gerry7
2003-05-23, 10:58:04
Grand Prix in der Krise? Riga rüstet sich für das TV-Spektakel
Riga (dpa) - Die lettische Hauptstadt Riga fiebert dem musikalischen Traditionswettbewerb Grand Prix entgegen. Tausende von Fans und Journalisten werden erwartet, um dem TV-Großereignis wie in jedem Jahr zu Aufmerksamkeit und Glanz zu verhelfen. 26 Länder schicken ihre Interpreten an diesem Samstag in den Liederstreit um die europäische Musikkrone. Etwa 100 Millionen Zuschauer verfolgen das Spektakel üblicherweise live am Fernseher.
Aber in Deutschland hat der Eurovision Song Contest 2003 offenbar an Bedeutung verloren: Nur zehn Prozent der Bundesbürger wollen nach einer repräsentativen Umfrage der Programmzeitschrift «TV Spielfilm» den Fernseher einschalten, wenn die rothaarige Sängerin Lou mit ihrem Song «Let's Get Happy» versucht, das vorjährige Grand-Prix-Debakel von Corinna May wiedergutzumachen, die abgeschlagen auf dem 21. Platz landete.
Doch nur ein Prozent der Befragten träumte der Umfrage zufolge noch vom deutschen Sieg, 33 Prozent kannten den Song nicht einmal. Beim deutschen Grand-Prix-Partner, dem Norddeutschen Rundfunk (NDR), schiebt man - wenn auch hinter vorgehaltener Hand - die Mitschuld auf Schlager-Urgestein Ralph Siegel, der Lous Lied kreierte und damit schon zum 16. Mal Finalteilnehmer betreut. In Konkurrenz zu dem modernen Image von Shows wie «Deutschland sucht den Superstar» konnte sich die deutsche Qualifikation zudem nicht behaupten, zu bieder erscheint vielen Fans die Komponisten-Gala.
Beim internationalen Finale in Riga wird aber erstmals seit vielen Jahren mit dem russischen Girlie-Duo t.A.T.u. wieder ein internationaler Top-Act antreten. Die beiden jungen Sängerinnen haben zuletzt mit englischen Songs Charterfolge gelandet und durch ihre erotische Lesbenshow schon manchen Skandal produziert. Einige der europäischen Fernsehmacher befürchten, dass ihr elegantes Songfest von den Russinnen als Krawallbühne missbraucht werden könnte. Vielleicht gerade deshalb gelten die beiden Mädels bei den Buchmachern bisher als klare Favoritinnen - und möglicherweise sind sie auch ein Zuschauermagnet.
t.A.T.u. stehen exemplarisch dafür, wie sich der Grand Prix international in den vergangenen Jahren vom Schlagerwettbewerb zu einer Trend- und Popshow gewandelt hat. Lettland sicherte sich das Austragungsrecht mit dem Sieg der Sängerin Marie N, die im vergangenen Jahr mit modernem Latino-Sound und ausgefeilter Tanzshow gewann; 2001 war Estland mit einer Funk-Nummer erfolgreich.
Und auch in diesem Jahr scheinen andere Länder den Eurovision Song Contest, wie er offiziell heißt, moderner als in Deutschland zu begreifen. Spanien etwa suchte seinen Vertreter per mehrwöchiger Casting-Show. Wenn jetzt für die Südländer die Sängerin Beth in den Wettbewerb geht, haben ihre Landsleute sie schon lange ins Herz geschlossen. Die Finalsendung des spanischen Vorentscheids erreichte die Traumeinschaltquote von 40 Prozent.
Selbst Österreich, in der Grand-Prix-Geschichte bisher nicht eben mit progressiven Beiträgen aufgefallen, schickt mit Alf Poier einen singenden Kabarettisten ins Rennen. Die Band Ich Troje überraschte, als sie sich gleichzeitig beim deutschen und polnischen Vorentscheid bewarb. Jetzt tritt Ich Troje für Polen an - mit dem mehrsprachigen Lied «Keine Grenzen». Gastgeber Lettland stellt die Band F.L.Y., die mit dem Song «Hello From Mars» selbstironisch aufmerksam machen auf ihr bisher eher unbekanntes Heimatland, das 2004 der EU und NATO beitreten will.
Die Rigaer Fernsehchefs sehen den Grand Prix daher vor allem auch als Chance, Lettland einem Weltpublikum vorzustellen. «Wir haben alles vorbereitet, es kann losgehen», sagt Solvita Vevere, Sprecherin des mitveranstaltenden lettischen Staatsfernsehens LTV. «Magisches Rendezvous» heißt das Motto der lettischen Eigenwerbung: Lieder, Blumen und Romantik sollen in Kurzfilmen den baltischen Staat mit seinen 2,3 Millionen Einwohnern und die Haupstadt Riga (750_000 Einwohner) als Tourismusziel und moderne Reformdemokratie zeigen.
Schon jetzt bieten Souvenirhändler in Riga vom T-Shirt bis zum Schlüsselanhänger so ziemlich alle typischen Fan-Gegenstände mit dem Eurovisions-Emblem an, in einigen Bars werden farbenfrohe Grand-Prix- Cocktails gemixt. «Es gibt so etwas wie eine Eurovisions-Stimmung in der Stadt», schwärmt Vevere. Selbst Staatspräsidentin Vaira Vike- Freiberga will zum Finale kommen. «Für uns als kleiner Staat war die Organisation eines solchen Ereignisses Neuland», sagt Vevere und fügt stolz hinzu: «Aber jetzt, nach all den Monaten Arbeit, bin ich mir sicher, dass es ein Musikfest wird.»
www.ndrtv.de/grandprix
g7
Riga (dpa) - Die lettische Hauptstadt Riga fiebert dem musikalischen Traditionswettbewerb Grand Prix entgegen. Tausende von Fans und Journalisten werden erwartet, um dem TV-Großereignis wie in jedem Jahr zu Aufmerksamkeit und Glanz zu verhelfen. 26 Länder schicken ihre Interpreten an diesem Samstag in den Liederstreit um die europäische Musikkrone. Etwa 100 Millionen Zuschauer verfolgen das Spektakel üblicherweise live am Fernseher.
Aber in Deutschland hat der Eurovision Song Contest 2003 offenbar an Bedeutung verloren: Nur zehn Prozent der Bundesbürger wollen nach einer repräsentativen Umfrage der Programmzeitschrift «TV Spielfilm» den Fernseher einschalten, wenn die rothaarige Sängerin Lou mit ihrem Song «Let's Get Happy» versucht, das vorjährige Grand-Prix-Debakel von Corinna May wiedergutzumachen, die abgeschlagen auf dem 21. Platz landete.
Doch nur ein Prozent der Befragten träumte der Umfrage zufolge noch vom deutschen Sieg, 33 Prozent kannten den Song nicht einmal. Beim deutschen Grand-Prix-Partner, dem Norddeutschen Rundfunk (NDR), schiebt man - wenn auch hinter vorgehaltener Hand - die Mitschuld auf Schlager-Urgestein Ralph Siegel, der Lous Lied kreierte und damit schon zum 16. Mal Finalteilnehmer betreut. In Konkurrenz zu dem modernen Image von Shows wie «Deutschland sucht den Superstar» konnte sich die deutsche Qualifikation zudem nicht behaupten, zu bieder erscheint vielen Fans die Komponisten-Gala.
Beim internationalen Finale in Riga wird aber erstmals seit vielen Jahren mit dem russischen Girlie-Duo t.A.T.u. wieder ein internationaler Top-Act antreten. Die beiden jungen Sängerinnen haben zuletzt mit englischen Songs Charterfolge gelandet und durch ihre erotische Lesbenshow schon manchen Skandal produziert. Einige der europäischen Fernsehmacher befürchten, dass ihr elegantes Songfest von den Russinnen als Krawallbühne missbraucht werden könnte. Vielleicht gerade deshalb gelten die beiden Mädels bei den Buchmachern bisher als klare Favoritinnen - und möglicherweise sind sie auch ein Zuschauermagnet.
t.A.T.u. stehen exemplarisch dafür, wie sich der Grand Prix international in den vergangenen Jahren vom Schlagerwettbewerb zu einer Trend- und Popshow gewandelt hat. Lettland sicherte sich das Austragungsrecht mit dem Sieg der Sängerin Marie N, die im vergangenen Jahr mit modernem Latino-Sound und ausgefeilter Tanzshow gewann; 2001 war Estland mit einer Funk-Nummer erfolgreich.
Und auch in diesem Jahr scheinen andere Länder den Eurovision Song Contest, wie er offiziell heißt, moderner als in Deutschland zu begreifen. Spanien etwa suchte seinen Vertreter per mehrwöchiger Casting-Show. Wenn jetzt für die Südländer die Sängerin Beth in den Wettbewerb geht, haben ihre Landsleute sie schon lange ins Herz geschlossen. Die Finalsendung des spanischen Vorentscheids erreichte die Traumeinschaltquote von 40 Prozent.
Selbst Österreich, in der Grand-Prix-Geschichte bisher nicht eben mit progressiven Beiträgen aufgefallen, schickt mit Alf Poier einen singenden Kabarettisten ins Rennen. Die Band Ich Troje überraschte, als sie sich gleichzeitig beim deutschen und polnischen Vorentscheid bewarb. Jetzt tritt Ich Troje für Polen an - mit dem mehrsprachigen Lied «Keine Grenzen». Gastgeber Lettland stellt die Band F.L.Y., die mit dem Song «Hello From Mars» selbstironisch aufmerksam machen auf ihr bisher eher unbekanntes Heimatland, das 2004 der EU und NATO beitreten will.
Die Rigaer Fernsehchefs sehen den Grand Prix daher vor allem auch als Chance, Lettland einem Weltpublikum vorzustellen. «Wir haben alles vorbereitet, es kann losgehen», sagt Solvita Vevere, Sprecherin des mitveranstaltenden lettischen Staatsfernsehens LTV. «Magisches Rendezvous» heißt das Motto der lettischen Eigenwerbung: Lieder, Blumen und Romantik sollen in Kurzfilmen den baltischen Staat mit seinen 2,3 Millionen Einwohnern und die Haupstadt Riga (750_000 Einwohner) als Tourismusziel und moderne Reformdemokratie zeigen.
Schon jetzt bieten Souvenirhändler in Riga vom T-Shirt bis zum Schlüsselanhänger so ziemlich alle typischen Fan-Gegenstände mit dem Eurovisions-Emblem an, in einigen Bars werden farbenfrohe Grand-Prix- Cocktails gemixt. «Es gibt so etwas wie eine Eurovisions-Stimmung in der Stadt», schwärmt Vevere. Selbst Staatspräsidentin Vaira Vike- Freiberga will zum Finale kommen. «Für uns als kleiner Staat war die Organisation eines solchen Ereignisses Neuland», sagt Vevere und fügt stolz hinzu: «Aber jetzt, nach all den Monaten Arbeit, bin ich mir sicher, dass es ein Musikfest wird.»
www.ndrtv.de/grandprix
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