpunkt als Suizidhelfer arbeitete, einer 37-jährigen Studentin ein Medikament zur Selbsttötung überlassen. Sie hatte ihm zuvor von ihrer Depression erzählt, ihrem langen Leidensweg, von medikamentösen Behandlungen und von unzähligen Therapiestunden, die alle nichts gebracht hätten. So, schilderte sie ihm, könne sie nicht mehr weiterleben. Sollte er ihr nicht helfen, würde sie sich im Badezimmer erhängen, soll sie gesagt haben. Er findet, es sei ein Gebot der Humanität gewesen, sie damit nicht allein zu lassen, die Staatsanwaltschaft sagt, es war ein Verbrechen.

In Justitias Wille - Leben in der Waagschale begleiten die Journalistinnen Paulina Krasa und Laura Wohlers in mehreren Episoden den Prozess, der ab dem 20. Februar vor dem Landgericht Berlin verhandelt wird. Jeden Folgetag erscheint eine neue Episode, in der die Hörer:innen auf den aktuellen Stand des Verfahrens gebracht werden, in der sie aber auch über Hintergründe zum sogenannten assistierten Suizid aufgeklärt werden. In Gesprächen mit dem Ethikrat, Jurist:innen, Ärzt:innen, Betroffenen und Angehörigen, beleuchten die beiden das kontrovers diskutierte Thema Sterbehilfe aus verschiedensten Perspektiven und versuchen Antworten zu finden auf die Frage: Wie soll unsere Gesellschaft in Zukunft mit Menschen umgehen, die sterben wollen?
https://justitias-wille.podigee.io

konkretor
2024-09-25, 21:56:55
Also ich kann mal aus meinem Verwandten Kreis sprechen.



Wir haben mal einen Kindergeburtstag verschoben, da die Schwägerin zu einer Abschiedsparty von ihrem Onkel in die Schweiz gefahren ist. Da wurde nochmals gefeiert und 2 Wochen später war der Termin für die Sterbehilfe.
Da wurde kein großer Aufriss gemacht. Ist halt so.



Das größere Problem ist, das du unter Umständen elendig verrecken mußt weil sonst die Risikolebensversicherung nicht zahlt, da Selbstmord nicht abgedeckt wird. Das ist für Familien mit Hypothek echt ein Thema.

Ich habe vor ein paar Jahren mal Nachts durch das TV gezappt und bin irgendwo bei den Öffentlichen über eine Doku gestolpert, wie das so in Holland gemacht wird. Danach konnte ich noch weniger schlafen, das geht mir heute noch nach. Da wurde von Anfang bis Ende alles gezeigt.
Ich bin mir nicht sicher ob es der Film war https://www.imdb.com/title/tt0325230/ Death on Request. Habe die Doku nie wieder gefunden danach.

Das Thema ist bei Kindern nochmals eine ganz andere Hausnummer.
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/148919/Niederlande-erlauben-ab-Februar-Sterbehilfe-auch-fuer-Kinder

Surrogat
2024-09-26, 10:24:55
Das größere Problem ist, das du unter Umständen elendig verrecken mußt weil sonst die Risikolebensversicherung nicht zahlt, da Selbstmord nicht abgedeckt wird.

Das ist mir vom damaligen Gespräch mit dem Versicherungsvertreter meiner Lebensversicherung noch im Kopf geblieben, der sagte wortwörtlich "wir zahlen sogar bei Selbstmord".
6 Monate später war er tot, Hodenkrebs der gestreut hatte, aber ich denke das wusste er zum Zeitpunkt unseres Gesprächs noch nicht.

bleipumpe
2024-09-26, 21:00:05
Warum zum Geier darf man das eigentlich nicht selber entscheiden? Zumindest bei austherapierten Schwerstkranken sollte man die Entscheidung freistellen und sie nicht bis zum "natürlichen" Tod unsägliche Qualen erdulden lassen.
Muss man auch nicht. Dafür gibt es die palliative Versorgung und im finalen Fall die palliative Sedierung. Vorher muss darüber aber ein Ethikrat entscheiden, was ich persönlich nicht verkehrt finde. Meine Fälle sind aber bisher immer positiv entschieden und „durchgekommen“. In einem Fall hat der Patient die finale Entscheidung des Zeitpunktes aber noch fast ein Jahr hinausgeschoben. Das klingt immer einfach, wenn man aber plötzlich darf, kommen doch die Gedanken. Alternativ kann man auch den freiwilligen Verzicht auf Flüssigkeit und Nahrung (Sterbefasten) anbieten. Mit guter palliativer Begleitung ist das durchaus eine Option. Oder man stellt einfach die Packung Benzos und Fentanyl akut auf den Tisch. Man kann nicht jeden 24h überwachen.

@derpinguin
Das Problem der alten Patientenverfügung kenne ich. Es gibt aber auch viele gute und aktuelle Verfügungen, welche kostenfrei im Netz erhältlich sind. Die Malteser haben z.B. ein gutes Angebot online verfügbar. Katastrophal ist auch, dass es in Deutschland bisher keinen einheitlichen Palliativpass gibt. Hier läßt sich alles wichtige auf einen Blick festhalten und alle potentiellen Kontaktpersonen im Gesundheitsbereich sind sofort informiert. SAPV / AAPV ist leider auch keine Selbstverständlichkeit.

derpinguin
2024-09-26, 22:19:21
Die alten Verfügungen sind an sich kein Problem. Aber man nimmt das halt leider gern als Argument sich nicht dran zu halten. Viele Kollegen sind so auf Therapie aus, dass ein einstellen der Maßnahmen und eine Palliative Versorgung gar nicht in Frage kommt.

drdope
2024-09-27, 08:39:14
Bei einer bestehenden Patientenverfügung (https://www.malteser.de/fileadmin/Files_sites/malteser_de_Relaunch/Angebote_und_Leistungen/Patientenverfuegung/Patientenverfuegung.pdf) braucht es es leider sehr häufig auch jemanden, der selbige durchsetzt.

Häufig entstehen Situationen, in denen man eine PV bräuchte aus akuten Ereignissen heraus (Unfälle mit schweren Schädel-Hirn-Trauma; Schlaganfall/Herzinfarkt mit irreversibler Hirnschädigung).
Der Notarzt wird immer erst mal alles machen, was medizinisch möglich ist.
Im Krankenhaus auf der Intensivstation stellt sich dann idR die Frage -> wie geht es nun weiter?
Ohne PV ist der behandelnde Arzt immer auf der rechtlich sicheren Seite, wenn er Maximalmedizin betreibt und ethische Perspektiven außen vor lässt.

Deshalb ist es taktisch klug, dort Personen zu hinterlegen, die im Zweifelsfall auch in der Lage sind selbige mit dem behandelnden Arzt zu diskutieren die akute Situation auch optimaler Weise fachlich beurteilen/einordnen können.
Am besten nimmt man noch jemanden zweiten/dritten dazu, der nicht so emotional involviert ist wie es idR Partner, Eltern oder Kinder sind.

Im Zweifelsfall kann man sowas auch als Angehöriger, Pflegekraft oder Konsiliararzt in der Klinik an die Ethikkommission eskalieren, wenn man keinen Konsens mit dem behandelnden Arzt findet.

Wer sich intensiver mit dem Thema beschäftigen möchte:
--> https://www.piper.de/buecher/patient-ohne-verfuegung-isbn-978-3-492-31219-6

Meine Empfehlung für eine PV ist, dort auch schriftlich zu fixieren, wie man für sich selbst Lebensqualität definiert.

Für mich wäre das z.B. mein Leben aktiv selbst gestalten zu können:

freie Wahl von Wohnort/Aufenthaltsort/Mobilität
freie Wahl was ich wann und wo an Nahrung/Trinken konsumiere
freie Wahl mit wem ich wann sozial interagiere

Sprich wenn ein therapeutischer Ansatz darauf hinausliefe, daß ich als Pflegefall in einem Pflegeheim lande, oder dauerhaft ans Bett/Wohnung, externe Pflege/Nahrungsversorgung gefesselt bin, dann lasst das bitte und wechselt auf eine rein palliative Versorgung, selbst wenn das mit einer drastischen Verkürzung meiner Restlebenserwartung einher geht.

Leider ist Tod/Sterben in unserer Gesellschaft immer noch ein unangenehmes Tabu-Thema, daß man gerne von sich selbst weg schiebt, obwohl es die einzige Konstante ist, die schon bei der Geburt fest steht.

Ohne medizinischen/pflegerischen Hintergrund hat man idR auch keine Vorstellung davon, was heute so alles geht:
--> https://www.gip-intensivpflege.de/news/detail/pflegereport-2022-ausserklinische-intensivpflege-in-zahlen/
Da landen Patienten ohne PV idR; aus anekdotischer Evidenz (hab knapp zwei Jahre in einer IntensivWG gearbeitet) sind ca. 2/3 von den Patienten dort rein vegetativ unterwegs -> böse formuliert existieren die auf einem Level einer Pflanze@home -> vollständig abhängig von externer Pflege; ohne jedwede Möglichkeit zu Kommunizieren/Interagieren.

Bei guter Pflege/medizinischer Versorgung kann man so noch sehr lange existieren... >15-25 Jahre kommt vor...

Ich hab ein Fallbeispiel einer jungen Frau (BJ '71; ohne PV; mit sehr katholischen Eltern) vor Augen, Zustand nach Laienreanimation durch ihren (damals) 14-jährigen Sohn, mit hochausgeprägten hypoxischen Hirnschaden in einer IWG gelandet ist und dort knapp 20 Jahre "gelebt" hat; wegen ausgeprägter Streck-Kontrakturen in den Beinen hat sie unter künstlicher, enteraler Ernährung via PEG und gleichzeitiger Optipationsprophylaxe wg dauerhafter Fentanylgabe via Pflaster immer ihren weichen/breiigen Stuhl in ihren Vaginaleingang gedrückt (dadurch chronischer Harnwegsinfekt); sie ist jeden Monat 1-2 mal ins via RTW mit Fieber/Schüttelfrost/Puls > 130) ins Krankenhaus verlegt worden, hat dort eine hochdosierte "One-Shot-Antiobiose" bekommen und wurde ASAP rückverlegt.
Was ein großartiges Leben...

Aber ohne PV ist das Alltag in Pflegeeinrichtungen/Krankenhäusern.

bleipumpe
2024-09-27, 15:18:23
[...]
Deshalb ist es taktisch klug, dort Personen zu hinterlegen, die im Zweifelsfall auch in der Lage sind selbige mit dem behandelnden Arzt zu diskutieren die akute Situation auch optimaler Weise fachlich beurteilen/einordnen können.
Am besten nimmt man noch jemanden zweiten/dritten dazu, der nicht so emotional involviert ist wie es idR Partner, Eltern oder Kinder sind.

Im Zweifelsfall kann man sowas auch als Angehöriger, Pflegekraft oder Konsiliararzt in der Klinik an die Ethikkommission eskalieren, wenn man keinen Konsens mit dem behandelnden Arzt findet.

Wer sich intensiver mit dem Thema beschäftigen möchte:
--> https://www.piper.de/buecher/patient-ohne-verfuegung-isbn-978-3-492-31219-6

[...]
Da landen Patienten ohne PV idR; aus anekdotischer Evidenz (hab knapp zwei Jahre in einer IntensivWG gearbeitet) sind ca. 2/3 von den Patienten dort rein vegetativ unterwegs -> böse formuliert existieren die auf einem Level einer Pflanze@home -> vollständig abhängig von externer Pflege; ohne jedwede Möglichkeit zu Kommunizieren/Interagieren.

Bei guter Pflege/medizinischer Versorgung kann man so noch sehr lange existieren... >15-25 Jahre kommt vor...

Ich hab ein Fallbeispiel einer jungen Frau (BJ '71; ohne PV; mit sehr katholischen Eltern) vor Augen, Zustand nach Laienreanimation durch ihren (damals) 14-jährigen Sohn, mit hochausgeprägten hypoxischen Hirnschaden in einer IWG gelandet ist und dort knapp 20 Jahre "gelebt" hat;[...]

Aber ohne PV ist das Alltag in Pflegeeinrichtungen/Krankenhäusern.
Ich habe 6 Jahre ambulant eine Wachkoma-WG betreut. 2x/Woche war ich wegen solcher oder ähnlicher Probleme mindestens vor Ort. Dann keine PV oder Angehörige, die aus jedem Wimpernzucken Hoffnung geschöpft haben. So eine Einrichtung werde ich nie wieder freiwillig als Arzt betreuen, lediglich mit Ausnahme im organisierten Notfalldienst. Dagegen sind meine ~100 Heimpatienten richtig pflegeleicht.

@derpinguin
Dann hatte ich das falsch aufgefasst. Mit entsprechenden Kollegen und dieser Auffassung hatte ich früher in der Klinik öfter zu tun. Es war leider oft frustran im Sinne eines würdigen Endes für den Patienten. Was hier noch an PEG gelegt wurde, frei nach dem Motto "PEG und weg".

derpinguin
2024-09-27, 22:15:04
@derpinguin
Dann hatte ich das falsch aufgefasst. Mit entsprechenden Kollegen und dieser Auffassung hatte ich früher in der Klinik öfter zu tun. Es war leider oft frustran im Sinne eines würdigen Endes für den Patienten. Was hier noch an PEG gelegt wurde, frei nach dem Motto "PEG und weg".

Das ist halt leider die Lösung die gern gewählt wird. Weg des geringsten Widerstands, keine Diskussion mit Angehörigen, PEG, TK, ciao Kakao.

Heelix01
2024-09-28, 00:47:37
Jeder Mensch sollte selbstbestimmt entscheiden können wann er geht und bei hinreichend guter Dokumentation (Missbrauchs Prävention) sollte natürlich die Hilfe dazu straffrei sein.

Ich verstehe ehrlich gesagt nichtmal wie man da anderer Ansicht sein kann.

drdope
2024-09-28, 07:15:28
Ich habe 6 Jahre ambulant eine Wachkoma-WG betreut. 2x/Woche war ich wegen solcher oder ähnlicher Probleme mindestens vor Ort. Dann keine PV oder Angehörige, die aus jedem Wimpernzucken Hoffnung geschöpft haben. So eine Einrichtung werde ich nie wieder freiwillig als Arzt betreuen, lediglich mit Ausnahme im organisierten Notfalldienst. Dagegen sind meine ~100 Heimpatienten richtig pflegeleicht.

Ich würd' da auch nicht mehr arbeiten wollen. Das war mal eine interessante Erfahrung, da ich seit meinem Zivi im Altenpflegeheim ('95-96) nicht mehr außerklinisch gearbeitet habe.

Im Grunde genommen ist das ein sehr chilliger Pflegejob mit sehr gutem Personalschlüssel.

Anfangs war das noch relativ interessant, weil neu, wurde aber sehr schnell, sehr langweilig, weil man doch immer nur das gleiche macht.

Die idR böse formuliert "durchgeknallten Angehörigen" konnte ich ab nem Gewissen Punkt nicht mehr ertragen.

Bin dann wieder zurück in eine Klinik und arbeite wieder auf einer Palliativstation. Das kann ich auch viel besser mit meinem Gewissen vereinbaren.

Das ist halt leider die Lösung die gern gewählt wird. Weg des geringsten Widerstands, keine Diskussion mit Angehörigen, PEG, TK, ciao Kakao.

Das ist vermutlich ärztlicher Seits auch das viel angenehmere (und kürzere = zeit ist immer knapp) Gespräch, statt die Angehörigen damit zu konfrontieren, daß sie die Entscheidung über ein Therapieende treffen müssen, oder?

greeny
2024-09-28, 11:36:27
Jeder Mensch sollte selbstbestimmt entscheiden können wann er geht und bei hinreichend guter Dokumentation (Missbrauchs Prävention) sollte natürlich die Hilfe dazu straffrei sein.

Ich verstehe ehrlich gesagt nichtmal wie man da anderer Ansicht sein kann.
*nick*
*unterschreib*

SGT.Hawk
2024-09-28, 22:35:32
Gutmenschentum.
Nee, Schuld ist die christliche Lehre und damit auch die Kirchen, die besonders mächtig im Staate Deutschland sind.

lilgefo~
2024-09-28, 22:40:35
Warum zum Geier darf man das eigentlich nicht selber entscheiden? Zumindest bei austherapierten Schwerstkranken sollte man die Entscheidung freistellen und sie nicht bis zum "natürlichen" Tod unsägliche Qualen erdulden lassen.
Gutmenschentum.

Steuerzahler. Wer tot ist zahlt keine Steuern und kann auch nicht kontrolliert werden. Und da es momentan keine Sippenhaft gibt kann man nur die Bereitsteller für solche "Auswege" kastigieren. Simple as that.

derpinguin
2024-09-29, 01:43:00
Das ist vermutlich ärztlicher Seits auch das viel angenehmere (und kürzere = zeit ist immer knapp) Gespräch, statt die Angehörigen damit zu konfrontieren, daß sie die Entscheidung über ein Therapieende treffen müssen, oder?

es ist kürzer, es ist stressfreier, es ist juristisch einfacher. Manche Angehörige wollen einfach nicht einsehen dass leben endlich ist. Man spart sich sehr viel wenn man einfach die Angehörigen ihr Ding machen lässt und dann den Patienten irgendwo hin verlegen kann. Und es gibt halt auch immer Kollegen die gar kein Interesse haben nicht zu behandeln.

/dev/NULL
2024-09-30, 11:24:38
Was ist denn eine gute und Empfehlenswerte Patientenverfügung? (die oben verlinkte von den Maltesern?)

Ich hab vor ein paar Jahren auch eine runtergeladen und ausgefüllt (und 3 Jahre später "nochmal unterschrieben mit neuem Datum)

Hab eine meiner Frau, eine meinem Bruder (selber Arzt) gegeben

Ich will nicht am Leben gehalten werden, wenn absehbar ist, dass ich Kartoffel bleibe

derpinguin
2024-09-30, 11:54:42
Jede Verfügung kann eine gute sein. Es muss halt sichergestellt werden, dass sie nicht völlig allgemein gehalten ist, sondern spezifische Anweisungen enthält. Wenn du dich darüber mit deiner Frau (als in deinem Fall primär entscheidungsberechtigte Person) und deinem Bruder (als jemand vom Fach) ausreichend unterhalten hast und deine Wünsche den beiden klar sind sollte wenig schief gehen.

/dev/NULL
2024-09-30, 15:24:54
So der Plan.. und hoffentlich habe ich da noch ein paar Jahrzehnte bis es relevant wird.

Unyu
2024-09-30, 23:36:31
In einer freien Gesellschaft muss ein Individuum über sein Eigentum und noch mehr sein Körper frei entscheiden. Ob er Organe vor oder nach dem Tod spendet, und wann sein Tod eintritt. Niemand hat hier hinein zureden.

Anders bedeutet es, das man nicht einmal Herr über den eigenen Körper ist, das wäre der Zustand der maximalen Unfreiheit. Der Körper als Leihgabe. Diese Vorstellung ist zutiefst befremdlich und entschieden ab zu lehnen.

Die Frage wäre eher, warum ein vorzeitiger Tod gewünscht wird. Aber das ist mitunter unangenehm, also lässt man lieber ein Individuum leiden.

Dr. Lars Sahmströhm
2024-10-01, 00:14:00
Ich will nicht am Leben gehalten werden, wenn absehbar ist, dass ich Kartoffel bleibe
Das ist ein logischer Widerspruch. Du kannst nur entweder [Du] sein oder [Kartoffel]. Beides gleichzeitig geht nicht. Entweder da ist noch ein Bewusstsein vorhanden oder es wird nur noch die Betriebsumgebung Gehirn im standby gehalten (für den Fall, dass das Bewusstsein wiederkommt). In erstem Fall haben wir Möglichkeiten das Bewusstsein von jeder art von Leid zu befreien und wenn alles scheitert, gibt es ja immer noch den (bewussten) Suizid. In zweitem Fall ist es für dein dann nicht mehr in diese Realitätsumgebung gestreamtes Bewusstsein schlicht egal ob da noch ein beatmeter Körper mit Gehirn im standby irgendwo herumliegt.

drdope
2024-10-01, 08:28:32
Jede Verfügung kann eine gute sein. Es muss halt sichergestellt werden, dass sie nicht völlig allgemein gehalten ist, sondern spezifische Anweisungen enthält. Wenn du dich darüber mit deiner Frau (als in deinem Fall primär entscheidungsberechtigte Person) und deinem Bruder (als jemand vom Fach) ausreichend unterhalten hast und deine Wünsche den beiden klar sind sollte wenig schief gehen.

Yepp, im Worst Case kann man auch immer mit dem mutmaßlichen Patientenwillen argumentieren.
--> https://www.aerzteblatt.de/archiv/126804/Mutmasslicher-Wille-Eine-Entscheidung-im-Miteinander

Wichtig dabei ist nur, daß die in PV/VVM genanten Personen sich da einig sind, was der Patientenwille ist.

Als mein dementer Opa am letzten Oktoberwochenende 2020 mit V.a. Schlaganfall (wurde im KH ausgeschlossen) via RTW ins Krankenhaus kam, dort eine Lungenentzündung entwickelte, dann via ZVK für Antibiose (er hat sich immer die periphären Zugänge gezogen) eine Endocarditis erworb...

Da seine ganze häusliche Versorgung (23,5h/d durch mich + 30min Pflegedienst für Grundpflege morgens; PG3) an seiner bis dato vorhandenen Mobilität hing, ging er von der IMC auf die Pulmo und von dort auf die geriatrische ReHa, um zumindest ein Zeitfenster zu schaffen, ein Pflegebett zu organisieren und das bisherige Wohnzimmer leer zu räumen.

Als sein Bettnachbar in ein Pflegeheim verlegt werden sollte, war dessen Corona-Test positiv und Opas auch (und der der halben Station).

PV/VVM war nicht vorhanden, aber meine Schwester (arbeitet auch in der Pflege und ich), haben im telefonischen Gespräch mit dem Oberarzt & Chefarzt ganz klar ausgeschlossen, daß Opa an einer Beatmung auf einer Intensivstation landet.

Opa hatte im letzten Jahr zu Hause kognitiv und körperlich so massiv abgebaut, daß uns beiden klar war, daß wir Opa als bettlägrigen Vollpflegefall zurück bekämen würden und das hätte unser Opa nicht gewollt und so auch vor Beginn seiner Demenz klar geäußert.

Opa ist am 18.11.20 im KH auf der "Corona-Station" verstorben.
Wegen des Lockdowns der Kliniken hab' ich ihn zum letzten mal gesehen, als er am letzten Oktobersonntag vom RTW in die Klinik gebracht wurde.

Das war eine ziemlich belastende Entscheidung, die wir da für Opa treffen mußten.
Haben wir jetzt unseren Opa umgebracht, oder ihm ganz viel unwürdigen shit erspart?

Eine PV ist (imho) in erster Linie dazu da, den Angehörigen und behandelnden Ärzten/Pflegekräften solche schwierigen Entscheidungen zu ersparen und individuelle Leitlinien zu verschriftlichen, die allen involvierten Personen Handlungssicherheit geben.